Vielen Dank, Frau Dirlich. - Bevor jetzt für die Landesregierung Minister Herr Bischoff das Wort ergreift, dürfen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Franke-Sekundarschule aus Magdeburg begrüßen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal freue ich mich, dass so viele Kollegen noch anwesend sind. Das ist ernst gemeint. Das
sind ja Themen, die wir schon so oft behandelt haben. Ich glaube, dass viele sich auf unterschiedliche Weise an dem Thema beteiligen. Das ist eine Vielfalt, die wichtig ist.
Frau Dirlich, ich möchte jetzt nicht alles, was Sie gesagt haben, wiederholen. Da ist nämlich genau die richtige Abfolge gewählt worden. Auch war das Thema schon mehrfach im Landtag. Es wird uns auch noch lange begleiten.
Das Thema UN-Behindertenrechtskonvention mit der Grundlage der universalen Menschenrechte wird uns begleiten. Denn das ist die Zielrichtung - das schließt an den vorherigen Tagesordnungspunkt an -: natürlich die Inklusion, die nicht nur im Bereich der Schule und der Bildung eine Rolle spielt, sondern generell in allen Lebensbereichen. Von daher möchte ich eigentlich nur zwei Punkte ansprechen und kurz auf Ihren Antrag eingehen.
Der Aktionsplan wird jetzt vom Land erstellt. Ich hatte gesagt, dass wir ihn bis Mitte des Jahres dem Kabinett vorlegen wollen. Das war auch ein Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung, dass die Landesregierung diesen Landesaktionsplan erarbeitet und die Verbände und Betroffeneninitiativen sowie die Ministerien beteiligt. Alle Ministerien sind in der Zwischenzeit angeschrieben worden und haben auch geantwortet. Das werden wir bis zum Sommer hinkriegen.
Dieser Aktionsplan ersetzt keine Rechtsvorschriften - das ist von vornherein klar -, sondern er ist eine Grundlage für die Bewertung von Lebensumständen und Bedingungen für Menschen mit Behinderungen, für Initiativen zur Verbesserung und Veränderung bestehender Lebensumstände von Menschen mit Behinderungen. Er ist also Ziel und Maßnahmeplan in einem.
Das haben Sie gut gesagt, auch am Ende Ihrer Rede: Das ist ein ständiger Prozess, in dem wir uns befinden. Deshalb ist er eigentlich - jetzt will ich das Wort „nur“ nicht verwenden; das wäre falsch - eine Richtschnur für die Weiterentwicklung. Aber es muss sich immer weiterentwickeln. Ich lege deshalb so viel Wert darauf, weil es nachher mit Ihrem Antrag zu tun hat. Ansonsten haben Sie es richtig beschrieben.
Der Landesaktionsplan ist im Dezember vom Landesbehindertenbeirat beraten worden. Es gibt einen ersten Entwurf mit diesen sechs Handlungsfeldern. Es muss mit Sicherheit darüber diskutiert werden, ob es die richtigen sind, ob sie ergänzt werden müssen.
Darüber hinaus gibt es den Landtagsbeschluss vom 19. Januar. In dieser Sitzung hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darauf hingewiesen, dass wir eine Koordinierungsinstanz brauchen. Wir waren zwar unterschiedlicher Meinung darüber, wo
sie angesiedelt werden sollte. Aber dass wir sie brauchen, das ist absolut richtig. Das wollen wir machen, um die strukturelle Anbindung einer solchen staatlichen Anlaufstelle zu haben.
Zu Ihrem Antrag. Ich selber finde es schmeichelhaft und auch richtig, dass der Landtag am Ende einen Beschluss fasst, in dem er feststellt, was er mit diesem Aktionsplan erreichen will. Nur glaube ich, dass es schwierig ist, einen Aktionsplan, der darauf ausgerichtet ist, einen Prozess in Gang zu setzen und diesen Prozess ständig weiterzuentwickeln, mit einem abschließenden Beschluss im Landtag zu forcieren. Dann müssten wir ständig etwas Neues beschließen, weil es sich ständig weiterentwickeln muss.
Richtig ist die Frage - so weit bin ich aber noch nicht -, ob wir Eckpunkte finden, die die Grundlage dieses Konzepts bilden. Das heißt, wenn der Landtag zum gegebenen Zeitpunkt die Eckpunkte für einen Landesaktionsplan, der sich immer weiter entwickelt, beschließen würde, dann würde das mir als Minister sehr entgegenkommen, weil wir damit eine gemeinsame Basis hätten, die nicht immer wieder infrage gestellt werden würde, und wir können uns mit den Verbänden einigen, worauf solch ein Aktionsplan beruht und welche Weiterentwicklung er erfährt. Aber zum jetzigen Zeitpunkt zu sagen, das, was Ende des Jahres vorliegt, müssen wir zum Beschluss erheben, das halte ich für verfrüht.
Der zweite Punkt, den ich wirklich schwierig finde, obwohl ich es verstehen kann, ist die Erarbeitung einer Übersicht über alle Änderungen und Vorschläge, die berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt worden sind. Mittlerweile ist die Menge an größeren und kleineren Vorschlägen so groß - diejenigen, die dabei waren, wissen es -, dass es, wenn wir bei allen begründen müssen, warum sie einbezogen oder abgelehnt worden sind, unheimlich viel Papier füllen würde.
Ich denke, man kann nur die wesentlichen Vorschläge aufnehmen. Deshalb schlage ich vor, dass ich im Ausschuss ständig, in jeder zweiten oder dritten Sitzung, darüber berichte. Aber ich halte es schon für richtig, den Landtag und auch den Ausschuss mitzunehmen.
Des Weiteren rege ich an, dass wir, wenn der Aktionsplan dem Landtag nach der Sommerpause vorgelegt wird, ausgiebig darüber diskutieren und dass die Fraktionen und die Abgeordneten ihre Vorschläge mit einbringen. Denn das ist das Gremium, welches die Vertretung des Volks ist. Deswegen halte ich es für richtig, dass Ihre Vorschläge mit darin enthalten sind und Sie das auch kritisch überprüfen. - So weit zu meiner Einschätzung. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
Vielen Dank, Herr Minister. - Bevor wir jetzt gleich in die Fünfminutendebatte eintreten, darf ich ganz herzlich Damen und Herren des CDU-Ortsverbandes Elsteraue-Burgenlandkreis begrüßen.
Die Fünfminutendebatte beginnt mit dem Beitrag der Abgeordneten Frau Gorr von der CDU-Fraktion. Es schließen sich an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE. - Bitte schön, Frau Gorr.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zum Landtagsbeschluss erheben - so ist der Wortlaut des Antrages der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/810.
Dieser Antrag, meine Damen und Herren, datiert vom 14. Februar 2012. Das ist sehr bedauerlich. Denn einige Tage später, am 18. Februar 2012, fand die 62. Arbeitssitzung des Behindertenbeirates des Landes Sachsen-Anhalt statt, in der unter Tagesordnungspunkt 3 die Positionierung zum Entwurf des Landesaktionsplanes als Diskussionspunkt vorgesehen war.
Unter diesem Tagesordnungspunkt wurde am 18. Februar bereits die Umsetzung des Alternativantrages der regierungstragenden Fraktionen der CDU und der SPD aus der letzten Landtagssitzung im Januar in Angriff genommen, nämlich mit dem Landesaktionsplan die Aufgaben und die strukturelle Anbindung einer staatlichen Anlaufstelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention festzulegen. Im Laufe der dortigen Diskussion wurden mehrere zu berücksichtigende Faktoren deutlich, die ich kurz anreißen möchte.
Erstens. Der Minister sagte es schon - beim Landesaktionsplan handelt es sich um einen dynamischen Prozess, der Maßnahmen zur Erreichung klar definierter Ziele formulieren und Prioritäten für die Umsetzung setzen soll.
Zweitens. Alle Lebensbereiche sind vom Landesaktionsplan berührt und finden ihre Entsprechung in den einzelnen Ressorts unserer Landesregierung.
Drittens. Alle politischen Ebenen, Land, Landkreise und Kommunen, sind betroffen. Damit wird deutlich, dass der Landesaktionsplan natürlich auch finanzielle Auswirkungen nach sich zieht, die dann in den Haushalten von Land, Landkreis und Kommune ihre Untersetzung finden sollen und müssen. Ebenso wird es neue gesetzliche Regelungen oder Verordnungen geben müssen, um die Umsetzung des Landesaktionsplanes voranzutreiben bzw. zu gewährleisten.
Damit ist eigentlich schon ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass die Forderung nach einer Beschlussfassung zum Landesaktionsplan im Landtag seiner eigentlichen Intention zum jetzigen Zeitpunkt widerspricht. Eine solche Beschlussfassung würde nämlich bedeuten, dass aus nachvollziehbaren Gründen nur der kleinste gemeinsame Nenner seinen Niederschlag im Landesaktionsplan finden würde.
Wir als behindertenpolitische Sprecherinnen wollen doch gerade das Gegenteil erreichen. Wir wollen mit den Betroffenen den Aktionsplan nutzen, um in den Ministerien, in den Kreistagen und in den kommunalen Gremien vor Ort Bewusstsein für die ganz unterschiedlichen Belange behinderter Menschen zu schaffen.
Wir wollen im Land Sachsen-Anhalt Schritt für Schritt, wie es bereits begonnen wurde, die Grundsätze von Gleichbehandlung, Selbstbestimmung und Chancengleichheit umgesetzt sehen. Ich nehme an, die behindertenpolitischen Sprecherinnen der anderen Fraktionen werden mir darin zustimmen. Gerade deswegen haben wir in unserem Alternativantrag vom Januar den Bericht zum Landesaktionsplan in fast allen Ausschüssen dieses Hohen Hauses gefordert.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir selbst haben es in der Hand, von unseren Ministerien in den Ausschüssen ihre Mitwirkung zu fordern und den Blick zu schärfen für die zahlreichen Probleme und Hürden des Alltags, die Rollstuhlfahrern, psychisch kranken oder sinnesbehinderten Menschen begegnen, die zum Beispiel ein Amt aufsuchen oder ein Hochschulstudium beginnen wollen.
Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, sind alle Fraktionen im Behindertenbeirat als Gast vertreten. Es steht uns frei, selbst aktiv am Diskussionsprozess teilzunehmen, ihn zu verfolgen und für uns auszuwerten. Frau Dr. Späthe und ich waren am 18. Februar vor Ort und haben die Diskussion verfolgt. Aus unserer Sicht ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE daher zum jetzigen Zeitpunkt abzulehnen.
Vielen Dank, Frau Gorr. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Frau Lüddemann. Bitte schön, Frau Lüddemann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist eindeutige Beschlusslage - das ist mehrfach erwähnt worden -, dass es auch in Sachsen-Anhalt einen Lan
desaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention geben soll. Es ist Beschlusslage, dass das Sozialministerium dieses koordiniert, dass der Landesbehindertenbeauftragte und der Landesbehindertenbeirat einbezogen werden sollen. Frau Kollegin Gorr hat soeben dezidiert dargelegt, in welcher Weise das geschehen soll.
Ich finde es auch sehr schön, dass unser Antrag in der Weise aufgenommen wurde, dass es eine staatliche Koordinierungsstelle zur Umsetzung geben wird. Denn das halte ich nach wie vor für sehr evident. Ich bin auch gespannt, wie schließlich die Aufgabenzuweisung, die strukturelle Anbindung und dergleichen geschehen wird. Ich denke, wir brauchen das relativ bald.
Über die Sinnhaftigkeit, den Umfang usw. des Landesaktionsplanes will ich heute nicht reden. Das haben wir in der Tat ausführlich in der Januarsitzung getan. Darüber besteht ja auch im Wesentlichen Einigkeit.
Heute geht es im Wesentlichen darum, ob wir diesen Landesaktionsplan, der zu erarbeiten ist, in einen Landtagsbeschluss gießen. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann ich sagen, dass wir das für eine gute Idee halten,
weil wir meinen, dass es einfach eine Wertigkeit darstellt, die über das hinausgeht, was eine zentrale Koordinierungsstelle, der Behindertenbeirat, das Sozialministerium und dergleichen Institutionen leisten können.
Es bezieht alle Politikbereiche zwingend ein. Das halte ich für absolut wichtig. Alle Kollegen dafür zu begeistern, ist ein hehres Ziel, das wir nach wie vor verfolgen müssen. Das sehe ich auch als Aufgabe in meiner Funktion als behindertenpolitische Sprecherin. Ich mache mir allerdings nicht allzu große Hoffnungen. Ich denke aber, eine Landtagsbefassung könnte dazu dienen zu prüfen, ob tatsächlich alle Lebensbereiche Betroffener eingearbeitet und ob alle Verbände tatsächlich angefragt worden sind.
Ich will nur ein Beispiel herausgreifen, um nicht zu tief in die inhaltliche Diskussion einzusteigen. Es gibt den Antrag - das ist von einer Vertreterin des Landesfrauenrates im Landesbehindertenbeirat entsprechend vorgetragen worden -, ein Kapital „Frauen mit Behinderung“ einzufügen. Ich persönlich halte das für zwingend notwendig. Einige von Ihnen mögen die Studie, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, und Jugend, im November auf den Markt kam, zur Kenntnis genommen haben. Dort ist dezidiert dargelegt worden, dass behinderte Mädchen und Frauen zwei- bis dreimal mehr von sexueller Belästigung betroffen sind als andere Frauen.
Von den Integrationsämtern ist dargelegt worden, dass von den ohnehin wenigen behinderten Menschen, die im Arbeitsleben sind, nur wenige Frauen sind. Ich denke, es wichtig, an dieser Stelle einen vertieften Blick auf diese besondere Betroffenengruppe zu lenken.
Was den dynamischen Prozess angeht, stimme ich mit Ihnen überein. Das ist überhaupt keine Frage. Natürlich muss es ein dynamischer Prozess sein. Das schließt für mich aber eine Beschlussfassung des Landtags nicht aus. Wir haben auch in anderen Fällen ein rhythmisiertes Verfahren.
Ich stelle mir vor, dass man diesen Landesaktionsplan beschließt, alle zwei Jahre evaluiert und dann gegebenenfalls nachjustiert. Das halte ich überhaupt nicht für problematisch, im Gegenteil. Das würde dem Rechnung tragen, was wir mit diesem Antrag aus grüner Sicht verfolgen, dass nämlich der Landtag nicht nur einmal etwas beschließt und es danach weglegt, sondern gezwungen ist, sich immer wieder tagesaktuell mit den betroffenen Bereichen und mit dem, was sich an Anforderungen über die Jahre verändert, auseinanderzusetzen.
Bis zum Jahresende sollte ein Entwurf vorliegen. Das muss unser gemeinsames Ziel sein. Das ist dann eine Beschlussfassung zu diesem Zeitpunkt. Dann werden wir - man kann mit einem Beschluss festlegen, ob es nun zwei oder drei Jahren sein werden - dieses Verfahren immer wieder aufrufen. Das halte wir nicht für eine Schwierigkeit, sondern eher für eine Notwendigkeit und würde deswegen dem zustimmen. - Danke.