Vielen Dank. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Ich habe ausschließlich Überweisungswünsche gehört. - Das ist offensichtlich so.
Ich frage, wer ist dafür, dass dieser Antrag an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen wird? - Das ist eine große Mehrheit in diesem Haus. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Ebenso niemand. Damit ist der Antrag an den Ausschuss überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 17 erledigt.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr zum Internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt. Damit wurde auf die weltweite Bedeutung der Genossenschaften aufmerksam gemacht. In ihrem Aufruf hat die Generalversammlung alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen angehalten, den Beitrag, den die Genossenschaften zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb der Gesellschaft leisten, stärker zu würdigen und bekanntzumachen.
Die Hälfte der Weltbevölkerung, so schätzt die Uno ein, findet ihre Ernährungsgrundlage in Genossenschaften bzw. durch genossenschaftliche Arbeit. Weltweit sind mehr als 800 Millionen Menschen in Genossenschaften organisiert, darunter in Deutschland 20 Millionen Frauen und Männer in mehr als 8 500 Genossenschaften - und es werden ständig mehr.
Unter den heutigen Bedingungen zunehmender sozialer Kälte, der Vereinsamung der Menschen, der rauer werdenden marktwirtschaftlichen Praxis und der immer geringer werdenden Teilhabe der Menschen empfehlen sie sich als eine echte Alternative in Wirtschaft und Gesellschaft.
Genossenschaften haben gute Entwicklungsmöglichkeiten, weil das genossenschaftliche Prinzip in gewissem Sinne all die gesellschaftlichen Grundwerte und Grundrechte in sich verkörpert, wie sie auch in den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft zu finden sind, zum Beispiel Freiheit, Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Eigenverantwortung, Teilhabe und zwischenmenschliche Kommunikation.
Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen unter Hinweis auf die Pioniere des Genossenschaftswesens Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich-Wilhelm Raiffeisen an dieser Stelle einige Prinzipien des Genossenschaftsgedankens in Erinnerung rufe.
Das Solidaritätsprinzip: Der Zusammenschluss dient und fördert die wechselseitige Unterstützung, beispielsweise durch gemeinsame Haftung, gemeinsame Verantwortung und gemeinsame Arbeit.
preiswerter Dienste. Daher wird der Überschuss nicht nach dem Kapitaleinsatz, sondern gemäß der Nutzung verteilt. Darüber hinaus können bis maximal 4 % der Beteiligung an den Gewinnen ausgeschüttet werden.
Der Doppelcharakter: Die Genossenschaft ist sowohl Wirtschaftsunternehmen als auch konkrete Sozial- und Kulturgemeinschaft.
Die Genossenschaftler sind sich aus Erfahrung darin einig: Im Unterschied zu Unternehmen anderer Rechtsformen kann man mittels der genossenschaftlichen Arbeit nicht reich werden. Was aber wohl gesichert ist, ist die Tatsache, dass man nicht verarmen kann, weder in materieller Hinsicht noch an menschlichen Kontakten und gesellschaftlicher Teilhabe.
Die Praktikabilität und Attraktivität der Genossenschaften besteht gerade darin, dass sie Personenvereinigungen sind, für die nicht die Vermögenseinlage der Mitglieder und die Erzielung von Kapitalrendite Vorrang haben, sondern der Solidargedanke und die demokratische Organisationsform.
Da die Genossenschaften eher kommunal und regional organisiert sind, stehen sie naturgemäß für regionale Wirtschaftskreisläufe und fördern lokale Beschäftigung. Das erkennen immer mehr Menschen und sehen so in der genossenschaftlichen Zusammenarbeit eine echte Möglichkeit der Arbeitsplatzsicherung und -beschaffung und einen Weg gegen Armut und Ausgrenzung.
Durch ihre regionale Verankerung und die Tatsache, dass Mitglieder, Eigentümer, Beschäftigte und Konsumenten in der Regel in einer sehr engen Beziehung stehen, ist zugleich eine zuverlässige öffentliche Kontrolle über das genossenschaftliche Unternehmen gegeben.
Indem die Förderung ihrer Mitglieder und die Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Hauptzweck von Genossenschaften sind, zeigen sie sich gerade in der jüngsten Vergangenheit im Unterschied zu anderen Rechtsformen als relativ krisen- und insolvenzfest.
Genossenschaften haben wir in Sachsen-Anhalt inzwischen in mehr als acht Branchen, mit einer auffälligen Zunahme in sozialen und kulturellen Bereichen. Insgesamt sind laut Antwort auf meine Kleine Anfrage 596 Genossenschaften in das Genossenschaftsregister eingetragen. Ihre Mitgliederzahl dürfte sich hochgerechnet bei 300 000 bewegen.
In der Wohnungswirtschaft gibt es in SachsenAnhalt 117 Genossenschaften, die 166 500 Wohnungen bewirtschaften und damit im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge eine wichtige soziale Aufgabe erfüllen. Allein in diesen Genossenschaften sind 171 336 Mitglieder organisiert.
Immer größer wird auch die Zahl der Energiegenossenschaften - jetzt ca. 14 -, in denen sich die Mitglieder vorrangig um eine nachhaltige und insbesondere ökologisch ausgerichtete Energieversorgung bemühen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Regionalisierung der Energieversorgung und zum Umstieg auf erneuerbare Energien.
Wir finden Genossenschaften bei uns weiterhin im Dienstleistungssektor - 89 Genossenschaften -, im Handel - 51 Genossenschaften -, im Bankwesen - 17 Genossenschaften - und selbst in den Bereichen Bildung und Medizin.
Eine bemerkenswerte Entwicklung haben wir in der Landwirtschaft. Mit der Herstellung der deutschen Einheit haben sich in der Bundesrepublik Agrargenossenschaften durchgesetzt. Diese gemeinschaftliche Form des Wirtschaftens in der Landwirtschaft hat bis heute bewiesen, dass es gelingen kann, das wirtschaftliche und das soziale Potenzial einer Produktivgenossenschaft gut miteinander zu verbinden und auszuschöpfen.
Inzwischen bieten 286 Agrargenossenschaften in Sachsen-Anhalt vielen Menschen im ländlichen Raum Arbeit und Auskommen. Sie sind in dem Maße, in dem sie Arbeitsplätze vorhalten, zunehmend auch wieder zum sozialen und kulturellen Bezugspunkt der Dorfbevölkerung geworden.
Diese erfolgreiche Entwicklung haben viele Agrargenossenschaften sowie auch Genossenschaften anderer Bereiche gerade im Jahr der Genossenschaften zum Anlass genommen, um auf zahlreichen Veranstaltungen wie Tagen der offenen Tür und Feiern zu Jubiläen, aber auch in Fachgesprächen sowie in wissenschaftlichen Foren und Konferenzen untereinander und gerade auch mit den Politikern ins Gespräch zu kommen.
Mit dem vorliegenden Antrag, der quasi das Ergebnis dieser Aktivitäten ist, möchten wir die Landesregierung veranlassen, sich - wo immer sie Einfluss geltend machen kann - für die Stärkung des Genossenschaftswesens einzusetzen. Das beginnt mit der Festigung und dem Ausbau des Genossenschaftsrechts, setzt sich fort über Forschung, Studium und Ausbildung und reicht bis zur Imagepflege für den Genossenschaftsgedanken.
Die große Herausforderung besteht darin, dass unter dem Druck marktwirtschaftlicher Zwänge die für das Genossenschaftswesen charakteristischen Grundsätze nicht infrage gestellt werden müssen. - In diesem Sinne bitten wir um die Annahme unseres Antrages.
Danke für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Professor Wolff. Bitte schön, Frau Ministerin.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vereinten Nationen haben das zu Ende gehende Jahr zum Internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt; Herr Krause erwähnte das. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon lobte die genossenschaftliche Verbindung von Wirtschaft und sozialer Verantwortung als ein Vorbild für die internationale Gemeinschaft.
Bundesweit und auch bei uns in Sachsen-Anhalt leisten Genossenschaften in der Wohnungsversorgung, in der Agrarproduktion und bei der Finanzierung des Mittelstandes Herausragendes. Das haben die Volks- und Raiffeisenbanken zuletzt in der internationalen Finanzmarktkrise eindrucksvoll bewiesen.
Die Genossenschaften wirken aber schon seit Jahrzehnten wirtschaftlich erfolgreich in Deutschland, dem Geburtsland der Genossenschaftsidee. Einer der Väter der Genossenschaftsidee, Hermann Schulze-Delitzsch, hat im 19. Jahrhundert auch in Sachsen-Anhalt gewirkt: als Richter, als Genossenschaftsbegründer und nicht zuletzt als Abgeordneter.
Genossenschaften sind historisch entstanden und auch ökonomisch sinnvoll, um Produzenten einer bestimmten Wertschöpfungsstufe vor monopolistischen oder monopsonistischen Ausbeutungsversuchen anderer Wertschöpfungsstufen zu schützen, beispielsweise Milchbauern vor preisdrückenden Molkereien, Fischer vor zahlungsunwilligen Konservenfabriken oder auch Mieter vor gierigen Wohnungseigentümern. Sie haben sich aber auch - Herr Krause erwähnte das - in etlichen anderen Bereichen und Branchen bewährt. Genossenschaften haben unter bestimmten Bedingungen unbedingt ihre Meriten.
Verblüffend ist aber, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE offenbar unter dem Eindruck steht, Genossenschaften würden in Sachsen-Anhalt mehr oder weniger konsequent benachteiligt. Dazu kann ich nur sagen: Sowohl bei den Förderprogrammen des Wirtschaftsministeriums als auch im Agrarbereich werden Genossenschaften nicht anders behandelt als Unternehmen anderer Rechtsformen.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob Sie als Antragsteller durchweg im Sinne von Genossenschaften agieren. Wenn Sie beispielsweise fordern, die Pflichtprüfung weiter zu vereinfachen, darf ich darauf hinweisen, dass sich zahlreiche genossenschaftliche Spitzenverbände mehrfach klar gegen
eine solche Reduzierung ausgesprochen haben. Die Pflichtprüfung, durchgeführt von genossenschaftlichen Prüfungsverbänden, ist eine Säule der genossenschaftlichen Selbstorganisation.
Des Weiteren fordern Sie eine gesonderte Ausweisung genossenschaftlicher Agrarunternehmen. Wie bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Krause in der Landtagsdrucksache 6/1438 dargelegt, liegen die für eine solche Ausweisung erforderlichen amtlichen statistischen Erhebungen zu Agrargenossenschaften nicht vor. Dazu wären erheblich mehr Aufwand und Personal nötig, und zwar ohne dass wirklich klar wäre, worin der zusätzliche Ertrag bestehen sollte.
Bemerkenswert finde ich auch die Forderung, dass das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft „einvernehmlich mit den betreffenden Hochschulen“ auf einen größeren Stellenwert der Genossenschaft in betriebswirtschaftlichen Studiengängen hinwirken soll.
Zunächst ist mir nicht klar, aufgrund welcher Daten Sie überhaupt ein Defizit in der studentischen Ausbildung feststellen. Mir persönlich beispielsweise ist kein BWL-Absolvent bekannt, der irgendwelche rechtsformspezifischen Einstiegsschwierigkeiten bei Genossenschaften gehabt hätte. Ich habe selbst auch nie eine BWL-Einführung erlebt oder gar gehalten, in der Genossenschaften nicht gleichrangig mit anderen möglichen Rechtsformen und gleich intensiv gelehrt und diskutiert wurden.
Was heißt nun „einvernehmlich mit den Hochschulen“? Entweder wollen die Hochschulen bestimmte Inhalte selbst - dann muss das Ministerium nichts unternehmen - oder sie wollen sie nicht - dann bedeutet „Einvernehmen“ aber wahrscheinlich nichts anderes als „Anweisung“. Dies wiederum stünde, milde formuliert, in einem gewissen Spannungsverhältnis zu Artikel 10 Abs. 3 unserer Landesverfassung, wonach Forschung und Lehre frei sind.
Aber - um es zu wiederholen - all dies setzt einen Befund voraus, den ich nicht kenne und dessen Quellen ich gern wüsste.