Protocol of the Session on June 20, 2013

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Weihrich. - Für die Landesregierung spricht der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Herr Dr. Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es, dass wir heute eine Aktuelle Debatte auf der Basis eines Antrages aller Fraktionen des Landtages zum Thema Hochwasserschutz führen. Das ist ein gutes Zeichen. Allerdings, Ihre Ausführungen, Herr Abgeordneter Weihrich, bringen mich schon ins Nachdenken

(Herr Striegel, GRÜNE: Dann hat er etwas erreicht! Super! - Unruhe bei den GRÜNEN)

- über die mangelnde Realitätsnähe, mit der Sie dieses Thema hier in diesem Hohen Hause behandeln.

(Beifall bei der CDU)

Erneut ist Sachsen-Anhalt von einem schweren Hochwasser heimgesucht worden. Nur knapp elf Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser von 2002 nun diese Flut. Es ist das schwerste Hochwasser seit Menschengedenken. Wir haben in vielen Städten die höchsten Pegelstände zu verzeichnen, die wir jemals gemessen haben: in Naumburg 10 cm über dem bisherigen Höchststand, in Bernburg 59 cm über dem bisherigen Höchststand, in Magdeburg 66 cm über dem bisherigen Höchststand, in Tangermünde waren es 68 cm über dem bisherigen Höchststand und in Halle 109 cm über dem bisherigen Höchststand.

Verursacht wurde diese Situation durch ungewöhnlich hohe Niederschläge. In den Teileinzugsgebieten der Elbe wurden Niederschläge von der zwei- bis dreifachen Menge des monatlichen Mittelwertes gemessen. Schwerpunktgewässer des Hochwassergeschehens waren und sind zum Teil noch die Elbe, die Saale, die Mulde, die Weiße

und die Schwarze Elster sowie die Havel. Auch die übrigen Nebenflüsse dieser Gewässer haben mit beträchtlichen Abflussmengen zur Hochwasserentwicklung beigetragen.

Erneut zeigt sich, dass jedes Hochwasser anders verläuft. Im Gegensatz zum August 2002 waren nahezu alle Gewässer gleichzeitig betroffen. Hinzu kam, die Hochwasserscheitel der Weißen Elster und der Saale trafen aufeinander, was zu dramatischen Entwicklungen insbesondere im Stadtgebiet Halle führte. Im weiteren Verlauf trafen dann der Hochwasserscheitel der Saale und der Hochwasserscheitel der Elbe aufeinander.

Hochwasserstände wie diese haben sich Hydrologen, Klimaforscher und Wasserbauingenieure bisher nicht vorgestellt und wohl auch nicht vorstellen können. Die Natur hat uns gezeigt, was sie kann.

Die Menschen müssen umdenken. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist häufiger mit solchen Hochwasserereignissen zu rechnen. Davon sind wir in Sachsen-Anhalt aufgrund unserer Lage im Flusssystem besonders betroffen. Wir haben nun einmal den längsten Elbabschnitt aller Bundesländer und mit Elbe, Saale und den anderen Nebengewässern in weiten Teilen des Landes eine von den Flüssen ausgehende Hochwassergefahr.

In den Jahren 1994, 2002, 2003, 2006, 2010, 2011, 2013 mussten wir bemerkenswerte Hochwasser beklagen. Die Klimaforscher sagen uns, dass stärkere Extremniederschläge zu erwarten sind. Sie sind nicht nur zu erwarten, sie treten bereits ein. Das wurde uns jetzt dramatisch vor Augen geführt. Es wird seltener, aber intensiver regnen. Auch wenn die Berechnungen der Klimamodelle derzeit noch mit Unsicherheiten behaftet sind, ist die grundsätzliche Richtung der Klimaentwicklung klar erkennbar.

Die in der Strategie des Landes Sachsen-Anhalt zur Anpassung an den Klimawandel enthaltenen Ergebnisse finden auch bei der Hochwasserschutzplanung Berücksichtigung. Aber das alles bisher übertreffende Ereignis 2013 bedarf der Analyse, der Aufarbeitung und der Berücksichtigung bei zukünftigen Hochwasserschutzplanungen.

Wir müssen uns darauf einstellen, dass Ereignisse wie das jetzige und die vergangenen Hochwässer häufiger eintreten. Für uns bedeutet das: Wir müssen uns besser schützen. Denn die Bilanz ist erschreckend. Das Hochwasser 2002 hat in Sachsen-Anhalt Schäden von deutlich über 1 Milliarde € verursacht. Schäden in Privathaushalten, Schäden in Unternehmen, Schäden in der Landwirtschaft, Schäden an den Hochwasserschutzanlagen, Schäden an der Infrastruktur.

Auch wenn wir für 2013 noch keine endgültige Bilanz ziehen können - es zeichnet sich ab, dass

diese Größenordnung wiederum erreicht wird. Zirka ein Zehntel des Landes steht unter Wasser. Städte und Dörfer waren und sind noch ganz oder teilweise von Überflutungen betroffen.

Mehr als 10 % der landwirtschaftlichen und auch forstwirtschaftliche Flächen sind überflutet. Mehr als 600 landwirtschaftliche Betriebe sind betroffen, nach Schätzungen des Wirtschaftsministeriums auch 1 700 Wirtschaftsunternehmen und viele, viele Hauseigentümer und Mieter.

Das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr schätzt die Schäden an den Landesstraßen allein auf 50 bis 70 Millionen €, an den Bundesstraßen auf 20 Millionen €. Die Schäden an den vielen kommunalen Straßen konnte das Land bisher noch gar nicht ermitteln.

Die Schäden an den Hochwasserschutzanlagen, die im Jahr 2002 etwa 220 Millionen € betrugen, dürften auch bei der Flut 2013 in einer ähnlichen Größenordnung liegen.

Aber es ist nicht nur der materielle Schaden, den wir beklagen müssen, meine Damen und Herren. Vor allem die Sorge, die Not, die Verzweiflung vieler Menschen haben wir in den vergangenen Tagen immer wieder aufs Neue erleben müssen.

In Sachsen-Anhalt sind keine Menschen ertrunken. Dafür sind wir dankbar. Aber in Zusammenhang mit dem Hochwasserereignis haben vier Menschen ihr Leben verloren. Wir haben dieser Menschen gedacht. In dieser Stunde sind unsere Gedanken auch bei den Angehörigen der Verstorbenen.

Wie im Jahr 2002 haben wir eine ungeheure Solidarität erfahren dürfen in den Familien, zwischen Nachbarn, zwischen den Bundesländern. Viele Menschen aus allen Teilen Deutschlands haben uns geholfen, waren an den Deichen, haben gearbeitet, gespendet und spenden heute noch. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall im ganzen Hause)

Ein besonderer Dank gilt den Einsatzkräften der Bundeswehr, der Bundes- und Landespolizei, des Technischen Hilfswerks, der DLRG, des DRK und insbesondere auch der Feuerwehren und Wasserwehren. Die Aufzählung ist nicht vollständig.

Insgesamt waren zeitweilig mehr als 100 000 Menschen im Lande im Einsatz und an den Deichen. Ohne diese Hilfe wären die Folgen dieser Flut noch weit verheerender gewesen, als sie es ohnehin schon sind. Es ist bewegend, wenn man an einem Deich Soldaten aus Süddeutschland trifft, Feuerwehrleute aus Berlin und der Lastwagen, der die Sandsäcke bringt, ein Aachener Kennzeichen hat.

Herzlichen Dank all denen, die uns in den letzten Tagen und Wochen zur Seite standen und den

Menschen in Sachsen-Anhalt bis zur Erschöpfung geholfen haben.

(Beifall im ganzen Hause)

Mein Dank gilt auch der hiesigen Bevölkerung, die in großartiger Weise mit den Hilfskräften umgegangen ist. Ein Feuerwehrmann aus dem niedersächsischen Landkreis Hameln-Pyrmont sagte mir, so etwas an Aufnahme, an Hilfsbereitschaft, an Unterstützung der Hilfskräfte wie hier in Magdeburg habe er noch nicht erlebt. Es gab viele großartige Signale gegenüber unseren Helfern.

Ganz besonders hervorheben möchte ich auch die Einsatzbereitschaft vieler junger Menschen. Über moderne Medien wie Facebook oder Twitter haben sie sich informiert und organisiert. Eine Lehre, die wir aus diesem Hochwasser ziehen können, ist, dass auch solche Netzwerke noch besser in unsere Strategien einbezogen werden müssen.

Mein Dank gilt an dieser Stelle in besonderer Weise auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft - namentlich erwähne ich an dieser Stelle auch den Direktor Herrn Henning -,

(Beifall im ganzen Hause)

die in diesen Tagen bis an die Grenzen ihrer Kräfte mit ihrer Sachkenntnis geholfen haben, Schlimmeres zu verhüten. Mein Dank gilt auch meiner Fachabteilung.

Wir können bilanzieren, dass die Maßnahmen, die wir seit 2002 durchgeführt haben - Sie erinnern sich, damals waren 5 % der Hochwasserschutzanlagen den DIN-Normen entsprechend; heute sind es immerhin 50 % -, richtig waren. Das ambitionierte Hochwasserschutzprogramm, das wir in Sachsen-Anhalt seit 2002 durchgeführt haben, war im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig; denn der Hochwasserschutz an den neuen Deichen hat sich bewährt.

Leider hatten wir vier Deichbrüche: in Klossa und Hemsendorf an der Schwarzen Elster, in Breitenhagen an der Saale sowie in Fischbeck an der Elbe. Es brachen aber ausschließlich alte Deiche.

Die Deichbrüche in Breitenhagen und Fischbeck - beides Deiche aus der Mitte des 19. Jahrhunderts - führten zu verheerenden Folgen in der Fläche. Viele Städte und Dörfer wurden überflutet. In Breitenhagen wurde zur Beschleunigung des Wasserabflusses eine Deichsprengung vorgenommen. Sie führte im Ergebnis dazu, dass die Menschen in den betroffenen Regionen eher wieder in ihre Häuser zurückkehren und Schäden beheben können.

Wir alle haben noch die spektakuläre Aktion in Fischbeck vor Augen. Das Versenken von Schiffen war eine ungewöhnliche, ja geniale Idee. Es war eine Idee, die erfolgreich realisiert wurde. Dieses

Verfahren wurde erstmals in Deutschland praktiziert und spiegelt die hervorragende Zusammenarbeit aller Einsatzkräfte wider.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Dank an dieser Stelle unserem Innenminister Holger Stahlknecht und Oberst Körbi für diese gelungene Aktion.

(Beifall im ganzen Hause)

Der Zufluss von Wasser aus der Elbe in das Hinterland konnte dadurch deutlich reduziert werden.

Meinem Kollegen Holger Stahlknecht danke ich auch für die umsichtige und entschlossene Leitung des Krisenstabs.

Mein Dank gilt ebenso der sehr guten und kollegialen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ressorts, die in diesen Tagen eng zusammenstanden.

Während der Krisenlage war der Stab einschließlich der Vertreter der Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt und für Landesentwicklung und Verkehr sowie der verschiedenen Fachberater und Verbindungspersonen des THW, des DRK, der DLRG, der Bundes- und Landespolizei und selbstverständlich auch der Bundeswehr 24 Stunden täglich mit mehr als 30 Personen besetzt. Die Beteiligten haben im Zwölfstundenschichteinsatz gearbeitet. Was geleistet wurde, war enorm. Auch dank des Einsatzes aller Mitarbeiter des Krisenstabes konnte in Sachsen-Anhalt Schlimmeres verhindert werden.

Hervorheben möchte ich ganz besonders die hervorragende aufopferungsvolle Arbeit der Menschen vor Ort, die sich um ihre Häuser, um ihr Eigentum bemüht haben, sowie die Arbeit in den Gemeinden, die Arbeit bei den Landkreisen, denen im Katastrophenfall eine ganz entscheidende Aufgabe zugefallen ist.

Hervorheben möchte ich auch die gute Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg.

Ich danke an dieser Stelle auch den Medien und vielen Organisationen für die Zurverfügungstellung von Informationen, für Beratung und Hilfe.

Die Anstrengungen, die wir im Land seit 2002 im Bereich des Hochwasserschutzes unternommen haben, haben sich ausgezahlt. Das sage ich trotz des Leids, das dieses Hochwasser über uns gebracht hat.

Deswegen bin ich dafür dankbar, dass wir auch mit der Unterstützung des Landtages von SachsenAnhalt in einem armen Land mit Haushaltsproblemen seit 2002 mit 500 Millionen € eine gewaltige Kraftanstrengung bei den Investitionen in den