Protocol of the Session on January 30, 2014

welche sich in Vertretung der Tiere für die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben des Tierschutzes einsetzen, auch die dafür erforderlichen Instrumente der Mitwirkung und die erforderlichen Klagemöglichkeiten einräumt.

(Zustimmung von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Die SPD hatte deshalb in ihre Wahlversprechen zur Bundestagswahl das Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen aufgenommen, um diese Möglichkeiten zukünftig auch für die Tierschutzverbände zu gewährleisten. Zu diesem Anliegen steht auch die SPD-Landtagsfraktion. Ebenso wie die Bundestagsfraktion haben wir als kleiner Koalitionspartner das Problem, dass wir uns bislang gegenüber der CDU in dieser Frage nicht durchsetzen konnten.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Tja!)

Allerdings hat die CDU-Fraktion hier im Landtag kürzlich das schon angesprochene Positionspapier zum Tierschutz vorgestellt, das nach meiner Lesart die Einführung eines Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine durchaus rechtfertigt. Jedenfalls lese ich das so unter Punkt 5 des Positionspapiers.

Aus unserer Sicht bedarf es zusätzlich der Erarbeitung einer rechtssicheren Definition zum Tierwohl und zur Umweltverträglichkeit, um Klagen gegen Investitionsvorhaben bei Tierproduktionsanlagen weitestgehend vorzubeugen.

In diesem Sinne ist auch eine gesellschaftliche Debatte über Tierbestandsobergrenzen je Fall zu führen. Wir werden uns dieser Debatte jedenfalls nicht verschließen - im Gegenteil. Dennoch möchte ich klarstellen, dass der SPD nicht daran gelegen sein kann, dass die Tierproduktion als Bestandteil der Wertschöpfungskette - vor allem in unseren ländlichen Räumen - ins Ausland abwandert, wo die Standards für den Tierschutz oft niedriger sind oder wo deren Einhaltung noch weniger kontrolliert wird als bei uns. Das hilft weder dem Tierschutz noch den Verbrauchern und schon gar nicht den Landwirten.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Worte zum vorliegenden Gesetzentwurf sagen. Dieser ist in großen Teilen von dem Gesetz in Nordrhein-Westfalen abgeschrieben. Interessant sind die Abweichungen. Ich halte es für überzogen, wenn suggeriert wird, dass es Behörden gebe, die die Wahrnehmung der Mitwirkungs- und Informationsrechte behinderten. Dieser Pauschalverdacht geht meines Erachtens zu weit.

Auch das Weglassen des Satzes nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 dürfte problematisch sein. Ich bin sicher, dass sich der Verfasser in Nordrhein-Westfalen etwas dabei gedacht hat, wenn er die Klagemöglichkeit auf eine Feststellungsklage begrenzt.

Ich komme nicht umhin festzustellen, dass die Abweichungen von dem Gesetz in Nordrhein-Westfalen dem hier vorgebrachten Anliegen eher schaden als nützen. Das muss ich leider sagen. Dennoch halte ich grundsätzlich das Anliegen, ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände in Sachsen-Anhalt auf den Weg zu bringen, für richtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluss: Die SPD-Landtagsfraktion plädiert dafür, in den Ausschüssen eine intensive Beratung durchzuführen. Wir sind uns darin einig, dass wir hinsichtlich der Belange des Tierschutzes auch in der Nutztierhaltung Nachholebedarf haben. Bei all dem steht das Tierwohl im Vordergrund. Es kommt nun darauf an, einen gemeinsamen Weg zu finden.

In diesem Sinne beantrage ich die Überweisung des Gesetzentwurfs zur federführenden Beratung in die Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Inneres und Sport, für Umwelt, für Landesentwicklung und Verkehr, für Arbeit und Soziales sowie für Recht, Verfassung und Gleichstellung. Ich hoffe, ich habe alle genannt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Frau Kollegin, könnten Sie die Ausschüsse wiederholen?

Mit der Federführung sollte der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beauftragt werden, mit der Mitberatung die Ausschüsse für Inneres und Sport, für Umwelt, für Landesentwicklung und Verkehr, für Arbeit und Soziales sowie für Recht, Verfassung und Gleichstellung.

Vielen Dank, Frau Kollegin Hampel. - Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Frederking.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! § 2 des Tierschutzgesetzes fordert eine artgerechte Tierhaltung. Die Behörden sind dafür zuständig, dass diese Vorgaben zum Tierschutz durchgesetzt werden. Aber was ist, wenn die Behörden, aus welchen Gründen auch immer, versagen? Wer ist dann Anwalt für die Tiere?

Harry Truman sagte einmal: Präsident sollte nur jemand werden dürfen, der auch Schweine versteht. - Herr Präsident, ich gehe davon aus, dass Sie diese Voraussetzung erfüllen.

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Mir wäre das neu, aber gegen Ihre Voraussetzungen kann ich mich natürlich schlecht wehren.

Aber ich frage mich: Schaffen Sie es, sich für all die armen Schweine einzusetzen, deren Rechte verletzt werden? - Mit Blick auf Ihren vollen Terminkalender erlaube ich mir, die Antwort selbst zu geben: Nein. - Was nun?

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf unterbreitet die Fraktion DIE LINKE einen Lösungsvorschlag. Das Tierschutzverbandsklagerecht gibt anerkannten Tierschutzverbänden die Möglichkeit, tierschutzrelevante Entscheidungen von Behörden gerichtlich überprüfen zu lassen. Wenn Verbände meinen, dass die Behörden den Tierschutz nicht in ausreichendem Maße durchsetzen, können sie auf die Behörden zugehen. Sie können Hinweise geben und können, wenn nichts passiert, klagen.

Das Staatsziel Tierschutz muss konsequent umgesetzt werden. Dieser Gesetzentwurf ist ein geeigneter Baustein dafür. Heute ist es so, dass zwar der Tierhalter gegen ein Zuviel an Tierschutz bei behördlichen Anordnungen oder bei der Verweigerung von Genehmigungen klagen kann, doch für die Tiere gibt es keine Stimme bei Gericht. Dieses rechtliche Ungleichgewicht zum Nachteil der Tiere muss abgeschafft werden. Dafür braucht es ein Tierschutzverbandsklagerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Dann könnten anerkannte Tierschutzverbände klagen, sowohl bei Verstößen gegen messbare Kriterien wie zum Beispiel die erforderliche Bodenfläche, aber auch bei Verstößen gegen das Tierschutzziel an sich, das ja nicht konkret ausgeführt ist. Es eröffnet Auslegungsspielräume mit Formulierungen wie „verhaltensgerechte Unterbringung“ oder „kein Schaden durch Einschränkung der Bewegung“.

Mit einer solchen Klagemöglichkeit hätte beispielsweise auch gegen die frühere Hennenhaltungsverordnung, die einen Platzbedarf von einem Dreiviertel-DIN-A4-Blatt pro Huhn vorsah, geklagt werden können. Ein Verwaltungsgericht hätte dann schon viel früher feststellen können, dass diese Haltungsform gegen den Tierschutz verstößt und damit rechtswidrig ist.

Mit dem Verbandsklagerecht könnte nun gerichtlich überprüft werden, ob das Kürzen der Schnäbel bei Hühnern, das Abschneiden der Ringelschwänze bei Schweinen oder das massenhafte Töten von Eintagsküken in Brütereien mit den Zielen des Tierschutzes vereinbar ist.

Es geht nicht darum, Investitionen zu verhindern. Im Gegenteil: Investitionen in Tierhaltungsanlagen

finden mehr Akzeptanz in der Bevölkerung, wenn Tierwohl und Tiergesundheit ausreichend Berücksichtigung gefunden haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Stärke der vorliegenden Gesetzesinitiative liegt aber auch in den Mitwirkungs- und Informationsrechten, die einer Klage sinnvollerweise vorgeschaltet sind. Dazu gehören unter anderem auch die Akteneinsicht und natürlich, dass die Verbände gegenüber den Behörden Anregungen geben können. Einige Punkte aus dem Gesetzentwurf kann man aufgreifen, um auch im bestehenden Verbandsklagerecht für Umwelt- und Naturschutzverbände Verbesserungen zu erreichen.

Als bündnisgrüne Fraktion setzen wir uns für eine Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen bei den Nutztieren ein. Herr Aeikens, um für das Thema zu sensibilisieren und eine Debatte anzustoßen, werden wir auf einer Karte diejenigen Tierhaltungsanlagen darstellen, die nach dem BundesImmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig sind. Das ist ein objektives Kriterium.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das sind Realitäten. Herr Aeikens, wieso wehren Sie sich gegen Informationen und Transparenz? Niemand, auch nicht die Betreiberinnen und Betreiber von Tierhaltungsanlagen, sollte ein Interesse daran haben, dass die Fleischproduktion im Verborgenen stattfindet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb unterstützen wir den Gesetzentwurf, dem ja eine gute Grundlage von den Grünen aus Nordrhein-Westfalen zugrunde liegt. Die CDU könnte nun Gleiches tun. Das wäre ein erster Lackmustest nach ihren jüngsten Tierschutzbekundungen, wobei ich befürchte: Außer Thesen nichts gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn bisher hat sich die CDU nicht mit Ruhm bekleckert, wenn es um den Tierschutz ging. Stattdessen hat sie gute Vorschläge kategorisch abgelehnt. Wir haben in unseren Anträgen etliche Vorschläge eingebracht, beispielsweise auch in die Diskussion um die Bauordnung.

Wenn selbst der Präsident des Landesbauernverbandes sagt, dass über zwei Jahre lang mit Schweinen und Eiern faktisch kein Geld verdient werden konnte, dann ist das ein weiterer Beleg dafür, dass sich in der Tierhaltung etwas ändern muss. Die Bedürfnisse von Kuh, Schwein und Huhn müssen in den Mittelpunkt gestellt werden. Das darf auch etwas kosten. Nur so können anständige Erzeugerpreise erzielt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Danke schön. - Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Stadelmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um zu wissen, wohin man will, ist gelegentlich ein Blick dahin, woher man kommt, hilfreich. Wenn ich meinen fast 80-jährigen Vater frage, was für einen Salat er am liebsten isst, dann kommt ganz spontan die Antwort: Fleischsalat.

Das ist die Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Das ist einfach so. Mein Vater und meine Brüder sind Handwerker, sind Brunnenbauer. - Da wiegt solch ein Gestängeschlüssel schon mal 20 kg, und da nützt kein Tablet-PC und keine Cloud, sondern das Loch muss in die Erde, und man muss das Gerät in die Hand nehmen. - Sie müssen Fleisch essen und sie wollen Fleisch essen.

Wir hatten als Kinder zu Hause einen Hund, der sich um die Hühner zu kümmern hatte. Wir hatten eine Katze, die die Mäuse fangen sollte, damit diese den Kaninchen nicht das Futter wegfressen. Mein Tierschutzbeitrag bestand, als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, darin, dass ich meine Lieblingskaninchen ein bisschen weiter hinten im Stall platziert habe, weil ich wusste, dass die Kaninchen vorn an der Tür zum Teil im Winter erfrieren.

Meine Damen und Herren! Wir sind die erste Generation in Deutschland, die das Wort Hunger eigentlich nicht mehr kennt. Das ist auch ein Verdienst unserer Landwirtschaft. Gleichzeitig - das sage ich auch an dieser Stelle - geht es den Menschen und den Tieren in Deutschland so gut wie niemals zuvor. Aber der Agrarmarkt - wir haben es schon von meinen Vorrednern gehört, und es ist unbestritten -, die Tier- und Pflanzenproduktion sind globalisiert. Unsere Landwirte stehen im internationalen Wettbewerb, einem Wettbewerb, in dem nicht weltweit die gleichen Standards für den Tierschutz und das Tierwohl gelten wie bei uns.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ich verteidige nicht die Verstöße gegen gesetzliche Normen aus Profitinteresse, sondern ich werbe um Verständnis für unsere Landwirte, die in einem schwierigen Umfeld wirtschaften, die aber selbst wissen, dass Klasse und nicht Masse nachhaltig ist, und die deshalb längst erkannt haben, was zu tun ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber jetzt kommen wir als Verbraucher ins Spiel, mit unserem Verhalten im Supermarkt, im Zoohandel und im Umgang mit Heimtieren. Die Tierärzte sagen, dass es die größten Probleme heute nicht mit den professionellen und dafür ausgebilde

ten, ja studierten Tierhaltern, also den Landwirten gibt, sondern im Heimtierbereich. Wenn ich höre, dass ein Hund vom Tierarzt keine Antibiotika bekommen soll und dass der Halter dann zu seinem Hausarzt geht, ein Tropfauge vortäuscht und für 80 € Antibiotika in der Apotheke kauft, um sie dem Hund zu verabreichen, dann muss ich sagen: Hier liegt etwas im Argen.

Damit kommen wir zu dem Knackpunkt der ganzen Angelegenheit, der Kontrolle. Verbandsklagen sind in Deutschland nichts Besonderes. Das Naturschutzrecht, das immer angeführt wird, ist nicht gerade das beste Beispiel, weil es bei den Klagen in der Regel nicht mehr um das Recht der Natur geht, sondern um Formfehler, Abgabetermine, ungenügende Beteiligung usw.

Die Verbandsklage gibt es im Verbraucherschutzrecht, die Verbandsklage gibt es im Schwerbehindertenrecht, immer dort, wo eine objektive Gesetzeslage der individuellen Betroffenheit gegenübersteht. Diese objektiven Normen vermitteln keinen subjektiven Rechtsschutz, aber die Verletzung dieser ist Voraussetzung für eine Klage vor Gericht.