Protocol of the Session on September 12, 2013

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Sie haben vorhin sehr oft auf den Koalitionsvertrag abgestellt. Lesen Sie den Koalitionsvertrag! Da steht zum Fachkräfteprogramm und zur Jugendpauschale auch etwas drin. Natürlich werden wir den Koalitionsvertrag einhalten. Aber ich sage auch: Das Land ist im Bereich der Jugendhilfe Zuwendungsgeber für eine kommunale Aufgabe.

(Zustimmung von Minister Herrn Bischoff)

Deswegen werden wir darauf achten, dass die kommunale Verantwortung wahrgenommen wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen noch eines: Wenn Sie sich die Zahl der Jugendlichen - ich habe mich mit Demografie

statistiken beschäftigen müssen - im Alter von zehn bis 27 Jahren, die in dem Bereich auch für die Jugendarbeit maßgeblich sind, anschauen, dann sehen Sie, dass die Zahlen nicht konstant sind. Die Zahl ist in den letzten drei Jahren um über 20 000 zurückgegangen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Herr Schröder, die Angebote sind für die 16-, 17-Jährigen!)

Wenn Sie die Schätzungen aus der fünften regionalisierten Bevölkerungsprognose, die wir im Kabinett beschließen und die dann Grundlage für Verwaltungshandeln ist, für 2016 und 2017 zugrunde legen, dann ergibt sich, dass wir mit den im Haushaltsplan 2014 vorgesehenen Einschnitten eine Pro-Kopf-Fördersumme von etwa 22 € hätten. Das ist immer noch mehr, als für die Finanzierung der Jugendarbeit im Jahr 2005 zur Verfügung stand, einem Haushaltsjahr, in dem wir noch 1 Milliarde € neue Schulden aufgenommen haben.

Das ist die Wahrheit. Wir gucken uns das an. Aber lassen wir doch einmal die Kirche im Dorf, anstatt von Abwärtsspirale und Schrumpfungskurs zu sprechen. Wir werden auch in diesem Bereich verantwortlich handeln.

Für die CDU-Landtagsfraktion sind die Schwerpunkte ganz klar: Wirtschaft, Bildung und Familie.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: In dieser Reihen- folge!)

Mit diesen Schwerpunkten werden wir diese Haushaltsberatungen bestreiten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Ich will aber auch sagen: Umschichtungen im Haushalt, die zulasten von Investitionen für Wirtschaft und Beschäftigung gehen, werden wir nicht mittragen. Wir werden trotzdem versuchen, Spielräume zu finden, um die Probleme, die ich angesprochen habe, zu lösen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind auch der Meinung: Es ist richtig, wenn aktualisierte Steuerschätzungen vorliegen, Spielräume im Haushaltsvollzug zu nutzen und einmal zu schauen, ob es nicht auch sinnvoll sein kann, dieses Land krisenfester zu machen. Die Steuerschwankungsreserve ist noch nicht so gut ausgestattet, wie es in vergleichbaren anderen Bundesländern der Fall ist. Deswegen gilt für uns: Konsolidieren, investieren, vorsorgen. An diesem berühmt-berüchtigten Dreiklang werden wir festhalten. Damit ist, glaube ich, zu diesen Haushaltsberatungen die Alternative relativ klar umschrieben. Shakespeare hat einmal gesagt: Worte zahlen keine Schulden. - Ich sage in aller Bescheidenheit: Dann an die Tat! Es geht um Sachsen-Anhalt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Schröder. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Frau Fraktionsvorsitzende Professor Dr. Dalbert. Bitte sehr.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Haushaltsdebatte geht es um die harten Fakten bei der Zukunftsplanung für unser Land. Es geht um die zentralen Weichenstellungen in der Frage, wie es bei uns im Land weitergehen soll.

Die Zukunftsbedrohungen sind klar: Ab 2020 beginnt eine neue EU-Förderperiode. Ob und in welchem Umfang dann Mittel nach Sachsen-Anhalt fließen werden, können wir heute nicht voraussehen. Ab 2019 beginnt ein neuer Länderfinanzausgleich. Ob und in welchem Umfang dann Mittel nach Sachsen-Anhalt fließen werden, auch das können wir heute nicht voraussehen.

Nach wie vor gehen mehr Menschen aus Sachsen-Anhalt weg, als zu uns kommen. Bei uns werden weniger Menschen geboren, als bei uns sterben.

Kurz und gut: Es besteht die Gefahr, dass wir immer weniger und immer älter werden. Es besteht die Gefahr, dass wir ab 2019 substanziell weniger Geld zur Verfügung haben werden. Deswegen sind die politischen Herausforderungen für eine lebenswerte nachhaltige Zukunft für unser Land ebenso klar.

Wir müssen attraktiv bleiben oder sogar noch attraktiver werden für junge Menschen und ihre Familien. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass alle jungen Menschen in unserem Land die beste Bildung erfahren, dass gut ausgebildete junge Menschen hier bei uns im Land bleiben und dass gut ausgebildete junge Menschen zu uns kommen, um mit uns Zukunft zu gestalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Investitionen in Bildung, in Kultur, in den Erhalt unserer Lebensgrundlagen müssen daher Schwerpunkt unserer Politik sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nichts ist dabei so wichtig wie exzellente schulische Bildung vor Ort. Sie eröffnet den Menschen das Tor zur Zukunft, die Chance auf faire Teilhabe an unserer Gesellschaft. Gute Schulen machen Gemeinden als Wohnort attraktiv für junge Familien. Oder umgekehrt: Wer Schulen schließt, vertreibt Familien.

Der vorgelegte Haushalt, Herr Ministerpräsident, beruht auf einem Personalentwicklungskonzept,

welches realitätsblind ist, welches Lehrer- und Lehrerinnenmangel sowie Stundenausfall vorprogrammiert und durch Schulschließungen zur Landflucht animiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Eine dem Landtagspräsidenten gerade übergebene Protestliste mit 16 000 Unterschriften zum Erhalt der kleinen Schulen auf dem Land belegt eindrücklich, dass Sie, Herr Ministerpräsident Haseloff, an den Sorgen vieler Menschen hier im Land vorbeiregieren.

(Minister Herr Bullerjahn: Herr Kretschmann will Tausende von Lehrerstellen abbauen! Das hat er erst kürzlich im Bundesrat ge- sagt!)

Der Landtag hat gerade auf unsere Initiative hin beschlossen, ein jugendpolitisches Programm weiterzuentwickeln. Dies ist dringend geboten in einem Land, in dem nach wie vor viele Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen, in Förderschulen gehen und keine Arbeit haben, in der sich die Jugendarbeit mangels Finanzierung aus der Fläche immer mehr zurückziehen muss, wodurch die Gefahr vergrößert wird, dass junge Menschen den braunen Rattenfängern auf den Leim gehen.

Nun plant Ihre Regierung, Herr Haseloff, bei der Jugendpauschale und beim Fachkräfteprogramm rund 2 Millionen € einzusparen. Für 2015 droht das vollständige Aus; denn eine Verpflichtungsermächtigung für 2015 steht nicht im Haushalt. Das ist ein Abbau jugendpolitischer Zukunftsvorsorge, die unser Land dringend bräuchte.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Unsere Hochschulen - man kann das nicht oft genug wiederholen - gehören zu den besonderen Schätzen in Sachsen-Anhalt. Sie ziehen junge Menschen in unser Land. Sie halten Abiturienten in unserem Land. Sie sind eng verzahnt mit der Wirtschaft und unterstützen die Wirtschaft bei ihren Forschungs- und Entwicklungsbemühungen. Nicht zuletzt bilden unsere Hochschulen die Fachärzte und -ärztinnen aus, die wir dringend brauchen.

Nun - wir haben es gehört - ist ein Kahlschlagszenario aus dem Wissenschaftsministerium bekannt geworden. Ich will jetzt gar nicht darüber reden, ob dieses Horrorszenario autorisiert ist. Ich will auch nicht darüber reden, wie ich einen Minister finde, der seine Leute solche Horrorszenarien ausarbeiten lässt oder der sich auf einen Postweg beruft, auf dem Dinge irgendwie verschwinden.

Nein, entscheidend ist doch, dieses Szenario macht zwei Dinge sehr deutlich. Erstens macht es

deutlich: Wollte die Landesregierung tatsächlich bis 2025 77 Millionen € im Etat des Wissenschafts- und Hochschulbereichs einsparen, dann müsste der Bereich der Medizinerausbildung in Halle geschlossen werden. Die Folge davon wäre ein Fachärztemangel. Die realitätsblinden Kürzungsvorgaben würden weiterhin dazu führen, dass 1 000 Arbeitsplätze im Wissenschaftsbereich und mehr als 8 000 Studienplätze gestrichen werden müssten. Mit solch einer Politik, Herr Ministerpräsident, würden Sie den Ast absägen, auf dem wir alle sitzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ein Zweites macht dieses Szenario deutlich: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wissenschaftsministerium - oder zumindest einige von ihnen - arbeiten an den falschen Aufgaben. Es darf doch nicht darum gehen, realitätsblinde Kürzungsszenarien zu entwickeln, sondern es muss eine sorgfältige Auswertung des Gutachtens des Wissenschaftsrates erfolgen, damit Leitplanken für eine zukunftsfestere Struktur unserer Hochschullandschaft entwickelt werden, damit wir herausfinden können, wie unsere Hochschulen noch attraktiver und noch besser werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit jedem Kürzungsszenario wird die Bewältigung dieser zentralen Aufgabe immer schwieriger.

Deswegen, Herr Ministerpräsident: Sorgen Sie endlich dafür, dass diese Zukunftsaufgabe im Wissenschaftsministerium angepackt wird. Sorgen Sie endlich dafür, dass das Kürzungsziel für den Wissenschaftshaushalt von 50 plus 27 Millionen € zurückgenommen wird. Herr Bullerjahn hat heute noch einmal die 50 Millionen € bestätigt. Solange diese Zahl nicht vom Tisch kommt, wird es keine sachorientierte Zukunftsplanung für unsere Hochschullandschaft geben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Es muss auch hier erwähnt werden: Sie wollen schon im nächsten Jahr 23 Millionen € bei den Hochschulen kürzen, davon 12 Millionen € bei den Großgeräten, also dem Handwerkszeug der Wissenschaft. Sie wollen die Landesgraduiertenförderung zurückfahren, um sie im darauffolgenden Jahr einzustellen. So können wir nicht mehr die Jahrgangsbesten im Lande halten. Sie wollen die Mittel für die Exzellenzinitiative des Landes um 10 Millionen € kürzen.

All dies beabsichtigt die Landesregierung. Damit wird sie schon im nächsten Jahr die Profilbildung und die Arbeitsbedingungen der Hochschulen durch Kürzungen beschneiden und konterkarieren. Das lehnen wir ab. Wir werden die Rücknahme dieser Kürzungen beantragen und dafür selbst

verständlich Gegenfinanzierungsvorschläge unterbreiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ähnlich planlos wie in der Wissenschaftspolitik sind Sie bei der Finanzierung der Theater und Orchester. Auch hierbei halten Sie an Ihrer Kürzung von 6,3 Millionen € fest. Wir verschließen uns nicht einer Strukturdebatte. Aber wir sagen ganz klar: Erst die Strukturdebatte und dann prüfen, ob die neue Struktur tatsächlich weniger Geld kostet. Das, was Sie vorhaben, heißt, dass Kultur am Ende mehr kostet und wir weniger Kultur im Lande haben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)