Protocol of the Session on December 14, 2012

Die Frage ist doch: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus diesem Ergebnis? - Ich würde sagen, wir müssen genau dort ansetzen, wo es nicht automatisch antidemokratische Zustimmungswerte gibt. Dort müssen wir ansetzen. Das muss ein Ergebnis des Sachsen-Anhalt-Monitors sein. Wir müssen unsere demokratische und politische Bildung gezielt einsetzen.

Nachdem in dem Sachsen-Anhalt-Monitor das erste Mal nach Landkreisen differenziert worden ist, wissen wir jetzt auch, dass es sehr unterschiedliche Reaktionsmuster, sehr unterschiedliche Ant

worten in unterschiedlichen Gebieten Sachsen-Anhalts gibt. Es würde sich lohnen zu gucken, welche Strategie man sich bei der Ausrichtung oder auch der Neuausrichtung von demokratischer Bildung vornehmen sollte.

Unabhängig von der Frage der Gewichtung und der bundesweiten Vergleichbarkeit hat dieser Sachsen-Anhalt-Monitor drei eindeutige Kernergebnisse, was Rassismus und Fremdenfeindlichkeit betrifft.

Erstens. Sachsen-Anhalt in Gänze ist kein Land von Rassisten. Das geben die Befunde nicht her.

(Zustimmung bei der SPD)

Zweitens. In Sachsen-Anhalt gibt es immer noch zu viel Rassismus. Das geben die Befunde in jedem Fall her.

Drittens. Die fremdenfeindlichen Einstellungen in der jüngsten Altersgruppe gehen zurück.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, dürfen wir im Hinblick auf den Titel der Debatte durchaus sagen: Ja, es wird besser, es soll besser bleiben, und wir müssen alles dafür tun, dass es noch besser wird; aber es wird besser, Gott sei Dank. Ja, wir verlieren die junge Generation nicht automatisch an die Rechten. Ja, wir erreichen die Jugendlichen. Ja, die Bemühungen zur Demokratiebildung wirken positiv.

Ansonsten könnten wir hier vielleicht auch aufgeben. Aber das werden wir natürlich nicht tun.

Das ist natürlich kein Grund zur Entwarnung. Das haben wir schon bei der letzten Aktuellen Debatte gesagt. Dafür haben wir in der Vergangenheit zu oft erleben müssen, welche gewaltsamen Auswüchse rechtsextreme Weltbilder haben und wie schnell solche Auffassungen auch in die jüngere und ältere Mitte der Gesellschaft vordringen können.

Ich will trotzdem noch einmal sagen: Dieses Ergebnis ist eine Riesenmotivation. Es gibt Licht am Ende des Tunnels, und wir sollten weitermachen, weil es sich lohnt.

Ein weiteres Zeichen, dass es sich lohnt, ist die stabile und hohe Zustimmung zur Demokratie als Staatsform. Dies ist erst einmal beruhigend. Weniger Zufriedenheit herrscht über das konkrete Funktionieren der Demokratie, also über unsere Performance. Manche Äußerungen in sozialen Netzwerken sind nicht immer zielführend, um das zu verbessern. Dass die Performance unseres demokratischen politischen Systems und seiner Institutionen so schlecht bewertet wird, das bleibt allerdings eine gemeinsame große Aufgabe.

Meine Damen und Herren! Wo wir weitermachen müssen, haben wir bereits in der Aktuellen Debatte im November ausführlich besprochen. Ich will

nur auf einen Befund verweisen, der in beiden Studien - sowohl in der Studie der Friedrich-EbertStiftung als auch im Sachsen-Anhalt-Monitor - belegt wird: den direkten Zusammenhang zwischen Bildungsstand und rechten Einstellungen.

Dieser Befund ist eindeutig. Je höher der Bildungsstand, desto geringer ist die Neigung zu rechtsextremen und demokratiefeindlichen Einstellungen. Im Umkehrschluss heißt das: Der beste Schutz gegen Rechtsextremismus ist eine bessere Bildung. Diese Große Koalition hat dafür im letzten Vierteljahr einiges Strukturelles auf den Weg gebracht. Ich will drei Punkte nennen:

Erstens Stark III. Es ist gut, wenn wir gemeinsam mit der kommunalen Familie dafür sorgen, dass alle Kinder in einer besseren Lernumgebung lernen. Denn Lernerfolge steigern sich in einer besseren Lernumgebung. Das ist gut für jedes einzelne Kind.

Zweitens die Gemeinschaftsschule. Wir haben für Sachsen-Anhalt längeres gemeinsames Lernen ermöglicht. Kinder brauchen sich nicht mehr zwingend schon nach Klasse 4 zu entscheiden, wohin ihr Bildungsweg gehen soll.

Machen wir uns nichts vor: In der Regel - wenn es so bleibt - wird mit einer Entscheidung nach der 4. Klasse festgelegt, wohin der Lebensweg geht, weil das Wechseln sehr schwer ist. Aber wer kann das schon nach der 4. Klasse entscheiden?

Jetzt haben die Kinder länger Zeit zu reifen. Das nimmt vielen Kindern und Eltern unnötigen Druck. Ich weiß, dass einige der Auffassung sind, dass man durch Druck Diamanten erzeugt. Ich würde sagen: Durch reifere Kinder gewinnt man im Zweifel bessere Demokraten.

Drittens das KiFöG. Wir haben gestern beschlossen, die frühkindliche Bildung für alle Kinder aufzuwerten. Das ist gut so.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei erfreuliche Befunde des Sachsen-Anhalt-Monitors wenigstens nennen.

Die Verbundenheit mit dem Land Sachsen-Anhalt wächst. 49 Prozent der Befragten fühlen sich stark und 29 Prozent sehr stark mit ihrem Bundesland verbunden. Das ist gut so.

Die für mich persönlich positivste Überraschung aber ist - deshalb habe ich auf diesen Kinderweihnachtsmann verwiesen, auch wenn man mit 18 Jahren kein Kind mehr ist -, dass viele der 18- bis 24-Jährigen als zweitwichtigsten Bezugsort nach ihrem Heimatort nicht mehr Ostdeutschland angeben, sondern die Bundesrepublik insgesamt. Das ist in der Tat ein gutes Zeichen für das Zusammenwachsen der Bundesrepublik. Damit sind wir nach mehr als 20 Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung vielleicht wirklich auf

dem Weg zur inneren Einheit. Zeit wäre es und gut wäre es.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Sie haben den Kopf geschüttelt und abgewinkt. Ich kann Ihnen sagen, dass meine beiden Kinder, die 16 Jahre alt sind, tatsächlich wenig in der Kategorie Ostdeutschland denken. Vielmehr haben sie den Bezug zu ihrer Stadt und dann wirklich den Bezug: Wir leben in der Bundesrepublik. - Das hat sich verändert, und ich glaube, es ist gut so, dass man neben dem regionalen Bezug einen Gesamtbezug zu seinem Land hat.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Lassen Sie mich also zum Abschluss zusammenfassend sagen: Es wird besser in Sachsen-Anhalt. Es gibt keine Entwarnung, aber berechtigte Hoffnung. Es lohnt sich, weiter gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und für ein weltoffenes und lebenswertes Sachsen-Anhalt zu arbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Frau Fraktionsvorsitzende Budde, möchten Sie Zwischenfragen oder Anfragen beantworten?

Endfragen sozusagen. Ich habe sogar noch Redezeit.

Als Erste Frau Kollegin Dalbert. Bitte.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Es ist weniger eine Frage als eine Zwischenintervention.

Frau Budde, Sie haben sich am Anfang Ihrer Rede sozusagen zur Verteidigerin der Wissenschaft im Lande aufgeschwungen.

(Zurufe von der SPD)

Ich glaube, die Wissenschaft im Lande braucht das nicht. Ich kenne kein so streitbares Gebiet wie gerade die Wissenschaft. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind es gewohnt, überaus kritisch miteinander umzugehen.

Es gibt berechtigte wissenschaftliche Zweifel am Sachsen-Anhalt-Monitor. Über die muss und soll man sich auch austauschen.

Ein Beispiel dafür: Sie haben am Anfang Ihrer Rede auf Landkreisunterschiede im Sachsen-AnhaltMonitor Bezug genommen. Genau das ist zum Beispiel ein Punkt, dessen Dignität im Augenblick überhaupt nicht beurteilt werden kann, weil in der

bisherigen Dokumentation zum Sachsen-AnhaltMonitor keine Beschreibung der Stichprobe erfolgt ist.

Die Landeszentrale für politische Bildung hat genau das getan, was man in dieser Situation meines Erachtens tun muss: Die Landeszentrale für politische Bildung und ihr Beirat haben sich dazu entschlossen, die Daten als Open Data interessierten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zur Verfügung zu stellen. Ich denke, das ist ein wichtiger, ein notwendiger Schritt. Das gibt der vernünftigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung eine angemessene Grundlage.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Frau Professor Dalbert, ich gebe Ihnen darin Recht, dass die Wissenschaft natürlich in der Lage ist, selber zu streiten und selber zu argumentieren. Das wird sie auch tun.

Aber es gibt einen Riesenunterschied zwischen der Behauptung, dass der Sachsen-Anhalt-Monitor ein Gefälligkeitsgutachten sei, das der Landesregierung nach dem Munde geschrieben worden sei, und dem, was Sie gesagt haben: dass man über die Datenbasis streiten kann, über die Fragen, über die Art und Weise der Befragung.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Es ist immer die Wortwahl, die darüber entscheidet, was man am Ende darunter versteht. In dem Wort „Gefälligkeitsgutachten“ liegt ein Vorwurf, vor dem ich die Wissenschaft sehr gern - auch von diesem Pult aus - in Schutz nehme, selbst wenn sie das vielleicht nicht braucht, weil sie selber streiten kann. Denn ich habe eine andere Auffassung davon.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Es gibt noch zwei weitere Wortmeldungen. Herr Kollege Herbst, bitte.

Vielen Dank. - Frau Kollegin Budde, Sie haben in Ihren Äußerungen mehrfach auf soziale Netzwerke Bezug genommen. Sie haben am Anfang konkrete Zitate gebracht. Im weiteren Verlauf Ihrer Rede haben Sie unter anderem sinngemäß gesagt, Äußerungen in sozialen Netzwerken seien eben nicht immer hilfreich.

Wenn man sich nicht genau überlegt, was man sagt.

Genau. Ich wollte Sie einfach nur fragen, ob Sie mit mir konform gehen, wenn ich sage: Es liegt nicht per se an digitalen sozialen Netzwerken des 21. Jahrhunderts, wie man sich äußert.