Protocol of the Session on October 19, 2012

Lassen Sie uns gemeinsam der Kinderrechtskonvention Geltung verleihen, indem wir mehr Verbindlichkeit schaffen.

Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie ist die Gemeinschaft von Menschen mit gleichen oder altergemäß vergleichbaren Rechten und es steht der Demokratie gut an, alle Mitglieder der demokratischen Gemeinschaft und ihre Rechte ernst zu nehmen. Kinder sind Mitglieder dieser demokratischen Gemeinschaft.

Wenn wir Kinder und ihre Rechte ernst nehmen, dann vermitteln wir ihnen, dass sie wichtige Mitglieder der demokratischen Gemeinschaft sind, dass sie wertvolle Mitglieder der demokratischen Gemeinschaft sind. Wir vermitteln ihnen damit Selbstbewusstsein und am Ende stärken wir damit auch die Bindung der Kinder an die Demokratie und an die Regeln der Demokratie. In diesem Sinne ist die Stärkung der Kinderrechte ein aktiver

Beitrag zur Stärkung der Demokratie. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Dalbert. Es gibt eine Anfrage des Abgeordneten Bönisch. Möchten Sie sie beantworten?

Frau Professor Dalbert, Sie haben in Ihrem Antrag mehrere Unterrichtsfächer aufgeführt, in denen das Thema behandelt werden sollte. Unter anderem ist der Ethikunterricht genannt worden. Aus meiner Sicht fehlt der Religionsunterricht. Ist das ein Fehler? Haben Sie ihn vergessen? Haben Sie ihn absichtlich nicht aufnehmen wollen? Oder sind Sie der Meinung, dass im Religionsunterricht ohnehin alles ordnungsgemäß vermittelt wird?

Die Fächer, die Sie ansprechen, werden in den weiterführenden Schulen unterrichtet. Auch dort kann man die Kinderrechte vermitteln, aber der Punkt ist doch: Dort ist es ohnehin schon zu spät ist, weil die Kindheit vorbei ist. Im Übrigen bin ich froh über jedes Fach, in dem Kinderrechte vermittelt werden. Ich kann es nur begrüßen, wenn das passiert.

Warum ist der Religionsunterricht in Ihrem Antrag nicht benannt? - Das wollte ich wissen.

Weil es im Moment im Ethikunterricht drin ist. Wir haben sozusagen die ergänzenden Fächer dazu aufgeführt. Die Religion ist ja sozusagen - -

Es gibt Kinder, die haben Ethikunterricht, und es gibt Kinder, die haben Religionsunterricht. Sie haben die Kinder, die am Religionsunterricht teilnehmen, ausgeblendet.

(Herr Borgwardt, CDU: Genau so ist das!)

Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Sie sich dafür einsetzen - ich werde Sie gern darin bestärken -, dass die Kinderrechte auch im Religionsunterrichtet vermittelt werden.

Meine Frage war: Warum steht das nicht in dem Antrag?

(Oh! bei der LINKEN - Zuruf von der LIN- KEN: Jetzt ist es aber gut!)

Herr Bönisch, ich glaube, jetzt ist es gut.

Also keine Antwort. Gut, das ist auch eine Antwort.

Weitere Fragen gibt es nicht. - Für die Landesregierung nimmt Herr Minister Bischoff das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Professorin Dalbert, ich stehe hier in Vertretung für den Kultusminister, sodass ich einen Teil meines Beitrags ein Stück weit ablesen muss, weil ich nicht gerade der Fachmann für Schule und Lehrpläne bin.

Zu dem, was Sie gerade vorgetragen haben, sind mir ein paar Gedanken gekommen, die ich zumindest in die Debatte werfen will, obwohl der Landtag natürlich kein Platz für ausführliche Dispute ist. So etwas kann man mit Sicherheit woanders besser austragen.

Wahrscheinlich wird niemand bestreiten, dass Kinder Rechte haben und Rechtssubjekte sind. Es gibt verschiedene Konventionen, also normative Gesetzgebung, wie die Menschenrechtskonvention und die Behindertenrechtskonvention. Dazu gehören auch die Kinderrechte. Ich glaube, alles, was Sie dazu gesagt haben, um Kinder und ihre Rechtsposition zu stärken, ist richtig.

Das Schwierige ist immer, dieses Thema erst einmal in die Gesellschaft hineinzubringen; denn wenn man über Rechte redet, meint man immer sofort, man müsste auch über Pflichten reden, also: Wenn Kinder Rechte haben, haben sie auch Pflichten.

Bei dem Beispiel, das Sie genannt haben - es war sehr gut, dass Sie dies genannt haben -, ist mir sofort zu Bewusstsein gekommen: Vielleicht müssten wir ein anderes Wort dafür finden - Kinder haben diese Rechtskonvention ja nicht selbst geschrieben, sondern die haben Erwachsene geschrieben, damit Kinder in ihren Rechten gestärkt werden -, damit sich Kinder als Rechtssubjekte wiederfinden können und die Gesellschaft - alle, die drum herum sind - dafür sorgt, dass sie diese Rechtsposition haben.

In Bezug auf das Kind, das sich schützend vor die Mutter stellt, habe ich den Eindruck: Das ist ein

Stück weit Verantwortung, die Kinder für andere wahrnehmen. Aber Verantwortung nimmt man ja nicht wahr, indem man sagt: Du hast das Recht, deine Mutter zu schützen.

Auf diese Idee würde ein Kind gar nicht kommen. Ich wollte da nichts gegenüberspannen, sondern die Empfindung dafür wecken, wie Kinder ihre Rechte erleben, die sie haben. Dazu gehören auch ein Stück weit die Würde, ganz besonders die Selbstbestimmung, die auch ein ethischer Wert ist, oder zum Beispiel der verantwortliche Gebrauch von Freiheit und Verantwortung sowie die friedliche Gesinnung, also Rücksichtnahme und Ähnliches. Auch das hat etwas mit Rechten zu tun. Wenn ich anderen gegenüber die Rechte gewähre, die ich als Kind für mich selbst beanspruche, dann ist das sozusagen ein Geben und Nehmen.

Mir ist jedenfalls zu Bewusstsein gekommen: Vielleicht müssen wir einmal genauer hinsehen - es geht ja auch um die Kindertagesstätten -, was wir damit meinen und was wir umsetzen, damit wir das altersgemäß - das wäre wahrscheinlich der richtige Begriff - anwenden können.

Im Schulgesetz ist in § 1 der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule geregelt. So sollen die Schülerinnen und Schüler beispielsweise zur Achtung der Würde des Menschen - so etwas ist meistens im jeweiligen § 1 geregelt - und zur Selbstbestimmung in Verantwortung gegenüber Andersdenkenden angehalten werden.

Weiterhin wird auf der Grundlage der im Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt festgeschriebenen Schülermitwirkungs- und -beteiligungsgremien die Problematik in den Lehrplänen und Rahmenrichtlinien verschiedener Fächer übergreifend thematisiert. Insbesondere finden Schwerpunkte zu Menschenrechten, die im weiteren Sinne auch Kinderrechte implizieren, in der spezifischen Unterrichtsplanung und -gestaltung der Lehrkräfte Eingang in den Gesamtduktus der jeweiligen Schuljahrgänge.

In Bezug auf die in den Lehrplänen explizit ausgewiesenen Inhalte und Kompetenzschwerpunkte wird ersichtlich, dass der Thematik Kinderrechte in den aktuellen curricularen, also unterrichtsplanerischen, Grundlagen für die einzelnen Schulformen eine wesentliche Bedeutung in der unterrichtlichen Planung der Lehrkräfte beigemessen wird. Dazu stehen den Schulen landeszentral und bundesweit viele Materialien zur Verfügung, deren Inhalt dazu beitragen kann, Kinder und Jugendliche mit dem Thema Kinderrechte umfassend vertraut zu machen.

Darüber hinaus wird das Demokratieverständnis schwerpunktmäßig unter dem Aspekt Kinderrechte und Menschenwürde des Kindes im außerunterrichtlichen und außerschulischen Bereich, also Projekte, Theater, Kultur, gefördert. Als ein hervor

ragendes Beispiel hierfür kann in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Menschenrechten und Kinderrechten das Engagement in den UnescoProjektschulen im Land angeführt werden. Wir haben 16 Schulen, die das umsetzen.

Ich lasse es einmal dabei bewenden. Die Lampe brennt schon wieder. Ich möchte sagen, dass dies alles wirklich wichtig ist.

In Bezug auf die Kindertagesstätten - da kann ich ein bisschen für meinen Verantwortungsbereich sprechen - sollten wir diese Thematik ganz stark im Programm „Bildung elementar“ verankern, wenn wir das später diskutieren. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Selbstbestimmung und Teilhabe - es beginnt sehr früh, dass Kinder das erfahren können - sollten verstärkt in den Bildungsprogrammen eine Grundlage finden.

Ich glaube, dann ist das Thema Kinderrechte ein Stück weit erfahrbar. Dies ist nicht nur ein allgemein zugewiesenes Recht, sondern es wird erfahrbar, was es bedeutet, bestimmte Rechte zu haben; denn daraus entwickeln sich tatsächlich bestimmte Verhaltensweisen im Umgang miteinander und mit anderen. - So viel erst einmal. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir steigen in die Debatte ein. Für die Fraktion der CDU spricht als Erster Herr Abgeordneter Güssau.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Dalbert, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie in Ihrer Einführung Ihre alten Lehrbücher vom Boden geholt und uns die Definition hier vorgetragen haben. Das macht für mich das Ganze etwas leichter und ich konnte mein Manuskript etwas einkürzen.

Ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür, dass Sie uns bei Ihrem nächtlichen Einsatz bei 110 und bei der Polizei solche Dinge aus der Praxis vorgeführt haben.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Ich bin davon überzeugt, dass es kein überflüssiger Antrag ist. Ich persönlich kenne niemanden, der so etwas gesagt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ganz klar: Der Begriff „Kinderrechte“ besteht aus einem Wortpaar, nämlich „Kinder“ und „Rechte“. Jeder kann diese beiden Wörter definieren. Wir haben die Definition schon gehört. Das Wort „Kind“ ist nach allgemeinem Verständnis zuerst auf Personen zu beziehen, die in einem sehr jungen Lebensalter sind. Die Grenze ist beim 14. Lebensjahr

zu ziehen. Danach sprechen wir im Allgemeinen von „Jugendlichen“.

Davon unabhängig bleibt ein Sohn oder eine Tochter natürlich das ganze Leben lang hindurch immer das „Kind“ für die Eltern. Sie wissen schon, was ich meine. Das ist eine Sache, die auch wir beide erlebt haben. Übrigens erlebe ich das morgen wieder: Ich werde 50 Jahre alt und ich bin noch immer das Kind; das ist klar.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Im Zusammenhang mit diesem Antrag von Ihnen ist das aber nicht gemeint. Es geht um Kinder bis hin zur Volljährigkeit bzw. bis zum Ende ihrer Schulzeit.

Nun zum zweiten Wortteil, nämlich „Rechte“: Rechte erwirbt man bereits mit der Geburt. Man wird als Person anerkannt und hat sogenannte Persönlichkeitsrechte.

Die Entwicklung bis hin zur Volljährigkeit ist durch mehrere Entwicklungsstufen gekennzeichnet. Kinder erwerben einen höheren Status als Mitglieder unserer Rechtsordnung bis hin zur Volljährigkeit, ab der sie alle ihre Rechte selbst wahrnehmen. Bis dahin - darauf ist im Schulgesetz selbstverständlich umfänglich eingegangen worden - werden die Rechte der Kinder als Schulkinder von ihren Eltern im Zuge des Elternrechts wahrgenommen. Damit sind die Rechte der Kinder in der Obhut ihrer Eltern hinreichend gewährleistet.

Der uns vorliegende Antrag der GRÜNEN befasst sich explizit und ausschließlich mit den Rechten von Kindern. Man könnte den Eindruck gewinnen, diese besäßen bis dato keine Rechte, sie müssten ihnen also überhaupt erst und vollends zugestanden werden, besonders nach Ihrem Antrag.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir als Koalition einen Alternativantrag formuliert, der eine Bestandsaufnahme zur Vermittlung von Kinderrechten gemäß der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen in den Kindertagesstätten und in den Schulen zum Ziel hat.