Ich frage jetzt noch einmal: Wer dafür ist, dass die beiden Anträge zur federführenden Beratung in den Fachausschuss und mitberatend in den Innenausschuss überwiesen werden, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind nach wie vor die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit der regierungstragenden Fraktionen. Dem Antrag auf Überweisung ist nicht zugestimmt worden.
Damit komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag. Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Dem Änderungsantrag ist zugestimmt worden.
Ich lasse nunmehr über den Ursprungsantrag in der soeben geänderten Fassung abstimmen. Wer dem Ursprungsantrag in der soeben geänderten Fassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind bis auf ganz wenige Stimmenthaltungen alle Fraktionen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bis auf eine Stimmenthaltung haben alle Fraktionen dem Ursprungsantrag in geänderter Fassung zugestimmt. Damit haben wir den Tagesordnungspunkt 10 erledigt, aber noch lange nicht das Thema.
Die Einbringerin für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist Frau Frederking. Frau Frederking, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie kennen sicherlich den Satz des Pythagoras.
Pythagoras wird auch folgender Satz zugeschrieben: Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen zurück. - Damit sind wir auch schon beim Thema unseres Antrags zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung.
Die Tiere werden nicht artgerecht gehalten. Zu viele Tiere leben auf zu engem Raum ohne Frischluft und Auslauf. Das kann nicht gesund sein.
Vor diesen Haltungsbedingungen dürfen wir die Augen nicht verschließen. Die Tiere erkranken und Antibiotika müssen verabreicht werden.
Die Praxis zeigt, dass zwar riesige Mengen an Antibiotika eingesetzt werden, aber falsch: nämlich in zu geringer Dosierung, zu häufig und nicht lange genug. Eine der dramatischen Folgen ist, dass sich multiresistente Keime bilden, die auf den Menschen übertragen werden können.
Gegen diese Keime helfen dann auch in der Humanmedizin keine Antibiotika mehr. Dies ist in der Zwischenzeit ein großes Problem. Jährlich sterben ca. 15 000 Menschen in Deutschland daran, dass Antibiotika nicht mehr wirksam sind. Das ist allgemein bekannt und darüber wurde auch in der letzten Landtagssitzung in diesem Haus umfänglich diskutiert.
Die Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner und die Amtschefkonferenz haben das Problem erkannt, aber offensichtlich noch nicht die Tragweite; denn umgesetzt wurde bisher noch gar nichts. Deshalb fordern wir, dass die Behörden in Sachsen-Anhalt schnellstmöglich tätig werden.
Sie sollen die demnächst abrufbaren Daten des Deutschen Institutes für medizinische Dokumentation und Information und die Daten aus den Medikamentenabgabebelegen, die den Behörden vorliegen, abrufen und analysieren.
Der Antibiotikaeinsatz muss systematisch auf diverse Parameter hin untersucht werden. Dazu gehören die Diagnose, die Dosierung und - ganz wichtig - auch die Dauer. In Niedersachsen hat es eine Erhebung gegeben, die ergab, dass in 37 % der Fälle die Antibiotika weniger als zwei Tage lang verabreicht wurden. Das ist viel zu kurz. Das kann sicherlich auch einen Behandlungserfolg bringen. Aber wir wissen, dass sich bei einer so kurzen Zeit insbesondere diese Resistenzen bei den Keimen ausbilden. Es kann sogar sein, dass Antibiotika auch vorbeugend gegeben werden, obwohl das längst verboten ist.
Bei so einer Analyse muss auch geschaut werden, dass die Vorgaben der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung, insbesondere § 12, beachtet wer
den. Dabei geht es nicht nur um die Diagnose. Dabei geht es insbesondere auch darum, dass der Behandlungserfolg von den Tierärztinnen und Tierärzten dokumentiert werden muss. Das findet in der Praxis oft nicht statt. Das ist die Erfahrung.
Diese Analyse sollte dem Landtag zum Ende des Jahres in einem Bericht vorgelegt werden, um über die Ergebnisse diskutieren und daraus Konsequenzen ableiten zu können. Dazu gehört auch die Festlegung eines konkreten Reduzierungsziels für den Einsatz von Antibiotika, das heißt, dass man sich wirklich auf eine konkrete Minimierung festlegt.
In Holland wurde das bereits gemacht. Dort konnte innerhalb von drei Jahren der Antibiotikaeinsatz um 32 % reduziert werden. Es ist davon auszugehen, dass in Holland bis zum Ende des Jahres die Zielvorgabe, die Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes um 50 %, tatsächlich erreicht wird.
In Sachsen-Anhalt kann und sollte der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung durch die Veterinärämter schärfer kontrolliert werden, und zwar systematisch, nicht nur auf Verdacht. Mit einer wirklich risikoorientierten, das heißt mit einer nach Problemlagen ausgerichteten Überwachung, würde Sachsen-Anhalt auch den Hinweisen von Frau Aigner nachkommen. Sie hat am 10. Januar 2012 in einer Presseerklärung an die Bundesländer appelliert, dass die Kontrollen verschärft werden sollen.
Ich frage Sie, Herr Dr. Aeikens, sind Sie der Forderung der Bundeslandwirtschaftsministerin nachgekommen und haben Sie derartige Maßnahmen veranlasst?
Wie eingangs von mir dargelegt, sind die Haltungsbedingungen die Ursache für die Erkrankungen und damit letztlich auch für den enorm hohen Antibiotikaeinsatz. Diesbezügich muss wirklich etwas getan werden. Wenn Hühner auf einem Areal von der Größe eines DIN-A4-Blattes in der Gruppenhaltung existieren müssen, dann ist es nicht verwunderlich, dass ein großer Keimdruck herrscht und dass dann auch im großen Stil Antibiotika eingesetzt werden müssen.
Auch der Bundesverband der praktizierenden Tierärzte sieht das Problem bei den Haltungsbedingungen. Der Kollege Daldrup hat den Raum verlassen, vermutlich weil er ahnt, was nun kommt;
denn nicht nur die Tierärzte haben sich so geäußert. Das hat auch Herr Daldrup als agrarpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion getan. Er wird im „Staßfurter Generalanzeiger“ am 1. April 2012 zitiert. Ich zitiere: „Haltungsbedingungen, Stallmanagement und Impfprophylaxe müssen verbessert werden.“
Es ist interessant: Wenn ich Herrn Daldrup zitiere, dann wird es ganz leise. Sie sind gespannt, wie der Kollege sich geäußert hat, weil man ihm das möglicherweise nicht zugetraut hätte.
Es wäre schön, wenn die CDU nach diesem Satz handeln würde. Oder war das am 1. April ein Aprilscherz?
Sie müssen auch Anreize schaffen wollen, damit die Landwirte die Haltungsbedingungen verbessern. Die Bestandsgrößen und die Besatzdichten sind zu verringern und die Mastdauer ist zu verlängern. Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen belegt, dass diese Maßnahmen wirklich erfolgreich sind. In kleineren Betrieben gibt es im Durchschnitt eine längere Mastdauer und weniger Behandlungstage mit Antibiotika. Auch der Einsatz der Wirkstoffe, also die Wirkstoffvielfalt, ist geringer.
Wenn man in dieser Richtung Anreize schaffen wollte, könnte man das durch eine Investitionsförderung tun. Es stellt sich hierbei wiederum die Frage, warum die artgerechte Tierhaltung nicht an die Investitionsförderung bei den Ställen gekoppelt wird.
Frau Aigner möchte auf der Bundesebene das Arzneimittelgesetz in einigen Punkten ändern. Das ist löblich, aber nicht weitreichend; denn sie erweitert nur unwesentlich die deutsche Antibiotikastrategie aus dem Jahr 2008. Es erschöpft sich in der erweiterten Erfassung von Antibiotikaabgabemengen in der Tierhaltung. Die Daten zum Antibiotikaeinsatz können auf Ersuchen der Überwachungsbehörden von den Tierärzten abgefordert werden.
Heute gab es die aktuelle Meldung, dass Frau Aigner nunmehr die Schaffung einer bundesweiten Datenbank plant, dass Tierärzte alle Antibiotikaabgaben bis hin zum Empfängerbetrieb melden sollen. Es wäre freundlich, Herr Dr. Aeikens, wenn Sie das während der Agrarministerkonferenz einmal klären könnten. Das ist ein aktuelles Thema.
Wir wollen, dass alle Antibiotikaabgaben bis hinunter zum Tierarzt zentral erfasst werden und den Kontrollbehörden jederzeit zugänglich sind; denn wir gehen davon aus, dass nur eine lückenlose und komplette Datenerhebung langfristig eine vernünftige Grundlage für Strategien zur Minimierung bilden kann. Es geht hierbei um Transparenz beim Einsatz von Antibiotika an Nutztieren, die wir essen, und damit auch um die Transparenz bei der Lebensmittelsicherheit.
Weiterhin schlagen wir vor, dass die Antibiotikaleitlinien, die von der Bundestierärztekammer erarbeitet wurden und die eine genaue Anwendung von Antibiotika beschreiben, rechtsverbindlich gemacht
werden; denn auch in diesem Fall hat die Praxis gezeigt, dass immer wieder von den Vorgaben abgewichen wurde.
In Dänemark müssen die Tierarzneimittel in der Apotheke gekauft werden. Ob dies auch bei uns sinnvoll und möglich ist, sollte geprüft werden. Die Tierärztin und der Tierarzt würden sich dann nämlich auf die Behandlung konzentrieren. Sie hätten kein wirtschaftliches Interesse am Verkauf der Tierarzneimittel, so wie es bei einigen sogenannten Autobahntierärzten der Fall ist, die entlang von Autobahnen Arzneimittel in riesigen Mengen verkauft haben.
In diesem Zusammenhang muss auch die Mengenrabattierung genannt werden, die ganz klar verboten werden muss. Denn es kann nicht sein, dass die häufige Verschreibung von Antibiotika durch finanzielle Vorteile angereizt wird.
Vielmehr sollen die Tierärzte und Tierärztinnen verpflichtet werden, die Tierhalterinnen und Tierhalter zur Tiergesundheit und zum angemessenen Einsatz von Antibiotika zu beraten. Das Eingreifen der Tierärztinnen und Tierärzte soll an klare Kriterien bzw. an Kennzahlen geknüpft werden.
In diesen ganzen Wirkketten von Ursachen und Folgen muss auch bezüglich der multiresistenten Keime etwas getan werden. Im Hinblick auf die baulichen Gegebenheiten muss geprüft werden, wie weit sich multiresistente Erreger im Umfeld von derartigen Anlagen ausbreiten können.
In wissenschaftlichen Studien ließen sich noch im Umkreis von 400 m um die Anlagen multiresistente Keime nachweisen. Das könnte zum Beispiel bei einer Anlage mit 8 000 Sauen, wie sie gerade in Kleindemsin im Jerichower Land von einem holländischen Unternehmen geplant wird, zum Problem werden.
Die Ställe werden nämlich dort in unmittelbarer Nähe des Dorfes gebaut. Sie sind nur 150 m entfernt. Das würde bedeuten, dass die dortige Bevölkerung auch unter dieser Keimbelastung leiden müsste und hinsichtlich der Nutzung der Hausgärten bzw. der Verwertung des selbst geernteten Obstes Risiken bestehen. Deshalb sollten Keimfilter zur gesetzlich vorgegebenen Grundausstattung in derartigen Massentierhaltungsanlagen gehören.