Protocol of the Session on December 15, 2011

Die guten Studienbedingungen in Sachsen-Anhalt, die wir im Vergleich zu vielen Universitäten in den westdeutschen Bundesländern immer noch vorhalten, haben insbesondere für eine steigende Zahl von Studienanfängern aus den westdeutschen Bundesländern gesorgt.

Aber auch das gehört zur Wahrheit: Die Studienbedingungen in Sachsen-Anhalt werden von Studieninteressierten nur deshalb als positiv empfunden, weil die Situation in anderen Flächenländern zum Teil verheerend ist.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

Das Betreuungsverhältnis liegt in Sachsen-Anhalt mit einem Verhältnis von 15,5 Studenten zu einer Lehrkraft unter dem Bundesdurchschnitt von 17,9 Studenten zu einer Lehrkraft.

Natürlich stehen unsere Hochschulen unter wachsendem Druck, einerseits aufgrund der demografischen Entwicklung und andererseits aufgrund der knapper werdenden finanziellen Ressourcen. Sollen diese Studienbedingungen aufrechterhalten werden, müssen wir also Reformen anstreben.

Die zu erwartende demografische Entwicklung bis zum Jahr 2020 wird dafür sorgen, dass die zukünftig zu erwartende Anzahl von studienberechtigten Schulabgängern bundesweit um 9 % deutlich zurückgehen wird. In Sachsen-Anhalt ist die Entwicklung sogar noch dramatischer.

Es tut mir leid, Herr Lange, aber an diesen Zahlen kann man nicht komplett vorbeigehen. Deswegen wird auch die Anzahl von Studienanfängern in den nächsten Jahren zurückgehen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das ist normal!)

Für diese Entwicklung gilt es unsere Hochschulen schon jetzt fit zu machen. Mit notwendigen Umstrukturierungen muss bereits heute begonnen werden, damit sie in einigen Jahren Erfolge zeigen.

Ein solcher Prozess ist schwierig, greift er doch oft sicher geglaubte Besitzstände an oder weist auf mögliche Fehlentwicklungen hin. Deshalb bin ich Frau Ministerin Wolff dankbar für diesen notwendigen Prozess und die Absicht, die Expertise des Wissenschaftsrats zu gewinnen.

Misslich bei diesem Erfolg für die zukünftige Diskussion über die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in unserem Land ist lediglich, dass das Parlament bisher in diesen Prozess nicht einbezogen wurde. Für das Parlament, das sich meiner Meinung nach noch in dieser Legislaturperiode mit den besagten Veränderungen der Hochschulstruktur auseinanderzusetzen hat, ist es wichtig, die Schwerpunkte der Untersuchung des Wissenschaftsrats zu kennen. Aber dies allein reicht nicht. Wir wollen auch über den Fortgang der Untersuchung und selbstverständlich über die Ergebnisse unterrichtet werden.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der Ihnen vorliegt, hat dieses Anliegen formuliert.

(Herr Lange, DIE LINKE: Unserer aber auch!)

Im Unterschied zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE sind detaillierte Berichtsformen allerdings ausgespart.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das ist schade!)

Es scheint uns nicht redlich, bereits jetzt durch die Fragestellung bestimmte Foci auf die Untersuchung zu setzen. Wir haben deshalb die Bitte in Bezug auf die Berichterstattung allgemein gehalten.

(Herr Lange, DIE LINKE: Die Berichterstat- tung!)

Wenn die Mitglieder des Parlaments über die formulierten Untersuchungsziele informiert wurden und wenn die Ergebnisse vorliegen, dann freue ich mich über eine angeregte Diskussion über die zukünftige Entwicklung an unseren Hochschulen und in unseren Wissenschaftseinrichtungen.

So werden wir vor dem Hintergrund der Analysen und Empfehlungen des Wissenschaftsrats darüber diskutieren müssen, wie wir unsere Hochschullandschaft zukunftsfähig machen und wie wir die Absolventenquote in Sachsen-Anhalt auf den bundesdeutschen Schnitt heben. Ähnliches gilt in Bezug auf die Promovendenquote.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Vorliegen der Ergebnisse der Analysen des Wissenschaftsrats fängt die Arbeit für jene, die sich für die Entwicklung der Wissenschaft und der Hochschulen in unserem Land einsetzen, erst an. Letztlich wird dieses Parlament die Entscheidungen treffen müssen, die für die weiteren Strukturen in unserem Land maßgeblich sind. Diese Verantwortung wird uns der Wissenschaftsrat nicht abnehmen.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch eine grundsätzliche Bemerkung zum Thema Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt. In den vergangenen Jahren wurde über den Pakt für Innovation und Forschung an unseren Hochschulen eine Struktur geschaffen, die Forschung auf internationalem Niveau ermöglicht. Mithilfe der eingesetzten Mittel konnten beispielsweise an der Martin-LutherUniversität verschiedene Sonderforschungsbereiche im Bereich der Grundausstattung unterstützt werden. Damit haben die eingesetzten Landesmittel ein Mehrfaches an Drittmitteln eingebracht.

Vor diesem Hintergrund ist es ein fataler Fehler, im Doppelhaushalt 2012/2013 den Ansatz für die Mittel in diesem Bereich massiv zu kürzen. Mit dieser Entscheidung wird ein falscher Weg eingeschlagen, ein Weg, der unseren Hochschul- und Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt nicht stärkt, sondern nachhaltig gefährdet und damit unseren wichtigsten Rohstoff, die Bildung, außer Kraft setzt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Wei- gelt, CDU, und von Herrn Lange, DIE LIN- KE, und von der Regierungsbank)

Danke sehr, Frau Kollegin Dr. Pähle. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Professor Dr. Dalbert.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweifellos sind die Hochschulen in unserem Land ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, weil durch sie viele Stellen geschaffen werden, auch durch die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln durch die Kolleginnen und Kollegen an den Hochschulen.

Zweifellos sind die Hochschulen in unserem Land ein wichtiger Imagefaktor aufgrund der zum Teil herausragenden Arbeit, die dort geleistet wird, und weil sie in die Welt die Botschaft senden, dass bei uns kluge Köpfe gute wissenschaftliche Arbeitsbedingungen vorfinden. Daher ist es sehr wichtig, die Frage zu klären, wie wir die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in den nächsten Jahren gestalten wollen.

Wir haben es schon gehört: Wir leben im Augenblick, was die Hochschulen im Lande betrifft, in einer sehr spezifischen Situation. Wir haben hohe Einschreibezahlen zu verzeichnen, was damit zusammenhängt, dass im westlichen Teil unserer Republik doppelte Abiturientenjahrgänge existieren und die Wehrpflicht entfällt, sodass sehr viele Studierende in die Hochschulen hineindrängen. Auch wir bekommen hiervon einen guten Anteil ab.

Das wird sich ändern. Das wissen wir. In welchem Umfang das der Fall sein wird, das wissen wir nicht. Aber wir müssen davon ausgehen, dass die Situation, die wir im Moment haben, in wenigen Jahren nicht mehr bestehen wird. Deswegen ist es eine herausragende Aufgabe, sich Gedanken über die Frage zu machen: Wie wollen wir dann die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft gestalten?

Diesem Gutachten des Wissenschaftsrats kommt dabei möglicherweise eine sehr hohe Bedeutung zu. Ich glaube, viele haben die große Hoffnung, dass wir mit diesem sehr klugen Schritt ein gute Urteilsgrundlage erreichen, indem wir sagen, wir nehmen uns, auch wenn am Ende vielleicht Zeitdruck besteht, die Zeit, mit einem sogenannten Peer Reviewing, hier durch den Wissenschaftsrat, seriös an das Thema heranzugehen und genau hinzusehen. Das hat den Preis, dass wir jetzt unsere eigenen Argumentationslinien zurückstellen, weil wir große Hoffnungen dort hineinsetzen und erst einmal die Ergebnisse abwarten wollen.

Vor diesem Hintergrund ist es von sehr großer Bedeutung, dass wir wissen, was eigentlich der Auftrag an den Wissenschaftsrat war. Ich finde es schon interessant, Frau Ministerin, wenn Sie in Ihrer Rede zum Beispiel ausführen, dass bestimmte Fächer Begehungen haben werden. Das heißt, andere Fächer haben sie nicht.

Das alles sind Dinge, die wir wissen müssten, um uns ein Urteil darüber zu bilden, ob es überhaupt sinnvoll ist, auf das Urteil des Wissenschaftsrats zu warten, ob das unsere Erwartungen erfüllen kann. Daher halte ich es in der Tat für unerlässlich, dass wir vollständig darüber informiert werden, welchen Auftrag der Wissenschaftsrat im Einzelnen überhaupt bekommen hat.

Natürlich wollen wir über die Ergebnisse des Wissenschaftsrats unverzüglich informiert werden, damit wir mit Blick auf unsere eigenen Überlegungen - wir müssen am Ende entscheiden; wir müssen eigene Überlegungen anstellen, wie wir damit umgehen wollen - nicht unnötig Zeitdruck aufwachsen lassen.

Offensichtlich scheint das eine einhellige Meinung im Hohen Hause zu sein; denn auch der Antrag der regierungstragenden Fraktionen besagt, dass über den Auftrag informiert und über die Ergebnisse unterrichtet werden soll.

Für mich, Frau Pähle, besteht der Unterschied zwischen den beiden Anträge gar nicht so sehr darin, dass im Antrag der LINKEN die Gegenstände im Einzelnen aufgeführt werden. Man kann nur hoffen, dass das die Gegenstände sind, welche das Gutachten betrifft. Ansonsten haben wir ein ganz anderes Problem.

Vielmehr besteht der Hauptunterschied darin, dass die regierungstragenden Fraktionen den juristisch unbestimmten Ausdruck „zeitnahe Unterrichtung“ verwenden und die Fraktion DIE LINKE den juristisch bestimmten Ausdruck „unverzügliche Unterrichtung“ verwendet.

Da wir uns alle darin einig sind, dass wir aufgrund der neuen Zielvereinbarungen, die wir vor uns haben, unter Zeitdruck stehen, kann ich nur dafür werben, dass wir uns für eine unverzügliche Unterrichtung des Parlaments entscheiden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke sehr. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass die Geschichte der Hochschulen und Universitäten des Landes Sachsen-Anhalt eine Erfolgsgeschichte ist, wird hier niemand bestreiten. Das sage ich nicht deshalb, weil wir nahezu täglich über die Medien Informationen bekommen nach dem Motto: Dort wird ein neues Gebäude eröffnet; dort wird ein neuer Saal gebaut; dort wird rekonstruiert. Vielmehr sage ich das allein aus dem Grunde, weil ich als Vater einer Tochter hier stehe, die gerade studiert.

Wenn ich die Studienbedingungen wahrnehme und sehe, unter welchen Bedingungen heute studiert werden kann, dann stelle ich fest, dass das in der heutigen Zeit einmalig ist. Ich glaube, es gehört hierher, dies einmal zu würdigen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich glaube, das werden die Studenten, auch wenn hier und da der Vergleich fehlt, ähnlich sehen.

Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass die Hochschulen und Universitäten in den letzten Jahren einiges durchmachen mussten. Ich erinnere an den Bologna-Prozess, in dessen Rahmen tief in die Forschung und Lehre eingegriffen wurde. Das hat man den Hochschulen zugemutet. Ich denke, die Hochschulen haben damit gearbeitet. Wir sehen es auch an den Zahlen der Studierenden, dass sie das sehr erfolgreich umgesetzt haben.

Wenn man einen bestimmten Punkt erreicht hat, an dem man sagt, dass das, was wir haben - wir haben das heute schon gehört -, im nationalen Vergleich ein sehr gutes Niveau ist, dann ist die Frage legitim: Was müssen wir tun, um dieses Niveau noch zu steigern? Und das vor dem Hintergrund - das haben wir heute auch schon diskutiert - des sinkenden Volumens der Landesfinanzen, des Problems der Demografie und der sich ändernden Rahmenbedingungen.

Ich denke, vor diesem Hintergrund ist es doch nur richtig und angezeigt, dass man sich externen Sachverstand heranholt und externe Prüfer in Form des Wissenschaftsrats mit der Prüfung der Frage beauftragt: Wo muss man nachjustieren? Was kann man besser machen?

Herr Kollege Lange, ich teile Ihre Einschätzung nicht. Natürlich haben wir es in der Hand, diesen Prozess zu begleiten und mitzugestalten.

Ich staune insofern etwas über den Antrag heute, auch mit Blick auf die Kollegin Dalbert, als wir im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft jederzeit die Möglichkeit haben, hierzu nachzufragen. Unsere Ministerin - das wird niemand bestreiten können - ist auskunftsfreudig und wird im Ausschuss jederzeit dieses Thema bewerten und darüber Auskunft geben können. Ich finde, dazu bedarf es keines Antrags. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir darüber im Ausschuss beraten.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, den ich etwas abenteuerlich und auch etwas unfair finde. Sie sagen schon heute: Wenn der Wissenschaftsrat zu einem bestimmten Ergebnis kommt, dann hätten wir das Geld auch sparen können. Ich sage: Wenn man externen Sachverstand beauftragt zu prüfen, was man besser machen kann, aber schon vorher sagt, wenn das nicht in meinem Sinne ist, dann könnt ihr auch wegbleiben, dann, denke ich, ist das nicht Ziel des Unternehmens. Darüber muss auch zu reden sein.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich denke, wir sollten, wenn wir schon jemanden beauftragen, dieses Votum entsprechend bewerten und auch umsetzen; denn eines ist uns doch in diesem Hohen Haus klar: Die für uns schwierige Aufgabe besteht darin, die Balance zwischen geisteswissenschaftlicher Freiheit und den ökonomischen Erfordernissen zu finden.

In Ihrem Redebeitrag habe ich nur Forderungen gehört: Wir müssen da noch mehr und dort noch besser und dort noch üppiger. Man muss aber auch einmal auf die andere Seite schauen: Wo soll es denn herkommen? Der Finanzminister ist gerade nicht anwesend. Er könnte sicherlich Vorschläge machen, wie wir das zukünftig alles durchhalten wollen und wo das Geld herkommen soll.