Protocol of the Session on November 15, 2013

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU - Zu- ruf von der LINKEN: Ja!)

Ich glaube, so wichtig sind wir hier alle nicht. Ich glaube auch nicht, dass die Amerikaner ein Interesse daran haben, wenn wir beide ein Telefonat führen, dieses abzuhören. So wichtig bin ich nun auch nicht.

(Herr Scheurell, CDU: Nee, aber Herr Strie- gel! - Heiterkeit bei der CDU - Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Insofern sollte das zunächst in einem auf der Bundesebene zu konstituierenden Ausschuss geklärt werden - darin gebe ich Ihnen Recht -, wo die Fakten auf den Tisch kommen, wo wir aufgrund der Tatsachen, die dann feststehen, die richtigen Rückschlüsse ziehen können.

Nur eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss uns auch klar sein: Absolute Sicherheit wird es niemals geben. Das wird es schon deshalb nicht mehr geben, weil Provider teilweise in anderen Ländern sitzen und dort die rechtlichen Bedingungen der anderen Länder und nicht unsere gelten. Insofern haben wir die Aufgabe, auch als politisch Verantwortliche, Unternehmen auf die Risiken hinzuweisen, die ich Ihnen am Anfang meiner Rede dargestellt habe.

Die Punkte, die man für sich konstatieren muss, sind, dass wir eine IT-Sicherheit brauchen, dass wir Unternehmen schulen und beraten müssen, auch juristisch, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Amerikaner an das diplomatische Gebot nicht gehalten haben.

(Zuruf: Richtig!)

Wir müssen weiterhin zur Kenntnis nehmen, dass das Internet erhebliche Risiken birgt und dass wir - da bin ich mit Ihnen, Herr Striegel, wieder einer Meinung - bedauerlicherweise sogar zur Kenntnis nehmen müssen, dass man - wir reden ja im Augenblick über Amerika - noch nicht einmal in Europa, auf der europäischen Ebene, in der Lage ist, ein einheitliches Datenschutzrecht zu verabschieden. Das ist verschoben worden und wird frühestens im Jahr 2015 wieder aufgerufen. Auch dort haben wir die Standards nicht vereinheitlicht.

Insofern sollten wir als Europäer uns bei aller Kritik an dem, was passiert ist, zunächst einmal dafür einsetzen, dass wir in Brüssel gemeinsam einen einheitlichen europäischen Standard für den Datenschutz verabschieden. Wenn wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, können wir den anderen gute Ratschläge geben.

Das andere läuft jetzt in Berlin, wo es hingehört, nämlich auf diplomatischer Ebene. Aber es bleibt am Ende zu konstatieren: Aus der Diplomatensicht war es ein unfreundlicher Akt.

Meine Damen und Herren! Mehr kann ich Ihnen an dieser Stelle aus der Sicht der Landesregierung dazu nicht sagen. Gehen Sie davon aus, dass die gesamte Landesregierung ein hohes Interesse daran hat, dass die Menschen in diesem Land, auch was den IT-Bereich angeht, sicher leben können. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Wir fahren in der Debatte fort. Es spricht nun für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Erben.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Beginn der Enthüllungen von Edward Snowden zuerst in britischen, dann in amerikanischen und schließlich auch in deutschen Medien, steht der Vorwurf im Raum, dass vor allem US-amerikanische Geheimdienste Menschen in Deutschland und vermutlich auch in SachsenAnhalt massenhaft und auch flächendeckend ausspioniert haben könnten. Ihnen, liebe Kollegen, sind sicherlich die Namen der Spähprogramme Prism, Tempora, XKeyscore usw. bekannt.

(Zuruf von der LINKEN: Na ja!)

In Deutschland werden nach Aussagen von Snowden pro Monat wohl mindestens 500 Millionen Datensätze durch die NSA abgegriffen. Weiter, so Snowden, kann mit dem Programm XKeyscore in Echtzeit per Suchmaske jede elektronische Kommunikation abgehört werden.

Überdies hat er darauf hingewiesen, dass die NSA bei dem Windows-Mail-Programm Outlook, das wahrscheinlich fast alle hier in diesem Hause auch selbst verwenden und das in der Landesverwaltung das gängige Mail-Programm ist, in Echtzeit mitlesen könne. Es ist zu konstatieren, dass das Gegenteil durch die betroffenen Staaten bisher nicht bewiesen ist, dass die Vorwürfe - viel schlimmer - sogar weitgehend nicht einmal abgestritten werden.

Im Lichte der Snowden-Enthüllungen erscheinen die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland geführten Debatten um einen großen Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung etc. eher eine Debatte auf dem Niveau von Schulanfängern gewesen zu sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der ehemalige Bundesverfassungsgerichtspräsident Papier hat das Ganze mit seinen Worten am 5. August 2013 wohl ziemlich treffend bewertet. Er sagte sinngemäß, das Programm der NSA liege weit jenseits dessen, was das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zur Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikationsüberwachung noch als akzeptabel erachtet habe.

Aber nicht genug. Da bin ich jetzt auch bei der amtierenden Bundesregierung. Diese war im Sommer offensichtlich nicht bereit, einen wirksamen Beitrag zur Aufklärung des Überwachungsskandals zu leisten. Erst nachdem bekannt geworden war, dass selbst die Bundeskanzlerin abgehört wurde - übrigens war zu diesem Zeitpunkt der Ausspäh

skandal bereits von Herrn Pofalla für offiziell beendet erklärt -, hat sich die Bundesregierung ermuntert gesehen, auf die Offenlegung der Fakten gegenüber den amerikanischen und britischen Bündnispartnern zu drängen.

Auch ist festzuhalten, dass zumindest die Kanzlerin nicht der Aufforderung ihres eigenen Innenministers gefolgt ist, die er an die Bürger gegeben hatte, nämlich sich selbst vor Datenspionage zu schützen. Nein, hierfür ist die Bundesregierung selbst zuständig. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass neben der unverzüglichen Beendigung der mutmaßlichen Ausspähung von Menschen die staatlichen Schutzpflichten für die Grundrechte der Bevölkerung in Deutschland erfüllt werden können.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass deutsche Kommunikationsstrukturen auf staatlicher, wirtschaftlicher und individueller Ebene vor Ausspähung effektiv geschützt werden. Und sie hat durch eine effektive Spionageabwehr dafür Sorge zu tragen, dass deutsche staatliche Stellen nicht von fremden Nachrichtendiensten ausgespäht werden können.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und bei den GRÜNEN)

Eine effektiv Spionageabwehr wird - da komme ich auch gleich auf Sachsen-Anhalt - im Klein-Klein auf der Länderebene mit einer Handvoll Mitarbeiter nicht zu gewährleisten sein.

(Zuruf: Doch!)

Damit kann man keine wirksame Spionageabwehr gegen russische und chinesische Nachrichtendienste betreiben. Bislang war diese Aufgabe zwar auch vom Bundesamt für Verfassungsschutz, aber vor allem von den 16 Landesverfassungsschutzbehörden wahrzunehmen.

Es kann aus meiner Sicht nur die Konsequenz aus den jüngsten Ereignissen und Aufdeckungen sein, dass wir gemeinsam auf der Bundesebene einen effektiven Spionageabwehrschutz organisieren.

(Frau Niestädt, SPD: Genau!)

Ich warne jedoch davor, in dieser Debatte immer nur in Schwarz und in Weiß zu denken. Denn - ich erinnere an die Situation im Bereich der Terrorabwehr - die sogenannten Kofferbomber von Köln, die im Juli 2006 einen glücklicherweise fehlgeschlagenen islamistischen Terroranschlag auf westdeutsche Eisenbahnlinien verübt haben, hätten ohne die internationale Zusammenarbeit von Geheimdiensten nie ermittelt werden können.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der SPD: Ja!)

Den entscheidenden Hinweis erhielten die deutschen Behörden damals vom libanesischen militä

rischen Nachrichtendienst, der den mutmaßlichen Terroristen durch abgehörte Telefonate auf die Spur kam. Teile der Familie gelten für die libanesischen Behörden als Sympathisanten des militanten Islamismus und standen deshalb unter Überwachung.

Sie sehen, dass wir auch Möglichkeiten und Kommunikation zum Überwachen benötigen. Da gäbe ich den amerikanischen Freunden oder, wie jüngst wohl besser gesagt wird, den Partnern Recht, dass es auch Programme geben muss, die im Zweifelsfall Leben retten können. Aber dies darf nicht zu einer flächendeckenden, verdachtsunabhängigen Totalüberwachung führen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Datenschutz ist dabei zwingend zu gewährleisten.

(Zustimmung bei der SPD)

Erlauben Sie mir jetzt noch einige Worte zum Antragsteller der heutigen Aktuellen Debatte. Ich will auf einiges eingehen. Zunächst einmal: Herr Striegel, ich war voller Erwartung heute hierhergekommen. Ich dachte, Sie würden uns ein wenig mehr erzählen, etwas, was Herr Ströbele noch nicht dem „Spiegel“ gesagt hatte. Aber Sie haben uns auch nur das erzählt, was im „Spiegel“ stand. Da habe ich mir mehr Erkenntnis erhofft.

Zweitens das mit der Kryptotelefonie. Sie haben dem Ministerpräsidenten vorgeworfen, er telefoniere mit einem ungeschützten Blackberry. Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrem Leben schon einmal kryptiert telefoniert haben. Ich sage Ihnen ehrlich: Lassen Sie es lieber gleich.

(Herr Striegel, GRÜNE: Das ist anstrengend!)

Sie werden irgendwann keine Lust mehr zum Telefonieren haben. Ich kann, ehrlich gesagt, jeden verstehen, der das Nicht-Telefonieren der Kryptotelefonie vorzieht. Das ist tatsächlich eine Technik, mit der man sich nicht wirklich herumstreiten sollte, und dann geschehen eben solche Dinge. Ich glaube auch nicht, dass die Kanzlerin in der Lage sein wird, ständig kryptiert zu telefonieren. Das ist sicherlich technisch zu aufwendig und würde auch den möglichen Empfängerkreis, mit dem sie telefonieren könnte, sehr stark einschränken, vermute ich.

(Zuruf von Herrn Herbst, GRÜNE)

Schließlich die Frage des Asyls für Edward Snowden. Da werden sehr gute und tolle Vorschläge in die Welt gesetzt. Ich bin auch sehr daran interessiert, dass wir das Wissen von ihm bekommen. Aber auch wir sind als Bundesrepublik Deutschland an Verträge gebunden, und wenn der Snowden hierher kommt und unser Asylrecht ihn nicht erfasst, dann haben wir ihn auszuliefern.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte nicht, dass Snowden nach Deutschland kommt, wir seine Informationen abschöpfen und ihn anschließend an die amerikanische Justiz ausliefern. Ich glaube, das wäre verantwortungslos.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Erben. Es gab noch eine Nachfrage. Möchten Sie die beantworten?