Protocol of the Session on June 9, 2011

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, hiermit eröffne ich die 4. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich möchte Sie, sehr verehrte Anwesende, ganz herzlich begrüßen und bereits zu Beginn der heutigen Plenarsitzung unsere ersten Gäste herzlich willkommen heißen. Auf der Besuchertribüne sind Gäste der Landeszentrale für politische Bildung unter der Leitung von Herrn Breitenfeld. Herzlich willkommen heute hier bei uns im Plenarsaal!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Entschuldigt sind folgende Mitglieder der Landesregierung. Für die 3. Sitzungsperiode des Landtages liegen mir folgende Entschuldigungen vor: Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff und Herr Staatsminister Robra entschuldigen sich für die heutige Sitzung aufgrund der Teilnahme an der Ministerpräsidentenkonferenz ganztägig. Herr Minister Dorgerloh und Frau Ministerin Professor Dr. Wolff entschuldigen sich für die heutige Sitzung aufgrund der Teilnahme an der Kultusministerkonferenz ganztägig.

Ministerin Frau Professor Dr. Wolff entschuldigt sich am Freitag bis einschließlich 14 Uhr aufgrund der Teilnahme an der Kultusministerkonferenz. Herr Minister Bischoff entschuldigt sich am Freitag ab 13.30 Uhr aufgrund der Teilnahme an einer Veranstaltung zum Tag der Erinnerung und Frau Ministerin Professor Dr. Kolb entschuldigt sich am Freitag von 10 bis 12 Uhr aufgrund der Teilnahme an der Versammlung der Notarkammer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Tagesordnung der 3. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen ein Vorschlag vor. Hierüber gab es eine Verständigung im Ältestenrat. Gibt es zu der vorliegenden Tagesordnung noch Anmerkungen? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann können wir entsprechend der vorliegenden Tagesordnung verfahren.

(Frau Budde, SPD, meldet sich zu Wort)

- Frau Fraktionsvorsitzende Budde.

Herr Präsident, könnten Sie uns erklären, was das für ein fliegendes Auge über Ihnen ist, das auf uns gerichtet ist, weil es interessant wäre zu wissen, was es damit auf sich hat?

Sehr geschätzte Kollegin, das ist ein Bestandteil des zweiten mir vorgelegten Zettels.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Sie sind Ihrer Zeit voraus, oder meiner zumindest. Heute Vormittag - ich sage das, falls es noch nicht allen Kolleginnen und Kollegen bekannt sein sollte - werden im Plenarsaal Filmaufnahmen gemacht. Sie alle wissen, dass das sehr selten ist. Zu Beginn dieser Wahlperiode wird dies durch eine Firma aus Sachsen-Anhalt gemacht, weil ein neuer Film erstellt werden soll, der dann auch für unsere Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden soll. Wir empfangen viele Besuchergruppen hier bei uns im Hause und wir wollen in dieser kommenden Wahlperiode auch wieder verstärkt als Abgeordnete und als Parlament präsent sein, im Bewusstsein sein und auch wieder in den Schulen tätig werden.

Es wird ein neuer Film gemacht, weil wir alle noch ein bisschen hübscher geworden sind und neue Kollegen dabei sind. Die Aufnahmen werden gemacht, um auch ein bisschen zu demonstrieren, wie so eine Plenarsitzung abläuft und wie der Landtag funktioniert. Deswegen wird heute ausnahmsweise mit einer Reihe von Kameras im Hause operiert werden. Ich bitte um Ihr Verständnis, weil das unter Umständen für ein paar Minuten hier im Hause etwas ungewöhnlich sein kann.

Darüber hinaus werden zu den Kollegen der filmenden Zunft, die bewegte Bilder festhalten, um sie wiederzugeben, auch Kollegen im Hause sein, die Portraitfotos anfertigen. Es wird jetzt mit Hochdruck an der Herausgabe des neuen Handbuches für die sechste Wahlperiode gearbeitet. Hierzu sind die Kolleginnen und Kollegen auch schon gebeten worden Portraitfotos einzureichen, für die die Verwendungsrechte vorliegen.

Jeder hat die Chance, sich während der Landtagssitzungen heute und morgen zur Aufnahme eines Portraitfotos in den Raum B 109 zu begeben. Dort werden Bilder gemacht. Wenn das Ergebnis der Aufnahme Ihre Zustimmung findet, werden die Bilder Verwendung im neuen Handbuch finden. Der Fotograf steht uns heute bis 18.30 Uhr und morgen bis Mittag im Raum B 109 zur Verfügung.

Zum zeitlichen Ablauf der dritten Sitzungsperiode. Die heutige Landtagssitzung werden wir voraussichtlich gegen 18.30 Uhr beenden. Wir haben morgen bis gut 20 Uhr - wir wissen, dass das heute und morgen locker zwei Stunden länger dauern kann; das haben wir selbst in der Hand - die reguläre Sitzungszeit eingeplant. Ich würde die parlamentarischen Geschäftsführer herzlich bitten, einmal untereinander auszuloten, ob für den morgigen Tag anberaumte Tagesordnungspunkte noch heute Abend behandelt werden könnten, sofern wir zügig vorankommen. Daran arbeiten wir ja sicherlich. Das würde die auf der Tagesordnung zeitlich nicht fest eingeordneten Tagesordnungspunkte 18 bis einschließlich 22 betreffen. Wenn die parlamentarischen Geschäftsführer das prüfen könnten, wäre das sehr nett.

Am heutigen Abend findet die parlamentarische Begegnung mit dem Landessportbund statt. Die

morgige 5. Sitzung des Landtages beginnt wie üblich um 9 Uhr.

Dann habe ich noch eine Information für die Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Zu Beginn der Mittagspause findet eine Beratung im Raum B 105 statt. Die Frau Vorsitzende bittet alle Mitglieder des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu einer Beratung zu Beginn der Mittagspause in den Raum B 105.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Debatte

Lage und Aussichten der Solarindustrie in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/93

In der Aktuellen Debatte beträgt die Redezeit zehn Minuten je Fraktion. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, CDU, LINKE, SPD. Zunächst hat die den Antrag stellende Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort. Es spricht der Kollege Erdmenger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Osten geht die Sonne auf, hat gestern eine große sachsen-anhaltische Tageszeitung als Überschrift gehabt. Gemeint war damit die Wirtschaftslage in unserem Bundesland. Wir sprechen heute aber über eine Branche, der es nicht so gut geht. Wir sprechen über die Solarindustrie. Für diese gelten die rosigen Aussichten und die rosige Lage zurzeit leider nicht.

Sie haben es mit verfolgt, dass die Firma Q-Cells auch schon presseöffentlich hat verkünden müssen, dass sie einen hohen Umsatzeinbruch hat. Die anderen Firmen, wie Sovello, Calyxo und Solibro, die wir in Sachsen-Anhalt haben, halten sich diesbezüglich in der Öffentlichkeit bedeckt. Aber aus der Branche hört man, dass es auch dort enorme Absatzprobleme gibt. Wir sprechen hier von einer Branche, die in unserem Bundesland für 5 000 Arbeitsplätze gut ist, also einem Schwergewicht für unser Bundesland.

Was ist passiert? Wie ist es zu dieser Situation gekommen? - Man muss da als Erstes die wachsende Konkurrenz aus Asien nennen, die in den letzten zwei bis drei Jahren enorme Kapazitäten aufgebaut hat und die nach wie vor dabei ist, enorme Kapazitäten aufzumachen. Ich will das einmal an einer Zahl illustrieren.

Auf hohem Niveau verdoppeln die drei größten Solarunternehmen der Welt - das sind drei chinesische Unternehmen - zurzeit ihre Kapazität, und sie

verdoppeln sie um 4 000 MW Jahresausstoß. Im Vergleich dazu hat unser zweitgrößter Hersteller im Land, das Unternehmen Sovello, einen Jahresausstoß von 180 MW.

Wir haben es also damit zu tun, dass da eine gewaltige Konkurrenz erwächst. Im Grunde genommen ist das erst einmal positiv, weil es zeigt, dass sich diese Technik durchsetzt und dass auch andere Länder auf diese Technik setzen. Entgegen manchen Gerüchten ist es auch so, dass auch in China sehr viel Photovoltaik installiert wird. Es ist nicht so, dass China nur für den Export produzieren würde.

Jedoch ist es so, dass auf dem chinesischen Markt die europäischen Firmen bisher keine Punkte machen. Über die Gründe gehen die Meinungen auseinander. Darüber gibt es auch Handelsstreit. Aber wir haben es damit zu tun, dass eine gewaltige chinesische Produktion und anderweitige asiatische Produktion auf die internationalen Märkte und auch auf unseren Markt drängt und das in die andere Richtung bisher nicht funktioniert.

Die zweite wesentliche Entwicklung, die dazu beigetragen hat, ist, dass der Weltmarkt nicht so wächst, wie man sich das vorstellen würde. Nach den Ereignissen von Fukushima und den Debatten der letzten Jahre kann man wesentlich höhere Wachstumsvorstellungen haben. Allerdings haben einige wichtige Länder, die in der Vergangenheit auch viel Photovoltaik installiert haben, beispielsweise Spanien und die USA, einen deutlichen Rückgang gehabt. Sie installieren nicht in diesem Maße. Deswegen haben wir ein klares Überangebot auf dem Weltmarkt. Die Preise sind da im Fallen. Damit haben natürlich auch unsere sachsenanhaltischen Hersteller ihre Probleme.

Als Drittes kommt hinzu, dass der jedenfalls im letzten Jahr führende Markt auf der Welt, nämlich der Markt in Deutschland, in diesem Jahr zusammengebrochen ist.

Wir haben eine Förderkürzung in Höhe von 13 % im Erneuerbare-Energien-Gesetz gehabt, die zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist. Diese 13 % entfalten jetzt ihre Wirkung. Wir haben noch keine endgültigen Zahlen darüber, was im ersten Halbjahr oder in den vergangenen Monaten tatsächlich installiert wurde. Aber aus der Branche hören wir die Signale, dass in Deutschland aufgrund dieser Förderkürzung deutlich weniger installiert wurde, und wir haben in Aussicht stehen, dass zum 1. Juli 2011 die nächste Förderkürzung ansteht.

Alles in allem müssen wir für Sachsen-Anhalt konstatieren, dass es eine dramatische Situation ist, auf die die Hersteller im Moment mit noch nicht so stark wahrnehmbaren Maßnahmen reagieren. Sie erhöhen ihre Lagerhaltung, sie versuchen, mit eigenen Projekten den Absatz ihrer Module zu verstärken, und sie haben die Zahl der Leiharbeiter zurückgeführt.

Die Leiharbeiter - das halte ich für einen wichtigen Punkt; wir reden später noch über Leiharbeit in diesem Haus - machen in der Solarbranche in Sachsen-Anhalt etwa 10 % der Arbeitnehmer aus. Das ist nicht der Löwenanteil, aber nicht ganz unwichtig. Die Zahl der Leiharbeiter ist jetzt auf ein niedriges Niveau reduziert worden. Bisher redet niemand über Kurzarbeit oder gar Entlassungen. Aber ich sage: bisher. Deswegen ist an der Zeit, dass wir uns heute mit dem Thema beschäftigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In der Politik zucken einige mit den Schultern und sagen: So ist der Markt. Wenn man mit der Konkurrenz von woanders nicht konkurrieren kann, ist das so. Ich glaube, es wäre zu leicht, wenn wir in Sachsen-Anhalt so herangingen. Denn wir haben in Sachsen-Anhalt nicht aus Jux und Tollerei diese Branche aufgebaut. Wir haben sie vielmehr deswegen aufgebaut, weil wir erstens diese Zukunftsbranche hier im Lande haben wollen und sie auch in Zukunft haben wollen.

Zweitens können wir es uns nicht so leicht machen; denn die Branche hat, wie ich meine, auch in Sachsen-Anhalt Zukunft. Man könnte ja leicht auf die Idee kommen zu sagen: Na ja, wenn die Konkurrenten in China billiger produzieren können als die Sachsen-Anhalter, dann liegt das vermutlich an den Löhnen.

Dazu muss ich Ihnen sagen: Das kann es wirklich nicht sein. Denn die Löhne machen bei der Solarproduktion etwa 10 % der gesamten Produktionskosten aus. Der Löwenanteil bei der Solarproduktion sind die Kapitalkosten. Genau darin liegt die Krux.

Die chinesischen Hersteller erhalten staatlicherseits enorme Hilfen im Hinblick auf die Deckung ihrer Kapitalkosten. Sie haben kostengünstige, zum Teil zinsfreie Kredite bekommen. Sie haben den langen Atem zu sagen, sie gehen jetzt in den Wettbewerb, gehen auch mit niedrigen Preisen hinein und verkaufen ihre Produktion mitunter unter Preis, um auf dem Weltmarkt die alleinige Führungsrolle übernehmen zu können.

In dieser Situation halte ich es für an der Zeit, dass wir uns hier überlegen, wie wir in Sachsen-Anhalt und in Europa mit dieser Wettbewerbssituation auf dem Weltmarkt umgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe mich in den letzten Wochen gefragt: Was macht eigentlich die Landesregierung? - Wir können dazu heute Frau Wolff leider nicht befragen. Frau Wolff hat in den letzten Wochen die Energiepolitik durchaus als ihr Thema entdeckt. Im Rahmen der Atomdebatte war sie auch in den Medien zu vernehmen. Aber womit?

Frau Wolff hat sich einmal zu Wort gemeldet und hat vor höheren Strompreisen gewarnt. Zum zwei

ten hat sie als Alternative zur Atomkraft eine Branche entdeckt, die nicht für 5 000 Arbeitsplätze in unserem Land gut ist, sondern für etwa 1 000 Arbeitsplätze in unserem Land, nämlich die Braunkohlebranche.

(Herr Erben, SPD: 2 000!)

- In unserem Land sind es etwa 1 000, Herr Erben. - Die Braunkohle propagiert sie, obwohl dies eine Branche ist, die eine Arbeitsplatzsicherheit bis 2030 hat; denn so lange läuft unser Braunkohlekraftwerk, so lange läuft der laufende Braunkohletagebau.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, fragen, wie lange nach Ihrer Meinung die Arbeitsplatzsicherheit für die Kolleginnen und Kollegen in der Solarbranche besteht. Ganz sicher nicht bis 2030. Deshalb, denke ich, können wir eine solche Politik unserer Landesregierung nicht hinnehmen. Ich halte dies für ein klares Versagen der Wirtschaftspolitik unseres Landes, wenn die Wirtschaftspolitik unseres Landes jetzt nicht herausgeht, und zwar in die Welt, aber auch in die deutsche Debatte, und sagt, wir brauchen die Solarenergie, wir brauchen sie jetzt verstärkt, wir haben hier Angebote, wir haben hier gute Hersteller und wir wollen, dass sie propagiert wird.

Deshalb fordere ich Sie auf - ich weiß gar nicht, wen ich heute auffordern werde; ich bin gespannt, ob es einen Redebeitrag der Landesregierung geben wird -: Klären Sie das. Klären Sie, dass die Landesregierung auch in Sachsen-Anhalt hinter der Solarbranche steht, dass sie die Solarenergie als eine wichtige Säule für unseren künftigen Energiemix ansieht und dass sie die Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt halten will.

(Beifall bei den GRÜNEN)