Protocol of the Session on June 20, 2013

Es werden durch Bundes- und EU-Regelungen die entsprechenden Rahmenbedingungen definiert. Deswegen hätten wir eigentlich weniger die vorliegende Fehlgeburt eines solchen Gesetzentwurfes erwartet als vielmehr die Weiterführung des Regelwerkes, das schon einmal für das Konjunkturpaket II gegolten hat.

(Zuruf von der LINKEN: Genau!)

Da waren sozusagen Fristen entsprechend vereinfacht worden. Die EU hat zum Beispiel zugestimmt, die in der EU-Richtlinie 2004/18/EG vorgesehenen Mindestfristen zu verkürzen. Das heißt, die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge kann von 37 auf zehn Tage und die nachfolgende Frist, innerhalb deren die Angebote einzureichen sind, kann von 40 Tagen auf zehn Tage verkürzt werden, sodass insgesamt Fristen von 87 Tagen auf 30 Tage verkürzt werden. Das haben wir schon einmal geregelt. Warum greift man das nicht wieder auf?

Ebenso ist in der EU-Verordnung das Thema der Schwellenwerte definiert. Ab dem 1. Januar 2012 gilt in Deutschland für Bauaufträge ein Schwellenwert von 5 Millionen € und im Bereich der für Liefer- und Dienstleistungsaufträge ein Schwellenwert von 200 000 €. In allen Fällen, in denen das Volumen darunter liegt, kann eigenständig agiert werden.

In Sachsen-Anhalt wurden die Wertgrenzenregelungen bereits bis Ende 2011 verlängert. Das könnte in Übereinstimmung mit dem Bund und der EU auch bis Ende 2014 geschehen. Diese Botschaft hätte ich zum Beispiel vom Ministerpräsidenten erwartet, dass er mit der EU über solche Fristenregelungen, wie wir sie schon einmal beim

Konjunkturpaket II hatten, bis 2014 oder 2015 verhandelt hat.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Vielleicht führt er es morgen aus!)

Damals wurden auch die Regelungen für die Wertgrenzen für Bauleistungen bei freihändiger Vergabe bis zu 100 000 € und bei beschränkter Ausschreibung bis zu 1 Million € befristet. All das ist machbar. Dafür braucht man das Vergabegesetz nicht außer Kraft zu setzen. Das hat damit überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesverfassung gibt in Artikel 79 genau vor, wie Rechtsverordnungen auszusehen haben. Die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen kann nur durch Gesetz erteilt werden. Das Gesetz muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Die Rechtsgrundlage ist in der Rechtsverordnung anzugeben.

Im vorliegenden Gesetzentwurf sind weder Inhalt noch Zweck noch Ausmaß auch nur annähernd begründet. Die Einführung eines § 25, der abweichende Regeln ohne Bekanntgabe der vorgesehenen Abweichungen vorsieht, sowie die Aussage, dass das Vergabegesetz für ein Jahr außer Kraft gesetzt werden soll, erfüllen die Verfassungsanforderungen in keiner Weise.

(Beifall bei der LINKEN)

Man kann nur den Eindruck gewinnen, das junge Kind „Vergabegesetz“ soll nicht nur mit dem Bade ausgeschüttet, sondern zugleich der Flut zur weiteren Entsorgung übergeben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser blinde Aktionismus ist mit uns nicht zu machen. Wir erwarten von der Debatte im zuständigen Fachausschuss klare Ansagen, welche Verfahren im Rahmen bestehender Rechtsverordnungen und in Übereinstimmung mit den EU- und Bundesregelungen eingeleitet werden sollen. Damit wird die Aushebelung des Vergabegesetzes ad absurdum geführt.

Nur damit der federführende Fachausschuss eine Beschlussfassung herbeiführen kann, stimmen wir der Überweisung zu. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Dr. Thiel. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Steppuhn.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist richtig und auch wichtig, dass sich das Parlament auf Anregung der Lan

desregierung mit der Frage befasst, wie es möglich ist, dass der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe schnell vonstatten geht und wie Bauprojekte und andere Aufträge möglichst schnell ausgelöst werden können.

Ich glaube nicht, dass es dazu notwendig ist, dem Wirtschaftsminister eine Ermächtigung des Parlaments zu erteilen, nicht nur für die Folgen dieser Katastrophe, sondern auch für zukünftige Katastrophen, allein schon deshalb, weil wir als SPDFraktion nicht möchten, dass ein Minister allein darüber entscheidet, was eine Katastrophe ist und wie in der Folge gehandelt wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich kann dem Kollegen Thiel darin zustimmen, dass das Vergabegesetz nur einen kleinen Bereich beinhaltet, in dem es Möglichkeiten gibt, die öffentliche Auftragsvergabe zu beschleunigen. Aber ich denke, um diese Diskussion möglichst sachlich zu führen, muss man auch das, was in der Katastrophe passiert ist, von dem trennen, was nach der Katastrophe passiert.

Das, was in der Katastrophe passiert ist, dass man Sandsäcke bestellt hat, die jetzt wieder eingesammelt werden, dass man Schiffe versenkt hat, das ist passiert. Das war alles richtig und notwendig. Das haben diejenigen entschieden, die dafür die Verantwortung getragen haben.

Ich denke, es wird auch niemandem in diesem Haus geben, der die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft ziehen will. Es waren notwendige Maßnahmen im Katastrophenfall. Ich bin auch einmal gespannt - darüber können wir uns ja berichten lassen, Herr Minister -, wie viele Einsprüche oder wie viele Klagen es gegen diese Vergaben geben wird. Also, dieser Bereich ist abgearbeitet. Ich glaube, es ist auch schwierig, solche Dinge rückwirkend zu regeln.

Viel spannender ist, wie wir mit den Aufträgen, die zukünftig notwendig sind, wenn Brücken gebaut und wenn Straßen saniert werden müssen, umgehen. Da sehe ich im Vergabegesetz eigentlich zwei Möglichkeiten, die man unter Umständen - natürlich nach der Diskussion im Ausschuss - eröffnen kann.

Zum einen geht es darum, wie man Fristen verkürzen und bei schnell erfolgten Vergaben Einsprüche vermeiden kann. Das ist also ein Baustein, über den man reden kann und bei dem man auch zu Lösungen kommen kann.

Zum anderen geht es um die EU-Schwellenwerte. Ich kann mich daran erinnern, dass es nach der Flutkatastrophe im Jahr 2002 eine EU-Regelung gegeben hat, mit der die EU auch Schwellenwerte verändert bzw. außer Kraft gesetzt hat für die Aufgaben, die dann auf die Länder, die betroffen waren, zukommen.

Ich glaube, man muss erst einmal abwarten. Vielleicht redet der Ministerpräsident in Brüssel darüber. Aber das wäre unter Umständen auch eine Möglichkeit, dass wir für einen befristeten Zeitraum diese EU-Schwellenwerte anders bewerten, als wir es zurzeit mit dem Landesvergabegesetz tun. Das sind die beiden Bereiche, die man regeln kann.

Damit auch gar nicht erst der Eindruck entsteht, wir wollten das Landesvergabegesetz außer Kraft setzen, sollten wir von vornherein klarstellen, dass es nicht um ein Außerkraftsetzen des Landesvergabegesetzes geht. Vielmehr kann das nur für die Bereiche gelten, in denen letztlich auch Hochwasser gewesen ist, in denen die Katastrophe eingetreten ist.

Wenn wir auf dem Brocken oder im Harz eine Brücke bauen, wo es gar kein Hochwasser gab, dann brauchen wir an der Stelle das Vergabegesetz nicht in Teilen außer Kraft zu setzen. Dort muss es dann weiter gelten.

Das Gleiche gilt für die Frage der sozialen Standards. Natürlich kann es nicht sein, dass man soziale und tarifliche Standards außer Kraft setzt, wenn wir zum Beispiel eine Brücke wieder aufbauen.

Im Übrigen gelten da auch höherrangige Gesetze. Die Mindestlöhne in der Baubranche sind per Entsendegesetz geregelt. Die sind nicht außer Kraft zu setzen. Wir haben allgemeinverbindliche Tarifverträge. Die sind auch nicht außer Kraft zu setzen.

Wenn wir uns darüber einig sind, Herr Minister, dass diese Dinge nach wie vor Gültigkeit haben und von Ihnen nicht gemeint sind, dann kann man, glaube ich, mit den Dingen vernünftig umgehen. Ich setze darauf, dass wir das im Ausschuss gemeinsam auf den Weg bringen.

Ich denke, das ist unsere Verpflichtung bei all dem Streit, den wir in der Vergangenheit zum Vergabegesetz hatten. Ich erinnere mich daran und glaube, es gibt nicht allzu viele in diesem Hohen Haus, die diese Diskussion jetzt noch einmal führen wollen.

Vielmehr sollten wir jetzt gemeinsam überlegen, wie wir in Krisenzeiten mit diesem Gesetz umgehen. Das können auch alles nur befristete Maßnahmen sein, sodass nach einer Zeit des Wiederaufbaus, in der das gemacht wird, was notwendig ist, das Gesetz wieder so aussieht, wie es vorher war, ohne dass man eine neue gesetzliche Beratung machen muss.

Wenn wir uns darauf verständigen können, kommen wir in der Ausschussberatung zu einer entsprechenden Lösung und können dem Parlament auch entsprechende Vorschläge machen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Steppuhn. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Erdmenger.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind alle einig, dass es ein verständliches Anliegen ist, das die Landesregierung hier vorgetragen hat. Wenn wir schauen, ob es tatsächlich Punkte gibt, an denen Vergabeverfahren schnelles Notfallhandeln, schnelles Aufräumen oder gar an bestimmten Punkten den schnellen Wiederaufbau verhindern, und wir an den Stellen etwas vereinfachen können, dann sollten wir das auch tun.

Aber es ist nach wie vor - das haben jetzt mehrere Redner gesagt; Herr Steppuhn hat es gerade auch gesagt - vollkommen unklar, um was es im Vergabegesetz gehen soll, welche Punkte denn betroffen sind.

Ihre Ausführungen, Herr Minister, dass es in erster Linie um Notfallentscheidungen geht, haben mich nicht überzeugt. Das trifft auch nicht den Kern des Textes, der uns vorliegt. Es muss schon deutlich mehr dahinter stehen. Deswegen müssen wir ausführlich darüber sprechen und das entsprechend prüfen.

Ich will jetzt nicht weiter spekulieren, worum es denn gehen könnte; denn ich kann es gerade nicht erkennen. Ich denke, wir sollten das Gesetz in den Ausschuss überweisen und es dort ausführlich durchleuchten. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Danke sehr, Herr Erdmenger. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Czapek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle standen und stehen noch unter den Eindrücken der Hochwasserkatastrophe von 2013. Wer glaubte, die Ereignisse des Jahres 2002 würden sich nicht wiederholen, der wurde eines Besseren belehrt.

Schon jetzt sehen wir die Schäden in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Aktuell rechnen die Versicherungsvertreter mit einem zweistelligen Milliardenbetrag. Den genauen Schaden wird man erst mittelfristig beziffern können, nämlich dann, wenn das Wasser gewichen ist und der Wiederaufbau beginnt.

Als Zeitzer Abgeordneter möchte ich an dieser Stelle nochmals die Gelegenheit wahrnehmen, den Helfern im Land zu danken, den Feuerwehren, der Polizei, dem DRK, dem Bundesgrenzschutz, dem THW, der DLRG, der Bundeswehr und nicht zuletzt den vielen freiwilligen Helfern, die mit ihrem unermüdlichen, oft tagelangen Einsatz geholfen haben, noch Schlimmeres zu verhindern.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Erfahrung lehrt uns: Nach der Flut ist vor der Flut. Aber die Flut ist das eine. Die Zeit danach ist das andere. Ich bin der Landesregierung sehr dankbar, dass sie in dieser Notsituation schnell und unbürokratisch gehandelt hat. Die ersten Hilfen sind bereits ausgezahlt worden. Auf der Bundesebene stehen die Bundesländer solidarisch zusammen.

Die Folgen der Katastrophe müssen nun schnell überwunden werden, um auch den betroffenen Menschen vor Ort ein Zeichen der Hoffnung zu geben, dass sie in dieser Not nicht allein gelassen werden. Wir brauchen wieder, lieber Kollege Thiel, Normalität, so wie Sie es vorhin gesagt haben.