Protocol of the Session on December 13, 2012

Was antworten wir vielen Jugendlichen, die nicht durch Gewalt, Extremismus, Suchterfahrung oder Armut unsere Aufmerksamkeit erregen, sondern sich ganz unauffällig auf den Weg begeben, um ihr zukünftiges Leben zu gestalten? Welche Perspektiven geben wir ihnen, um sie auf ihrem Weg zu unterstützen?

Die beiden vorliegenden Anträge teilen das wichtige Anliegen, auch diese Gruppe in den Blick zu nehmen und ihnen Angebote zu unterbreiten. Auch - bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch - „normale“ Jugendliche haben einen Anspruch auf einen Politikansatz, der sie einbezieht. Wir sind dem Ministerium in diesem Zusammenhang dafür dankbar, dass es, wie die Ausführungen des Sozialministers eben gezeigt haben, die Inhalte des Alternativantrags unterstützt.

Ein wesentlicher Punkt ist dabei aus meiner Sicht die Beteiligung junger Menschen an der Gestaltung des für sie relevanten Umfeldes. Partizipation, also die Beteiligung der Jugendlichen an für sie wichtigen Entscheidungen, muss größer geschrieben werden als bisher.

Konkrete Partizipation wird häufig vor Ort gestaltet und ist oft auch von den örtlich handelnden Personen abhängig. Wir müssen darauf achten, dass Partizipation keine Floskel in Sonntagsreden ist, sondern durch gelebtes Handeln unterlegt wird. Wir müssen den Jugendlichen zeigen: Wir nehmen euch ernst. Es ist uns wichtig, dass ihr denkt, wir entscheiden nicht über eure Köpfe hinweg. Wir machen Politik mit euch und nicht nur für euch. Dies ist ein Querschnittsprozess auf allen Ebenen, nicht nur auf der kommunalen Ebene. Umso wichtiger ist auch der Rahmen, den das Land dafür schaffen kann.

Die beiden vorliegenden Anträge leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Junge Menschen bringen bereits heute die Bereitschaft mit, ihr Umfeld mit Engagement und viel individuellem Einsatz zu gestalten. Meine Vorredner führten das aus.

Ein Indiz dafür sind die nach wie vor erfreulich hohen Teilnehmerzahlen am Freiwilligen Sozialen Jahr, im sozialen Bereich, in der Kultur, im Sport, in der Politik, in der Denkmalpflege oder im ökologischen Bereich, aber auch beim Bundesfreiwilligendienst. In großer Zahl beteiligen sich jugendliche Menschen an der Gestaltung der sozialen Wirklichkeit und übernehmen individuell Verant

wortung für ihr Umfeld. Junge Menschen wollen ihr Umfeld gestalten, wenn sie die Gelegenheit dazu erhalten.

Mir ist wichtig, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass erfolgreiche Jugendpolitik individuell gestaltet sein muss. Wer dem Glauben unterliegt, man könne mit standardisierten Strategien und Angeboten die Lebenswirklichkeit von jungen Menschen treffen, der wird scheitern. Dies gilt sowohl in Bezug auf das Alter als auch in Bezug auf die einzelnen Interessenlagen innerhalb einer Altersgruppe.

Es ist aber auch wichtig, dass wir Menschen haben, die in den Strukturen Verantwortung haben und Beteiligung leben. Die Beteiligung von Jugendlichen kann man nicht staatlich verordnen. Dazu bedarf es auf den einzelnen Ebenen einer Sensibilität nach dem Motto: Lasst die jungen Leute machen!

Wir müssen also auch der jungen Generation die Chance geben, Verantwortung zu übernehmen. Auch dieser jungen Generation wird es gelingen, sich selbst etwas aufzubauen und etwas zu erreichen. Wir müssen ihnen dafür die Gelegenheit geben. Auch das will eigenständige Jugendpolitik erreichen.

Ich sehe gerade, meine Redezeit ist zu Ende. - Diese Aufgabe ist aus meiner Sicht eine große Herausforderung. Das ist ein langer Prozess. Wir haben noch ein paar Schritte vor uns. Doch wir sind zum Glück auch schon einige gegangen. Die beiden vorliegenden Anträge verfolgen dieses Ziel.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Alternativantrag, weil er die größeren Freiheiten für die Entwicklung einer Strategie für eine Jugendpolitik des Landes bietet.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Jantos. - Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Hohmann.

Zuvor begrüßen wir weitere Gäste im Hause. Dabei handelt es sich zum einen um Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Oschersleben und zum anderen um Schülerinnen und Schüler der Gemm-Sekundarschule aus Halberstadt. Herzlich willkommen im Hause!

(Beifall im ganzen Hause)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, existiert seit 2000 ein kinder- und jugendpolitisches Programm in unserem Land, das natürlich in die Jahre gekommen ist. Dennoch sind wesentliche Aufgaben von damals heute noch genauso aktuell. Eine Überarbeitung und eine an den Bedürfnissen junger Men

schen orientierte Fortschreibung sind daher unumgänglich. Ob es einer externen Evaluation bedarf, müssen wir im Ausschuss klären.

Des Weiteren bedarf es einer inhaltlichen Abstimmung dahin gehend, ob wir nur ein jugendpolitisches, wie vom Antragsteller gefordert, oder aber ein gemeinsames Programm haben wollen, welches auch die Kinder einbezieht. Wir sollten hier die Abgrenzung der Zielgruppe klären, das heißt die Fragen: Ab wann wird von Jugendlichen gesprochen? Wie weit reicht das Jugendalter? Orientieren wir uns an den Vorgaben des SGB VIII oder ziehen wir andere Grenzen?

Nicht zu vergessen sind die altersspezifischen Übergänge und Schnittstellen, die immer wieder zu den großen Herausforderungen zählen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Statt bestmöglicher Förderung erleben immer mehr Jugendliche auch in unserem Land einen Mangel an Zukunftsperspektiven. Nach wie vor haben wir ein selektierendes Schulsystem, fehlende Mitbestimmungsmöglichkeiten und nicht selten viel zu frühe Armutserfahrungen,

(Herr Schröder, CDU: Das stimmt doch gar nicht! Mannomann!)

die mit Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben einhergehen. Dies sind Faktoren, die der jungen Generation ein Ankommen in der Gesellschaft erschweren. Deshalb muss es uns gelingen, endlich ein umfassendes Konzept für eine eigenständige Jugendpolitik auf den Weg zu bringen.

Nun zum Programm selbst. Es soll ein Programm für Jugendliche sein. Darum sind wir der Auffassung, dass sie ihre Ideen und Vorschläge selbst einbringen sollen. Dadurch wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Partizipation und demokratischer Beteiligung unternommen.

Damit dies nicht auf eine einmalige Aktion begrenzt wird, könnten wir uns vorstellen, analog zu anderen Politikbereichen die Stelle eines Jugendbeauftragten beim Land und auch bei den Landkreisen einzurichten. Parallel dazu müsste es einen Jugendbeirat sowohl auf Landesebene als auch auf Kreisebene geben.

Warum ist dies für uns so wichtig? - Betrachtet man die demografische Entwicklung im ländlichen Raum, so wird schnell klar, dass es hier notwendig ist, zielgerichtet gesellschaftliche Teilhabe der dort lebenden Jugendlichen sicherzustellen.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Das Bundesjugendkuratorium präsentierte am 5. Dezember 2012 seine Empfehlungen für eine lokale Kinder- und Jugendpolitik. Darin wird eine strategisch ausgerichtete Jugendhilfeplanung als Basis einer aktiven kommunalen Kinder- und Ju

gendpolitik gefordert. Es müssen Handlungsoptionen für die Jugendhilfeplanung geschaffen werden, damit sich eine eigenständige Jugendpolitik im kommunalen Bereich herausbilden kann. Somit versteht sie sich als Querschnittspolitik und als Politik, welche die Teilhabe junger Menschen realisieren soll. Dafür bedarf es einer leistungsfähigen Jugendhilfeplanung. Sie wissen alle selbst aus Ihren Kreisen, wie weit man damit ist.

Ihre Potenziale kann sie aber nur entfalten, wenn sie nicht nur die Handlungs- und Leistungsstruktur der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe steuert, sondern ihren gesetzlichen Auftrag umfassend ausfüllt und die Schnittstellen zu anderen kommunalen Planungsbereichen gestaltet, wie zum Beispiel Schule, Kultur, Verkehr, Arbeit, Freizeit, Stadtentwicklung, Wohnen, Gesundheit. Ich könnte noch mehrere anführen. So wurde dies auch im Bericht festgestellt.

Wie es mit der Jugendhilfeplanung derzeit im Land aussieht, konnten wir auf einer gemeinsamen Veranstaltung der jugendpolitischen Sprecherinnen mit den Vertreterinnen der Kreisjugendringe am Montag erfahren. Hier besteht dringender Handlungsbedarf in Bezug auf die Zuweisung der Jugendpauschale und des Fachkräfteprogramms.

Jugendarbeit ist nun einmal keine freiwillige Leistung, wie oft zu hören ist. Sie bedarf einer verlässlichen finanziellen Ausgestaltung. Eine nur auf Förderpolitik gerichtete Zuwendung verschärft die derzeitige Situation vor Ort erheblich. Träger benötigen Rahmenbedingungen, die es ihnen langfristig ermöglichen, die zunehmende Komplexität des Arbeitsfeldes in hoher Qualität umsetzen zu lassen.

Statt eines bloßen Versprechens von mehr Partizipation für Jugendliche ist eine rechtliche Verankerung von konkreten Mitbestimmungsrechten wichtig. Deshalb werden wir in dieser Legislaturperiode den Entwurf für ein Mitbestimmungs- und Beteiligungsgesetz für Kinder und Jugendliche einbringen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zusammenfassend können wir konstatieren: Ja, wir brauchen echte Partizipation und Beteiligung der Jugendlichen. Sie sollen ihre Interessen und Forderungen selbst formulieren und ihre Anliegen und Ansprüche selbst vertreten. Eine Herabsetzung des Wahlalters verbunden mit der persönlichen Ausübung des Wahlrechts ist daher für die LINKE unumgänglich.

In diesem Sinne bedarf es einer querschnittsorientierten Jugendpolitik. Sie muss über bürokratische Hürden hinweg auf andere Politikbereiche aktiv Einfluss nehmen können. Nur so wird es uns gemeinsam gelingen, für die Interessen junger Menschen im Sinne einer ganzheitlichen und nachhaltigen Politik einzutreten.

Frau Kollegin, ich muss an die Redezeit erinnern.

Ein letzter Satz. Kinder- und Jugendpolitik muss als eigenständige Politik mit und für junge Menschen sichtbar und erlebbar werden.

Ich bitte darum, dass beide Anträge in den Ausschuss überwiesen werden; denn ich halte eine Diskussion im Sozialausschuss für erforderlich. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD Herr Born.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zielt darauf ab, die Jugendpolitik in unserem Bundesland auf der Grundlage der Weiterentwicklung des jugendpolitischen Programms zu gestalten.

Das dabei benannte kinder- und jugendpolitische Programm der Landesregierung stammt aus dem Jahr 2000. In diesem Programm werden Grundpositionen der Landesregierung aufgezeigt und die Rolle von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft betrachtet. Es wurde die Aufgabe des Landes festgeschrieben, die junge Generation in gesellschaftliche Gestaltungsprozesse einzubeziehen und sie an Entscheidungsfragen zu beteiligen.

Die demografische Entwicklung, gerade in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen, erzwingt eine ämterübergreifende kommunale Planung und auf Landesebene eine ressortübergreifende Planung bei der Abstimmung. Das war auch schon vor zwölf Jahren bekannt.

Das Programm trifft weiterhin Aussagen zur Familienpolitik, zu Kinderrechten, zu Formen der Hilfe zur Erziehung, zur Kita-Betreuung, zur Prävention und zur stärkeren Teilhabe der Jugendlichen an Politik und Gesellschaft.

Es ist für mich nach heutiger Lesart ein Grundsatzprogramm, welches wesentliche Felder innerhalb der Sozialpolitik abdeckt, wobei sich die Themen in den letzten Jahren kaum verändert haben und deshalb eine Weiterentwicklung in seiner Gesamtheit als wenig sinnvoll erscheint. Sinnvoll erscheint mir vielmehr die Forderung nach einem jugendpolitischen Programm der Landesregierung, welches aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre und unter Einbeziehung aller Beteiligten als Steuerelement für Jugendpolitik und somit Jugendarbeit eingesetzt wird.

Wer mit einer gewissen Lebenserfahrung, entsprechender Sensibilität und offenen Augen durch diese Welt geht, dem wird nicht entgangen sein, dass sich unsere Jugend verändert hat. Es ist nicht mehr die Jugend von vor 50 oder 20 Jahren, unsere Jugend tickt anders. Das ist nicht negativ gemeint. Es ist eine Jugend, die sich an den gesellschaftlichen Veränderungen orientiert, sich anpasst oder gefügt hat oder im seltenen Fall gar nicht damit zurechtkommt.

Jugend oder erwachsene Kinder entwickeln mittlerweile fast immer eine eigene Identität. Sie haben verschiedene und nicht gleichgeschaltete Bezüge zur Welt oder zur Umwelt. Sie erproben ihre Grenzen, sehen sich verschiedenen Lebensformen innerhalb von Familien ausgesetzt und leben unter aufgeweichten Normen und Regeln. Oftmals fehlt auch ein kontinuierlicher Wegbegleiter und die verschiedenen Lebensführungskompetenzen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Dennoch ist manches so wie früher. Jugend braucht Geborgenheit, Jugend braucht Geselligkeit; denn der Umgang mit Gleichaltrigen ist die beste Schule für den Umgang mit Interessenkonflikten. Jugend braucht aber auch Anerkennung, Anerkennung durch Eltern, durch Lehrer, durch die Gesellschaft und nicht zuletzt auch durch uns, durch die Politik und die Politiker. Denn wir sind mit dafür verantwortlich, inwieweit das Interesse oder die Bereitschaft der Jugendlichen ausgeprägt ist oder ausgeprägt wird, sich für das Gemeinwohl einzusetzen.

Auch deshalb liegt die Gestaltung einer ressortübergreifenden Jugendpolitik, die junge Menschen ernst nimmt und ihre Entwicklung und die Umsetzung dieser Politik einbezieht, meiner Fraktion besonders am Herzen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir alle erkannt haben - das findet sich in den Redebeiträgen wieder -, dass sich Jugendpolitik in fast allen politischen Aufgabenfeldern wiederfindet, haben wir einen realen Ansatz, um gute und eigenständige Jugendpolitik abgestimmt und bedarfsorientiert in Konzepte zu packen, diese zu entwickeln, auszugestalten und umzusetzen. Es ist nicht nur die Aufgabe des Ministeriums für Arbeit und Soziales, wie der Minister bereits erwähnte, es ist unser aller Aufgabe. Es ist vor allem Aufgabe der handelnden Personen vor Ort.