Protocol of the Session on June 21, 2013

(Minister Herr Bullerjahn: Weil wir mehr Kin- der haben als alle anderen! Mach es dir doch nicht so einfach, Wulf!)

- Jens, nun hör mal zu!

(Heiterkeit)

Deine eigene Kabinettsvorlage aus dem Monat März listet auf Seite 28 auf, dass - -

(Minister Herr Bullerjahn: Weil die meisten Kinder aus ganz Deutschland drin sind! Das kannst du multiplizieren!)

- Ja, genau. Deswegen kommen wir jetzt zu zwei verschiedenen Faktoren. Das kriegst du aber auch auf die Reihe.

In deiner eigenen Kabinettsvorlage, mein Freund, ist auf Seite 28 aufgelistet, dass wir pro Student - pro Student! - deutlich weniger Geld in SachsenAnhalt ausgeben als im Bundesdurchschnitt.

Dann kommt allerdings das Argument hinzu: Ja, wir haben bis 2010 als Land mehr hinzugeschossen. - Dann steht in der Kabinettsvorlage unten der entlarvende Satz: Aber das stimmt inzwischen gar nicht mehr, weil in die Berechnungen bis 2010 die Studiengebühren im Westen eingeflossen sind, die es jetzt entweder gar nicht mehr gibt oder die es bald nicht mehr geben wird. Wir liegen bei den Zuschüssen pro Studienplatz in Sachsen-Anhalt inzwischen unter dem Bundesdurchschnitt - genau wie bei den Ausgaben.

Ich meine, dass man die Argumentation von Deubel - - Er sagt: Diese Berechnung darf man nicht anstellen, dann kommt man nicht zu Einsparungen. Die nächste Berechnung darf man auch nicht anstellen, da kommt man auch nicht zu Einsparungen. Deswegen nehme ich jetzt mal die fünfte Berechnung, da kommt man zu Einsparungen.

Man hat gedacht, dass die Leute an den Hochschulen das nicht mitbekommen. Das setzt ja voraus, dass die Hochschulen wirklich so schlecht sind, wie Sie sie beschreiben. Dazu sage ich: So schlimm ist es noch nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich gebe zu, dass ein Universitätsprofessor, der hier einmal Finanzminister war, darauf hereingefallen ist und das in der „Volksstimme“ groß herausgebracht hat. Aber es gab Leute, die vierstellige Zahlen addieren und subtrahieren konnten und es dann gemerkt haben. Daher kann man auch diese Argumentation weglassen.

Es gibt allerdings in dieser Frage einen grundlegenden Unterschied. Wir wollen durch die Politik von Umverteilung, wir wollen durch die Politik gerechter Steuern und Löhne tatsächlich öffentliche Daseinvorsorge, Kultur und Bildung finanzieren. Wir wollen damit dieses Land entwickeln. Wir wollen es nicht abwickeln, wir wollen es nicht einschnüren, wir wollen es nach vorn öffnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Kommen wir jetzt zu den Dingen im Einzelnen. Es gab eine solche Debatte, als die Hochschulen protestierten. Wir wissen natürlich, dass die Hochschulen die Protestmächtigsten sind. Sie haben das größte soziale Kapital, das sie auf die Straße bringen, und es sind selbstverständlich diejenigen, die sich völlig berechtigt laut artikulieren können.

Es gab einige Superschlaue, unter anderem auch Ihr Vorgänger, Herr Haseloff, die meinten, das Problem könne man ganz leicht lösen, indem die Mittel für die Kindertagesstätten jetzt wieder gekürzt würden.

Dazu sage ich: Das ist ein Ausspielen gegeneinander. - Die Kollegen der FDP meinen auch gleich wieder, dass das die Lösung gewesen wäre. - Dem werden wir uns nicht anschließen. Das ist die Variante „Teile und herrsche, kürze mal bei den anderen mehr, dann wird es bei mir ein bisschen weniger“.

Ich hoffe auch, dass die, die bisher protestierten und untereinander Solidarität gezeigt haben, diese Solidarität auch weiterhin zeigen werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Keine Kürzungen bei den Kitas! Wir wissen, dass wir, gemessen an den Anforderungen, die alle vier Fraktionen an die Kindertagesstätten hatten, eigentlich noch immer eine Unterfinanzierung haben.

Ein weiterer Punkt. Kommen wir zu den Fragen der Personalentwicklung. Ja, diesbezüglich haben wir eine grundsätzliche Differenz. Wir wissen, wie die demografische Situation ist, und wir wissen, wie die demografische Situation in den 90er-Jahren war, als wir ein Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1 : 14 in den Schulen hatten.

Wir wissen aber auch, wie die Situation jetzt ist. Man kann dieser demografischen Situation nicht mit dem gleichen Lehrer-Schüler-Verhältnis begegnen wie im Jahr 1990. Das ist strukturell nicht möglich.

Wir wissen übrigens - auch das ist leider viel zu wenig in der Diskussion -, dass die Schülerzahlen in den allgemeinbildenden Schulen in den nächsten sieben Jahren steigen werden. Deswegen wird unsere politische Zielstellung sein, die Zahl der aktiven Lehrer und pädagogischen Mitarbeiter in dem Bereich der Schulen konstant zu halten.

Wir können es uns allerdings nicht mehr leisten, liebe Kollegen, dass allein im Bereich der Schulen eine in den nächsten Jahren vierstellige Zahl von Pädagogen bezahlt wird und sich diese in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden. Wir sparen als Land weniger als 20 % der Personalkosten und verzichten auf 50 % der Arbeitsleistung. Ich sage ganz klar: So reich sind wir nicht.

(Zustimmung von Herrn Erdmenger, GRÜ- NE)

Wir brauchen die Erfahrung, wir brauchen die Kompetenz, wir brauchen die Arbeit auch der älteren Mitarbeiter in der Landesverwaltung, in der Schule, bei der Polizei, in der technischen Verwaltung, in den Hochschulen. Diese Ausgabe ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Ich weiß, dass die Gewerkschaft dazu eine andere Position vertritt. Aus der Sicht der Betroffenen ist das eine sehr attraktive Sache. Aber dazu sage ich ausdrücklich: Nein, das ist ein Weg, den wir nicht mehr weiter gehen können. Wir brauchen die Menschen für öffentliche Daseinsvorsorge, für Bildung und Verwaltung, wir können sie nicht in dieser Art und Weise aus dem System herausnehmen.

Kommen wir zum nächsten Punkt. Wir brauchen bei der Personalbewirtschaftung insgesamt eine neue Situation. Wir haben das Instrument des Neueinstellungskorridors. Aber aus unserer Sicht hat sich das Instrument des Neueinstellungskorridors nicht bewährt, es verschleiert eher die reale Personalausstattung in den nächsten Jahren.

Wir möchten, dass die Bereiche einzeln vorgegeben bekommen, wie viel Personal sie für die einzelnen Aufgaben wirklich brauchen, und dann in eigener Verantwortung zu diesen Zielzahlen kommen. Dann kann man sich immer noch über die Zielzahlen unterhalten. Aber das ist deutlich transparenter, als wenn man einen Neueinstellungskorridor realisiert, mit dem man Einstellungen verhindert und nicht transparent macht, welche Zielzahlen man eigentlich in den einzelnen Bereichen erreichen wollte.

Dazu sage ich: Wir wissen auch, dass das in den Ministerien inzwischen anders gesehen wird. Aber das würden diese natürlich hier nicht zugeben. Das ist auch klar.

Kommen wir noch einmal zu den Kürzungen bei den Hochschulen. Eine typische Argumentation ist: Wir haben eine Strukturdebatte. - Nein, haben wir nicht. Wir haben eine Kürzungsdebatte, und diese wird begründet damit, dass wir eventuell im Jahr 2020 weniger Studenten haben werden. Und weil wir eventuell im Jahr 2020 weniger Studenten haben, können wir schon im Jahr 2014 die Mittel für die Exzellenzinitiative von 25 Millionen € streichen und ab 2015 können wir die Hochschulbudgets streichen.

Das ist keine Strukturdebatte, das ist eine reine Kürzungsdebatte. Benennen Sie sie auch so! Das ist Kürzung und das ist Abbau von Bildung und Wissenschaft, das ist Abbau von Zukunft bei uns.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dann gab es immer noch die alte Argumentation: Wir könnten Mittel in Höhe von 50 Millionen € kürzen, weil unser Land viel zu hohe Zuschüsse hierfür gibt. Wie gesagt, inzwischen konnten Leute vierstellige Zahlen addieren und subtrahieren, und wir wissen, dass das einfach nicht stimmt.

Man kann das machen, entweder über die Variante, radikal die Studentenzahl zu reduzieren. Dazu hat der Kollege Haseloff eben gesagt, dass er das nicht tun wird. Wenn wir das jetzt weitermachen, müssen wir klar sagen: Billig-Universitäten, BilligHochschulen, deutlich unter dem Bundesdurchschnitt finanziert. Dann muss man ehrlich sein. Wenn man das machen will, muss man den teuersten Bereich abwickeln, und dann muss man klar sagen, wie Deubel es vorschlägt: Eine Fakultät schließen und die Universitätskliniken am besten verkaufen!

Wir sagen ausdrücklich: Nein, das darf nicht die Alternative für Sachsen-Anhalt sein. Wir wollen beide Standorte der Arztausbildung erhalten, und wir wehren uns dagegen, dass Universitätsklinika verkauft werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Kommen wir zum Bereich der Kultur. Keine Kürzungen - das ist unser Vorschlag. Wir liegen jetzt mit 85 Millionen € bereits deutlich unter dem magischen Wert von 1 % für Kulturausgaben. Wir wissen aber, dass dieses Nicht-Kürzen nicht ausreichen wird. Deswegen werden wir in einer nächsten Landtagssitzung einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem wir Einnahmemöglichkeiten in Höhe von 15 Millionen € für den Bereich Kultur zusätzlich vorschlagen.

Ja, wir brauchen eine Debatte über die überörtliche Sozialhilfe und deren Struktur, aber doch bitte nicht als Strukturdebatte verkleistert, wenn man einfach nur kürzen will. Deswegen sagen wir in diesem Kontext unter anderem auch: Keine Kürzungen des Blindengeldes! Auch das wäre ein falsches Signal in unsere Gesellschaft.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir orientieren auf einen Polizeiapparat, der eine Polizeivollzugsstärke, und zwar real, von 6 200 Personen hat. Diesbezüglich differieren wir von der Position der Landesregierung.

Wir wissen doch, dass es bei der jetzigen Polizeistrukturreform nicht etwa darum geht, wie man mit weniger Polizisten das gleiche Maß an öffentlicher Sicherheit garantiert. Nein, wir wissen, dass bei der jetzigen Polizeistrukturreform der Abbau des Personals strukturell mit dem Abbau von öffentlicher Sicherheit umgesetzt werden soll. Das ist die Differenz und das werden wir entlarven.

Wir sagen: Eine Zahl von 6 200 Vollzugsbeamten brauchen wir in diesem Land, um auf öffentliche

Sicherheit zu orientieren und öffentliche Sicherheit zu organisieren. Auf dieser Basis können wir uns gern über Strukturen unterhalten, Kollege Stahlknecht. Insofern differieren wir sehr deutlich von den Positionen, die die Landesregierung vertritt.

Dann kommt wieder die Frage: Wollt ihr eine Neuverschuldung? - Nein, wir wollen die Neuverschuldung nicht, wir wollen andere Einnahmequellen erschließen. Aber wir sagen auch mit aller Deutlichkeit: Wenn konservative Mehrheiten in diesem Land diese Einnahmequellen verschließen, dann muss man einmal über ein paar ökonomische Zusammenhänge nachdenken.

Jetzt begebe ich mich tatsächlich auf die Ebene eines BWLers, der fragt: Wie viel Zinsen zahlen Sie als öffentliche Hand eigentlich zurzeit, wenn Sie langfristige Kredite aufnehmen? Wie viel Zinsen zahlen Sie dafür langfristig in zehn Jahren? Welche Möglichkeiten hätten Sie mit der Aufnahme von Krediten für bestimmte Realisierungen, zum Beispiel für die Rekommunalisierung von Energienetzen?

(Unruhe)

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wirtschaftsförderung. Wir sagen ausdrücklich: In der Perspektive darf die Förderung durch verlorene Zuschüsse bei Betrieben nur noch die absolute Ausnahme sein. Wir fordern, dass dort deutlich zurückgegangen wird.

Schauen wir uns einmal an, wie die Situation aussieht. Nehmen wir einmal an, Sie haben einen Investitionsantrag, Herr Möllring, mit 50 % maximaler Förderung. Gehen wir einmal von 50 % aus. Wir wissen, dass wir diese mit EU-Mitteln kombinieren können - zumindest jetzt noch -, und wir können sie mit GA-Mitteln kofinanzieren. Von diesen 50 % öffentlicher Förderung bleiben aus dem Landessäckel im Durchschnitt 20 %. Das bedeutet, für die gesamte Investition sind 10 % Landesmittel erforderlich.

Dazu muss ich sagen, das muss man einmal knallhart durchkalkulieren im Hinblick auf die Frage: Bringt uns eventuell sogar eine Neuverschuldung in Höhe dieses Zuschusses etwas, was sich direkt über diese Investition finanziell zugunsten des Landeshaushalts rechnet? Wenn wir sagen: „wahrscheinlich nicht“, dann sollten wir die Finger davon lassen, dann sollten wir diese Einzelförderung nicht vornehmen.