Protocol of the Session on March 21, 2013

(Zustimmung bei der LINKEN)

Schwieriger und auch ein Stück weit entlarvend - das ist zugegebenermaßen ein hartes Wort - finde ich in der Tat Aussagen wie: Lehrer können ihre Problemfälle an die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter abgeben. Das offenbart die Denke: Schulsozialarbeit ist gut als Notnagel geeignet, ist das Konzept für die schwierigen Fälle. - Genau das ist sie eben nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn damit würden Lehrkräfte von Problemen entlastet, von denen sie - ich möchte es einmal provokant sagen - gar nicht entlastet werden sollen. Es geht nicht darum, Schwierigkeiten zu delegieren, sondern es geht darum, sich kollegial und kooperativ zu überlegen, wie man Schülerinnen und Schülern weiterhelfen kann. Es geht auch darum, sich reflektiv gegenüberzustehen und zu überlegen: Was kann ich im Unterrichtsgeschehen, in meiner eigenen Arbeit verändern?

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, den ich für sehr problematisch halte und der interessanter- und bezeichnenderweise erst am Ende unserer Arbeit mit diesem Thema sichtbar geworden ist. Er betrifft die Arbeits- und Einkommensverhältnisse von Schulsozialarbeiterinnen und Netzwerkkoordinatoren.

Ein Viertel der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter arbeitet in Teilzeit. Meine Damen und Herren! Ich gehe jede Wette ein, dass das eher ein Indikator für Finanzknappheit ist als für den wirklich freien Willen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt Arbeitsverträge, in denen sich Anteile völlig sachfremder Beschäftigungsfelder finden.

Das Schwierigste sind aus meiner Sicht die Einkommensverhältnisse, und zwar zum einen das Gefälle zwischen den Einkommen der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter auf der einen Seite und denen der Lehrkräfte auf der anderen Seite. Ich wüsste nicht, worin dies begründet sein soll. Zum anderen zeigt sich, dass selbst die tatsächliche Entlohnung der Kolleginnen und Kollegen in einer erheblichen Anzahl von Fällen von der Richtlinie abweicht.

Es gibt neun Träger, die ihre Fachkräfte nach eigenem Tarif - so lautet der Code - bezahlen. Da ein Besserstellungsverbot gilt, ist klar, dass es sich hierbei um Tarifverträge handelt, die deutlich unter dem Niveau des öffentlichen Dienstes liegen, teilweise um bis zu 20 %.

Das ist ein Problem, das uns allen bekannt vorkommen sollte. Wir haben darüber intensiv im Zusammenhang mit den Kindertagesstätten diskutiert. Wir diskutieren darüber noch im Zusammenhang mit den Beratungslandschaften. Auch im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe begegnet uns dieses Problem immer wieder, und nicht zuletzt hinsichtlich der Arbeit in Pflegeeinrichtungen.

Ich möchte es einmal zugespitzt formulieren: Wir alle sind gefordert, der Gefahr entgegenzutreten, dass soziale Arbeit unter der Ägide freier Träger zu prekärer Beschäftigung verkommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Oder - noch schlimmer -: In Städten, Gemeinden und Landkreisen ist genau dies der eigentliche Grund dafür, dass Aufgaben an freie Träger übertragen werden. Das geht nicht, meine Damen und Herren!

Ich wertschätze die Arbeit von freien Trägern auch bzw. gerade im pädagogischen Bereich und im Bereich der Sozialarbeit. Denn dadurch werden Innovation und pädagogischer Wettbewerb beflügelt. Aber so etwas darf nicht sein!

(Beifall bei der LINKEN)

Die entscheidende Frage wird sein: Wie können wir als Land sicherstellen, dass in den Beschäftigungsverhältnissen, die mit Mitteln der öffentlichen Hand gefördert werden - in diesem Fall die der Schulsoziarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter -, vernünftige Gehälter bezahlt werden?

Ein erster Schritt könnte es zum Beispiel sein, darüber nachzudenken, ob man im Zuwendungsrecht neben dem Besserstellungsverbot auch ein Schlechterstellungsverbot regelt.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Option wäre es auch, die Richtlinie für Schulsozialarbeit quasi als Anfang eines solchen Prozesses verbindlicher und stringenter zu gestalten. Ich meine, es gibt genügend Optionen und genügend Möglichkeiten, sodass wir uns alle miteinander auf den Weg begeben können; denn das geht gar nicht. Niemand muss auf fremde Weihnachtsmärkte fahren, wenn wir unsere Fachkräfte hier ordentlich bezahlen und ihnen eine vernünftige Perspektive geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt eine Reihe weiterer Probleme und Entwicklungen. Das Fazit lautet dennoch: Das Geld, das an dieser

Stelle investiert wird, ist an guter Stelle investiert, und zwar in Personal, in Qualitätsentwicklung und auch in die öffentliche Debatte.

An dieser Stelle möchte ich es auch nicht versäumen, ein herzliches Dankeschön an die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, in den Netzwerkstellen und auch in der zentralen Koordinierungsstelle in Magdeburg zu formulieren. Sie haben in den letzten Jahren unter schwierigen Bedingungen einen guten Job gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind gehalten, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen verbessert werden und dass wir über die Arbeitsbedingungen diskutieren, damit diese Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit erfolgreich fortsetzen und weiterentwickeln können.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Bull. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Dorgerloh. Zuvor begrüßen wir neue Gäste: Damen und Herren des Landratsamtes des Salzlandkreises. Seien Sie herzlichen willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schulsozialarbeit ist ein wichtiger Bestandteil schulischer Arbeit und an vielen Schulen nicht mehr wegzudenken. Warum ist das so? - Schulsozialpädagoginnen und -pädagogen ergänzen die erzieherische Arbeit an Schulen.

Zu den Aufgaben der Schulsozialarbeit gehören insbesondere Beratung, Begleitung von einzelnen Schülern, aber auch die Elternarbeit, über die wir viel reden. Außerdem gehören dazu die Gewaltprävention, Gruppenarbeit, Kontakt- und Freizeitangebote, die Mitwirkung an Unterrichtsprojekten sowie die Kooperation mit außerschulischen Lernorten und dem Gemeinwesen, also dem Umfeld von Schule.

Entscheidend ist, dass Kinder und Jugendliche an ihren Schulen auch Ansprechpartner für ihre Probleme und Nöte finden. Schulsozialarbeit leistet damit auch einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Schulklimas.

Ich möchte mich schon an dieser Stelle dem Dank, den wir gerade gehört haben, ausdrücklich anschließen. Ich möchte mich bedanken für die Arbeit der Schulsozialpädagoginnen und -pädagogen, aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Koordinierungsstelle und den Netzwerkstellen, den Schulleiterinnen und Schulleitern sowie den Lehrkräften der beteiligten Schulen, die diese Arbeit gemeinsam als Team mitgestalten

und begleiten. Für das, was da geleistet wird, ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die gerade genannten Gründe und einiges darüber hinaus waren wichtige inhaltliche Schwerpunkte für die Anmeldung dieses Programms in der laufenden EU-Förderperiode mit Blick auf Schulsozialarbeit. Im Rahmen des ESFProgramms „Projekte zur Vermeidung von Schulversagen und zur Senkung des vorzeitigen Schulabbruchs“, so der offizielle Titel, wendet sich Schulsozialarbeit insbesondere an Schulen mit einer hohen Zahl an Jahrgangswiederholern und abschlussgefährdeten Schülerinnen und Schülern. Wir haben das eben schon gehört.

Das Ziel des Programms besteht darin, die Quote der Schülerinnen und Schüler ohne einen Hauptschulabschluss zu senken, die Zahl der Jahrgangswiederholungen zu halbieren und vor allen Dingen diese Wirkungen nachhaltig zu sichern. Die berechtigte Frage darf an dieser Stelle gestellt werden: Wo stehen wir diesbezüglich? Auch dazu haben wir eben schon einiges gehört.

Im Schuljahr 2011/2012 wurden 211 Projekte der bedarfsorientierten Schulsozialarbeit an Schulen aller Schulformen gefördert. Darüber hinaus haben wir 130 bildungsbezogene Angebote je Schuljahr, 14 regionale Netzwerkstellen und die Zentrale Koordinierungsstelle zur Unterstützung, Beratung und Begleitung der Projektträger gefördert. Round about 59 Millionen € werden in der laufenden EUFörderperiode aus dem Landeshaushalt und dem EU-Förderprogramm ESF für die Realisierung aufgewendet.

Das Programm zielt auf präventiv wirkende frühzeitige Hilfsangebote sowie auf Maßnahmen zur effektiven Intervention bei manifestierten Schwierigkeiten. Positiv, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann man konstatieren, dass wir mit dem Programm mittlerweile 123 000 Schülerinnen und Schüler erreicht haben. Das entspricht ungefähr 40 000 pro Schuljahr.

Im Hinblick auf die angestrebte Reduzierung der Quote von Schülerinnen und Schülern ohne Hauptschulabschluss müssen wir allerdings auch resümieren, dass wir noch nicht da sind, wohin wir mit dem Programm möchten. Obwohl erste zarte Pflänzchen wachsen und erste Erfolge für das gesamte Land sichtbar werden, ist festzustellen, dass wir 2012 nach einigen Jahren erstmals wieder einen signifikanten Rückgang haben; das ist sehr erfreulich.

Wir sollten uns vielleicht im Bildungsausschuss über die genauen Zahlen und Statistiken unterhalten. Wir haben nämlich Zahlen auf dem Tisch, wonach wir von 12,5 heuer auf 11,7 % heruntergegangen sind, was schon eine ganz gute Ent

wicklung ist. Wir sind uns wohl darüber einig, dass das noch immer zu hoch ist. Es muss uns aber jetzt gelingen, die positive Entwicklung des letzten Jahres hin zu noch mehr Schülerinnen und Schülern mit Abschluss zu verstetigen und zu verstärken.

Gezeigt hat sich ebenfalls, dass verstärkt diejenigen Schulen, die durch das Programm mit Schulsozialarbeit gefördert werden, auch die weiteren Module wie die regionalen Netzwerkstellen und die Projektförderung in Anspruch nehmen. So wurden etwa 94 % der bildungsbezogenen Angebote für das Schuljahr 2011/2012 in Schulen durchgeführt, die über das ESF-Programm „Schulsozialarbeit“ gefördert werden.

Trotz der landesweiten Wirkungsmöglichkeiten der vier Programmmodule profitieren diejenigen Schulen am stärksten, in denen durch das Programm „Schulsozialarbeit“ gefördert wird.

Zu den Fragenkomplexen in der Großen Anfrage „Fortbildung“ sowie „Anträge und Bewilligungsverfahren“ will ich an dieser Stelle einfach auf das umfangreiche statistische Material verweisen, welches der Beantwortung der Großen Anfrage beigefügt ist.

Der Fragenkomplex Personalausstattung betrachtet die Fördermodule Schulsozialarbeit und Netzwerkstellen sehr stark unter dem Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit und der Geschlechterparität. Dazu sei an dieser Stelle angemerkt, dass sowohl mein Haus als auch die Bewilligungsbehörde und die Träger bestrebt sind, sowohl die Qualifikationsanforderungen auf der einen Seite als auch die Geschlechterparität, wie dies in der Förderrichtlinie festgeschrieben ist, auf der anderen Seite durchzusetzen.

Dies gelingt nicht in allen Fällen. Vor allem im ländlich geprägten Raum fällt es den Trägern zudem schwer, richtlinienkonform qualifiziertes Personal zu finden und an Schulen, an denen aufgrund der Schulgröße oder einer Stellenteilung zwei Schulsozialarbeiter zum Einsatz kommen, diese Stellen paritätisch zu besetzen. In den betreffenden Schulen wurden, abweichend von der Förderrichtlinie, bisher immer Einzelfalllösungen geprüft und im Einvernehmen zwischen Träger, Bewilligungsbehörde und Ministerium gefunden.

An dieser Stelle will ich auch noch auf das eingehen, was Frau Bull gerade in ihrer Rede vorgetragen hat, nämlich auf die Bezahlung der Schulsozialarbeiter bei einigen ausgewählten freien Trägern. Es ist völlig zu Recht darauf hingewiesen worden, dass wir hier eine Situation haben, die wir spätestens mit Blick auf die Neugestaltung der nächsten Förderperiode so in den Blick nehmen müssen, dass dies nicht noch einmal zu dem Ergebnis führt, wie wir es gerade gehört haben, also zu einer deutlichen Unterbezahlung unterhalb der

Richtlinie. Wir werden Gespräche mit den Trägern führen. Wir werden uns die Richtlinie auch daraufhin anschauen, dass wir entsprechende Veränderungen vornehmen, damit dem ein Riegel vorgeschoben werden kann.

Wichtig ist aber auch, dass wir gleichzeitig darauf achten müssen, die Schulsozialarbeit weiterhin zu ermöglichen, und zwar auch in Regionen, in denen wir eine nicht ganz so große Trägervielfalt vorfinden.

Einen wichtigen Bestandteil der Programmarbeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, bildet die Elternarbeit. Besonders wirkungsvoll sind Elternbesuche, die von Lehrkräften und Schulsozialarbeitern gemeinsam durchgeführt werden. Im Ergebnis gelang es hier sehr oft, Eltern wieder zur Zusammenarbeit mit der Schule zu motivieren.