Protocol of the Session on July 12, 2013

Natürlich ist auch Mecklenburg-Vorpommern in der Lage, gute Schule sicherzustellen. Allerdings haben wir, Herr Minister, in Sachsen-Anhalt eine andere Schuldichte als in Mecklenburg-Vorpommern.

In Sachsen-Anhalt wird pro Schule - auf die Schule gerechnet - eine Fläche von 21,77 km2 abgedeckt. In Mecklenburg-Vorpommern kommen auf eine Schule 40,4 km2. Das ist auch ein Parameter, der beim Schulnetz eine Rolle spielt, nämlich die Frage von Fläche und Wegebeziehungen.

Natürlich können Sie politisch entscheiden, dass Sie das genauso machen wollen. Dann müssen Sie es aber sagen. Das tun Sie nicht. Sie sagen: Das Schulnetz bleibt. Die Schülerzahl steigt. Die Lehrerzahl sinkt. Alles wird gut. - Das ist eine Rechnung, die nicht aufgeht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Solange diese Koalition und solange die Landesregierung nicht bereit sind, diese Differenz aufzulösen - ich verstehe ja, warum Sie zögern, das zu tun, weil es nämlich mit ernsthaften Konsequenzen für das Schulnetz verbunden wäre -, ist die Schulentwicklungsplanungsverordnung, so wie sie vorgelegt worden ist, personell auf Sand gebaut. Deswegen müssen diese beiden Punkte übereinandergelegt und deckungsgleich gemacht werden.

Da die Koalitionsfraktionen angekündigt haben, den Antrag abzulehnen, beantrage ich, Herr Präsident, zuerst über die Überweisung des Antrages abzustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Höhn. Wir haben Ihren Antrag gehört.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 6/2239 ein. Ich frage: Wer ist für eine Überweisung des Antrages der Fraktion DIE LINKE? - Das sind die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist die Überweisung des Antrages abgelehnt worden.

Wer stimmt dem Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/2239 zu? - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ

NEN. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt 27 ist erledigt.

Wir treten in die Mittagspause ein und sehen uns um 13.10 Uhr wieder.

Unterbrechung: 12.10 Uhr.

Wiederbeginn: 13.10 Uhr.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Beratung

Expertengremium zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2240

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Zoschke. Bitte schön, Frau Zoschke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie sind eine überschaubare Anzahl. Vor knapp zwei Jahren habe ich an dieser Stelle eine Rede zum Problem der Arbeitsweise der Sozialagentur in Sachsen-Anhalt gehalten.

Herr Minister, wenn Sie mich nachher wieder fragen, was ich in den letzten zwei Jahren getan habe, dann kann ich es Ihnen erklären

Diese Rede begann mit den Worten: „Es ist eine unendliche Geschichte“. Genau diese Worte kann ich auch meiner heutigen Rede voranstellen. Ich hoffe inständig, dass ich in den kommenden Jahren einen anderen Einstieg in Redebeiträge zum Thema Eingliederungshilfe wählen kann.

Als LINKE wollen wir etwas dazu beitragen und bringen mit dem vorliegenden Antrag für die Einrichtung eines Expertengremiums zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention einen konstruktiven Vorschlag ein, der in dieser langwierigen Geschichte eine Wendung ermöglichen soll.

Doch zunächst zurück zur scheinbar unendlichen Geschichte: Im Mai hörten wir im Sozialausschuss von Herrn Minister Bischoff, dass seit November 2012 ganze 292 zusätzliche Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen wurden und dass mit der angewandten Strategie, nämlich zuerst mit den großen Trägern, wie der Diakonie und der Lebenshilfe, Verhandlungsergebnisse mit exemplarischem Charakter zu erzielen, alles auf einem guten Wege sei.

Gegensätzliches hören wir allerdings nach wie vor im Rahmen unserer Besuche in den unterschied

lichsten Einrichtungen und in Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Behindertenverbänden quer durch das ganze Land.

Die Probleme sind dabei vielfältig. So geht es beispielsweise in Einrichtungen für Menschen mit seelischer Behinderung um die Streitfrage des Personalschlüssels. An dieser Stelle ist ein deutlicher Abschlag im Vergleich zu Menschen mit geistiger Behinderung zu verzeichnen, der den tatsächlichen Bedarfen der Menschen überhaupt nicht gerecht wird.

Viele von ihnen haben beispielsweise einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Dieses Problem lässt sich mithilfe eines Behördenstempels nicht wegzaubern. Es gibt den Bedarf einer guten personellen Betreuung eben auch in der Nacht.

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen nur empfehlen, in eine solche Einrichtung zu gehen, etwa hier in Magdeburg zum Verein „Der Weg e. V.“. Sie werden erleben, mit wie viel menschlichem Engagement auf die Probleme der Menschen mit seelischer Behinderung eingegangen wird. Aber gehen Sie schnell dorthin; denn diese vorbildliche Arbeit wird sich nicht mehr lange fortsetzen lassen, wenn die Frage des Personalschlüssels nicht bald adäquat gelöst wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Das bestehende Manko ist nicht zuletzt auf eine fehlende Definition im Rahmenvertrag zurückzuführen. An dieser Stelle könnte ein Expertengremium die seit Langem bestehenden Lücken schließen helfen.

Ein weiteres Problem besteht gerade für die Einrichtungen, die ihre Beschäftigten löblicherweise nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlen. In den meisten Einrichtungen mussten die Beschäftigten schon Tarifabschläge hinnehmen, da die Einnahmesituation die Träger in Existenznot gebracht hat.

Tarifsteigerungen im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, die häufig nicht einmal die Inflationsrate decken, werden in aller Regel nicht umgesetzt. Neben den monetären Einschränkungen verursacht die knapper werdende Personaldecke, dass diese Arbeit in der Behindertenhilfe zunehmend unattraktiver wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD, Sie wissen so gut wie meine Fraktion, dass wir es uns angesichts der demografischen Entwicklung nicht leisten können, pädagogisches Personal sowie Assistenz- und Pflegekräfte aus ihren Berufen zu vergraulen.

Dennoch müssen wir mit Blick auf den Ist-Stand feststellen, dass die bestehenden Probleme auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Dies bedeutet jedoch zugleich, auch auf dem

Rücken der Menschen mit Behinderung; denn die Kontakte zwischen den Beschäftigten und jenen, die auf Assistenz, Pflege und pädagogische Betreuung angewiesen sind, sind naturgegeben sehr eng.

Auch ich möchte mich im Falle eines Falles doch viel lieber von einer Person umsorgt wissen, die nicht überfordert ist, die sich Zeit nehmen kann und die gut gelaunt zur Arbeit kommt.

Last, but not least möchte ich noch die individuellen Erfahrungen ansprechen, die Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige mit der Sozialagentur machen, wenn sie ihren Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem SGB XII durchsetzen wollen. Viele Betroffene berichten uns von langwierigen Auseinandersetzungen und im Ergebnis unverständlichen Entscheidungen der Sozialagentur.

Wir sollten dringend verhindern, dass schlussendlich sehr viele Betroffene den langwierigen, unmenschlichen und für uns alle besonders teuren Klageweg über die Gerichte beschreiten müssen. Beinahe unausweichlich scheint dieser Weg für all jene, die ein persönliches Budget beantragen und im strengen Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ein wirklich unabhängiges Leben führen wollen.

Vom Schwarzer-Peter-Spiel zwischen der kommunalen Ebene und der Sozialagentur habe ich auch schon vor zwei Jahren berichtet. Die Sozialagentur verweist auf die Entscheidungshoheit der örtlichen Sozialämter und diese wiederum verweisen auf die Vorgaben der Sozialagentur, die den örtlichen Trägern mit Regressansprüchen droht.

Auf der Strecke bleiben jene Antragstellenden, die eben nicht die Kraft und den langen Atem für die formale Auseinandersetzung haben. Gerade Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen können häufig diese Kraft psychisch und körperlich nicht aufbringen.

Besonders korrekturbedürftig ist aus unserer Sicht die Rahmenvereinbarung nach § 75 SGB XII in den Teilen, die die Leistungstypen „ambulant betreutes Wohnen“ und „intensiv betreutes Wohnen“ betreffen. Gerade diese Regelungen verhindern, dass das Prinzip „ambulant vor stationär“ frei von Diskriminierung und Benachteiligung schwerstbehinderter Menschen umgesetzt wird.

Zum einen verhindert die Zuordnung der Hilfebedarfsgruppen zu bestimmten Leistungstypen die in Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschriebene Wahlmöglichkeit der Wohnform für alle Menschen mit Behinderungen. Zum anderen sind die Entgeltregelungen für ambulante Wohnformen jenseits von Gut und Böse, wenn es um den individuellen Hilfebedarf vor allem

schwerstbehinderter Leistungsberechtigter geht. Ein Tagesentgeltsatz von etwas mehr als 11 € dürfte wohl für eine 24-Stunden-Assistenz nicht ausreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ambulante Versorgung muss sich dabei an den individuellen Bedarfen der Menschen mit Behinderung orientieren. „Ambulant vor stationär“ ist eben kein Sparprogramm, sondern sowohl ein humanistisches Gebot als auch - ich betone dies noch einmal - ein glasklarer Rechtsanspruch.

(Beifall bei der LINKEN)

An dieser Stelle sind Änderungen im Rahmenvertrag notwendig, die mit der Liga verhandelt werden müssen.

Wenn im Eckwertepapier zur Haushaltsplanung auf der Seite 55 von mittelfristigen Einsparmöglichkeiten in Höhe von 150 Millionen € in der Eingliederungshilfe die Rede ist, weil man „ambulant vor stationär“ stärker umsetzen will, dann können wir nur mutmaßen, dass Herr Bullerjahn die UNBehindertenrechtskonvention noch nicht so richtig verstanden hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Oder ist sie der Landesregierung insgesamt egal?