Gleichzeitig soll die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt auch weitere Anpassungen und Aktualisierungen erfahren. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass bezüglich der überarbeiteten Musterbauordnung das notwendige Notifizierungsverfahren in Brüssel von der Bauministerkonferenz durchgeführt wird.
Technische Normen, die für den Wettbewerb relevant sind, müssen nach europäischen Vorgaben vor dem Inkrafttreten der EU-Kommission vorgelegt werden. Soweit Sachsen-Anhalt von den technischen Normen der Musterbauordnung abweichen wollte, müssten wir ein neues Notifizierungsverfahren in Brüssel durchführen. Zeitliche Verzögerungen wären nicht zu vermeiden.
Neben der Musterbauordnung sollen bei der Novellierung der Bauordnung unseres Landes auch die Erfahrungen der Bauaufsichtsbehörden sowie Hinweise und Vorschläge von Kammern und Verbänden berücksichtigt werden. Wir haben im Vorfeld eine systematische Befragung der unteren
Bauaufsichtsbehörden sowie des Landesverwaltungsamtes als der oberen Bauaufsichtsbehörde durchgeführt, um zu überprüfen, ob und inwieweit sich die bestehenden Regelungen der Bauordnung bewährt haben. Insbesondere ging es um die Klärung, ob sich die durch das Dritte Investitionserleichterungsgesetz eingeführten Vereinfachungen und Erleichterungen für Bauherren bewährt haben.
Nach der Auswertung der Berichte aller Bauaufsichtsbehörden im Land ist festzustellen, dass keine Bauaufsichtsbehörde von besonderen Schwierigkeiten, Rechtsunsicherheiten oder der Notwendigkeit vermehrten bauaufsichtlichen Einschreitens berichtet.
Auch wenn nach den Berichten bisher lediglich eine Minderheit der Bauherren von den Möglichkeiten wie der Reduzierung des Prüfumfangs im Baugenehmigungsverfahren Gebrauch macht, werden die Möglichkeiten mehr als in den Vorjahren in Anspruch genommen. Ich denke, die Inanspruchnahme wird auch in Zukunft weiter ansteigen. Die Berichte der Bauaufsichtsbehörden lassen generell den Schluss zu, dass sich die eingeführten Erleichterungen und die Reduzierung der Regelungsdichte bewährt haben.
Neben dieser Prüfung über die Bauaufsichtsbehörden haben wir bei der Vorbereitung des Referentenentwurfs zur Bauordnung unseres Landes einen neuen Weg beschritten. Wir haben bereits im Vorfeld die betroffenen Kammern, unter anderem die Industrie- und Handelskammern, die Architektenkammer, die Handwerkskammern sowie Verbände und Vereine und den Behindertenbeauftragten einbezogen.
Dieses Verfahren hatte eine erfreuliche Resonanz. Nahezu alle angeschriebenen Verbände und Institutionen haben sich mit Vorschlägen, Hinweisen und Anregungen beteiligt. In mehreren Gesprächsrunden unter der Leitung von Staatssekretär Herrn Dr. Klang wurden die Hinweise im Einzelnen erörtert.
Dabei ergab sich, dass ungeachtet der Vielzahl von einzelnen Punkten keine grundlegende Kritik an der bisherigen Bauordnung unseres Landes besteht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich die im Jahr 2006 novellierte Bauordnung unseres Landes jedenfalls in der Grundausrichtung bewährt hat.
Im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung erneuerbarer Energien und das Erfordernis der Energieeinsparung sollen zukünftig sowohl Maßnah
men zum Zwecke der Energieeinsparung, unter anderem Wärmedämmung, als auch Solaranlagen an bestehenden Gebäuden unter bestimmten Voraussetzungen auch innerhalb der Abstandsflächen von Gebäuden verfahrensfrei zulässig sein. Derzeit ist das nachträgliche Anbringen von Wärmedämmung oder einer Solaranlage an bestehenden Gebäuden bei Unterschreitung der Mindestabstände nur mit Baulasten, mit Zustimmung des Nachbarn oder einer zu erteilenden Genehmigung möglich. Die Regelung wirkt sich mithin auch verfahrenserleichternd für den Bauherrn aus.
Darüber hinaus sollen auch Windkraftanlagen innerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten eine abstandsflächenrechtliche Privilegierung erfahren. So ist vorgesehen, die erhöhte Abstandsfläche von der einfachen Höhe 1 H nur noch für Windkraftanlagen außerhalb dieser von der Raumordnung vorgegebenen Gebiete zu fordern. Für Anlagen innerhalb der Eignungs- und Vorranggebiete soll hingegen, wie es die Bauordnungen bereits in fast allen Ländern vorsehen, eine Abstandsfläche von 0,4 H genügen. Ich denke, an dieser Stelle wird es einen großen Diskussionsbedarf geben.
Mit diesem Privilegierungstatbestand eng verbunden ist eine weitere Erleichterung zur Förderung erneuerbarer Energien. So sieht die Musterbauordnung, deren Regelungen an dieser Stelle bewusst übernommen werden sollen, die Verfahrensfreiheit von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien vor.
Nach der beabsichtigten Änderung sind insbesondere Solaranlagen in, an und auf dem Dach und an Außenwandflächen zukünftig verfahrensfrei, unabhängig davon, ob der Strom dem privaten Verbrauch dient oder in das öffentliche Netz eingespeist wird. Auch Windkraftanlagen bis zu einer Höhe von 10 m sollen außer in reinen Wohngebieten verfahrensfrei gestellt werden.
In Anlehnung an die Musterbauordnung sollen auch die Vorschriften zur Barrierefreiheit geändert werden. Die bisher in der Bauordnung geregelten Detailanforderungen sollen nunmehr dem deutschlandweit abgestimmten Regelwerk der technischen Baubestimmungen entnommen werden.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist zudem eine Regelung beabsichtigt, nach der nunmehr bei der Neuerrichtung von Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei nutzbar und nicht, wie bisher, nur barrierefrei zugänglich sein müssen.
Ebenfalls vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sollen Gebäude mit Nutzungseinheiten, in denen mehr als acht Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung gepflegt oder betreut werden, deren Selbstrettungsfähigkeit eingeschränkt ist, künftig den Sonderbautatbestand erfüllen und mithin ein Baugenehmigungsverfahren
Wird der Schwellenwert überschritten, so ist die Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens mit der Erstellung eines Brandschutzkonzeptes für die Beurteilung der Gefahrensituation unerlässlich. Darüber hinaus dient die Regelung auch der Rechtssicherheit, da es in der Vergangenheit in der Rechtsprechung zu widersprüchlichen Urteilen gekommen ist.
Aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr haben wir in diesem Zusammenhang im Regierungsentwurf bewusst die in der Musterbauordnung vorgesehene Additionsregelung übernommen. Gebäude mit mehreren Nutzungseinheiten, die einen gemeinsamen Rettungsweg haben und die insgesamt für mehr als zwölf Personen bestimmt sind, sollen ebenfalls den Sonderbaubestimmungen unterliegen. Diese Regelung der Musterbauordnung hat auch Bayern übernommen, das als erstes Land seine Bauordnung überarbeitet hat.
Im Bereich der Sonderbauvorschriften haben wir bei den Kindertagesstätten ebenfalls eine Änderung vorgesehen. Nach der Bauordnung unseres Landes sind Kindertagesstätten derzeit stets als Sonderbau zu behandeln. Künftig sollen Kindertagesstätten mit mehr als fünf Kindern Sonderbaueigenschaften haben.
Als Datum des Inkrafttretens ist bis auf die EUrechtlich zum 1. Juli 2013 notwendigen Regelungen zu Bauprodukten nunmehr der 1. September 2013 vorgesehen. Diese Übergangsfrist soll den Anwendern in der Praxis einen ausreichenden Übergangszeitraum gewähren, um sich auf die neu anzuwendenden Standards einzustellen.
Neben der Änderung der Bauordnung soll der Gesetzentwurf auch die Zuständigkeit für die Marktüberwachung von harmonisierten Bauprodukten des Hochbaus und des Straßenbaus regeln. Durch die aktive Marktüberwachung wird eine gesteigerte Kontrolle von Bauprodukten gewährleistet, was für den Bauherrn zu vermehrter Sicherheit bei der Verwendung selbiger führt.
Vorgesehen ist ein dreistufiger Aufbau. Das Landesverwaltungsamt soll obere, das MLV oberste und das Deutsche Institut für Bautechnik gemeinsame Marktüberwachungsbehörde sein.
Ich hoffe auf einen reibungslosen Ablauf der Beratungen, bitte um zügige Beratung - ich haben die Daten genannt: 1. Juli und 1. September 2013 - und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Novellierung der Landesbauordnung haben wir die Chance, einige Stolpersteine der Energiewende zu beseitigen. Herr Webel hat es bereits ausgeführt. Für Windkraftanlagen innerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten soll die Tiefe der Abstandsfläche von 1 auf 0,4 der Höhe reduziert werden. Diese Forderung erheben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schon seit Jahren.
Mit welcher Wirkung ist nun zu rechnen? - Ich will ein Beispiel geben. Wenn eine Windkraftanlage 200 m hoch ist, dann müssen im Umkreis von 200 m die Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer um Erlaubnis gefragt werden, und zwei Windkraftanlagen dieser Größe müssen in 400 m Abstand voneinander stehen. Mit der neuen Regelung müssen nur noch im Umkreis von 80 m die Flächeneigentümer um Erlaubnis gefragt werden und die Windkraftanlagen müssen baurechtlich nur noch einen Abstand von 160 m haben.
Die neue Regelung bedeutet also eine erhebliche Erleichterung für die Errichtung von Windkraftanlagen, weil sich der große Aufwand in der Abstimmung mit den Grundstückseigentümern deutlich reduzieren wird. Das ist der entscheidende Punkt bei der Novellierung. Ob Windkraftanlagen in der Praxis zukünftig wirklich dichter stehen werden, wie es in den Medien angesprochen wurde, ist vom Einzelfall abhängig, aber eher unwahrscheinlich.
Denn zwei Anlagen können nicht beliebig dicht nebeneinander stehen, weil sie sich auch gegenseitig beeinflussen - sowohl hinsichtlich der Standsicherheit als auch hinsichtlich des Energieertrages.
- Genau. Die physikalischen Wirkungen sind hier relevant. - Ich erwähne das deshalb so ausführlich, weil Herr Webel gesagt hat, hierzu gebe es Diskussionsbedarf. Ich möchte schon jetzt eindringlich dafür werben, dass es hinsichtlich der Abstandsfläche bei 0,4 H bleibt. Das wird auch eine Erleichterung beim Repowering sein.
Stichwort Solaranlagen. Bereits im vergangenen Jahr hatten wir gefordert, dass die Baugenehmigungspflicht für Fotovoltaikanlagen wegfallen muss. Standsicherheit, Brandschutz und Gestaltungsaspekte werden ohnehin durch andere Regularien gewährleistet. Eine Baugenehmigung kostet immer Geld und Zeit - das verzögert den Bau -, und wenn sie nun wegfällt, ist das ein Fortschritt.
Die Novellierungsvorschläge hinsichtlich Wind- und Solaranlagen stellen Vereinfachungen dar und sind unserer Meinung nach geeignet, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Das ist gut und wird von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mitgetragen.
Nun zum Brandschutz bei Tierhaltungsanlagen. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Fällen gekommen, bei denen Tiere im Brandfall nicht gerettet werden konnten. Deshalb fordern wir Brandschutzmaßnahmen, die dem natürlichen Fluchtverhalten der Tiere Rechnung tragen
und eine Tierrettung im Brandfall auch gewährleisten. Detaillierte Regelungen zum Brandschutz finden sich nicht in der Bauordnung, sondern in Verwaltungsvorschriften. Diese sollten ebenfalls entsprechend überarbeitet werden.
Aber in der Bauordnung gibt es doch einen Punkt, nämlich die inneren Brandwände. Wir schlagen für § 29 vor, die Brandabschnitte zu verkleinern und weitere innere Brandwände einzuziehen. Damit soll im Brandfall der betroffene Bereich möglichst klein sein, die Brandausbreitung begrenzt werden, und die Tiere sollen besser geschützt werden.
Wir sind erfreut, dass der Entwurf zur Novellierung in § 48 nun die Möglichkeit für die Kommunen schafft, über örtliche Bauvorschriften Abstellflächen für Fahrräder vorzuschreiben. Um den Radverkehrsanteil zu erhöhen, brauchen wir Radabstellanlagen vor allen Dingen in ausreichender Anzahl und nicht nur in homöopathischer Menge, wie es heute oft der Fall ist. Über eine gute Zugänglichkeit mit anständigen Bügeln statt der schrecklichen Felgenkiller und mit Überdachung ließe sich auch ihre Attraktivität deutlich steigern.
Wir müssten überlegen, in welcher Form wir die Kriterien für vernünftige Fahrradabstellplätze empfehlen oder gegebenenfalls verbindlich festlegen können.
Die Pkw-Nutzung ist inzwischen leicht abnehmend. Das ist gut. Aus unserer Sicht sollte die Pflicht zur Schaffung von Pkw-Stellplätzen entfallen. PkwStellplätze kosten viel und verteuern Neubauprojekte. Die Aufhebung der Pflicht wäre eine finanzielle Entlastung und könnte an dieser Stelle zum Abbau von Bürokratie beitragen.
Bürokratieabbau sehen wir auch in § 85. Hier heißt es, dass örtliche Bauvorschriften fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft treten, also ein Automatismus. Diese Befristung macht überhaupt keinen Sinn, weil a) jeder erforderliche Änderungsbedarf durch die Kommune zu jeder Zeit beschlossen werden kann und b) die Bauämter an die Er
neuerung der örtlichen Satzung denken müssen - das ist ein Aufwand - und c) nach Verstreichen der Frist jede und jeder bauen kann, wie sie oder er will. Deshalb plädieren wir für die Abschaffung der Befristung der örtlichen Bauvorschriften. - Vielen Dank.