Ich könnte es mir nun leicht machen und lediglich auf meine Rede aus der ersten Lesung verweisen. Inhaltlich hat sich an den Gründen für unser ablehnendes Verhalten heute nichts geändert.
Doch lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Gesetzgebungsverfahren und zu der dabei stattgefundenen Diskussion sagen. Der Innenausschuss entschloss sich - leider wie so oft - mangels Zeit, lediglich eine schriftliche Anhörung vorzunehmen - die Landesregierung musste, wie wir wissen, nicht zwangläufig eine Anhörung durchführen, weil das ja ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ist -, und beschränkte die Anhörung auf den Landesbeauftragten für den Datenschutz.
Erschwerend kam für den Ausschuss hinzu, dass die Erarbeitung der Beschlussempfehlung durch den Ausschuss für Inneres und Sport aufgrund des bereits erwähnten Zeitproblems in einer zeitlich äußerst begrenzten Sondersitzung realisiert wurde.
Meines Erachtens war es dennoch vor allem wichtig, dass überhaupt eine Anhörung stattgefunden hat - auch wenn ich das Verfahren als solches kritisiere.
Meine Damen und Herren! Wir sollten es zu keinem Zeitpunkt zulassen, dass Gesetze das Parlament passieren, ohne dass Fachleute von außerhalb des Parlamentes ihre Gedanken hierzu vortragen können. Dazu gehören nicht selten auch Kritik, fachliche Einwände und Bedenken. Doch das müssen wir und das muss auch die Landesregierung aushalten. Vor allem sollten wir diese Hinweise ernst nehmen und entsprechend im Gesetzgebungsverfahren umsetzen.
Denn ansonsten werden Anhörungen zur Farce. Ich glaube, da sind wir uns einig. Wir müssen uns auch nichts vormachen: Das wird auch den Anzuhörenden mehr und mehr klar.
Die Kritik kam, wie von uns allen erwartet, vom Landesbeauftragten für den Datenschutz. So äußerte er insbesondere erhebliche Bedenken und Zweifel daran, dass die durch die Verfassungsschutzbehörde vorgenommene Evaluierung als ausreichend angesehen werden kann. Ein wesentlicher Kritikpunkt betraf also die Selbstevaluation durch die Verfassungsschutzbehörde.
Meine Damen und Herren! Ich spreche hierbei nicht grundsätzlich gegen Selbstevaluationen. Sie können in einigen Bereichen durchaus sinnvoll sein. Positiver Nebeneffekt kann zuweilen sein, dass das Geld spart. Doch im vorliegenden Fall halte ich eine Selbstevaluation für völlig indiskutabel.
Herr von Bose sprach zu Recht davon, dass die durchgeführte Evaluierung eher einer Selbstbestätigung gleichkäme. Externen Sachverstand? - Weit gefehlt! Gerade in einem Bereich, der so sensibel ist, können wir uns genau dies nicht leisten.
Das ist das Kernproblem. Der Staat schränkt hierbei Grundrechte ein. Ein Mittel, von dem nur in ganz besonderen Fällen Gebrauch gemacht werden darf. Umso genauer müssen wir hinschauen, ob es tatsächlich gerechtfertigt bzw. verhältnismäßig ist.
Ich kann aufgrund der vorliegenden Selbstevaluation nicht seriös einschätzen bzw. entscheiden, ob die Nutzung des IMSI-Catchers tatsächlich verhältnismäßig ist.
Ich teile an dieser Stelle ausdrücklich die Position des Landesbeauftragten, dass die Eingriffsschwelle für den Einsatz des IMSI-Catchers im Landesrecht weitaus zu niedrig erscheint.
Und, offen gesagt, ein Punkt aus einer Rede des Bundespräsidenten fiel mir in diesem Zusammenhang ein: „Ängste und Ressentiments“ dürfen das Zusammenleben in Deutschland nicht leiten. Damit hat er Recht.
Ängste und Ressentiments dürfen eben auch nicht das politische Handeln und die Entscheidungen leiten. Deshalb wird meine Fraktion vor allem dann besonders hellhörig, wenn die Verschärfung von Gesetzen oder die Erweiterung der Befugnisse des Staates bei Grundrechtseingriffen mit der Gefahr des Terrorismus begründet wird, wie es auch in diesem Zusammenhang erfolgte.
Herr Minister, Sie taten das heute in Ihrer Rede in der zweiten Lesung. Das hat also ganz gut gepasst.
ganz offen, dass die Eingriffsbefugnis für einen IMSI-Catcher natürlich nicht dem entspricht, was wir uns in einem Verfassungsschutzgesetz wünschen. Aber das bedeutet zumindest eine Heilung der Fehler, die die Koalitionsfraktionen heute begehen wollen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr. - Bevor ich Herrn Erben für die SPDFraktion das Wort erteile, möchte ich mit Ihnen Schülerinnen und Schüler des Hegel-Gymnasiums Magdeburg begrüßen. Seien Sie recht herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mich wiederholen und vermutlich dieses Hohe Haus auch langweilen, wenn ich heute erneut darlegen würde, warum die Fraktion der SPD für die Entfristung der Befugnis der Verfassungsschutzbehörde zur Anwendung des IMSI-Catchers stimmen wird.
Nach unserer Überzeugung hat sich der Einsatz des IMSI-Catchers als notwendiges und erforderliches Mittel erwiesen.
Sehr geehrter Herr Kollege Striegel, leider reden Sie zu dem Thema jeweils nach mir. Deshalb will ich den Rest meiner Redezeit nutzen, um mich dem zu widmen, was Sie in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs und zwischenzeitlich in Pressemitteilungen, Facebook-Einträgen etc. zu dem Thema von sich gegeben haben.
Man kann und darf natürlich Verfassungsschutzbehörden kritisieren. Ich finde es aber unerträglich, wenn Sie eine Behörde, die dieses Haus durch Gesetz gebildet hat, als - ich zitiere - „aus der Logik des kalten Krieges heraus agierende Spitzelbehörde“ bezeichnen.
Vielleicht nutzen Sie die heutige Debatte, um das, was Sie behauptet haben, zu belegen oder - das wäre am besten - um Ihre Aussage zurückzunehmen.
schutzbehörde - ich zitiere - „in diesem sensiblen Grundrechtsbereich der notwendigen parlamentarischen Kontrolle“ entziehen wollten. Wie kommen Sie darauf?
Wir würden weiterhin - ich zitiere - „perspektivisch mit dem IMSI-Catcher offenbar Inhalte von Telefongesprächen entschlüsseln“ wollen. Wie kommen Sie auf einen solchen hanebüchenen Unsinn?
Entweder haben Sie unseren Gesetzentwurf nicht gelesen oder Sie haben bei der Erläuterung der technischen Möglichkeiten des IMSI-Catchers nicht zugehört.
Ich möchte Ihnen sagen, was ich vermute: Mit Ihren ständigen Unterstellungen und Überwachungsstaatsvorwürfen wollen Sie nicht nur den Verfassungsschutz als Behörde, sondern auch die Koalitionsfraktionen öffentlich in Misskredit bringen.
Lieber Herr Striegel, wenn Sie sich fachkundig mit der Materie auseinandersetzen würden, dann wäre es nie von Nachteil, sich auch die Geschichte des Gesetzes genauer anzuschauen. Wenn Sie das getan hätten, dann hätten Sie Ihren Änderungsantrag vermutlich nicht gestellt.
Sie prangern in Ihrer Verlautbarung vom 29. Mai 2012, die ich bereits angesprochen habe, an, dass die Koalitionsfraktionen auf den Weg in den Überwachungsstaat seien, weil wir Ihrem Änderungsantrag nicht gefolgt sind und damit auch nicht dem Vorschlag, die Eingriffsschwelle von der bisher geltenden erheblichen Gefährdung auf eine schwerwiegende Gefährdung anzuheben.
Wenn Sie sich der Mühe unterzogen hätten zu hinterfragen, warum § 17a des Verfassungsschutzgesetzes diese Eingriffsschwelle so benennt, wie sie gegenwärtig benannt ist, dann hätten Sie diesen Änderungsantrag nicht gestellt. In der letzten Wahlperiode wurde nämlich § 17a des Verfassungsschutzgesetzes neu gefasst. Und weil wir eben wollten, dass die Befugnisse, die sich aus den Regelungen des § 17a ergeben, die sich wahrlich nicht nur auf den IMSI-Catcher beziehen, nicht nur für den islamistischen Terrorismus greifen, sondern auch die rechtsextremistische Bedrohung in diesem Land erfassen, haben wir das so umgesetzt. Das gehörte zum Maßnahmenpaket zur Repression gegen den Rechtsextremismus in diesem Land.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Erben, ich freue mich über diese Würdigung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir am 11. November des vergangenen Jahres in diesem Hohen Haus debattierten, erreichte uns während der Debatte die Nachricht, die Bundesanwaltschaft habe eine Woche nach dem Auffinden der Getöteten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie drei Tage nach der Verhaftung von Beate Zschäpe die Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, Mordes und Brandstiftung gegen die Mitglieder und Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes übernommen.
Zehn Menschen - das wissen wir heute - töteten die Neonazis, unzählige weitere Menschen wurden durch ihre Terrortaten und Überfälle verletzt. Bereits vor dem Hintergrund der wenigen Informationen, die uns zu diesem Zeitpunkt bekannt waren, ahnten wir, dass die Veröffentlichungen in den kommenden Wochen die Bundesrepublik Deutschland und ganz Europa erschüttern würden. Wir fragten uns: Wie war das möglich? Was lief über mehr als ein Jahrzehnt falsch - in unserer Gesellschaft und in unseren Behörden?
Die Arbeit der Sicherheitsbehörden würde nach der Selbstaufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrundes eine andere werden müssen. Das ahnten wir bereits zu diesem Zeitpunkt und wir wissen es heute.