Protocol of the Session on March 22, 2013

Die entscheidende Frage ist nun, ob wir die Situation erreicht haben, dieses Nutzungsverhalten so anzuerkennen, dass es unerlässlicher Teil des soziokulturellen Existenzminimums ist.

Ich sagte schon, dass das soziokulturelle Existenzminimum bzw. seine Komponenten nicht so leicht quantifizierbar sind, wie es manchmal bei den Grundbedürfnissen der Fall ist. Hierbei geht es traditionell um Aushandlungsprozesse der Sozialgerichtsbarkeit, und die Bewertung beruht im Wesentlichen auf den Diskussionen im gesellschaftlichen und im politischen Raum. Dies ist einer der Gründe, weswegen wir hier und heute den vorliegenden Antrag stellen.

Weite Teile enthalten den Fakt, dass eine verfügbare und nutzbare Internetverbindung heute essenziell ist, um ein würdiges Leben zu führen. Argumente gegen die Aufnahme als Teil des soziokulturellen Existenzminimums kommen noch von jenen, die dem widersprechen, und jenen, welche die Menge zum Erreichen dieses soziokulturellen Existenzminimums prinzipiell beschränken wollen und dies meist finanziell oder mit Abstandsgeboten begründen. Gerade Letzteres jedoch ist unsozial; denn der Begriff „Existenzminimum“ soll ja gerade aussagen, dass nichts von dem reduziert werden kann, ohne dass die Würde des Lebens eingeschränkt wird.

Diskutieren kann man indes darüber, wann genau der Zeitpunkt erreicht ist. Für DIE LINKE ist dies bereits im letzten Jahr der Fall gewesen. Daher haben wir im Deutschen Bundestag die Gesetzgebung, die wir auch heute beantragen, gefordert. Denn erfahrungsgemäß vergeht doch einige Zeit zwischen der Feststellung eines Grundrechts und der gesetzeskonformen Umsetzung einer Ableitung dieses Grundrechts.

Meine Damen und Herren! Das bringt mich zu dem zweiten Grund, den vorliegenden Antrag hier und heute einzubringen. Die Feststellung des Grundrechts ist nämlich frisch getroffen worden. Am 24. Januar 2013 hat der Bundesgerichtshof festgestellt - Zitat -:

„Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“

Es sei - so heißt es weiter - ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Ich betone: ständige Verfügbarkeit von zentraler Bedeutung.

Um so schnell wie möglich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs zu reagieren, um Verzögerungen bei der Gesetzgebung zu verhindern, stellen wir diesen Antrag. Wir wollen heute offenlassen, welche Sozialgesetzbücher angefasst werden sollen. Diesbezüglich sollen der Landesregierung keine Hürden aufgebaut werden. Es liegt jedoch auf der Hand, dass mindestens das SGB II und das SGB XII betroffen sein werden.

Im Fall des SGB II gibt es ein kleines Kuriosum. Im Regelsatz für Sozialleistungsempfängerinnen und -empfänger sind 3,44 € für Informationstechnik sowie für Software vorgesehen. Die Anschaffung ist aber nicht geregelt. Die Zuteilung als Sonderbedarf wäre aus unserer Sicht eine geeignete Möglichkeit, dieses Kuriosum zu lösen.

Wichtig ist auch, dass diese Technik nicht pfändbar ist. Wir müssen doch beim Bereitstellen entsprechender Infrastruktur konsequent sein, wie wir zum Beispiel im Bereich des Grundrechts auf Wohnen konsequent sind. Analog zu unseren Forderungen nach Abschaffung von Stromsperren muss die Pfändbarkeit der notwendigen Informationstechnik natürlich ausgeschlossen werden.

Lassen Sie mich bitte noch ausführen, wieso wir die öffentliche Debatte über das Thema führen. Es geht um die Überwindung der digitalen Spaltung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich behaupte, niemand, keine Partei hat ein halbwegs ausgegorenes Konzept zur Überwindung der digitalen Spaltung. Hier und da gibt es aber einzelne Maßnahmen - zum Beispiel mit diesem Antrag oder bezüglich des Themas Internetversorgung und Breitband -, dazu trotzdem einen Beitrag dazu leisten.

Als gesellschaftliche Herausforderungen der nächsten Zeit sind aber Fragen der digitalen Spaltung nicht beantwortet. Am deutlichsten lässt sich die digitale Spaltung - neben der Nutzungsintensität - in den jeweiligen Altersspektren, im sozialen Status der Menschen in unserem Land erkennen. Im Digitalen setzt sich die soziale Spaltung der Gesellschaft verstärkt fort. Die soziale Spaltung der Gesellschaft zementiert sich weiter.

Das belegt jährlich die Initiative D21 mit dem (N) Onliner-Atlas. Den führen wir gern an, wenn wir eine Ursache geringer Nutzung des Internets gesehen haben. Aber es steht natürlich noch weitaus mehr darin. Wenn man schaut, wo die größte Korrelation zwischen Internetnutzungsintensität und weiteren sozialen Statistiken besteht, stellt man fest, dass es die der sozialen Herkunft ist.

DIE LINKE will die soziale Spaltung überwinden. Das muss der erste Schritt sein, damit es nicht noch schlimmer wird. Ich habe vorweggenommen: Auch wir haben diesbezüglich kein fertiges Gesamtkonzept. Wir werden uns in der Fraktion allerdings noch in mehreren Diskussionen darum bemühen, diesbezüglich weiter voranzukommen. Bis dahin können wir jedoch alles tun, damit es nicht schlimmer wird, und eben punktuell die soziale Spaltung verringern.

Nun hat der Kollege Fraktionsvorsitzende der CDU in der Landespressekonferenz diesen Antrag - neben der aktuellen Debatte von heute Morgen - zum Anlass genommen, uns Wahlkampf zu unterstellen.

(Herr Schröder, CDU: Internet für alle! Das ist doch eine gute Botschaft!)

Na gut, kann man jetzt sagen. Wenn es stimmt, dann ist immer Wahlkampf, und vielleicht ist das auch so. Reagieren muss ich trotzdem auf diese Bemerkung; denn wir reagieren mit diesem Antrag

auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Nach meiner Auffassung steht er nicht vor einer Wahl. Was will man dann dem BGH unterstellen?

Zudem versuchte damit Herr Schröder das angesprochene Thema zu bagatellisieren.

(Herr Borgwardt, CDU: Ja, ja!)

Das wird dem Problem der sozialen Spaltung in dieser Gesellschaft, mit dem wir konfrontiert sind, überhaupt nicht gerecht.

Meine Damen, meine Herren! DIE LINKE hält es für geboten, neben Internetanschlüssen in Wohnungen auch die dazugehörige Informationstechnik als Teil des soziokulturellen Existenzminimums anzuerkennen. Daher fordern wir die Landesregierung auf, im Bundesrat für eine dies realisierende Sozialgesetzgebung zu sorgen. - Haben Sie vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. - Für die Landesregierung wird jetzt Herr Minister Bischoff das Wort ergreifen - ohne Laptop.

Den lasse ich am Arbeitsplatz, den Laptop. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wagner, es ist, glaube ich, unbestritten - alle im Haus wissen das; eine Fraktion ist komplett mit iPads ausgestattet -, dass Internetzugang wichtig ist und dass er benötigt wird, um sowohl Herrschaftswissen begegnen zu können als auch ständig auf dem Laufenden zu sein.

Es gibt sehr viele Menschen, die bei der Wahl ihrer Wohnung nicht zuerst danach fragen, wo die Wohnung liegt, sondern ob sie Internetanschluss hat. Ich glaube, das wird in den nächsten Jahren zunehmen. Auch die Frage des lebenslangen Lernens wird dazugehören. Auch die Fragen des Umgangs mit dem Internet und der Möglichkeit, dorthin zu gelangen, werden eine Rolle spielen.

Um bei den Zahlen zu bleiben. Ich dachte, weil Sie von der digitalen Spaltung der Gesellschaft sprachen, Sie würden auf den Onliner- bzw. NonlinerAtlas Bezug nehmen, der aufzeigt, wer überhaupt Nutzer ist, wie sich das in den nächsten Jahren entwickeln wird und wer das benötigt. Ich fand nicht die Grundfragen, die Sie aufgeworfen haben, interessant, sondern die Frage danach, was Menschen wirklich brauchen. Sie sprachen von der Würde des Menschen.

Dieser Atlas wurde von der „Initiative D21“, von Infratest und von anderen IT-Beauftragten unterschiedlicher unabhängiger Institutionen erstellt. In diesem Atlas wird für das Jahr 2012 ausgewiesen - das ist interessant -, dass Familien mit einem ver

fügbaren monatlichen Haushaltseinkommen von unter 1 000 € zu 54,2 % mit einem Internetzugang versorgt sind. Familien mit einem verfügbaren monatlichen Haushaltseinkommen ab 3 000 € sind zu 92 % mit einem Internetzugang versorgt.

Aber wenn man den Zeitraum von 2001 bis 2011 betrachtet, dann stellt man fest, dass Familien mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von unter 1 000 € zu Beginn des Zeitraums nur zu 17,2 % mit einem Internetzugang versorgt gewesen sind. Insofern hat in den letzten Jahren eine erhebliche Entwicklung stattgefunden.

Nun betrachten wir einmal die 46 % der Haushalte, die unter 1 000 € Monatseinkommen liegen und keinen Internetzugang haben. Als häufigster Grund für den Verzicht auf einen Internetzugang wird angegeben, dass kein Bedarf besteht. Wen betrifft das? - Das sind im Wesentlichen ältere alleinstehende Personen ab 65 Jahre bzw. generell die Personengruppe ab 65 Jahre. Das dürfte sich also auch auf Zweipersonenhaushalte ab 65 Jahre beziehen.

(Zuruf von Herrn Herbst, GRÜNE)

Wenn man diese Personengruppen berücksichtigt, kann man von einer digitalen Spaltung der Gesellschaft nicht reden. Ich bin auch davon überzeugt, dass diejenigen, die auf einen Internetanschluss verzichten, weil sie nicht oder noch nicht damit umgehen können - das ist auch eine Frage des lebenslangen Lernens -, trotzdem in Würde leben können. Daher glaube ich, dass diese Frage der Spaltung der Gesellschaft nicht zwangsläufig richtig ist.

Weiterhin wurde gefragt, ob ein Internetzugang bei der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die zur Zugrundelegung der Regelbedarfe dient, berücksichtigt worden ist. Im Zusammenhang mit den Regelbedarfen werden nicht Geräte finanziert, sondern es werden Pauschalen finanziert und es ist jedem Einzelnen überlassen, was er damit tut. Sie haben eine Zahl genannt, die ich nicht bestätigen kann, weil das in Bezug auf drei oder vier Positionsgruppen genannt wird, die ich nicht aufzählen will. Dort ist ein monatlicher Betrag für Kommunikationsleistungen in Höhe von 30,77 € angegeben.

Ob das ausreichend ist und ob man sagen kann, es gibt schon internetfähige Computer, die so preiswert sind, dass sie die Grundbedürfnisse befriedigen, kann ich nicht so sagen. Das wird alle fünf Jahre erhoben. Die letzte Erhebung erfolgte im Jahr 2008. Ich nehme an und gehe davon aus, dass dieser Betrag in den nächsten Jahren steigen wird. Auch das Interesse, einen Internetzugang zu besitzen, wird steigen, weil er zur Bildung und zum lebenslangen Lernen dazugehört. Daher glaube ich, dass Sie das auch in dieser Richtung sehen.

Ich würde deshalb zum Schluss festhalten, dass ich nicht weiß, wie sich die Bedarfe in der Zukunft entwickeln werden. Das Internet wird mit Sicherheit dazugehören. Es wird besser und nachhaltiger berücksichtigt werden. Aber ich will auch darauf hinweisen, dass der Zugang zum Internet nicht ausschließlich zu Hause erfolgt.

Deshalb plädieren wir auch dafür, dass viele öffentliche Einrichtungen, wie Jugendklubs und öffentliche Einrichtungen, Internetzugänge aufweisen, nicht nur die Jobagenturen und Ähnliches, die selbstverständlich über Internetzugänge verfügen sollten. Öffentliche Zugänge zum Internet sollten gewährleistet werden, damit die Menschen einen Zugang zum Internet haben.

Viel wichtiger wird es in der Zukunft sein, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie wir mit dem Internet umgehen. Es geht nicht um die Frage, ob ich einen Internetzugang besitze. Vielmehr ist es relevant, wie lange ich mich im Internet aufhalte und wozu ich es gebrauche. An dieser Stelle besteht eine viel größere Herausforderung. Hierbei spielen auch Aspekte des lebenslangen Lernens und der Bildung eine Rolle.

Ich glaube, bei diesen Fragen könnte sich eher eine Spaltung der Gesellschaft abzeichnen. Auf der einen Seite wird es diejenigen geben, die das Internet brauchen, weil sie ihr Wissen steigern wollen. Auf der anderen Seite wird es diejenigen geben, die viele andere Dinge mit dem Internet machen, die oft nicht der Wissensvermittlung oder der Wissensaneignung dienen. Aber das ist eine Frage der Bildung, der ich mich an dieser Stelle nicht widmen möchte.

Ich bin davon überzeugt, dass ein Internetzugang im Regelsatz enthalten ist, dass dies zukünftig transparenter darstellbar ist, aber dass eine Spaltung der Gesellschaft nicht darin begründet liegt, dass Menschen auf einen solchen Zugang verzichten, weil sie nicht oder noch nicht oder vielleicht auch gar nicht damit umgehen wollen.

(Zustimmung bei der SPD)

Dank schön, Herr Minister. - Wir treten in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Als Erster spricht Herr Rotter für die CDU-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn uns allen nicht bereits das Datum der bevorstehenden Bundestagswahl bekannt wäre, so wüssten wir zumindest nach der Debatte heute Morgen und spätestens jetzt mit der Beratung des vorliegenden Antrages, dass der Bundestagswahlkampf 2013 begonnen hat.

In Anbetracht der aus der Sicht der Antragstellerin offensichtlich unbefriedigenden Umfragewerte besinnt sich diese auf ihre alten Strategien und Rezepte, den Menschen Versprechungen zu machen, von denen klar ist, dass sie in Verantwortung der Antragstellerin niemals umgesetzt, geschweige denn finanziert werden können.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte feststellen, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE aus meiner Sicht in die falsche Richtung geht. Nach dem Lesen des Antrages war ich der Meinung, dass er, wie bei der Fraktion DIE LINKE eigentlich nicht üblich, schlecht recherchiert ist.

Denn im Antragstext und auch in der Begründung konnte ich an keiner Stelle entdecken - zumindest habe ich darüber nichts gelesen -, dass entsprechende Beträge durchaus im Regelsatz berücksichtigt sind und dass Aufwendungen in den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsangaben durchaus enthalten sind.

Nun hat Herr Wagner mich in seiner Einführungsrede eines Besseren belehrt. Er hat klar gemacht, dass sich die Fraktion DIE LINKE nicht nur eines alten Antrags ihrer Fraktion aus dem Bundestag bedient hat. Zudem haben Sie, Herr Wagner, festgestellt, dass ein Betrag im Regelsatz berücksichtigt ist. Angesichts dessen frage ich mich, was Sie mit Ihrem Antrag dann noch bezwecken wollen.

(Herr Schröder, CDU: Ein bisschen mehr Geld!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es bei dieser formalen Auseinandersetzung mit dem Antrag nicht bewenden lassen, sondern etwas weiter ausholen. Selbst wenn man der Antragstellerin zugute halten wollte, dass die vorhandene Berücksichtigung der in Rede stehenden Aufwendungen nicht auskömmlich oder ausreichend sei, muss die Frage erlaubt sein, wohin die Initiative der Antragstellerin führen soll.

Die Forderung der Antragstellerin zu Ende gedacht, würde dies nämlich bedeuten, dass wir in einem nächsten Schritt darüber streiten müssten, welche technischen Fähigkeiten der internetfähige Computer haben muss. Zugespitzt formuliert: Soll es ein Mac sein oder reicht auch ein windowsfähiger PC?