Protocol of the Session on January 20, 2012

Danke schön, Herr Kollege Grünert.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag. Von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde eine Überweisung beantragt. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. Wer für eine Überweisung des Antrags der Fraktion DIE LINKE in den Ausschuss für Inneres - ich glaube, es war auch eine Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt - wünscht, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Das tun die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Die Ausschussüberweisung wurde abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über den Antrag selbst abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Es stimmt die antragstellende Fraktion zu. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das tut die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Antrag hat somit nicht die erforderliche Mehrheit bekommen und ist damit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt 8 ist erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung

Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) voranbringen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/723

Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Grünert für die einbringende Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der zum Finanzausgleichsgesetz bereits geführten Debatten im Landtag wurde sichtbar, dass dieser Bereich zu den Schwerpunktthemen aller im Landtag vertretenen Fraktion für diese Legislaturperiode zählt.

Bisher wurde in der Finanzstrukturkommission, in der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und der Landesregierung vertreten sind, der Versuch unternommen, in Anlehnung an das Urteil

des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 21. Juni 2005 eine grundlegende Strukturreform des kommunalen Finanzausgleichs in Sachsen-Anhalt zu erreichen.

Entgegen der in Thüringen praktizierten sogenannten Vollkostenrechnung wurden in Sachsen-Anhalt Aufgabengruppen zusammengezogen und der Ermittlung des Finanzbedarfs die auf den Jahresrechnungsstatistiken basierenden Kostenermittlungen zugrunde gelegt. Daraus sind auch die unterschiedlichen Kostensätze der kommunalen Spitzenverbände ableitbar. Die kommunalen Spitzenverbände, die Mitglied der Strukturkommission sind, hatten eine finanzielle Mindestausstattung ermittelt. Es wurden 1,97 Milliarden € durch den Städte- und Gemeindebund und 1,85 Milliarden € durch den Landkreistag festgestellt.

Bereits dieses Verfahren führte zu unterschiedlichen Interpretationen sowohl im kommunalen Raum als auch im Innen- und im Finanzministerium. Die Landesregierung hat ihrerseits eine politische Zahl als Obergrenze deklariert, ohne dass wir bisher diese Summen tatsächlich überprüfen konnten bzw. uns die Möglichkeit gegeben worden ist nachzuvollziehen, unter welchen Prämissen diese Summe zustande kam.

Meine Damen und Herren! Der Landtag als Gesetzgeber wurde in diesen Prozess weder im zuständigen Finanzausschuss noch durch nachvollziehbare Unterrichtungen der Landesregierung aktiv einbezogen. Vielfältige Anträge der Opposition zur Einbeziehung in das Verfahren bzw. Unterrichtung über den Sachstand hinsichtlich der Weiterentwicklung des FAG - stellvertretend seien hier nur die Anträge aus der fünften Legislaturperiode in der Drs. 5/1704, der Drs. 5/2415, der Drs. 5/2626 oder der Drs. 5/2792 genannt sowie aus der jetzigen Legislaturperiode die Drs. 6/82 meiner Fraktion - wurden nur unzureichend in den Sitzungen erörtert oder blieben folgenlos.

Einen nennenswerten Einfluss auf die Kriterien, die Aufgaben selbst oder deren Bewertung hatte der Landtag dabei nicht. Nur im Rahmen der Berichterstattungen in den Medien wurden Brosamen von Streitgesprächen aus der Koalition öffentlich bekannt.

Meine Damen und Herren! Bereits die letzte Änderung des FAG im Dezember 2011 offenbarte weitere erhebliche Mängel bzw. Rechtslücken, die noch zu schließen sind. Dies betrifft unter anderem den interkommunalen Finanzausgleich, die sogenannte Reichenabgabe, die Verrechnung einmaliger Verkaufserlöse und deren Berücksichtigung nicht nur im Verwaltungs-, sondern auch im Vermögenshaushalt, die Berücksichtigung der Konsolidierungsergebnisse bei den allgemeinen Zuweisungen und die Nichtberücksichtigung bereits im Rahmen der Haushaltskonsolidierung vollzogener

erheblicher Einschränkungen der freiwilligen Leistungen, um nur einige zu nennen.

An dieser Stelle möchte ich nochmals Bezug auf das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofes nehmen, der einen Finanzierungsanteil für freiwillige Leistungen von 5 bis 9 % des Haushaltes feststellte. Dies ist dem Innenminister offensichtlich nicht bekannt oder nicht gegenwärtig gewesen, da er zumindest in der „Volksstimme“ vom 19. November 2011 aus seiner Sicht auf einen Anteil der freiwilligen Leistungen am Haushalt von 1 % abhob.

Des Weiteren sind die Feststellungen des Finanzministers hinsichtlich des unterschiedlichen Kommunalisierungsgrades in Sachsen-Anhalt endlich mit konkreten Konzepten zur Funktionalreform zu untersetzen und nicht nur als ein für die Landesregierung folgenloses Drohpotenzial zu missbrauchen.

Die erheblichen Mehraufwendungen der Kommunen im Kontext mit der demografischen Entwicklung bei der Aufrechterhaltung der Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge sind auch bei der Bemessung des Finanzbedarfs zu berücksichtigen. Herr Kolze, die sind eben nicht eingegangen. Sie sind überhaupt nicht eingegangen, geschweige denn hinsichtlich ihrer Bestimmung nachvollziehbar.

Gleiches trifft auch auf die in den letzten Jahren unterlassenen Rückstellungen für den Erhalt der bestehenden kommunalen Infrastruktur zu. Gemeint sind unter anderem die erheblichen Mängel im Bereich der Verkehrswege - hierbei meine ich insbesondere die Brücken und Unterführungen - und im Bereich der kommunalen Infrastruktur, insbesondere in den Alters- und Seniorenanlagen, in den Bibliotheken sowie in den Schwimmbädern und Jugendeinrichtungen. Ich will nicht verkennen, dass durch die Leistungen, die derzeit laufen, zumindest Kindertagesstätten und Schulen saniert werden oder zum größten Teil schon saniert worden sind.

Die Investitionsquote ist aus unserer Sicht in diesem Zusammenhang schrittweise auf mindestens 21 % zu erhöhen, und zwar langfristig - nicht dass Sie gleich sagen, ab morgen ist eine Investitionsquote von 21 % angesagt.

Weiterhin ist die Art und Weise der Vergabe von Mitteln aus dem Ausgleichsstock und der Bedarfszuweisungen klar zu bestimmen. Allein der Umgang mit der Unterstützung für Kommunen, die sich im Zuge der freiwilligen Phase der Gemeindegebietsreform zu größeren Einheiten zusammengeschlossen haben - von 30 Millionen € im Nachtragshaushalt 2011 sind rund 25 Millionen € in Anspruch genommen worden -, ist in keiner Weise zu akzeptieren.

Nach dem Leitbild der Landesregierung - ich zitiere das jetzt - war vorgesehen, dass im Rahmen der freiwilligen Phase eine einmalige Zuweisung zur Stärkung der Verwaltungs- und Leistungskraft gewährt werden kann. Die Höhe sollte sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Einzelfall richten.

Des Weiteren sollte den bis zum 30. Juni 2009 gebildeten Einheits- und Verbandsgemeinden für die mit der Neubildung verbundenen Aufwendungen eine einmalige investive Zuweisung von 100 000 € zukommen. Zusätzlich dazu sollten die an der Bildung einer Einheits- und Verbandsgemeinde beteiligten Gemeinden eine ergänzende investive Schlüsselzuweisung zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur von 20 € pro Einwohner erhalten, wobei maximal 5 000 Einwohner je Gemeinde berücksichtigt werden sollten. Das war der Grundsatz.

Nimmt man die am 17. Januar 2012 veröffentlichten Pressemitteilung Nummer 20 der Staatskanzlei zur Kenntnis, dann sind die Zuwendungen für die in der Anlage aufgelisteten Kommunen unter den erwähnten Prämissen überhaupt nicht mehr nachvollziehbar. Im Gegenteil: Hier wird das Geld offensichtlich nach Gutdünken verteilt.

Dieses Verfahren widerspricht der Haushaltswahrheit und -klarheit nicht nur des Nachtragshaushaltes und steht auch im Widerspruch zu den von der Landesregierung beschlossenen Grundsätzen des Leitbildes der Gemeindegebietsreform. Diese Art und Weise des Handelns ist aus unserer Sicht daher strikt abzulehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Wirkungen des Stark-II-Programms hinsichtlich der tatsächlichen Reduzierung der Verschuldung der Kommunen sind genau zu analysieren. Es kann nicht hingenommen werden, dass bei einem derzeitigen Einsatz von rund 720 Millionen € lediglich eine Reduzierung der Kreditmarktschulden von 120 Millionen € zu konstatieren ist.

(Minister Herr Bullerjahn: Blödsinn! Also, so ein Schwachsinn!)

- Das steht in Ihrer eigenen Pressemitteilung, Herr Finanzminister. Die habe ich mir nicht ausgesucht. Die haben Sie selbst herumgeschickt.

(Minister Herr Bullerjahn: Mein Gott!)

Wir kriegen doch von Ihnen immer bunte Bilder.

(Zustimmung bei der LINKEN - Unruhe bei der CDU und bei der SPD - Frau Niestädt, SPD: Sie müssen sie aber auch einmal le- sen!)

Wenn man diesem Trend folgt, dann bringt der Gesamteinsatz von 1,3 Milliarden € lediglich eine

Reduzierung der Kreditmarktschulden von rund 200 Millionen € mit sich.

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Wenn dies der Fall sein sollte, dann wäre eine Auflage des neuen Programms Stark III sowohl hinsichtlich seiner Wirkung als auch der in Anspruch genommenen Leistungen und deren Vergütung durch die Investitionsbank neu zu hinterfragen.

Wie und unter welchen Prämissen dem strukturellen Defizit im kommunalen Bereich entgegengewirkt werden soll, ist ebenfalls völlig offen. Ohne einen nachhaltigen Abbau dieses Defizites ist eine dauerhafte Sicherung der Kommunalfinanzen auch unter Beachtung eigener steigender Einnahmen nicht bzw. kaum möglich.

Meine Damen und Herren! Der Inhalt unseres Antrags ist es daher, den Prozess der Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes durch einen Unterausschuss des Finanzausschusses parlamentarisch zu begleiten. Auch wenn der Finanzausschuss mit der gestrigen Beschlussfassung zum Doppelhaushalt eine wesentliche Entlastung erfahren hat, halten wir einen Unterausschuss für dieses Thema für angemessen und erforderlich, zumal der zeitliche Rahmen bis zur Verabschiedung des neuen Finanzausgleichsgesetzes doch erheblich knapp bemessen ist. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege Grünert. - Für die Landesregierung spricht der Minister der Finanzen Jens Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grünert, da Sie jedes Mal hier mit einer Rhetorik - ich würde Sie bitten, das selbst auch einmal nachzulesen - behaupten, dass hier nur Leute sitzen, die keine Ahnung haben, und das ganz besonders hier vorn,

(Minister Herr Bullerjahn zeigt auf die Regie- rungsbank)

da das regelmäßig so ist und wir gestern Abend mit den Spitzenverbänden gute Gespräche hatten, die - das haben Sie gar nicht mitbekommen - froh sind, wie das hier dank einer Mehrheit ausgegangen ist,

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Sie keiner mehr ernst nimmt, Herr Grünert. Das sage ich hier so offen.

(Frau Niestädt, SPD: Ja!)

Übrigens, Herr Grünert, Sie haben Ihren eigenen Antrag nicht richtig gelesen. Ich könnte es mir heute ganz einfach machen. Sie haben hierin stehen: Somit besteht für den Landtag als Landesgesetzgeber die Aufgabe - viel Spaß jetzt Ihnen allen dabei -, ein neues Finanzausgleichsgesetz zu erarbeiten.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Ich habe in Ihrer Rede gehört, dass Sie begleiten wollen. Das ist ein Unterschied. Da sage ich einmal, Sie sollten schon wissen, was Sie wollen. Gestern früh höre ich mir von den LINKEN an, dass ich mehr sparen soll. Wissen Sie, was Sie gerade für Geld durch die Gegend geschmissen haben? Das war ein dreistelliger Millionenbetrag.