Bevor wir mit der Einbringerin in die Beratung einsteigen, möchte ich einen Gast begrüßen. Wir haben hin und wieder Kolleginnen und Kollegen aus anderen Parlamenten zu Gast. Das Besondere heute ist, dass wir im Lande Luthers und derzeit in der Luther-Dekade einen unmittelbaren Verwandten und Nachfahren von Dr. Martin Luther, und
zwar Herrn Dr. Luther, einen Abgeordnetenkollegen aus dem Abgeordnetenhaus Berlin, heute hier begrüßen können. Herzlich willkommen in diesem Hohen Hause!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Etwas unter den Teppich zu kehren wird gemeinhin nicht als adäquate Problemlösung angesehen, außer bei Atom- und Kohlekraftwerken; denn für einige Kreise scheint es nicht nur völlig normal, sondern auch besonders innovativ zu sein, strahlenden Müll und klimaschädliche Gase einfach unter den Teppich bzw. unter die Erde zu kehren. So ist es auch bei der Technologiekette CCS. Das ist die Abkürzung für Carbon Capture and Storage.
Kohlendioxid wird aus Rauchgasen von Kraftwerken oder aus Prozessgasen von Industrieprozessen, zum Beispiel der Zementherstellung, abgetrennt, quasi eingefangen - das beinhaltet das „Capture“ - und dann unterirdisch zur Endlagerung verpresst.
Doch für uns ist dieses Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ kein wirksames Mittel, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Aufgrund des großen Gefahrenpotenzials ist es auch kein vertretbares Mittel.
Im Mai 2011 haben wir hier das letzte Mal über die CCS-Technik debattiert. Damals gab es einen Antrag der LINKEN, der dazu aufforderte, über ein Landesgesetz die unterirdische Endlagerung von Kohlendioxid auszuschließen.
Was ist seitdem passiert? - Wir haben seit dem 17. August 2012 ein Bundesgesetz. Der Artikel 1, das Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid, abgekürzt: Kohlendioxid-Speicherungsgesetz, stellt den Kern dar.
Bemerkenswert ist, dass in diesem Gesetz der Klimaschutz als Gesetzeszweck nicht mehr auftaucht. Der Vermittlungsausschuss hatte dafür gesorgt, dass der im Gesetzentwurf vorgesehene Klimaschutz, die umweltverträgliche Energieversorgung und die umweltverträgliche Industrieproduktion gestrichen wurden.
Damit gesteht der Gesetzgeber selbst ein, dass CCS und Klimaschutz nichts miteinander zu tun haben und CCS auch nicht zu einer umweltverträglichen Energieversorgung und Industrieproduktion beitragen kann. Das ist eine Bankrotterklärung.
Wozu das Ganze dann noch? Nur zur Erfüllung der EU-Richtlinie, die den Mitgliedstaaten eigene gesetzliche Regelungen aufgetragen hatte? - Diese Vorgabe hätte auch mit einem nationalen CCSUnterlassungsgesetz erfüllt werden können.
Das derzeitige Gesetz, mit dem - ich zitiere aus § 1 - „die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid in unterirdischen Gesteinsschichten zum Schutz des Menschen und der Umwelt“ offensichtlich zum Selbstzweck wird, ist höchst fragwürdig. Die CCS-Technik, die damit geregelt werden soll, ist noch viel fragwürdiger.
Deshalb muss der Anwendung dieser Technik ein Riegel vorgeschoben werden. Aus diesem Grund haben wir diesen Antrag vorgelegt, mit dem ein Landesgesetz auf den Weg gebracht werden soll, das die unterirdische Kohlendioxidendlagerung in den Gebieten Sachsen-Anhalts rechtssicher ausschließen soll.
Das Bundesgesetz eröffnet den Bundesländern mit der sogenannten Länderklausel in § 2 Abs. 5 die Möglichkeit, die CO2-Speicherung für zulässig oder unzulässig zu erklären.
Wir beantragen, dass Sachsen-Anhalt von dieser Länderklausel Gebrauch macht und die Landesregierung ein entsprechendes Landesgesetz erarbeitet. Solange das Landesgesetz erarbeitet wird, greift nach § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes ein Moratorium, maximal für drei Jahre. Während dieser Zeit werden Anträge auf Untersuchung eines potenziellen Speichers auf seine Eignung - das ist der § 7 - und Anträge auf Planfeststellung für Errichtung und Betrieb eines Kohlendioxidspeichers - das ist der § 12 - zurückgestellt.
Politikerinnen und Politiker aller hier im Landtag vertretenen Fraktionen hatten sich gegen eine unterirdische Verpressung von CO2 ausgesprochen. Auch Ministerpräsident Haseloff hatte erklärt, dass die Länderklausel für Sachsen-Anhalt angewendet werden soll.
Diesen Bekundungen müssen nun Taten folgen. Deshalb rufe ich dazu auf: Lassen Sie uns den Weg für ein Landesgesetz frei machen, das die unterirdische CO2-Speicherung auf der Grundlage von bestimmten Kriterien in den Gebieten Sachsen-Anhalts ausschließt.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN - Herr Leimbach, CDU: Das geht doch nicht mit jedem!)
Worin bestehen die Probleme bei der Prozesskette CCS? CCS soll als umweltfreundliches Deckmäntelchen für Kohlekraftwerke fungieren und die Kohleverstromung verlängern. Das würde den Ausbau von erneuerbaren Energien und die Energiewende in Gänze behindern.
Das Verfahren ist sehr energieaufwendig in der gesamten Kette „Verbrennung - Abtrennung - Komprimierung - Transport - Verpressung“. Man müsste also noch mehr Brennstoffe für den gleichen Energieoutput einsetzen. Der Wirkungsgrad eines Kraftwerkes würde sich erheblich reduzieren.
Das ist auch der Grund, warum Länder wie China und Indien die Technik gar nicht wollen, da sie sonst noch mehr Kohle einsetzen müssten und demzufolge höhere Kosten hätten. Die Stromgestehungskosten würden um bis zu 100 % steigen; das sind Auskünfte der Energieversorger.
Im Übrigen können bestehende Kohlekraftwerke kaum bzw. nur schwer nachgerüstet werden. Außerdem ist eine komplette Abtrennung von CO2 sowieso nicht möglich. Anders als Erdgas ist CO2 außerdem auch reaktiv. Es bildet mit Wasser eine Säure, die zur Schwermetallauswaschung führen kann. Geothermische Nutzungen werden unmöglich. Durch den hohen Druck und gerade auch bei einer Verpressung in saline Aquifere kann Salzwasser in Grundwasserleiter verdrängt werden, sodass es zur Grundwasserversalzung kommen kann.
Nicht zuletzt birgt der CO2-Austritt ein großes Gefahrenpotenzial. Wenige Tonnen reichen, um die Atemluft in ein geruchs- und geschmacksneutrales tödliches Gas zu verwandeln. Nicht umsonst gelten in der Industrie beim Umgang mit CO2 allerhöchste Sicherheitsregeln.
US-Wissenschaftler gaben an, dass - wie es bei anderen Untergrundtechniken bereits beobachtet wurde - an Bruchstellen im Gestein durch die enormen Drücke bei der CO2-Verpressung kleine Erdbeben ausgelöst werden können. Dann würden Risse entstehen und die Dichtheit der Lagerstätten wäre nicht mehr gegeben; das wäre fatal.
Es ist unmöglich, die Langzeitsicherheit einer solchen Endlagerung nachzuweisen, da kein technisches Containment das Gas zurückhalten soll und nur natürliche Barrieren die Ausbreitung des Gases verhindern sollen. Die Eigenschaften dieser natürlichen Barrieren sind aber so unbekannt, dass ihre Wirkungen nicht auf lange Zeitskalen extrapoliert werden können. Selbst wenn ein Endlager also fünf Jahre lang dicht ist, weiß man nicht, was im sechsten Jahr passiert.
Zudem fehlt jegliche Aussicht auf wirksame, geeignete Maßnahmen, die im Fall von Leckagen und erheblichen Unregelmäßigkeiten greifen könnten. Das heißt, es gibt keine Notfallmaßnahmen, wenn das CO2 austritt. Technische Maßnahmen würden auch schnell scheitern, wie der Betrieb von Autos, die aufgrund der hohen CO2-Konzentnation einfach stehen bleiben würden.
Fazit: CCS ist eine Aufschubtechnologie mit vielen umweltbeeinträchtigenden und lebensbedrohlichen Gefahren. Die CCS-Technik verschiebt die Probleme in die Zukunft und würde uns ein virulentes Endlagerproblem aufbürden. Deshalb lehnen wir eine unterirdische CO2-Endlagerung ab und wollen ihren Ausschluss für Sachsen-Anhalt erwirken.
CCS ist zudem keine Klimaschutzoption, weil bei den Herausforderungen zum schnellen Senken der CO2-Emissionen die Technik einfach viel zu spät käme.
Wir unterscheiden auch nicht zwischen CO2 aus Kraftwerken und CO2 aus Prozessen; denn die Wirkungen sind gleich, die Gefährlichkeit bleibt. Wir wollen kein CO2 unterirdisch verpressen, weder prozessbedingtes noch solches aus fossilen Kraftwerken, weder aus großtechnischer Anwendung noch im Rahmen von Feldversuchen.
Wir wissen, dass nach der derzeitigen Rechtslage die unterirdische Verpressung leider nicht kategorisch für ein gesamtes Bundesland ausgeschlossen werden kann. So muss Sachsen-Anhalt in Gebiete aufgeteilt werden. Spezifische Begründungen für die Unzulässigkeit oder Zulässigkeit der Speicherung sind anzuführen.
Das nahezu ausgeförderte Erdgasfeld Altensalzwedel in der Altmark rückte im Rahmen des „Clean“-Projekts in den Fokus einer CO2-Verpressung. Das Projekt ist inzwischen von Gaz de France Suez und Vattenfall aufgegeben worden.
Aber durch die intensive Beschäftigung mit diesem Projekt sind in der Altmark die Gefahren umfangreich ermittelt worden. Ergebnis: Hunderte von Bohrungen zur Erdgasförderung, die nicht im Hinblick auf eine CO2-Speicherung verschlossen wurden, Oberflächenabsenkung und seismische Ereignisse, die Risse im Gestein verursachten. Es gibt also eine Vielzahl von Wegsamkeiten, durch die der Austritt des CO2 zu erwarten wäre.
Dieses Beispiel zeigt geologische Besonderheiten, die dann auch bei der Abwägung nach § 2 Abs. 5 Berücksichtigung finden müssten. Aber auch andere öffentliche Interessen, wie zum Beispiel die Nutzungsoption für die Geothermie oder Tourismusbelange, müssen aufgrund des Abwägungsgebotes berücksichtigt werden.
In einer Pressemitteilung vom 12. November 2012 bezeichnen die Kollegen Thomas und Stadelmann die Ablehnung von CCS als Verhinderungspolitik, die eine moderne Industrienation nicht brauche.
Ihrer Meinung nach gehört insbesondere die CCSTechnologie zu einer zukunftsfähigen Forschungslandschaft. Damit hat die CDU sehr deutlich ihre Bereitschaft signalisiert, die Verpressung von CO2 unter dem Deckmantel der Forschung in SachsenAnhalt zuzulassen.
Ich frage mich, wie die CDU dann mit ihren eigenen Abgeordneten in den Kreistagen und Gemeinderäten umgehen will, die vor Ort in großer Einmütigkeit mit anderen Parteien die CO2-Verpressung ganz klar abgelehnt haben.
Oder hoffen Sie darauf, dass Ihre Parteifreundinnen und -freunde vor Scham in den Boden versinken, weil sie gezwungen werden, ihre Versprechen gegenüber der Bevölkerung zu brechen?