Protocol of the Session on February 20, 2013

Daher begrüßen wir den heute vorgelegten Antrag, der diese Problematik klar benennt und einen Gesamtauftrag des Landtages formuliert, um das Unrecht - das wird von allen Fraktionen so gesehen; so habe ich das auch von der Debatte im letzten Jahr in Erinnerung - in beiden damaligen deutschen Staaten aufzuarbeiten.

Den Fokus mit dem vorliegenden Antrags dezidiert auf das Gebiet der ehemaligen DDR bzw. des heutigen Sachsen-Anhalts zu richten, ist gut und richtig. Ich möchte jetzt nicht der Versuchung erliegen, nochmals in eine rechtshistorische und gesellschaftshistorische Exegese einzusteigen. Das habe ich bereits während der Debatte im September 2012 getan; dies ist nachzulesen.

Zusammenfassend möchte ich an dieser Stelle Folgendes deutlich machen: In beiden deutschen Staaten sind homosexuelle Menschen, egal ob Frauen oder Männer, mit gesellschaftlicher Verachtung gestraft worden. Zudem waren sie von Verfolgung betroffen.

Mir ist auch wichtig herauszustellen, dass auch homosexuelle Frauen betroffen waren. Sie werden in der Debatte sehr oft vergessen oder hintangestellt, da sie nicht in dem gleichen Maße - das muss man sagen - wie homosexuelle Männer von Strafverfolgung betroffen waren. Aber auch sie müssen auf eine leidvolle Geschichte von Diskriminierung, Missachtung und Marginalisierung zurückblicken.

Auch mir geht es so wie Frau von Angern. Wenn ich mit Betroffenen rede, wenn ich mir Zeitzeugenberichte durchlese, dann bin ich jedes Mal wieder entsetzt. Ich frage mich, wie so etwas auf dem Boden des Grundgesetzes der BRD einerseits und unter dem vermeintlich humanistischen und progressiven Menschenbild der DDR andererseits passieren konnte.

Die Publikation von Eduard Stapel ist in der Tat sehr eindrücklich. Im Jahr 1990 wurde sie von Edda Ahrberg herausgegeben. Wer nicht so gern ein Buch lesen will, dem sei ergänzend der Film „Unter Männern - schwul in der DDR“ empfohlen. Dieser Film ist auch unter der Mitarbeit von Eduard Stapel

entstanden, ist im Rahmenprogramm der „Berlinale“ gelaufen und ist sehr eindrucksvoll.

Wir brauchen solche Zeitzeugenberichte, weil - das hat auch die Ministerin ausgeführt - wir keine belastbaren Zahlen von dieser Zeit haben. Wir konnten diese Angaben nicht ermitteln und sie sind auch kaum ermittelbar. Deswegen ist es wichtig, dass wir Mittel aufwenden, um Forschungsaufträge vergeben zu können. Denn es ist nicht nur bedauerlich, dass wir keine solche Aufarbeitung haben; ich finde, das ist zudem diskriminierend und auch nicht hinnehmbar.

Ich finde es folgerichtig, dass der Antragsteller unter Punkt 3 des Antrages explizit die Rolle und die Verantwortung des ehemaligen Ministeriums für Staatsicherheit aufgenommen hat. Diese Rolle kommt in dem erwähnten Film und in der genannten Publikation explizit zum Ausdruck. Für die Staatssicherheit, wie das Ministerium kurz genannt wurde, waren Schwule und Lesben per se eine politische Bedrohung. In der Publikation ist folgendes Zitat aus der Stasiakte von Eduard Stapel zu lesen:

- Schwule und Lesben sind gemeint -

„verhalten sich konspirativ gegenüber ihrer Umwelt und sind rücksichtslos, betreiben einen hohen Lebensaufwand, sind kriminell gefährdete Personen und streben Kontakte zu Ausländern, besonders aus den kapitalistischen Ländern, an.“

Das MfS hat rosa Listen geführt. Das erinnert an noch finstere Zeiten der deutschen Geschichte. Wer auf einer solchen Liste stand, der wurde systematisch schikaniert, kriminalisiert und für krank erklärt. Der soziale Abstieg vollzog sich rapide und war nicht aufzuhalten.

Lassen Sie mich abschließend für meine Fraktion Unterstützung und Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag signalisieren. Ich persönlich plädiere dafür, dass wir aus der Geschichte lernen sollten und auch heute gegen jede Form von Homophobie aufstehen und eintreten sollten.

In diesem Sinne werbe ich nicht nur dafür, dass Sie die erwähnte Veranstaltung besuchen, sondern dass Sie sich im Nachgang für den landesweiten Aktionsplan gegen Homophobie, in den diese Veranstaltung münden soll, einsetzen. Ich glaube, wir brauchen einen solchen Plan, um alle Lebensbereiche und alle Politikfelder zu bündeln und ein Zeichen für Akzeptanz von Lebensweisen in diesem Land zu senden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Lüddemann. - Für die Fraktion der SPD spricht der Kollege Herr Rothe. Bitte, Herr Rothe.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorredner, insbesondere Ministerin Frau Professor Dr. Kolb, haben zur Motivation und zu dem, was wir inhaltlich anstreben, bereits sehr gute Ausführungen gemacht. Ich möchte mich daher auf die Erläuterungen dessen beschränken, was Herr Borgwardt zum Ende seiner Rede gesagt hat, warum eine Überweisung des Antrages und nicht eine Direktabstimmung vorgenommen werden soll.

Ich könnte es mir einfach machen, Frau von Angern, und könnte sagen, in Hamburg regiert die SPD allein - Sie haben Hamburg zu Beginn Ihrer Rede angesprochen -, aber in einer Koalition mit der CDU gilt der beamtenrechtliche Grundsatz: Blinder Eifer schadet nur.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD - Herr Borgwardt, CDU: Ich würde es sehr begrüßen!)

Ich will versuchen, es etwas seriöser zu begründen. Es gibt einen sachlichen Zusammenhang - das wurde bereits erwähnt - zu dem Thema, das wir im Februar des letzten Jahres ausführlich beraten und am 20. September 2012 beschlossen haben. Dieser Beschluss wurde durch die Landesregierung im Beschluss des Bundesrates vom 12. Oktober 2012 umgesetzt. Dieser Beschluss des Bundesrates lautet wie folgt:

„Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung für die nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilten vorzuschlagen.“

Das, so denke ich, ist eine klare Ansage an die Bundesregierung. Nun ist die Bundesregierung gefragt zu reagieren.

Der Beschluss wurde vor vier Monaten gefasst. Frau Ministerin Kolb hat gesagt, es gebe derzeit noch keine wirkliche Reaktion der Bundesregierung. Ich denke, das ist ein Anlass einzufordern, dass das demnächst passiert. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, als wollten wir diese Aufgabe an uns ziehen, sie in eigener Verantwortung erledigen und die Bundesregierung aus ihrer Verantwortung entlassen.

Übrigens hat die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Antrag vom 7. November 2012 auf diesen Beschluss des Bundesrates hingewiesen. Ich habe dem Internet entnommen,

dass über diesen Antrag der Bündnisgrünen noch nicht im Bundestag beraten worden ist. Meine Bitte, Frau Lüddemann und Frau Professor Dalbert, ist, dass Sie das über Ihre Bundestagsfraktion forcieren.

Ich denke, an dieser Stelle ist zunächst der Bund gefragt, zumal es um die Aufarbeitung von Unrecht zu DDR-Zeiten geht. Die Landesgeschichte Sachsen-Anhalts seit 1990 ist im Grunde genommen nicht betroffen.

Ich sage als Westdeutscher noch Folgendes: So schlimm die Verhältnisse im Umgang mit Homosexuellen in der ehemaligen DDR waren, noch viel schlimmer waren sie im damaligen Westen Deutschlands. Dort hat man in den 50er- und 60erJahren auf der Grundlage der NS-Gesetze Urteile gesprochen. Die Menschen wurden natürlich nicht mehr in ein KZ geschickt, aber es war schlimm genug.

Im Jahr 1968 hat man in der damaligen DDR eine Veränderung der Rechtsverhältnisse herbeigeführt, die aus meiner Sicht grundgesetzkonformer waren als die Rechtslage im damaligen Westen. Man hat in der DDR seit 1968 beispielsweise nicht mehr zwischen Lesben und Schwulen unterschieden, wie es in der damaligen westdeutschen Gesetzeslage noch der Fall war.

Ich denke, wir sollten auf einen weiteren Punkt eingehen, der inhaltlich ein bisschen schwierig ist, zumindest aus juristischer Sicht. Unter Punkt 4 des Antrages der Fraktion DIE LINKE wird die vollumfängliche Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern jeglicher Diskriminierung wegen Homosexualität gefordert.

Über den Begriff der Entschädigung ist im letzten Jahr kontrovers diskutiert worden. Man hat sich im Bundesrat schließlich darauf verständigt, anstelle einer Entschädigung, wie sie zunächst auch seitens der LINKEN in Sachsen-Anhalt beantragt wurde, von einer Unterstützung etwa von traumatisierten Opfern von Verfolgung wegen Homosexualität zu sprechen.

Eine Entschädigung knüpft an eine Aufhebung von Urteilen als Unrechtsurteile an. Das ist eine juristisch schwierige Frage. Sie ist natürlich in Bezug auf die NS-Zeit eindeutig zu beantworten. Juristisch schwierig ist diese Frage in Bezug auf die Nachkriegszeit auch in der DDR zu beantworten.

Ich denke, dass es durchaus sachgerecht ist, wenn wir eine Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung vornehmen, um uns dort regelmäßig seitens des Justizministeriums darüber berichten zu lassen, was im Bund passiert und welche Vorstellungen es im Land gibt, mit dem Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, aber auch anderen Stellen,

beispielsweise mit Universitäten, dieses wichtige Thema inhaltlich zu bearbeiten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Rothe. - Für die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal Frau von Angern das Wort. - Das ergreift sie aber nicht.

Der Kollege Rothe hat uns gerade erklärt, warum ich über eine Überweisung des Antrages in den Ausschuss abstimmen lasse. Wer stimmt zu, dass der Antrag in der Drs. 6/1797 in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen wird? - Das sind alle Fraktionen im Hause. Wer stimmt dagegen? - Das ist niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist auch niemand. Damit ist dieser Antrag in den genannten Ausschuss überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 29 ist abgearbeitet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zweite Beratung

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/1569

Beschlussempfehlung Ausschuss für Inneres und Sport - Drs. 6/1768

Die erste Beratung war am 15. November 2012. Berichterstatterin ist Frau Schindler. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land SachsenAnhalt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/1569 überwies der Landtag in der 34. Sitzung am 15. November 2012 zur Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport.

Mit der Änderung des Gesetzes sollen den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission mehr Rechte eingeräumt werden. Außerdem soll neben der Zuständigkeit für die Anordnung nachrichtendienstlicher Mittel durch Dienstverordnung auch die Zulässigkeit der Mittel im Einzelnen geregelt werden.

Eine von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragte Anhörung wurde in der 28. Sitzung des Innenausschusses am 29. November 2012 mit den Stimmen der regierungstragenden Fraktionen ab

gelehnt. Es gab eine Verständigung, den Gesetzentwurf am 24. Januar 2013 erneut mit dem Ziel zu beraten, eine Beschlussempfehlung zu erarbeiten. Im Ergebnis dieser Beratung wurde der Gesetzentwurf bei 1 : 11 : 0 Stimmen abgelehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen des Ausschusses für Inneres und Sport bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser vorliegenden Beschlussempfehlung in der Drs. 6/1768. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Schindler. - Die Landesregierung verzichtet auf einen Redebeitrag. Wir kommen zur Fünfminutendebatte. Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau von Angern das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine Fraktion wird heute gegen den von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Gesetzentwurf stimmen, weil wir nach wie vor das Konstrukt der Verfassungsschutzämter sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene als letztlich untaugliches Objekt im Sinne von Grundrechtsschutz und Demokratie ablehnen.