Protocol of the Session on March 22, 2013

Das ist nicht unser Ziel. Natürlich sind beide Partner verantwortlich.

Aber - ich wiederhole es - hierbei geht es um Notsituationen, um Fälle, in denen Fehler bei der Verhütung gemacht wurden, oder um Vergewaltigungen, und diese gehen eindeutig immer zulasten der Frauen. Ein Selbstbestimmungsrecht der Frauen, auch an dieser Stelle, halten wir insbesondere in Deutschland für geboten. Deswegen benötigen wir einen schnellen und barrierefreien Zugang zu diesem postkoitalen Verhütungsmittel.

Der Bedarf ist vorhanden. In Deutschland werden pro Jahr 350 000 bis 400 000 - die Zahlen schwanken etwas - postkoitale Verhütungsmittel verordnet. Die Kleine Anfrage hat ergeben, dass in den Jahren 2007 bis 2011 jeweils zwischen 500- und 600-mal die „Pille danach“ verschrieben wurde.

Wenn die Rezeptpflicht aufgehoben wird, wie es Sinn unseres Antrages ist, soll natürlich nicht die Beratungspflicht entfallen. Wir gehen davon aus, dass die Apothekenbetriebsordnung eine gute Grundlage dafür ist; denn dort ist festgelegt, dass kein Medikament, das in der Apotheke über den Ladentisch geht, ohne eine entsprechende Beratung herausgegeben wird.

Darin ist auch festgelegt, dass die Apotheken eine räumliche Situation vorhalten müssen, in der eine unter datenschutzrechtlichen und aus persönlichen Gründen gesicherte Beratung stattfinden kann.

(Herr Borgwardt, CDU: Das glauben Sie?)

- Davon gehe ich aus. Es ist zumindest in allen Apotheken, die ich kenne, so. Zeigen Sie mir eine, in der das nicht der Fall ist. Dann müssen wir uns darum kümmern. - Die Apothekenpflicht soll also beibehalten werden.

Etwas, das auch beibehalten werden soll, ist die Mitverantwortung der Krankenkassen. Im Moment ist es so, dass die Krankenkassen für junge Frauen bis 20 Jahre die Kosten übernehmen. Das soll selbstverständlich erhalten bleiben. An dieser Stelle muss der Bundesgesetzgeber darauf achten, dass die Erstattungsfähigkeit im SGB V weiterhin verankert ist.

Natürlich besteht ein Aufklärungsbedarf, wenn die Rezeptpflichtigkeit entfällt. Aber an dieser Stelle halte ich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für eine geeignete Institution, um diese Aufgabe zu übernehmen; auch Pro Familia und die Landesvereinigung für Gesundheit können in Sachsen-Anhalt an dieser Stelle einspringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zum Schluss. Ich habe bereits erwähnt, dass es dazu im Bundestag zwei Anträge gibt, nämlich von der SPD und von den Linken. Das Land Baden-Württemberg denkt darüber nach, einen Antrag im Bundesrat zu stellen. Wenn Baden-Württemberg den Antrag nicht stellt, dann wird es das Land Rheinland-Pfalz tun. Es gibt also genug Gelegenheit, in dieser Sache tätig zu werden, ohne einen eigenen Antrag formulieren zu müssen.

Ich hoffe, dass wir uns heute alle dafür aussprechen, dass Sachsen-Anhalt für die Rezeptfreiheit eintreten, streiten und abstimmen wird. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. - Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Bischoff. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete Frau Lüddemann. Der Meinungsbildungsprozess der Landesregierung ist abgeschlossen.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Das wusste ich doch!)

Ich komme gleich dazu, welche Empfehlung wir aussprechen. Ich möchte vorher darauf eingehen, warum der Meinungsbildungsprozess etwas gedauert hat und warum es zu diesem Thema unterschiedliche Meinungen gibt.

Die „Pille danach“ gibt es mit zwei verschiedenen Wirkstoffen. Es handelt sich zum einen um den Wirkstoff Levonorgestrel, einen synthetischen Wirkstoff. Diese Pille gibt es seit dem Jahr 1966. Sie ist durch die zuständige Bundesbehörde als Arzneimittel zugelassen worden. Sie ist auch in der

Europäischen Union zugelassen. Sie ist verschreibungspflichtig. Die Aufhebung der Verschreibungspflicht kann daher nur für das Medikament erfolgen, das auch in Deutschland zugelassen wurde, nämlich das levonorgestrelhaltige Medikament.

Es gibt seit dem Jahr 2010 einen zweiten Wirkstoff, nämlich Ulipristal. Dieses Medikament bleibt vorerst verschreibungspflichtig, obwohl Fachleute sagen, dass es weniger Nebenwirkungen hat.

Ich möchte nun etwas zu den Nebenwirkungen sagen. Es ist richtig, dass auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - das muss man dazu sagen - im Jahr 2004 empfohlen hat, für dieses Medikament die Rezeptpflicht aufzuheben. Ich möchte nicht wiederholen, was dazu bereits gesagt wurde. In 28 Ländern steht dieses Medikament bereits rezeptfrei zur Verfügung. Derzeit ist es nur noch in Italien, in Polen und in Deutschland rezeptpflichtig.

Ich habe gehört, dass über diese Thematik auch im Ausschuss beraten werden soll. Ich habe auch mit Abgeordneten gesprochen, die die Aufhebung der Rezeptpflicht kritisch sehen. Ich glaube, dass die Aufklärung noch nicht ausreichend vorangeschritten ist.

Wir hatten auch im Ministerium Beratungsbedarf. Die Fachleute des Ministeriums hatten dazu damals kritische Anmerkungen gemacht. Dies konnten Sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Lüddemann nachlesen.

Auch der Berufsverband der Frauenärzte und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sind gegen die Rezeptfreiheit. Es gibt dazu also unterschiedliche Meinungen.

Man sollte fairerweise sagen, dass die „Pille danach“, wie alle Medikamente, auch die Pille und andere Kontrazeptiva, unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Das muss man fairerweise einräumen und das muss Bestandteil der Aufklärung sein. Hierbei könnte es sich beispielsweise um Menstruationsstörungen oder spätere Unfruchtbarkeit handeln. Deshalb ist eine fachliche Beratung in jedem Fall erforderlich.

Die Landesregierung empfiehlt, dass die Rezeptfreiheit durchgesetzt wird. Wir sind dafür, dass die „Pille danach“ rezeptfrei zugänglich sein sollte. Aber der Ausschuss sollte sich mit dieser Frage noch einmal beschäftigen. Wir halten es auch für unabdingbar, dass die Betroffenen in den Apotheken Aufklärung erfahren.

Der Anlass dafür, dass wir darüber reden - Sie haben es erwähnt -, ist der Umgang mit Opfern von Vergewaltigung in Köln, der an die Öffentlichkeit gelangt ist. Die katholische Kirche hat sich mit Blick auf die Frage, ob man die „Pille danach“ gestatten soll, lange Zeit schwergetan. Das war der Ausgangpunkt.

Wenn wir diese Pille rezeptfrei ausreichen, dann ist sie für alle rezeptfrei und nicht nur für diejenigen, die in eine Notlage geraten. Vielmehr ist es dann auch ein Mittel der Familienplanung, wenn auch nur für besondere Situationen. Das muss man auch sagen.

Richtig ist aber, dass die Wahrscheinlichkeit - es geht hierbei um die Opfer einer Vergewaltigung -, dass eine Schwangerschaft nicht zustande kommt, bei einer Einnahme der „Pille danach“ in den ersten 24 Stunden am höchsten ist. Nach 48 Stunden steigt das Risiko einer Schwangerschaft erheblich. Man hat gerade am Wochenende kaum eine Gelegenheit, einen Arzt aufzusuchen. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür - neben anderen Dingen -, die Rezeptpflichtigkeit aufzuheben.

Man muss allerdings generell sagen, dass es eine 100-prozentige Sicherheit nicht gibt - dies ist bei allen anderen Medikamenten auch so -, sodass es wichtig ist, die Betroffenen aufzuklären. Es gibt auch Länder, beispielsweise Frankreich, die diese Thematik in den Schulen behandeln, um junge Menschen aufzuklären.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: England!)

Richtig ist, was Sie gesagt haben: Wenn das so geregelt wird und wenn der Ausschuss nach seiner Beratung vielleicht doch zu der Auffassung kommt, dass man diesen Weg gehen sollte, dann ist es wichtig, dass die Arzneimittelverschreibungsordnung und gleichzeitig - das haben Sie richtig gesagt - die Anlage 1 der Arzneimittelrichtlinie geändert werden; denn sonst würde das aus der Kostenerstattungspflicht herausfallen und dann würde es die Krankenkasse nicht erstatten.

Es ist also ein Vorgang, den man insgesamt betrachten muss. Deshalb hoffe ich, dass die Bundesregierung, wenn das durch den Bundestag oder eventuell durch entsprechende Anträge durch den Bundesrat kommt, diesen Weg gehen wird.

Wichtig finde ich aber noch einmal eine Aufklärung. Deshalb halte ich eine Überweisung in den Ausschuss für richtig. Gerade aufgrund der Gespräche, die ich mit Abgeordneten geführt habe, halte ich es für wichtig, sich noch einmal ausführlich mit dem Thema zu beschäftigen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Herr Minister, Frau Wicke-Scheil würde Ihnen gern eine Frage stellen.

Sie beantworten sie. - Bitte.

Danke schön. - Herr Minister, Sie sagten, dass sich der Gynäkologenverband dagegen ausgesprochen hat. Selbst auf die Gefahr, dass ich jetzt einen ganzen Berufsverband gegen mich aufbringe, frage ich: Glauben Sie nicht, dass dahinter auch pekuniäre Interessen stehen, da die Beratung bezahlt werden muss?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich schließe in dem Bereich gar nichts aus.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Aber bei der Phar- maindustrie! - Zustimmung bei der LINKEN)

- Ich schließe es im Übrigen auch nicht bei der Pharmaindustrie aus. - Also dabei spielen immer verschiedene Interessen eine Rolle. Deshalb ist es wichtig, die Fachleute zu befragen.

Frau Lüddemann hat darauf hingewiesen und ich habe es eben noch einmal nachgesehen - das kann bei Wikipedia jeder unter dem Stichwort „Levonorgestrel“ nachlesen -, welche Nebenwirkungen es gibt und dass die WHO - sie empfiehlt das ja nicht leichtfertig - die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ empfiehlt. Daher kann man zumindest etwas sicher sein, dass sich die Nebenwirkungen - es gibt sicherlich immer welche - in Grenzen halten. Dies bietet für jemanden, der sich entscheiden muss, eine gewisse Grundlage. - Schönen Dank.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Herr Schwenke. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Conny Lüddemann, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung zu der Überschrift Ihres Antrags. Mit Verlaub, die Selbstbestimmung von Frauen an der Frage der Rezeptfreiheit der „Pille danach“ festzumachen halte ich für ein wenig übertrieben. Die Frage der Selbstbestimmung von Frauen ist zweifellos ein wichtiges Thema, aber wahrscheinlich hätte ich einen diesbezüglichen Redebeitrag gern einer meiner qualifizierten und selbstbestimmten Fraktionskolleginnen überlassen. Ich will mich deshalb in meinem Redebeitrag mehr auf den eigentlichen Kern Ihres Antrags beziehen, die Frage der Rezeptfreiheit der „Pille danach“.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU, und von Herrn Schröder, CDU)

Ich sage es gleich: Ich bin einer von denen, die, vorsichtig formuliert, äußerst skeptisch sind, dass die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ sinnvoll ist. Ich möchte das beispielhaft und kurz ohne Anspruch auf Tiefenschärfe - es wurde schon auf eine mögliche Ausschussberatung verwiesen - mit drei Ansätzen begründen.

Erstens. Die „Pille danach“ ist - egal mit welchem Wirkstoff; ich spare mir jetzt die Fremdworte - ein Hormonpräparat. Bei Hormonpräparaten können Nebenwirkungen auftreten und es gibt immer Risiken. Sie sind nie 100-prozentig ausgeschlossen. Das haben mir auch Ärzte bestätigt, mit denen ich über diesen Redebeitrag gesprochen habe.

Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, dass eine ärztliche Begleitung erfolgt, um Risiken zu mindern. Allein die Tatsache, dass dies in anderen Ländern liberaler gehandhabt wird, überzeugt mich nicht.

Zweitens. Ich befürchte, dass eine rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ in einigen Fällen durchaus zu größerer Nachlässigkeit bei der Empfängnisverhütung führen kann, frei nach dem Motto: Wenn etwas schiefgeht, kann ich ja anschließend in die Apotheke gehen, das Problem beheben und deshalb zum Beispiel auf Kondome verzichten.