Ich erinnere daran: Wir haben im Rechts- und Justizbereich andere gewichtige Baustellen abzuräumen. Das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz ist bereits im Verfahren. Wir werden uns in absehbarer Zeit über ein Landesstrafvollzugsgesetz unterhalten müssen und damit auch über die Frage, wie wir den Strafvollzug künftig insgesamt ausstatten und inhaltlich gestalten wollen.
In der Folge geht es auch um die Frage, wie die JVA-Strukturen in Sachsen-Anhalt künftig überhaupt beschaffen sein sollen. In diesem Zusammenhang muss man dann auch die Frage stellen, wo künftig die Jugendarrestanstalt vorgehalten werden sollte.
Die Forderung, Frau von Angern - dies ist in der Nr. 6 Ihres Antrags zu lesen -, den Vollzug des Jugendarrestes räumlich, wirtschaftlich und personell vom übrigen Strafvollzug völlig getrennt zu organisieren und offene Formen des Vollzugs zu bevorzugen, kann man zwar stellen. Aber ob dies in der Praxis wirklich so realisierbar ist, ist mit einem Fragezeichen zu versehen.
Über welches Problem unterhalten wir uns überhaupt? - Die Frau Ministerin hat es deutlich gemacht: Wir haben im Durchschnitt etwa 14 Jugendliche im Jugendarrest. Davon machen die Schulverweigerer, die wir dort eigentlich gar nicht haben wollen, etwa die Hälfte aus. Dann sind wir nur noch bei sieben Jugendlichen. Darüber, wie man das organisatorisch löst, muss man offen reden.
Ich habe mit Interesse in der Kabinettsvorlage zur Aufstellung des Haushaltsplans 2014 gelesen. Dort wird in Bezug auf die Jugendarrestanstalt ausgeführt, einer preisgünstigeren Sanierungsmöglichkeit im Bereich der JVA Raßnitz solle der Vorrang vor einem Neubau in Halle eingeräumt werden. Darüber, ob dies das Ziel sein kann, werden wir reden. Fest steht allerdings auch: Der chronischen Unterbelegung in der Jugendanstalt Raßnitz würde man dadurch nicht begegnen können.
Zu der Schulschwänzerproblematik ist schon einiges gesagt worden. Ich kann mich dem nur anschließen. Die Sanktion ersatzlos aus dem Schulgesetz zu streichen, wird von den Bildungspolitikern zu Recht als nicht zielführend bewertet. Alle anderen Länder, außer Baden-Württemberg, haben das auch noch in ihren entsprechenden Gesetzen.
Was wir brauchen - dazu hat Frau Leske einen Vorschlag gemacht -, ist eine Erziehungspyramide, bei der im Vorfeld eine ganze Reihe anderer Mechanismen greifen muss und bei der am Ende allerdings auch eine Sanktion stehen muss, wenn das alles nicht hilft.
Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren! Ich kann den gestellten Anträgen, was die Ausschussüberweisung anbelangt, zustimmen. Ich würde im Ausschuss nicht auf Eile drängen. Vielmehr sollten wir erst die anderen Baustellen abräumen und ausloten, was bundespolitisch machbar ist.
Wenn wir im Ergebnis dieser Abwägung zu der Erkenntnis gelangen, wir brauchen weiterhin einen Jugendarrest, dann sollten wir uns auch darüber unterhalten, wo wir ihn organisieren. Bis dahin werden wir mit dem Zustand, wie er in Halle momentan vorhanden ist, leben können.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brachmann. Es gibt eine Frage von Herrn Abgeordneten Gallert. Möchten Sie sie beantworten?
Herr Brachmann, Ihr Problem war jetzt, dass Sie sagen: Auf der einen Seite versuchen sie, ihn zu reformieren, und auf der Seite versuchen sie, ihn abzuschaffen.
Herr Brachmann, wir beide sind lange genug in der Politik, um zu wissen, dass man nicht selten an genau dieser Stelle anlangt. Unser Ziel ist ganz einfach, dass wir dieses Jugendarrestinstrument - obwohl wir der Meinung sind, dass es insgesamt abgeschafft gehört -, bis wir es abgeschafft haben, zumindest weitgehend unschädlich machen und es so weit verbessern, dass die schädlichen Wirkungen abgemildert sind. Das ist doch etwas, was einem Sozialdemokraten als Strategie eigentlich sofort einleuchten müsste. Oder, Herr Brachmann?
Wir sind uns dahin gehend einig, dass auch die SPD und ein Sozialdemokrat mit dem jetzigen Zustand, den wir in der Jugendarrestanstalt vorgefunden haben, mehr als unzufrieden sind. Das, was machbar ist, bringen wir auf den Weg.
Wenn es uns gemeinsam nicht gelingt, den Jugendarrest auf der Bundesebene - dort liegt die Kompetenz dafür - abzuschaffen - ich habe gesagt, man soll nach der Bundestagswahl einmal ausloten, ob es dafür sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Mehrheit gibt -, dann bin ich insofern dicht bei der Fraktion DIE LINKE, als wir das dann in dem Rahmen und in der Größenordnung verwirklichen sollten, die ich hier verdeutlicht habe, um den Jugendarrest zukunftsfähig zu gestalten. - Vielen Dank.
Danke schön. Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Wir fahren in der Debatte fort. Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete von Angern.
Ich danke meinem Fraktionsvorsitzenden, der die Ambivalenz, die von allen Rednerinnen angesprochen worden ist, hier auseinandergenommen hat. Ich möchte nur Folgendes sagen: Wir haben den Antrag bereits vor einem Jahr eingebracht.
Die CDU hat sogar darauf hingewiesen, dass wir vor einem Jahr den entsprechenden Antrag eingebracht haben. Wir haben damals auch nicht zum ersten Mal darüber geredet, dass wir den Jugendarrest ablehnen. Wir haben nicht zum ersten Mal eine Landesregierung aufgefordert, sich auf der Bundesebene für die Abschaffung des Jugendarrests einzusetzen.
Seit wir das getan haben, gab es Bundesregierungen in verschiedenen Konstellationen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es, in welcher Farbkonstellation auch immer, einmal eine Initiative dafür gegeben hätte, den Jugendarrest im JGG abzuschaffen. Insofern tut es mir leid, die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Deswegen können wir nicht die drei Affen spielen - nichts sehen, nichts hören und nichts sagen -, sondern wir müssen, auch wenn es nur 14 Jugendliche sind - - Es tut mir leid. Ja, ich finde, man muss auch für im Durchschnitt täglich 14 Jugendliche eine solche gesetzliche Regelung schaffen.
Ich teile die Ausführungen von Herrn Borgwardt. Ich meine, dass das Bundesverfassungsgericht uns diesbezüglich einen Auftrag gegeben hat; denn das, was dort gesagt worden ist, gilt nicht nur für den Jugendstrafvollzug, sondern im Umkehrschluss auch für den Jugendarrest. Im Übrigen beziehen sich die auch von der SPD in NordrheinWestfalen und in Schleswig-Holstein mitgetragenen Gesetzentwürfe in ihrer Begründung auf eben diesen Inhalt.
Zu den Ausführungen der Ministerin zum Erlass aus dem Jahr 1997 muss ich sagen, dass ich gern einmal ein Wochenende im Arrest verbringen würde und erleben möchte, wie eine Beamtin mit 14 Jugendlichen pro Tag Gespräche führt, um zu analysieren und aufzuarbeiten, welche Probleme sie haben und warum sie die Tat begangen haben. Meines Erachtens ist das - ich bin keine Pädagogin - realitätsfern.
Hinsichtlich der Ausführungen meiner Kollegin Frau Hohmann zum Thema Ämtereinheit möchte ich einfach auf § 34 Abs. 2 JGG verweisen. Ich zitiere:
„Dem Jugendrichter sollen für die Jugendlichen die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben übertragen werden.“
Ich kann an keiner Stelle eine Initiative der Landesregierung sehen, mit der versucht wird, auf den Umstand, dass wir in Sachsen-Anhalt nur in vier Fällen eine solche Personalunion haben, Einfluss
zu nehmen bzw. dafür zu werben - ich denke, das ist das treffendere Wort -, dass diesem JGG-Auftrag entsprochen wird. Der Gesetzgeber hat sich etwas dabei gedacht, als er das genau so formuliert hat. Die Reaktion der Justizministerin irritiert mich an dieser Stelle.
Herr Herbst, Sie sagten, der Begriff des Arrestes sei unzeitgemäß, und gaben mir eine NS-Klatsche. Natürlich ist mir bewusst, aus welcher Zeit dieser Begriff stammt.
Aber mir ist auch bewusst, dass wir hierfür einen anderen Namen verwenden können und dass im JGG trotzdem weiterhin das Wort Arrest steht. Charmant wiederum war, dass Sie selbst in Ihrer Rede die ganze Zeit von „Jugendarrest“ gesprochen haben. Insofern erübrigt sich ein weiterer Kommentar.
Herr Dr. Brachmann, warum brauchen wir ein Gesetz dieser Art sofort bzw. zeitnah? - Wir brauchen es zeitnah, weil wir - das habe ich ausgeführt - vom Bundesverfassungsgericht einen Auftrag haben, der fast sieben Jahre alt ist, und weil wir kurz vor einer JVA-Strukturreform stehen, die aus meiner Sicht nicht ohne den Jugendarrestvollzug gedacht werden darf.
Aus meiner Sicht ist ein eigener Standort durchaus realisierbar, wenn es politisch gewollt ist. Aus faktischen Gründen muss das nicht scheitern. Das scheitert höchstens am politischen Willen. Und darüber entscheiden dann immer noch auch wir.
Ich erachte es allerdings für falsch, die Jugendarrestanstalt nach Raßnitz zu geben. Dann können wir gleich Jugendstrafen verhängen. Ich glaube, das wird auch den Jugendrichterinnen bewusst sein.
Ich stelle für meine Fraktion neben den Anträgen auf Überweisung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie in den Ausschuss für Bildung und Kultur auch einen Antrag auf Überweisung in den Sozialausschuss. Ich denke, meine Kollegin Frau Hohmann hat deutlich gemacht, dass wir den Ansatz insbesondere in der Stärkung der Tätigkeit der Kinder- und Jugendhilfe im Zusammenhang mit der Justiz sehen. Dabei darf der Sozialausschuss auf keinen Fall außen vor bleiben. - Danke.
Vielen Dank. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen nunmehr zum Abstimmungsverfahren.