Protocol of the Session on November 14, 2013

Weitere Nachfragen gibt es nicht. Vielen Dank. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Dorgerloh.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade weil die Theater und die Orchester wesentliche Bestandteile unserer Kulturlandschaft sind und weil Theaterpädagogik und Puppentheater, Sinfoniekonzerte und Opernabende, Sprechbühne und Musicals unser Leben reicher und unsere Städte lebenswerter machen, müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Strukturen, in denen diese Kunst und Kultur gedeihen kann, stabil und verlässlich sind. Das alles ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Landes und der Kulturlandschaft dieses Landes.

(Beifall bei der SPD)

Nach meinen ersten Intendantengesprächen und Besuchen von Theatern am Beginn dieser Legislaturperiode war sehr schnell klar, dass die Auseinandersetzung mit den Struktur- und Zukunftsfragen der Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt keinen Aufschub erfahren darf; denn unisono verwiesen die Träger im Hinblick auf die Neuverhandlung der Theaterverträge ab dem Jahr 2013 auf ihre schwierige Haushaltssituation.

Wo man auch hinkam, war die Rede von Strukturdefiziten, oft bist hin zu mehreren Millionen Euro, von einer fehlenden Dynamisierung und von Problemen im Zusammenhang mit den Haustarifverträgen. Das heißt, diese Haustarifverträge sind natürlich auch ein strukturelles Problem. Man kann Strukturen nicht verändern, weil man aus ihnen nicht herauskommt, und man kommt aus ihnen nicht heraus, weil man die Strukturen nicht verändern kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Stand, wie er sich mir in den Jahren 2011 und 2012 darbot. Wir haben dann auch mit Blick auf den tagenden Kulturkonvent ein Adapterjahr 2013 verabredet, das aber am Ende ganz klar zu zwei Optionen geführt hat: Entweder es hätte Jahr für Jahr deutlich mehr Geld auch in den Kommunen in die Hand genommen werden müssen, um die bestehenden Strukturen auszufinanzieren - das wäre im Übrigen gegenüber den anderen Kulturbereichen und Institutionen auch nicht gerecht bzw. kein faires Verfahren gewesen -, oder aber die künftigen Theater- und Orchesterverträge werden am Ziel langfristig tragfähiger Theater- und Orchesterstrukturen ausgerichtet, die dann auch langfristig zu finanzieren und finanzierbar sind.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Der dafür notwendige Strukturanpassungsprozess muss natürlich durch einen Anpassungsfonds flankiert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich ganz bewusst für diesen zweiten Weg entschieden, gerade angesichts der Herausforderungen, vor denen wir in diesem Land stehen, vor dem Hintergrund der Finanzen, die wir zur Verfügung haben, und angesichts des demografischen Wandels, den wir zu gestalten haben.

Gerade weil wir wollen, dass die Theater und Orchester im Land auch in zehn Jahren sowohl in den Oberzentren als auch in den ländlichen Regionen zu finden sind und spielen, müssen die Strukturen an den einzelnen Standorten jetzt weiterentwickelt und angepasst werden. Sie müssen dabei so weiterentwickelt werden, dass sie sowohl für den Träger als auch für das Land finanzierbar bleiben und den demografischen Gegebenheiten gerecht werden.

Wer vor diesem Hintergrund eine Fortschreibung des Status quo bei den Theatern fordert, der ignoriert nicht nur die Realität, sondern gefährdet letztlich die Zukunftsfähigkeit der Theater und Orchester insgesamt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will das mit einigen Beispielen untermauern. Die Staatskapelle in Halle hat derzeit 137 Musiker im Bestand und zählt damit zu den größten Orchestern in der Bundesrepublik.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das waren auch einmal zwei!)

Ein Stadtratsbeschluss zur Rückführung auf 99 Musiker ist aus den verschiedensten Gründen nicht umgesetzt worden. Die Durchschnittskosten pro Musiker liegen einem Schreiben des Geschäftsführers der TOO Halle zufolge - von dem haben wir auch die anderen Zahlen, die gleich noch kommen - mit durchschnittlich 80 200 € weit über dem Wert vergleichbarer Häuser in Mitteldeutschland. Am Nationaltheater Weimar - das ist auch ein A-Orchester - betragen sie durchschnittlich 61 800 €. Das sind 25 % weniger als in Halle. In Chemnitz bei einem weiteren A-Orchester betragen sie 63 200 €.

Die vereinbarten und selbstgestellten Zielvorgaben für Besucherzahlen wurden in Halle bisher jährlich um bis zu 20 % unterschritten. Das sind keine Zielzahlen, die durch das Ministerium festgesetzt werden, sondern diese Angaben wurden in den Theaterverträgen gemeinsam festgeschrieben, die zwischen den Theatern und dem Ministerium abgeschlossen wurden.

Dessau hatte bisher mit 50 % - man muss hier sogar sagen, mit über 50 %, wenn man den Vertrag

„Theater der Region“ hinzurechnet - die höchste Landesförderquote und trotzdem riesige strukturelle Defizite. Wenn wir in Dessau alles beibehalten würden, wie es ist, dann würden wir am Ende der Laufzeit der Verträge ein Defizit von ca. 4 Millionen € haben

(Frau Niestädt, SPD: Ja!)

Die Zielvorgaben hinsichtlich der Besucherzahlen werden in Dessau seit Jahren nicht erfüllt. Die Eigenerwirtschaftungsquote war nach Halle die zweitniedrigste in Sachsen-Anhalt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das alles reicht aus, um deutlich zu machen, dass wir hier einen Handlungsbedarf haben. Wir können nicht sagen, wunderbar, lasst uns ein Problemverschiebungsmoratorium bis zum Jahr 2018 abschließen.

Noch etwas darf man nicht vergessen: Die anteiligen Landesausgaben für Theater und Orchester belaufen sich auch nach der Absenkung im Jahr 2014 noch auf mehr als 35 % der gesamten Kulturausgaben. Das ist nach wie vor der größte Einzelposten im Kulturetat. Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass wir nicht nur über die Theaterlandschaft reden, sondern eben auch über vier und hoffentlich bald sechs Unesco-Welterbestätten, 230 Museen, 35 000 Baudenkmale, 100 000 Bodendenkmale, 84 hauptberuflich geführte öffentliche Bibliotheken usw.

Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass wir über 29 Millionen € für die Theater und 500 000 € für die freie Szene zur Verfügung stellen, dann wissen wir ungefähr, wie wir hier auch abzuwägen und zu gewichten haben, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie wichtig die freie Szene für das gesamte Land und insbesondere auch für die Fläche ist.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss sich dann noch Folgendes vor Augen führen: Man kann sagen, dass in allen anderen Kultursparten nicht gekürzt wird. Ganz im Gegenteil, wir haben für die Stiftungen mehr Geld in die Hand genommen. Wir haben für das Goethe-Theater in Bad Lauchstädt erhebliche Summen in die Hand genommen und wollen in Dessau ein BauhausMuseum bauen. All das zeigt, dass uns dieses Kulturland wichtig ist und dass deswegen von einem kulturellen Kahlschlag überhaupt nicht die Rede sein kann. Dieses Schreckgespenst verflüchtigt sich in der Wirklichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist und bleibt ein Kulturland mit unterschiedlichen Traditionen und einer lebendigen Künstlerszene. Dabei kommt die Landesregierung ihrer Verantwortung für eine zukunftsfähige Thea

terstruktur im Land nach. Es geht um eine Struktur, die wir uns eben auch noch in fünf oder zehn Jahren leisten können.

Seit Monaten beraten wir mit den Trägern der einzelnen Häuser. In die Beratungen ist jetzt auch Bewegung hineingekommen. Mit verschiedenen Trägern ist der Verhandlungsprozess sogar schon fast abgeschlossen und die Verträge werden vorbereitet. Dies geschieht zum Beispiel für die Städte Magdeburg, Stendal und Naumburg oder für die Orchester in Schönebeck und Wernigerode. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das auch für Halle, Dessau und Eisleben schaffen und Lösungen finden können, die anspruchsvolles Theater und anspruchsvolle Kulturangebote in der Region auf die Bühne bringen und garantieren.

Halle kann und soll - so steht es sehr konkret übrigens im Kulturkonzept - ein A-Orchester behalten. Die Musikerzahl muss natürlich entsprechend den Rahmenbedingungen an andere vergleichbare mitteldeutsche Standorte angepasst werden. Für Dessau als Musiktheater spricht neben der diesbezüglichen Tradition auch die enge Verzahnung mit anderen Kultureinrichtungen wie dem KurtWeill-Fest oder dem Impuls-Festival, das wir gerade stärker in Richtung Dessau orientieren und mit dem Bauhaus verknüpfen. In Eisleben sind wir ebenfalls in Gesprächen bezüglich einer Lösung für ein „Kulturwerk“, das dem Theater noch einmal einen breiteren Ansatz bieten kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen mich am Ende dann aber doch noch etwas sagen, was hier auch nicht verschwiegen werden darf. Dieser Anpassungsprozess und diese Umgestaltungen sind sehr, sehr schmerzvoll. Es sind keine leichten Entscheidungen, die vor Ort, im Ministerium oder in den Ausschüssen getroffen werden.

Da sitzen Leute, die sehr genau um die Sorgen der Mitarbeiter in den Theatern wissen. Wir sind viel unterwegs. Wir sind bei Demonstrationen dabei. Wir reden mit Personalräten. Wir reden mit den Freundeskreisen der Theater und Orchester. Wir kennen aus vielen unendlichen Gesprächen die schwierige Situation, in der sich die Leute, die Theater, deren Intendanten und Leiter und auch die Kommunen befinden.

Deshalb habe ich mich von Anfang an - ich weiß, dass das viele hier im Hause auch tun - für einen Strukturanpassungsfonds eingesetzt, der helfen soll, die größten Härten zu mildern. Wir haben im Haushaltsplanentwurf derzeit 1 Million € vorgesehen. Vielen, die sich damit beschäftigen, ist klar, dass das nicht reichen wird. Das heißt, hier werden wir die Zeit bis zur Verabschiedung des Haushaltsplanes nutzen, um dieses entsprechend so zu verabreden, dass wir die Strukturanpassung in finanzieller Hinsicht ordentlich begleiten können.

Die Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Ausstattung dieses Fonds und für den Umgang damit sind die jeweiligen Strukturkonzepte der Träger. Bisher liegen sie noch nicht in der Qualität vor, dass wir die entsprechenden Summen nennen können. Sobald mir belastbare Zahlen vorliegen, werden wir diese natürlich dem Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung stellen.

Das ist nun wahrlich kein Trost. Es hilft aber, den schweren, mühevollen und unpopulären Weg der Strukturanpassung zu gehen. Ich kann nur an die Träger appellieren, umgehend realistische und umsetzbare Strukturanpassungskonzepte vorzulegen und darüber mit uns zu verhandeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt aber auch einige Dinge, die wir hier durchaus noch einmal positiv hervorzuheben haben.

Erstens. Wir reden über einen fünfjährigen Vertragszeitraum. Das gab es in dieser Form bisher nach meiner Erinnerung noch nicht. Das heißt, wir haben den Theatern eine große Planungssicherheit im Hinblick auf die Umsetzung der Strukturanpassung ermöglicht.

Zweitens. Wir wollen, dass die Haustarifverträge bis zum Jahr 2018 so weit wie möglich abgebaut werden. Auch das ist fair gegenüber den Beschäftigten,

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

die zum Beispiel in Dessau seit mehr als über zehn Jahren auf der Grundlage von Haustarifverträgen arbeiten müssen. Schon damals hat das berühmte Hoffmann-Gutachten deutlich gemacht, entweder es ändert sich grundsätzlich etwas im Bereich von Trägerschaft und Finanzierung oder man muss über neue Strukturen in diesem Haus und für dieses Haus nachdenken. Das heißt, man weiß seit zehn Jahren, dass dort Dinge anzupacken sind.

Wir wollen diesen Prozess jetzt angehen. Wir wollen, dass die Haustarifverträge so weit wie möglich abgebaut werden können. Das ist ein schrittweiser Prozess. Das ist allen klar.

Drittens. Wir wollen die Theater- und Orchesterverträge unter der Voraussetzung dynamisieren, dass die vertraglich vereinbarten Strukturanpassungen an den jeweiligen Standorten auch umgesetzt werden. Damit würde dann erstmalig der Einstieg in die Dynamisierung der Theaterverträge geschafft. Das wäre eine Riesenleistung.

(Beifall bei der SPD - Frau Niestädt, SPD: Ja!)

Diese geplante Dynamisierung ist in der Tat eine völlig neue Qualität und zeigt dann auch das Verantwortungsbewusstsein der Landesregierung für die Theater- und Orchesterlandschaft in SachsenAnhalt, da wir am Ende der Laufzeit nicht wieder

vor der Situation stehen, dass die Tarifsteigerungen die Handlungsfähigkeit der Theater und Orchester einschränken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend mache ich noch einige Bemerkungen zu den Empfehlungen des Kulturkonvents. Der Konvent hat keineswegs nur eine Erhöhung des Theateretats empfohlen. Dies war übrigens an die Voraussetzung geknüpft, dass der Kulturetat insgesamt auf 100 Millionen € angehoben wird.

Unter Punkt 18 - Kommunale Theater und Orchester - findet sich auch eine Reihe inhaltlicher Empfehlungen. So empfiehlt der Kulturkonvent durchaus die Überprüfung und Anpassung der bestehenden Strukturen - das wird gern überlesen -, die interkommunale Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit mit den Akteuren der freien Szene. Darauf werden wir bei der Gestaltung der Theaterverträge zu achten haben. Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land aber auch eine Vielzahl von Kriterien für die Theater- und Orchesterverträge. Auch diese Dinge fanden und finden Eingang in die Vertragsverhandlungen. Somit sind wir dabei, die Empfehlungen des Kulturkonvents zu berücksichtigen.

Ich glaube, dass wir das noch in den Ausschüssen beraten werden, aber dass der hier beschriebene Weg der richtige ist, um die Theater langfristig tragfähig auszurichten. Jeder Aufschub dieses Prozesses, jede Festschreibung des Status quo gefährdet letztlich die Perspektive der einzelnen Häuser. Die Kommunalaufsicht hatte bereits vor fünf Jahren erhebliche Probleme mit der Genehmigung der Verträge. Deswegen, glaube ich, müssen wir hier grundsätzlich nachdenken.

Vielleicht noch zum Abschied, zum Abschluss ein kleiner Satz.

(Heiterkeit bei der LINKEN - Beifall auf der Zuschauertribüne)

Der Fraktion DIE LINKE sei gesagt: Fortschritt und Perspektivgestaltung ist selten mit der Bewahrung des Status quo gleichzusetzen. So finden wir es bei Marx und Engels. - Vielen Dank.