Protocol of the Session on January 30, 2014

europäischen und außereuropäischen Ländern nach Sachsen-Anhalt, um hier ihren Lebensabend zu verbringen; es kommen junge Menschen, die hier arbeiten und leben wollen. Die positive Entwicklung darf nicht verkannt werden. Sie muss gefördert werden. Sie darf nicht verspielt werden, indem das Land systematisch unattraktiv gemacht wird - für junge Familien, für Kulturschaffende, für Forschung und Wissenschaft sowie für Unternehmen, die das Land lebenswert machen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zuwanderung ist ein wichtiger Faktor für eine alternde Gesellschaft. Zuwanderung belebt und Zuwanderung stärkt eine Gesellschaft. Dafür benötigen wir eine Willkommenskultur im Land SachsenAnhalt. Es ist schön, dass die Landesregierung dies erkannt hat.

Auf Seite 13 der Antwort gerät die Landesregierung geradezu ins Schwärmen über unsere liebenswerten Städte und Dörfer, die fruchtbaren Böden und die wunderschöne Landschaft, die Sachsen-Anhalt bietet. Dann lassen Sie uns die Menschen einladen, die hierher kommen möchten. Lassen Sie uns ihnen eine Zukunft geben, eine schnelle Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse. Lassen Sie uns ihnen nicht nur einen Arbeitsplatz geben, sondern lassen wir sie teilhaben an unserem Leben in unseren liebenswerten Städten und Dörfern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zählt zu einer wahren Willkommenskultur, und nicht die Diskussion über die wirtschaftliche Nützlichkeit mit diesen oder jenen Berufsabschlüssen. Die Landesregierung sollte aber auch nicht versuchen, den Schwarzen Peter auf den Bürger abzuschieben, wenn sie auf Seite 14 schreibt, dass dieser erst einmal die Zuwanderung wollen müsse. Es ist die Landesregierung, die die Zuwanderung wollen und ermöglichen muss.

Es muss auch über Wege der legalen Zuwanderung von Nicht-EU-Bürgern, über den Umgang mit Nazi-Aufmärschen - das hatten wir aktuell und wir haben auch noch einiges vor uns -, für die die Polizei sogar die gesamte Landeshauptstadt lahmgelegt hat, über Integrationsprojekte und andere Dinge mehr gesprochen werden, die alle Bürgerinnen und Bürger mit einbeziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Öffentliche Daseinsvorsorge und Kommunen. Den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen und dabei insbesondere die öffentliche Daseinsvorsorge im ländlichen Raum sicherstellen zu wollen, ist die zweite Verlautbarung der Landesregierung in ihrer Antwort. Das Rückgrat der öffentlichen Daseinsvorsorge sind die Kommunen. Und die Kommunen sind es, die den demografischen Wandel als erste zu spüren bekommen.

Die Förderrichtlinie zur Gestaltung des demografischen Wandels, die es den Kommunen ermöglicht, einzelne Projekte zur Verbesserung der Daseinsvorsorge umzusetzen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie löst jedoch nicht das Problem der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen im Land.

Wenn über die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge gesprochen wird, muss auch über die Erhöhung der Landeszuweisungen an die Kommunen gesprochen werden. In diesem Jahr sind die FAG-Mittel gegenüber dem Vorjahr wiederum um 30 Millionen € reduziert worden. DIE LINKE bekräftigt ihre Forderung danach, das Niveau der Ausgleichszahlungen wenigstens wieder auf das Niveau der Jahre 2007 und 2008 und somit auf 1,7 Milliarden € zu heben.

Initiativen mit den Kommunen. Das fehlende Geld für die Kommunen ist das eine; das andere sind die organisatorische Unterstützung der Kommunen und ein Dialog zwischen Gemeinden, Landkreisen und Land. Hierzu bietet der Bericht zahlreiche Hinweise auf Arbeitskreise, einen Demografiepreis, einen Demografiebeirat, eine Demografieallianz. Den TÜV habe ich vergessen. In der Aufzählung fehlt in meinen Augen nur noch eine DemografieTask-Force oder eine jährliche Demografiegala, auf der man dann die Preise verteilen könnte.

(Beifall bei der LINKEN)

Die praktischen Ergebnisse der emsig gebildeten Arbeitsgruppen halten sich mit Ausnahme einiger Projekte der Förderrichtlinie Demografie jedoch in Grenzen. Es gab Vorstandssitzungen, es gab Beiratssitzungen, es gab Arbeitskreissitzungen, sogar einen vierteljährlichen Newsletter namens „Demograf“.

Die Ergebnisse sind: angeschobene Diskussionen, vorsichtige Empfehlungen ins Ungefähre, viele Könnte-man-mal-machen-Formulierungen und zahlreiche Schwierigkeiten in der konkreten Umsetzung der Empfehlungen.

Eine innovative und zukunftsorientierte Gestaltung von Lösungsansätzen muss mehr vorweisen können. Die tatsächliche Wirksamkeit der Demografieprojekte der Landesregierung wurde weder für diese noch für die vorherige Legislaturperiode überhaupt überprüft.

Initiativen mit anderen Bundesländern. Der Blick über die Landesgrenze kann durchaus lohnend sein. Mit Sachsen und Thüringen gab es vor drei Jahren einen mitteldeutschen Demografiedialog. Ich frage mich, wieso Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nicht gefragt wurden.

(Herr Borgwardt, CDU: Weil das nicht Mittel- deutschland ist!)

Allemal interessant ist das Eckpunktepapier, die sogenannte Erfurter Erklärung. Hierin werden un

ter Punkt 3 insbesondere die Kommunen aufgefordert, Projekte zur Gestaltung des demografischen Wandels zu entwickeln - eine Erklärung, die von Ministern und Kommunen unterzeichnet wurde. Wie die Kommunen jedoch dabei unterstützt werden sollen, fand ich leider nicht.

Unter den Punkten 4 und 5 gelangen richtigerweise die Kommunen im ländlichen Raum in den Fokus:

„Der Schwerpunkt verantwortungsvoller Demografiepolitik muss auf den ländlichen Raum gelegt werden.

Der demografische Wandel darf nicht zum Substanzverzehr im ländlichen Raum führen.“

Aha. Was heißt das für die medizinische Versorgung, leerstehende Schulgebäude, die allgemeine Infrastruktur?

„In den nächsten Jahren gilt es, den Abwanderungstrend nicht nur zu stoppen, sondern Mitteldeutschland zur Zukunftsregion zu machen.“

Hört, hört! Auch das ein Zitat.

Eines erschließt sich mir nicht: Wie passen radikale Hochschulkürzungspolitik und Kulturkürzungen der Landesregierung in dieses Bild der Zukunftsvision?

(Beifall bei der LINKEN)

Grüne Wiese mit Zukunft, wird die Altmark jetzt medienwirksam genannt. Eine grüne Wiese ohne Schulen, ohne Theater, ohne lebenswertes Stadt- und Dorfzentrum, das mag eine Zukunft für eine Autobahn haben, aber nicht für Menschen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Zeit rennt. Ich möchte noch kurz etwas zum Thema ÖPNV sagen. Laut Antwort der Landesregierung auf den Seiten 37 bis 41 wird die Zahl der Menschen, die aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen auf den ÖPNV angewiesen sind, steigen. Aber die Lobpreisung auf das Modell der Rufbusse und auf die Vernetzung mit Carsharing- und E-Bike-Angeboten ist halbherzig, denn diese werden im Prinzip nur als Ergänzung dessen, was wegbricht, gesehen, aber nicht als Ergänzung der vorhandenen Angebote. Mobilität ist Lebensqualität und öffentlicher Nahverkehr ist Daseinsvorsorge. Das ist aber nur ein Teil.

Da die Redezeit fast vorbei ist, möchte ich Ihnen eine Botschaft unbedingt mit auf den Weg geben: Wenn das so weitergeht, dass man mit dem Begriff der Daseinsvorsorge entscheidend Haushaltspolitik und Landespolitik begründet, dann werden Sie uns als LINKE auf den Plan rufen, denn das werden wir nicht mitmachen.

Ich möchte kurz noch ein Gleichnis nennen, weil die Redezeit jetzt schon beinahe überzogen ist.

(Herr Scheurell, CDU: Was?)

Ein Mensch, der in einen Kühlschrank schaut, in dem nur noch Licht ist, wird sich Fragen stellen und wird Antworten brauchen. Wenn er diese dort, wo er wohnt, nicht bekommt, wird er sich die Antworten woanders suchen.

Deswegen will ich dem Minister nur sagen: Dieser Plan, dieses Rezept ist so schwer nicht. Die Lösungen stecken eigentlich genau in diesen Antworten. Das heißt, wir brauchen eine andere Politik. Denn Demografie ist Widerspiegelung von erfolgreicher Landespolitik oder von nicht erfolgreicher Landespolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Hoffmann, es gibt eine Frage vom Kollegen Barthel.

Herr Kollege Hoffmann, ich gebe zu, ich habe Ihre Schlussfolgerungen überhaupt nicht nachvollziehen können. Auch nicht die Drohung der LINKEN, dass wir, wenn das so weitergeht, die LINKE auf den Plan rufen. Ich will bloß noch einmal zusammenfassen, was Inhalt Ihrer Rede war, und habe dann die Frage, wie Sie zu diesem Schluss kommen.

Sie haben gerade selber gesagt, dass sich Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren im Bereich der Demografie wesentlich positiver entwickelt hat, als es die Prognosen gesehen haben. Wir haben sowohl beim Wanderungssaldo als auch was den Nettobevölkerungsverlust angeht deutlich mehr Menschen in Sachsen-Anhalt. - Der Zensus hat uns gezeigt, dass das kein Selbstläufer war, sondern dass es andere Bundesländer gibt, die deutlich mehr Einwohner verloren haben. Das hat uns einen satten Überschuss im Haushalt mit ZensusNachzahlungen beschert.

Es ist so, dass die Regierungskoalition seit acht Jahren regiert und dass das Thema Demografie immer wieder strategisch im Ministerium von Herrn Minister Webel bearbeitet wird. Für mich sieht das so aus, als ob die Maßnahmen, die die Landesregierung getroffen hat, gefruchtet haben und darin gemündet sind, dass wir jetzt wesentlich besser dastehen, als es die Voraussagen, die teilweise ein sehr düsteres Bild gezeichnet haben, vermuten ließen.

Wenn der Trend aufwärts geht, bin ich, ehrlich gesagt, dafür, dass man weitermacht und dass man das Thema strategisch weiterhin so bearbeitet, dass wir tatsächlich an die Stelle kommen, dass

wir in Sachsen-Anhalt einen ausgeglichenen Wanderungssaldo haben, dass die Leute durch Zuzug das Land besiedeln und dass unsere Hochschulen weiterhin so rappelvoll bleiben, wie sie es in diesem Jahr sind. Wir haben Rekordzahlen zu verzeichnen. Das alles widerspricht Ihrer Analyse.

Ich will jetzt von Ihnen wissen: Woher nehmen Sie die Schlussfolgerung, dass diese Landesregierung in der Vergangenheit alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um die Attraktivität des Landes zu verschlechtern? Und wie erklären Sie sich, dass das offenbar die Menschen, die nach Sachsen-Anhalt ziehen, nicht verstanden haben, sondern dass sie eher den Eindruck haben, dass Sachsen-Anhalt ein lebenswertes Land ist? - Das ist im Übrigen auch der Eindruck meiner Fraktion.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Ich will Ihnen auf Ihre Frage gern antworten. Ich nehme ein Beispiel, das der Ministerpräsident bei der Demografiekonferenz genannt hat. Er hat sich da zum Beispiel auf das Thema des Projektes PFIFF bezogen. Das ist ein Projekt, das gezielt versucht, das Thema Fachkräfte anzugehen und Leute, die weggezogen sind, anzusprechen und zu animieren, wieder herzukommen. Ich habe dieses Projekt selbst mit bearbeitet oder zumindest ein Stück weit begleitet, denn es fand bei meinem Arbeitgeber statt.

Ich kenne bestimmte Szenarien, dass Menschen, die auf dieses Projekt reagiert haben, in unseren Räumlichkeiten standen und vermittelt werden wollten. Sie dachten, sie kriegen eine Arbeit angeboten. Sie haben am Ende aber leider auch erlebt, dass sie wieder in die Arbeitslosigkeit gingen, nur mit dem Unterschied: Sie bekamen einen KitaPlatz. - Das war für den einen oder anderen schon ein Gebrauchswert, weshalb er gesagt hat: Da gehe ich nach Anhalt, da ist das für mich kein Problem. - Deswegen heißt das noch lange nicht, dass diejenigen eine gesicherte Perspektive haben, mit der sie zufrieden sind.

Ich will auch Folgendes sagen. Es ist ähnlich wie bei der Pisa-Studie. Als der Pisa-Bericht herauskam und wir uns alle in Bezug auf die Bildung sehr schlecht gefühlt haben, hat es sehr schnell Maßnahmen gegeben, daran etwas zu ändern. Okay. Eine Weile später gab es dann auch die eine oder andere Entwicklung. Das heißt, in dem Ranking der Bundesländer verschoben sich verschiedene Positionen. Auch die Stellung Deutschlands im Ranking innerhalb Europas veränderte sich leicht, aber wir waren nicht bei den Guten. Wir waren besser als vorher, aber wir waren nicht gut.

Was ich nicht möchte, ist, dass wir, wenn wir im Ansatz ein paar positive Trends erkennen, von denen man sagen kann, da reagieren Menschen auf

Angebote, am Ende vielleicht versuchen, uns in die Tasche zu hauen oder uns ein bisschen zu beruhigen - „zu schwindeln“ will ich nicht sagen, aber zumindest eine Beruhigungspille zu schlucken -, indem wir sagen, dass wir damit schon auf einem guten Weg sind. Das reicht nicht.

Ich will sagen: Das, was wir mit dieser Demografiepolitik betreiben, wie wir sie verstehen - offensichtlich unterschiedlich -, ist so etwas wie die sich selbst erfüllende - wie sagt man?