Protocol of the Session on February 20, 2013

Fast zur gleichen Zeit passierten bei einer der beiden großen sachsen-anhaltischen Tageszeitungen, nämlich der „Volksstimme“, Dinge, die bei uns - ich will es vorsichtig formulieren - die Alarmglocken haben schrillen lassen.

Die Entwicklungen bei der „Volksstimme“ sind bekannt. Ein geschlossenes Unternehmen Volksstimme ist quasi so nicht mehr existent; denn der Betrieb wurde vom Eigentümer in viele kleine GmbHs zerschlagen. Erst wurden die einzelnen Lokalredaktionen outgesourct, dann passierte das Gleiche mit der Hauptredaktion.

Das Ergebnis ist ebenso bekannt. Darunter leiden vor allen Dingen die Beschäftigten des Betriebes, nämlich die Journalistinnen und Journalisten; denn ein Ergebnis ist die Abschaffung von Betriebsräten. Ein weiteres damit einhergehendes Ergebnis ist die Abschaffung innerbetrieblicher Demokratie und innerbetrieblicher Mitbestimmung und letztendlich die Abschaffung von tariflicher Bezahlung von Journalistinnen und Journalisten und damit die Einführung eines weiteren Niedriglohnsektors.

Diesen will ich auch weiterhin als solchen bezeichnen; denn eine andere Formulierung fällt mir nicht ein, wenn ich als Arbeitgeber meinen Beschäftigten neue Arbeitsverträge vorlege, die beinhalten, dass man innerhalb von sieben Jahren bei der

Hälfte seines Ursprungsgehalts angekommen ist. Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für uns schlicht und ergreifend nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn eine funktionierende Demokratie braucht eine kritische und unabhängige Berichterstattung durch kritische und unabhängige Journalistinnen und Journalisten, und diese müssen ihre Arbeit schlicht und ergreifend frei von Existenzängsten leisten können.

Meine Damen und Herren! Wir konnten im Fachausschuss - Herr Geisthardt hat darauf hingewiesen - hautnah erleben, wie die Verlagsleitung der „Volksstimme“ mit ihren Betriebsräten umgeht. Wir wurden Zeugen eines zumindest doch sehr unwürdigen Verhaltens während unserer Anhörung.

Vor allem aber beschäftigten wir uns im Ausschuss und auch während der Anhörung mit dem Vorschlag des Journalistenverbandes zur Änderung des Pressegesetzes. Zwischen allen Fraktionen war mit Blick auf die Offenlegungspflicht bei Verlagsbeteiligungen und Eigentümerverhältnisse ziemlich schnell ein Konsens gefunden.

Diese Gesetzesänderung, die heute beschlossen werden soll, war schon seit Jahren eine Forderung meiner Fraktion der LINKEN, weil sie schlicht und ergreifend für eine Erhöhung der Transparenz sorgt und weil sie letztendlich auch klärt, was unter den Attributen „unabhängig“ und „überparteilich“ im Konkreten zu verstehen ist oder was man darunter konkret verstehen kann.

Aber ich gebe gern zu: Wir wollten mehr - mehr bei der Änderung des Pressegesetzes. Wir wollten die Einführung von Redaktionsstatuten, Redakteursversammlungen und Redakteursräten im Pressegesetz verankern. Dies scheiterte - Herr Geisthardt hat darüber berichtet - bekanntlich an verfassungsrechtlichen Bedenken.

Ich will aber mit aller Deutlichkeit sagen, dass wir heute einen Entschließungsantrag aller Fraktionen einbringen und verabschieden werden, der die Einführung von Redaktionsstatuten, Redaktionsversammlungen und Redakteursbeiräten ausdrücklich begrüßt und diese quasi auch einfordert. Das ist ein gutes Signal an die Journalistinnen und Journalisten des Landes; denn es ist ein Signal für mehr innerbetriebliche Demokratie und mehr Mitbestimmungsrechte der Journalistinnen und Journalisten.

Dass alle Fraktionen hinter dieser Forderung stehen, macht das Signal dann schließlich auch zu einem aus meiner Sicht starken Signal. Mein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an alle, die dafür gesorgt haben, dass es heute zu diesem gemeinsamen Antrag kommen konnte.

Ich bitte um Zustimmung zum Gesetz und selbstverständlich auch zum Entschließungsantrag. Ich bin jetzt schon gespannt, ob und was man darüber morgen in der „Volksstimme“ lesen darf.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Felke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, es war gut, dass wir als Fraktion darauf gedrungen haben, das Landespressegesetz aus dem Vierten Medienrechtsänderungsgesetz herauszulösen; denn das Pressegesetz aus dem Jahr 1991 hat über die Jahre hinweg nur einige wenige meist redaktionelle Änderungen erfahren, die letzte vor etwa drei Jahren.

Die Presselandschaft aber - das wurde eben schon beschrieben - hat sich in diesen mehr als zwei Jahrzehnten gravierend verändert. Das Wort „Zeitungskrise“ greift mehr und mehr um sich, Blätter kommen in Schwierigkeiten, drohen gänzlich zu verschwinden oder sind bereits verschwunden.

Während im Westen unserer Republik die Angst umgeht, dass die Entwicklung bei den Regionalblättern zu immer mehr Ein-Zeitungs-Kreisen führt, haben wir in Sachsen-Anhalt bis auf die Ausnahme Altmark seit Jahren schon eine Monopolstruktur in den jeweiligen Verbreitungsgebieten der beiden großen Blätter.

Zweieinhalb Regionalblätter stehen für eine überschaubare Vielfalt, und eigentlich ist es ein Treppenwitz der Geschichte, dass es zu DDR-Zeiten eine größere Zahl von regionalen Tageszeitungen auf dem Gebiet unseres Landes gab.

Sicher ist die jetzige Situation differenziert zu betrachten. Nicht allen Blättern geht es wirklich schlecht, auch wenn die Neuorientierung der Werbewirtschaft hin zur verstärkten Online-Präsentation ihre Spuren hinterlässt. Ein Kernpunkt dabei scheint aber zu sein, dass sich die Verlage schwer damit tun, tragfähige Geschäftsmodelle in das digitale Zeitalter zu überführen.

Die Gratiskultur hat an dieser Stelle bereits vieles kaputt gemacht. Es ist meiner Meinung nach völlig offen, ob es gelingt, deutlich zu machen, dass Qualitätsjournalismus seinen Preis hat, egal auf welchem Vertriebsweg. Allein ein Relaunch im Netz ist an dieser Stelle sicher zu wenig.

Was hat das nun alles mit unserem Pressegesetz zu tun? - Ich denke, sehr viel; denn Gesellschaft und Politik sind darauf angewiesen, dass die Presse ihre öffentliche Aufgabe erfüllt und mit ihrer Berichterstattung an der Meinungsbildung mitwirkt.

Mit § 7a soll erstmalig eine Offenlegungspflicht der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse eingeführt werden. Durch mehr Transparenz soll ersichtlich werden, welche juristischen und natürlichen Personen an dem Presseunternehmen wirtschaftlich beteiligt sind.

Eine Aufnahme derartiger Regelungen ist in der besonderen Bedeutung der periodischen Presse und ihrem starken Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zu begründen. Zugleich wird damit aber auch eine Voraussetzung geschaffen, die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht zu erkennen, der der Gesetzgeber auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes entgegenzuwirken hat.

Offenkundig wird so für die interessierte Öffentlichkeit beispielsweise auch die Verbindung mancher Tageszeitung hin zu bestimmten Anzeigenblättern. Neben der Offenlegungspflicht muss uns aber auch beschäftigen, wie es vor dem Hintergrund der beschriebenen Monopolstruktur um die innere Pressefreiheit bestellt ist; denn für eine funktionierende Demokratie bedarf es guter, kritischer Medien, aber auch Journalistinnen und Journalisten, die ihre Arbeit frei von Existenzängsten machen können.

Meine Damen und Herren! Die Entwicklung bei der „Volksstimme“ muss uns beunruhigen. Wenn in einem längeren Prozess Lokalredaktionen vom Mutterunternehmen abgespalten werden, wenn mehr als 40 Mini-GmbHs die Zeitung produzieren und vertreiben, wenn die Mitarbeiter dadurch kaum noch Mitbestimmungsmöglichkeiten haben, wenn eine Reihe von Beschäftigten ihre Arbeit verloren haben, wenn Redakteure mangels Alternative sogenannte Abschmelzungsverträge unterzeichnen müssen, mit denen sie sofort bis zu 30 % weniger Jahresgehalt erhalten und im Laufe der nächsten Jahre weitere Reduzierungen in Kauf nehmen müssen, wenn aber auf der anderen Seite aus Konzernbilanzen hervorgeht, dass die „Volksstimme“ einen erfreulichen Beitrag zum Ergebnis der Bauer-Gruppe leistet, dann drängt sich der Verdacht auf, dass es hierbei eher um eine Gewinnmaximierung auf Kosten der Belegschaft und eine Einschränkung der Betriebsratsarbeit geht.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Die Begründungen der Geschäftsführer wirken dagegen eher hilflos. Die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit schützt auch die notwendige betriebliche Organisation. Darauf kann sich jeder Verleger zurückziehen. Klug wäre es aber, diesen nicht gegen, sondern mit den Mitarbeitern durchzuführen.

Redakteursversammlungen, Redakteursräte und Statuten können nicht gesetzlich vorgeschrieben werden. Für eine Sicherung der Meinungs- und In

formationsfreiheit bei einer immer weiter fortschreitenden Pressekonzentration halten wir derartige Instrumente und ihre Anwendung aber für dringend erforderlich.

Hinzu kommt, dass wir erheblichen Handlungsbedarf beim Betriebsverfassungsgesetz sehen; denn ein Zerschlagen von Firmen in Einzelgesellschaften, um darüber Betriebsräte abzuschaffen, muss generell verhindert werden.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Zustimmung zum Gesetz und zum Entschließungsantrag, der als möglichst einstimmiger Appell an die Verleger gehen sollte. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Felke. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderungen im Landespressegesetz sind notwendig geworden, und in der Tat war es ein kluger Schachzug, dieses aus dem Medienrechtsänderungsgesetz herauszulösen, weil sich die Notwendigkeit einer Überarbeitung hier doch auf eine dramatische Art und Weise gezeigt hat. Meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen.

Grundlegend für die Überarbeitung war der Gedanke, der Transparenz Rechnung zu tragen und die innenbetrieblichen Mitbestimmungsrechte der Journalistinnen und Journalisten zu stärken. In Sachsen-Anhalt gibt es nur zwei große regionale Tageszeitungen, die im Norden und im Süden unseres Landes die Bereiche abdecken und dort im Wesentlichen konkurrenzlos sind.

Diese Situation, die wir nicht beeinflussen können, macht es nicht einfacher, an dieser Stelle klug zu agieren. Ich würde mir vorstellen oder könnte mir denken, dass mehr Wettbewerb möglicherweise auch zu mehr innerbetrieblicher Demokratie - weil auch dies ein Qualitätsmerkmal ist - anregen könnte.

Meine Damen und Herren! Ich denke aber, dass gerade mit dieser monopolartigen Stellung sich eben auch eine besondere Verantwortung der Verlage gegenüber den Beschäftigten als relevante Arbeitgeber in der Region und eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit verbindet.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Die aktuellen Entwicklungen bei der „Magdeburger Volksstimme“ stimmen uns sorgenvoll. Die Zeitung

wurde zerschlagen; von ehemals einem Unternehmen in mittlerweile mehr als 40 Mini-GmbHs, die alle für sich produzieren und alle so klein sind, dass keine Betriebsräte mehr gegründet werden können.

Besorgt sehen wir auch, dass aus einem Unternehmen so viele kleine Gesellschaften gegründet werden können mit dem einzigen Ziel, betriebliche Mitbestimmung zu verhindern, Tariflöhne zu verhindern oder wieder abzuschaffen und die Menschen in unwürdige Knebelverträge zu zwingen. Wenn Derartiges vorkommt, meine Damen und Herren, kann uns das als Politik und Gesellschaft nicht egal sein; denn hier ist die innere Pressefreiheit in Gefahr.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Wir alle, meine Damen und Herren, als Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, als Politikerinnen und Politiker und als Verlage und als Journalistinnen und Journalisten sind doch in höchstem Maße auf Qualitätsjournalismus angewiesen. Es muss doch unser aller gemeinsames Ziel sein, dass wir nicht nur Berichte lesen, sondern auch gehaltvolle Berichte lesen, dass wir die Entwicklung stoppen, dass immer mehr Agenturmeldungen einfach unbearbeitet oder wenig überarbeitet abgedruckt werden.

Wir müssen doch das Ziel vor Augen haben, dass wir in diesem Land wieder zu einem Qualitätsjournalismus kommen. Wir finden ihn noch, aber leider, leider mit einer abnehmenden Tendenz.

Lieber Herr Staatsminister Robra, ich finde, das ist auch etwas, das die Landesregierung angeht. Deswegen finde ich es schade, dass wir heute von der Landesregierung dazu keine Stellungnahme gehört haben, insbesondere weil bekannt ist, dass es auch Beziehungen zwischen einigen Verlagshäusern und bestimmten Landesregierungen gibt. Das ist doch kein Geheimnis. Dann muss man auch einmal eine Stellungnahme abgeben können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Argumentation des Verlagshauses im Fall der „Volksstimme“ grenzt für mich wirklich an Zynismus. Wenn so ungefähr gesagt wird, diese Maßnahmen seien vor dem Hintergrund notwendig - übrigens Maßnahmen, die noch nicht der Regelfall sind, sondern Gott sei Dank wirklich noch einen Ausnahmefall darstellen -, dass andere Verlagshäuser ihre Produkte, ihre Zeitungen schließen müssten, dann finde ich das zynisch.

Es ist bekannt, dass die „Volksstimme“ ein Produkt ist, das gutes Geld an den Verlag abwirft. Das ist auch richtig so. Die Verlage sollen auch damit ver