Protocol of the Session on November 15, 2013

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

weil er damit privater Kommunikation und freier Entfaltung der Persönlichkeit den Boden entzieht. Wir sind in der NSA-Affäre noch lange nicht am Ende. Wir stehen am Anfang der Aufklärung. Ich bin froh, dass sich Hans-Christian Ströbele zu Edward Snowden auf den Weg gemacht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ströbele hat das vollbracht, was einer ganzen Bundesregierung angeblich unmöglich,

(Widerspruch bei der CDU)

tatsächlich aber schlicht und einfach zu unbequem war. Die Grundlage für eine Sachaufklärung ist damit gelegt. Wir brauchen nun unmittelbar einen Untersuchungsausschuss auf der Bundesebene. Edward Snowden muss vor diesem in Deutschland aussagen können. Als politisch Verfolgtem ist ihm dafür auch per se Asyl zu gewähren. Dafür sollte sich Sachsen-Anhalt stark machen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU)

Festzuhalten bleibt weiterhin: Deutsche Geheimdienste und Sicherheitsbehörden, soweit sie nicht gar selbst an den Spionageaktivitäten beteiligt waren und sind, sind offenbar nicht der Lage, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, die Kommunikation unserer Verfassungsorgane und

die Firmengeheimnisse effektiv vor Überwachung zu schützen.

Der Aufbau eines deutschen Internets wird daran nichts ändern und gaukelt Sicherheit vor, wo keine ist. Tatsächlich braucht es Schritte zur Verrechtlichung des weltweiten Internetverkehrs inklusive Bestimmungen, welche Befugnisse Sicherheitsbehörden dort haben und welche nicht.

Es braucht weiterhin technische Vorkehrungen, um Überwachung zu erschweren. Eingebaute Schnittstellen für eine geheimdienstliche Überwachung darf es gar nicht erst geben. Sichere Verschlüsselungsverfahren müssen massentauglich werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir werden auch unser Nutzungsverhalten verändern müssen. Datensparsamkeit und das Verwischen eigener Spuren im Netz scheinen Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu sein.

Von Sachsen-Anhalts Landesregierung erwarte ich, dass sie sich endlich den Herausforderungen der NSA-Affäre stellt und Anstrengungen unternimmt, die Bürgerinnen und Bürger, die Verfassungsorgane und die Wirtschaft vor Überwachung zu schützen. Prism, Tempora und Co. gehen uns alle etwas an, auch die Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Setzen Sie, Herr Haseloff, sich ebenso wie Ihr Kollege Winfried Kretschmann dafür ein, dass Edward Snowden in Deutschland Asyl bekommt. Es wäre ein Zeichen, dass Sie aus der Erfahrung eigener Überwachung gelernt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Herr Kollege Striegel, es gibt eine Nachfrage. Möchten Sie diese noch beantworten?

Sicherlich.

Herr Abgeordneter Wagner, bitte.

Herr Striegel, vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich kann alles, was Sie gesagt haben, teilen. Sie wissen, dass ich ein leidenschaftlicher Freund der Verschlüsselung der Kommunikation und der ITSicherheit bin. Sie haben gesagt, dass die Verschlüsselung massentauglich werden müsse. Daraus kann ich erkennen, dass sie es derzeit nicht ist. Das ist an und für sich eine Forderung, die man als Abgeordneter im politischen Raum durchaus

formulieren kann. Die Frage ist: Was soll denn Politik da tun?

Zunächst einmal, glaube ich, muss man feststellen: Sie ist per se durchaus massentauglich; sie wird aber nicht massentauglich angewendet. Die überwiegende Zahl der Nutzerinnen und Nutzer weiß eben nicht, was eine PGP-Verschlüsselung und ähnliche Dinge sind. Das sind tatsächlich Probleme, denen wir uns stellen müssen.

Ich könnte ja mal hier im Raum herumfragen, wie viele Abgeordnete die Software TrueCrypt nutzen, wie viele Abgeordnete tatsächlich ihre E-Mails verschlüsseln, ob irgendjemand mit sicheren Handys kommuniziert und Ähnliches. Das passiert viel zu wenig. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe als Politiker, hierbei mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir sollten diese Techniken selbst nutzen, um Überwachung an dieser Stelle zu erschweren.

Ich glaube auch, dass es unsere Aufgabe ist, diese Überlegung viel zeitiger und viel früher in unseren Bildungskanon einzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass Schülerinnen und Schüler ganz selbstverständlich auch mit Techniken groß werden und diese benutzen können, mit denen sie sich gegen Überwachung zur Wehr setzen können, damit das ein selbstverständliches Verhalten wird.

Ich glaube, es reicht nicht, wenn das sozusagen nur Expertenwissen ist. Da sind wir leider immer noch, obwohl wir inzwischen Techniken zur Verfügung haben, die das insgesamt relativ leicht machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Wir fahren fort. Für die Landesregierung spricht der Minister für Inneres und Sport.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Sie, Herr Striegel, Ihre Debatte eingereicht haben, habe ich mir überlegt, was wir seriöserweise dazu überhaupt sagen können. Ihre Ausführungen beruhen überhaupt nicht auf Tatsachen, weil wir keine Tatsachen haben.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Welche Tatsachen?)

- Hören Sie mir erstmal zu! - Sie nehmen das aus der Zeitung, aus Medienberichten, aber Sie sagen das ohne eine fundierte Kenntnis, die wir im Augenblick auch noch nicht haben, und nehmen das zum Anlass, eine Aktuelle Debatte zu

führen. Wenn man so etwas tut, dann erliegt man gelegentlich der Versuchung, das eine mit dem anderen zu verwischen und den anderen die Welt aus seiner ganz persönlichen Sicht zu erklären.

(Heiterkeit bei der CDU - Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Ich habe ein Stück weit die Vermutung, dass das weder die Amerikaner noch die Engländer, die Franzosen oder andere Länder interessieren wird, was Sie heute Morgen an dieser Stelle von sich gegeben haben.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Scheurell, CDU: Das kann nicht sein!)

Das ist ja betrüblich.

(Herr Scheurell, CDU: Ja!)

Es wäre ja auch schön gewesen - ich weiß nicht, wie spät es jetzt in den USA ist -, wenn sich Obama das einmal angehört hätte.

(Herr Scheurell, CDU: Ja!)

Ob das aber etwas geändert hätte, weiß ich nicht.

Sie müssen zwei Dinge trennen - ich erkläre das auch gleich -: Die eine Frage betrifft die IT-Sicherheit. Dazu habe ich neulich im Übrigen keine Rede, sondern einen fachlich fundierten juristischen Vortrag gehalten. Und über Kriege müssen wir uns in Sachsen-Anhalt keine Gedanken machen, weil wir - Gott sei Dank - keinen Verteidigungsminister haben und auch keine eigene Armee.

Aber Nationen werden zukünftig, wenn Kriege geführt werden, diese auch über IT-Technik führen. Das müssen Sie einfach schlicht und ergreifend zur Kenntnis nehmen, weil sich die militärische Situation verändert. Das waren Ausführungen, die mit Sachsen-Anhalt gar nichts zu tun haben.

Die zweite Frage der IT-Sicherheit ist ein eigenes Thema, das ich gern im Innenausschuss bereden möchte, weil es für Unternehmen wichtig ist, sich gegen solche Risiken vernünftig abzusichern, weil sie bei einem Organisationsverschulden des Unternehmens selbst in Haftungsrisiken nach § 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes kommen. Dieser Tatbestand ist bewehrt mit einer Geldstrafe von bis zu 1 Million €, unabhängig davon, dass noch haftungsrechtliche Fragen hinzukommen. Das ist ein sehr eigenes Thema.

Zu dem eigentlichen Thema der NSA-Affäre. Nach dem Bekanntwerden der gegen die Nachrichtendienste der USA und Großbritannien erhobenen Vorwürfe im Juni 2013, Metadaten von Kommunikationsverbindungen von US-amerikanischen Providern abgefordert, ausgewertet und gespeichert zu haben sowie technische Aufklärung an innerdeutschen Kommunikationsknotenpunkten betrie

ben zu haben, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im Juli 2013 eine Sonderauswertungsgruppe in der Abteilung Spionageabwehr eingerichtet. Also ist etwas passiert. Aber es ist eben dort passiert, wo es hingehört, nämlich auf der Bundesebene.

Dazu gehört auch, dass es guter Grundsatz ist, dass man befreundete Dienste nicht beobachtet und auch nicht abhört. Das gilt im Übrigen auch für Sachsen-Anhalt. Ich gebe Ihnen in einem Punkt Recht: Wenn sich die Amerikaner an diese diplomatischen Grundregeln nicht halten, ist das - ich bleibe in der Diplomatensprache - ein unerfreulicher und unhöflicher Akt.

Ich glaube, in dem Punkt sind wir uns auch in diesem Hause einig, dass es nicht üblich ist und nicht diplomatischer Usus, dass unter befreundeten Staaten gegeneinander spioniert wird. Das ist ein diplomatisches Gebot. Das hat in Berlin dann auch in der Korrespondenz mit den anderen Ländern auf diplomatischer Ebene zu erfolgen. Deshalb können wir - Sie haben die Kleine Anfrage angesprochen - Ihnen auch keine Auskünfte geben, weil wir in Sachsen-Anhalt selbstverständlich nicht den amerikanischen Nachrichtendienst oder gar Amerika ausspionieren.

Wir erhalten natürlich Informationen aus der Volksrepublik China, von nordafrikanischen Nachrichtendiensten, von denen wir wissen, dass von dort aus Wirtschaftsspionage betrieben wird, wovor wir hiesige Unternehmen auch warnen. Aber wir betreiben es eben nicht gegenüber befreundeten Nachrichtendiensten.

Im Übrigen, Herr Striegel, ist aus der öffentlichen Berichterstattung, die wir auch in unserem Haus lesen, nicht zu entnehmen, was denn bei der NSAGeschichte genau passiert ist und welchen brisanten Inhalte abgehört wurden. Das wissen wir im Augenblick schlicht und ergreifend nicht. Wir wissen auch nicht, welche Telefonate der Bundeskanzlerin abgehört worden sind. Wir kennen den Inhalt schlicht und ergreifend nicht.

Ich glaube, es wäre auch verfehlt, bei all den diplomatischen Verwicklungen, die aber nicht wir hier in unserem kleinen Bundesland zu entscheiden haben, eine Hysterie zu erzeugen, dass die Bürgerin und der Bürger in Sachsen-Anhalt glaubt, der amerikanische Nachrichtendienst interessiert sich für private Gespräche von Frau Meyer mit Herrn Müller.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU - Zu- ruf von der LINKEN: Ja!)