Protocol of the Session on May 13, 2011

Herr Fraktionsvorsitzender Schröder sagte gestern bei seiner Erwiderung zur Regierungserklärung: Ja zu sozialen Standards, aber nein zu einem Einheitslohn per Gesetz.

Da haben Sie offenbar ein paar Dinge falsch verstanden, lieber Herr Kollege Schröder. Um einen Einheitslohn geht es gar nicht, sondern es geht um die unterste Lohngrenze, damit man in Deutschland von seiner Hände Arbeit einigermaßen leben kann.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Abgesehen davon, dass ein Lohn von 8,50 € für eine Arbeitsstunde für nicht wenige schon als nicht mehr existenssichernd gilt, muss beachtet werden, dass damit Altersarmut vorprogrammiert wird.

Für DIE LINKE sind Unternehmen, die ihren Beschäftigten weniger als 8,50 € pro Stunde zahlen, eigentlich nicht förderfähig. Diese Aussage wird zumindest in einem Teil der Koalition auf heftige Kritik stoßen. Ich weiß, dass diese Forderung schwer durchsetzbar ist. Dennoch bleiben wir bei unserer Meinung, dass gerade bei Förderungen im Niedriglohnbereich die gesellschaftlichen Haushalte doppelt belastet werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Experten der bekannten Prognos AG haben errechnet, dass mit einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 € - das ist die zentrale Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes - etwa fünf Millionen Beschäftigte ein höheres Arbeitsentgelt erhielten. Zugleich träte eine Entlastung des Staatshaushaltes von entsprechenden Sozialkosten und Abführungen in Höhe von 7 Milliarden € ein.

Zum Vergleich noch zwei aktuelle Zahlen von heute Morgen. Um 10.30 Uhr meldete der MDR: Erste Meldung: Die Wirtschaft wächst stärker als erwartet. Das Brutto-Inlandsprodukt ist gegenüber dem ersten Quartal 2010 um 1,5 % gestiegen. Das heißt, die Krise ist überwunden.

Zweite Meldung: Immer mehr Berufstätige beziehen Hartz IV. Die Aufstockerleistungen betrafen im Jahr 2010 1,4 Millionen Menschen in Deutschland. Das sind 4,5 % mehr als im Jahr 2009. - Das bedarf keines Kommentars.

Deshalb sind wir der Auffassung, dass höhere tarifliche Standards für Unternehmen gelten sollten, die staatliche Subventionen erhalten wollen.

Die nächste Frage: Zählt zu den sozialen Standards nicht auch das Thema betriebliche Mitbestimmung durch Betriebs- und Personalräte? Jüngst wurde bei dem Unternehmen Varioboard aus Magdeburg das Dilemma in ganzer Breite deutlich. Es ist schon schlimm, dass aufgrund verstrichener Zeiträume Fördermittel nicht mehr zurückzufordern waren, da die Bindungsfrist abgelaufen ist. Wenn aber ein Unternehmen mit mehr als 180 Mitarbeitern nicht einmal einen Betriebsrat hat, der Voraussetzung für die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, dann sind Probleme und Konflikte geradezu vorprogrammiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Falle der Insolvenz oder der Betriebsschließung haben die Beschäftigten keine Einflussmöglichkeit.

Verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik schließt die Sichtweise sowohl der Unternehmer als auch der Beschäftigten ein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wäre es denn hinderlich, bei einem Fördermittelantrag auch einen nicht vorhandenen Betriebsrat in die Entscheidungsfindung einzubeziehen? - Was daran populistisch ist, lieber Kollege Ulrich Thomas, kann ich nicht nachvollziehen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn, meine Damen und Herren, Unternehmen sind trotz Privateigentum keine Privatangelegenheit. Die Wirtschaft bestimmt das soziale und kulturelle Leben ihrer Beschäftigten und darüber hinaus das der Gesellschaft; sie hat Einfluss auf die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen. Deshalb kann auch die Wirtschaft kein demokratiefreier Raum sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Frau Ministerin Wolff schrieb in ihrem Lehrbuch „Einführung in die Personalökonomik“ bereits im Jahr 2000 - ich zitiere -:

„Ziel moderner Personalwirtschaft ist es, Menschen ihren Fähigkeiten und Präferenzen entsprechend einzusetzen und weiterzubilden, und zwar so, dass dies zugleich für den jeweiligen Mitarbeiter und das betroffene Unternehmen vorteilhaft ist.“

Diesen gegenseitigen Vorteil gilt es auch durch Rahmenbedingungen, die das Land mit seiner Förderpolitik setzt, immer wieder in das öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Eine weitere Frage: Sollte die Förderpolitik nicht auch die Leiharbeit in Grenzen halten? Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: Die Koalitionspartner streben bei der Leiharbeit das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ an - nach einer angemessenen Einarbeitungszeit von drei Monaten. Und das war es dann auch.

Umso überraschter sind wir, dass Herr Ministerpräsident Haseloff in der gestrigen Regierungserklärung erklärte: Jawohl, auch wir wollen versuchen, das Thema Leiharbeit und Fördermittelpolitik in Einklang zu bringen, und dafür entsprechende Vorschläge unterbreiten.

Deshalb also die Frage: Warum gehen wir nicht den mutigen Schritt wie in Thüringen? Dort heißt es: Unternehmen mit mehr als 30 % Leiharbeitern erhalten keine Förderung. Unternehmen mit mehr als 10 % erhalten nur eine Basisförderung.

Meine Damen und Herren! Die Absicht der Landesregierung, das Land vom stetigen Subventionsfluss zu lösen, ist von der Tendenz her grundsätzlich richtig. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in diesem Land muss ohnehin ohne Förderung auskommen. Allerdings darf das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Das Kriterium Forschung und Entwicklung kann nicht das alleinige sein. Eine größere Wertschöpfung bedeutet zudem nicht automatisch mehr Lohn für die Beschäftigten.

Wir bleiben bei unserer Forderung, die wir bereits in dem Konzept „Sachsen-Anhalt 2011 - Wirtschaft und Arbeit für ein lebens- und liebenswertes Sachsen-Anhalt“ dargelegt haben: Die Fördermittelvergabe ist grundsätzlich nicht mehr nur mit Blick auf die betriebswirtschaftlichen Effekte eines Unternehmens auszurichten, sondern auf die volkswirtschaftlichen Effekte für die Region und für das Land.

Die dritte Forderung: Bei der Vergabe von Fördermitteln ist eine Erhöhung des Anteils von zinsgünstigen Darlehen anzustreben; die Investitionsbank ist zu beauftragen, bis zum Auslaufen des Solidarpakts und vor dem weiteren Rückgang von EFRE- und ESF-Mitteln ein Konzept dafür zu erstellen.

Natürlich ist es wesentlich lukrativer, mit verlorenen Zuschüssen zu agieren, obwohl diese von Hausbanken des Förderprojektes als willkommene eigene Risikominderung angesehen werden. Dennoch wäre es wichtig, einen Erfahrungsbericht zum Einsatz revolvierender Fonds vorzulegen. Auch das könnte ein Beitrag sein, um bis zum Jahr 2019 die selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen-Anhalt zu erreichen.

Vierte Anmerkung: Vor dem Erlass der Verordnung ist der Entwurf den zuständigen Ausschüssen des Landtages zur Diskussion zuzuleiten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir sind der Auffassung, dass vor allem im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft und im Finanzausschuss die notwendigen Diskussionen dazu geführt werden sollen. Da es aber auch um Investitionen in die kommunale Infrastruktur geht, wäre auch der Innenausschuss gut beraten, sich dieses Themas anzunehmen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Unsere Fragen und Standpunkte dazu sind formuliert worden. Die Diskussion in den Ausschüssen kann beginnen.

Meine Damen und Herren! Wir haben eigentlich nicht mehr viel Zeit. In Thüringen ist zum 1. April 2011 eine neue Verordnung in Kraft getreten, in Sachsen am 1. Mai 2011. In der Koalitionsvereinbarung heißt es, man wolle relativ zeitnah mit den benachbarten Bundesländern in Kontakt treten, um eine abgestimmte Förderpolitik zu erreichen, damit es eben keine Mitnahmeeffekte mehr gibt.

Deswegen hoffen wir, dass unser Antrag Ihre Zustimmung findet und dass wir in den genannten Ausschüssen zügig über diese Dinge beraten können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für die Einbringung des Antrages, Herr Kollege Dr. Thiel. - Bevor wir in die Debatte einsteigen, möchte ich noch eine Information an das Haus geben.

Wir haben eine beschlossene Tagesordnung, die keine Mittagspause für heute vorsieht. Die parlamentarischen Geschäftsführer waren gebeten, auszuloten, ob wegen des Einschubs des zusätzlichen Tagesordnungspunktes und der damit verbundenen längeren Sitzungszeit eventuell doch eine Mittagspause eingelegt werden sollte.

Eine einvernehmliche Verständigung hierzu gab es nicht. Das bedeutet, dass wir ohne Pause fortfahren. Aber alles, was jetzt stattfindet, ist nicht nur ein Reden gegen die Zeit, sondern auch gegen zunehmend stärker knurrende Mägen. Vielleicht können wir das mit berücksichtigen.

Wir steigen nun in die Debatte über den Antrag ein. Als Erste hat Ministerin Frau Professor Dr. Wolff für die Landesregierung das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Um gleich zur Sache zu kommen: Die Landesregierung sieht es auch so, dass sich in Bezug auf die Wirtschaftsförderung einige Umfeldfaktoren im Laufe der letzten 20 Jahre einfach weiterentwickelt haben.

In den letzten 20 Jahren stand ein großer Teil der Wirtschaftsförderung sehr stark unter der Maxime der Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit. Soweit ich das beurteilen kann, war das auch wirklich unser dringendstes Problem.

In diesem Zusammenhang sind einige Erfolge erzielt worden. Das ist auch in der Antwort auf die bereits erwähnte Kleine Anfrage ausführlich dargelegt worden. Das möchte ich nicht wiederholen.

Ich glaube aber, dass wir jetzt schauen müssen, ob wir nicht auch andere Prioritäten setzen wollen. Lassen Sie mich drei wichtige Ziele vorschlagen. Nach diesen Zielen müssen wir uns dann überlegen, wie wir instrumentell vorgehen, um die operativen Details, wie unsere landesspezifischen GRW-Richtlinen, anzupassen.

Erstens glaube ich - das hörte ich auch bei Ihnen heraus, Herr Thiel -, dass das Einkommensgefälle zwischen den Ost- und den Westländern, insbesondere zwischen den Westländern und SachsenAnhalt, ein Thema ist, dem wir uns ganz intensiv widmen müssen. Wir liegen dabei immer noch bei ca. 81 %. Es muss irgendwie in die Wirtschaftsförderung eingehen, dass dieses Einkommensgefälle verringert wird.

Zweitens haben wir inzwischen ein ganz deutliches qualitatives demografisches Problem. Insbesondere gut qualifizierte junge Menschen, Hochschulabsolventen, verlassen nach wie vor in Scharen das Land. Sie fehlen uns ganz besonders. Ich denke, dies zu verhindern, wäre ein zweites Ziel, das wir bei der Weiterentwicklung der Wirtschaftsförderkriterien im Hinterkopf haben sollten.

Drittens. Die Wissensintensität der betrieblichen Leistungsprozesse in unserem Land ist zu gering. Ein Indikator dafür ist der FuE-Anteil an den Gesamtkosten der Unternehmen. Dieser Anteil liegt bei uns unter 1 %. In anderen Bundesländern beträgt dieser Anteil deutlich mehr als 4 %.

Ich möchte das nicht auf das Einrichten eigener Forschungs- und Entwicklungsabteilungen begrenzen. Das scheint mir angesichts der kleinteiligen Struktur unserer Wirtschaft zu kurz gesprungen.

Ich würde lieber allgemein vom Ziel der Erhöhung der Wissensintensität sprechen. Dafür haben wir Vorschläge, die auch bei kleinen und mittleren Unternehmen greifen würden und die unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen und gerade unsere kleinen und mittleren Unternehmen wunderbar miteinander ins Gespräch bringen können.

Zugleich ist auch zu konstatieren, dass wir in Zukunft aus den bekannten Gründen weniger Mittel haben werden. Das allein zwingt uns schon, über einen möglichst effizienten Mitteleinsatz nachzudenken und diesen stärker zu fokussieren.