Angesichts des Umstandes, dass kein Änderungsantrag vollständig übernommen werden soll, muss ich über die verbliebenen Punkte in den jeweiligen Änderungsanträgen abstimmen lassen.
Wer dem Buchstaben h in dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/1912 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichnen. - Das sind die Antragstellerin und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Somit ist Buchstabe h des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.
Nun stimmen wir über die Buchstaben i und j, die nunmehr als Kern des Änderungsantrages der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/1920 übrig geblieben sind, ab. Wer stimmt diesen zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit sind diese Punkte abgelehnt worden.
Dann stimmen wir jetzt über den Antrag der Fraktion der CDU und der SPD mit den soeben beschriebenen Ergänzungen ab. - Frau Fraktionsvorsitzende Budde, gibt es ein Problem?
(Frau Budde, SPD: Das ist schon klar! Aber wir stimmen laut Geschäftsordnung erst über die Änderungen und dann über den geänderten Antrag ab!)
Jetzt stimmen wir über den Antrag in der Drs. 6/1883 in der ergänzten Fassung ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Antrag angenommen worden.
Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde die Debattenstruktur D, also eine 45-Minuten-Debatte vereinbart. Zur Reihenfolge der Fraktionen und zur Dauer ihrer Redezeiten: CDU zwölf Minuten, GRÜNE vier Minuten, SPD acht Minuten, DIE LINKE neun Minuten.
Zunächst hat Frau Bull als Fragestellerin das Wort. Doch zuvor wollen wir ganz herzlich Damen und Herren der Innova Privat-Akademie Eisleben bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Inklusion ist ein großes Wort und ein großes Konzept. Dazu wird momentan auch sehr kontrovers diskutiert. Das hat zum einen eine demokratische Dimension; denn es geht in der Tat um nicht mehr - aber eben auch um nicht weniger - als die gleichen Chancen beim Zugang zu Kultur, Bildung, Information und Kommunikation. Es ist also gewissermaßen als Grundrecht zu verstehen.
Es hat auch eine pädagogische Dimension. Vielfalt ist Normalität im Leben. Vielfalt muss willkommen sein. Die große Kunst, die eigentliche Herausforderung besteht darin, an Bildungsinstitutionen und -einrichtungen unterschiedlicher Art eine Willkom
menskultur für unterschiedliche Lebenslagen, für Individualität und Persönlichkeit zu entwickeln und daraus obendrein produktive Lernsituationen zu entwickeln.
Das heißt, es ist davon auszugehen, dass jedes Kind verschieden respektive besonders ist. Die Vielfalt ist auch in unterschiedlichen Kategorien sehr schwer einzuteilen. Individualität und Persönlichkeit sind sehr schwer fassbar. Sie sind auf sehr undurchsichtige Weise miteinander verwoben. Sie verändern sich im Laufe der Biografie und sind auch deshalb nicht ohne Weiteres bestimmbar, auch wenn der Wunsch nach einer sicheren Prognose im gegliederten Schulsystem nicht versiegen will.
Eine Nummer kleiner ist es nicht zu haben, meine Damen und Herren. Aus diesem Grunde ist Pädagogik ein ausgesprochen schwieriges und komplexes Geschäft. Es gibt keine Rezepte. Nicht nur das: Es gibt nicht nur keine Rezepte, sondern man hat es permanent mit dem anstrengenden Vorgang professioneller Ungewissheit zu tun.
Diejenigen, die jetzt denken: „Na, wunderbar, wieso denn das? Was hat denn Schulsozialarbeit eigentlich mit Inklusion zu tun? Das ist doch das mit den Behinderten gewesen.“, die offenbaren genau an dieser Stelle ihren Tunnelblick. Denn es geht um alle Kinder und es geht um alles.
Es geht darum, aus unterschiedlichen Blickwinkeln besondere Stärken und Potenziale von Kindern freizulegen, zu schauen, wo deren Entwicklungshemmnisse liegen und wo strukturelle Benachteiligungen und Barrieren sind. Es geht darum, diesen nachzuspüren und sie abzubauen. So gesehen ist Schulsozialarbeit e i n - mit Ausrufezeichen - Baustein im pädagogischen Gefüge, ein gewichtiger und auch ein vergleichsweise neuer Baustein.
Was also kann Schulsozialarbeit - das wird oft gefragt - leisten, was andere nicht können? - Es ist eine gewisse Unbefangenheit, mit der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter auf Kinder zugehen können. Die Leistungsorientierung kann in gewisser Weise in den Hintergrund treten. Es gibt ein anderes Vertrauensverhältnis; ich würde es als etwas distanzärmer beschreiben. Das Unterrichtsgeschehen ist nicht der bestimmende Kontext; man hat also einen anderen Blick. Und nicht zuletzt haben die Kolleginnen und Kollegen auch andere Zeitressourcen.
Unter dem Strich würde ich sagen: Es ist ein notwendiger und hilfreicher Gegenhorizont. Er ist hilfreich nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern. Denn Schulsozialarbeit verändert den Blick auf Kinder, auf Schülerinnen und Schüler, und es lässt auch in zunehmendem Maße - das haben
Also kurz und gut: Schule verändert sich mit Schulsozialarbeit. Es ist eine demokratische und eine pädagogische Angelegenheit. Sie ist unverzichtbar dafür, dass Bildung Erfolg hat.
Eine kleine Spitze: Nach schweren inneren Kämpfen habe ich darauf verzichtet, an dieser Stelle Zitate von Professor Olbertz aus dem Jahr 2006 zur Schulsozialarbeit an den Schulen vorzutragen. Ich sage stattdessen: Schön, dass die CDU diesbezüglich mittlerweile mit im Boot ist, wenngleich mit unterschiedlichen Leidenschaften - aber besser so als gar nicht.
Nachdem das Landesprogramm im Jahr 2003 versenkt worden ist, gibt es seit dem Jahr 2009 eine bislang erfolgreiche Neuauflage des Programms bzw. der Arbeit in Form des Programms „Schulerfolg sichern“ - ganz wesentlich von der EU finanziert. Eigentlich ist die Frage, es durch die EU finanzieren zu lassen, eine Extradebatte wert; doch das erspare ich mir an dieser Stelle. Uns steht ein finanzieller Rahmen von etwa 60 Millionen € zur Verfügung.
Derzeit arbeiten ungefähr 72 % der Sekundarschulen mit Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern. Das heißt, die Sekundarschulen bilden an sich bereits den Schwerpunkt. Es sind 63 % der berufsbildenden Schulen, und es ist etwas mehr als ein Drittel der Förderschulen, die sich dem Thema Schulsozialarbeit gewidmet haben.
Überall dort, wo diese Kollegen unterwegs sind, erfolgreich arbeiten, hört man immer wieder den Satz, dass man auf genau diese Kollegen und auf diese Art des Arbeitens nicht mehr verzichten möchte. Grund genug also für das Parlament, sich für diesen Vorgang zu interessieren und sich vor allen Dingen auch dafür zu interessieren, was wir mit dem Programm zuwege gebracht haben und was nicht. Wo liegen die dünnen Stellen und wo braucht es demnach Veränderung? Über die Vorschläge der Veränderungen debattieren wir dann unter einem nächsten Tagesordnungspunkte.
Ich möchte drei Bemerkungen anbringen. Erstens. Ein wesentliches Ziel des Programms „Schulerfolg sichern“ war einst die Senkung der Quote der Schüler, die die Hauptschule ohne Abschluss verlassen, auf 8,6 % - die Quote liegt in SachsenAnhalt derzeit bei mehr als 12 % - und eine Halbierung des Anteils der Schüler, die einen Jahrgang wiederholen müssen - beispielsweise in der Sekundarschule von 7 % auf 3,5%.
sen Zahlen, stellt man fest: Nein, hierbei sind wir nicht wirklich weitergekommen. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne einen Sekundarstufe-IAbschluss ist sogar noch leicht gestiegen. Positive Entwicklungen gibt es diesbezüglich interessanterweise nur im Landkreis Stendal. Gleiches gilt auch für die Ausbildungen im BVJ, in der einjährigen Berufsfachschule. Auch dort liegt die Misserfolgsquote mit fast 75 % immer noch vergleichsweise hoch.
Meine Damen und Herren! Das - so muss man konstatieren - ist nach wie vor das Gegenteil von erfolgreicher Bildungspolitik. Aber: Der vergleichsweise große Umfang von Indikatoren für schulischen Misserfolg ist natürlich nicht mit der An- oder Abwesenheit von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern zu begründen.
Umgekehrt gilt eben auch: Der Erfolg von Schulsozialarbeit misst sich nicht daran, ob wir Quoten nach oben oder nach unten entwickeln konnten, wenngleich es nicht unwesentlich ist, sich auch darüber zu unterhalten.
Ich denke, das ist eine Frage des Systems von Schule insgesamt. Welches Lernklima herrscht an den Schulen? Welche innovativen Formen des Lernens werden dort entwickelt?
Im Übrigen finde ich die statische und zugleich auch begrenzte Sicht der Europäischen Union auf diese Programme ein Stück weit problematisch. Gerade im Bildungsbereich haben wir es sehr oft damit zu tun, dass jetzt wegfallende Landesmittel durch EU-Mittel substituiert werden und dass wir dann an diese quantitativen Größen bei der Frage der Bewertung von Schulsozialarbeit gebunden sind.
Zweitens. Man kommt deutlich weiter, wenn man sich einige qualitative Befunde bei der Bewertung ansieht. Übereinstimmend wird an vielen Schulen gesagt: Es ist eine Verbesserung des Lernklimas durch einen Perspektivenwechsel zu verzeichnen. Denn es sind zwei unterschiedliche Professionen, die miteinander arbeiten: die traditionellen Lehrkräfte auf der einen und die Schulsozialarbeiter auf der anderen Seite. Der kollektive Austausch ist für beide Seiten sehr fruchtbar. Es gibt auch neue Formen des sozialen Lernens an den Schulen.
Nicht zuletzt ist auch die Einzelberatung in Konfliktlagen für Schülerinnen und Schüler von Wert. Auch der Kompetenztransfer zwischen den Lehrkräften und den Schulsozialarbeitern und umgekehrt ist positiv herauszustellen.
Es gibt ein anderes und auch erfolgreicheres Herangehen in der Zusammenarbeit mit den Eltern. Das hat ein Stück weit auch damit zu tun, dass es meistens sehr junge Leute sind, dass es eine gewisse Unbefangenheit gibt, dass es eher möglich ist, sich auf Augenhöhe zu begegnen und dass
man - das finde ich ganz wichtig - mit einem wertschätzenden Gestus auf die Eltern zugeht und versucht, miteinander die Probleme zu bereden.
Nicht zuletzt - das habe ich bereits mehrfach gesagt - haben sich beide Professionen verändert. Wir haben sehr viel mehr innovativ gestaltete Lernsettings an den Schulen. Es gilt eben nicht mehr die Sicht auf den geschlechtsneutralen Durchschnittsschüler, sondern es ist die Sicht auf das Individuum, auf den besonderen Schüler.