Ich sage nur: Es herrscht derzeit im Hochschulsystem eine erhebliche Nervosität; denn die Eckpunkte für den Haushalt 2014/2015 sind durchaus durchgedrungen. Dort heißt es, es sollen aus dem Einzelplan 06 60 Millionen € entsprechend herausgenommen werden. Wer den Einzelplan 06 kennt, der weiß, dass ganz viel Geld durch Verträge, die mit dem Bund abgeschlossen sind, gebunden ist. Da ist BAföG ein großer Punkt und natürlich die Hochschulen.
Aus diesem Einzelplan 60 Millionen € herauszunehmen halte ich für illusorisch, wenn man gleichzeitig sagt, dass die Hochschulbudgets entsprechend fortgeschrieben werden sollen. Das wird nicht funktionieren. Deswegen ist es interessant, mit welchen Prämissen der Wissenschaftsrat an diese Begutachtung herangeht. Oder soll es doch tatsächlich - was ich mir sehr wünsche - eine bedarfs- und zukunftsorientierte Aufstellung unserer Hochschullandschaft werden?
Meine Damen und Herren! Das Demografieargument war schon einmal falsch; ich bin schon darauf eingegangen. Darum sage ich: Es kann nicht die Strategie des Landes sein, die Hochschulen möglichst so auszustatten, dass wir weniger Studierende haben, sondern wir sollten unsere Hoch
schulen so ausstatten, dass wir möglichst viele junge Menschen in unser Land holen, sie an unser Land binden und sie zu Botschaftern unseres Landes machen, wenn sie in die Welt hinausgehen und in internationalen Netzwerken arbeiten. Das muss das Ziel sein.
Dazu sage ich: Gut ausgestattete, attraktive Hochschulen locken mehr Leute ins Land als Babystrampler oder Comeback-Päckchen.
Ich bin schon in einer meiner letzten Reden darauf eingegangen, dass sich das Bachelor-MasterSystem flexibilisiert. Es wird zukünftig so sein, dass junge Menschen mit einem Bachelorabschluss erst einmal aus der Hochschule gehen werden, vielleicht in der Wirtschaft arbeiten werden, um später ein Masterstudium an den Hochschulen aufzunehmen.
Jetzt kommen die großen Kohorten derjenigen, die den Bachelorabschluss erstmals gemeinsam mit sehr vielen anderen Studierenden machen und den Zugang zum Masterstudium haben möchten. Wir müssen unsere Hochschulen so ausrichten, dass jeder, der ein Masterstudium aufnehmen möchte, dies auch tun kann. Dafür muss es Kapazitäten geben.
Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist ein Land mit einer sehr geringen Industrieforschung. Darum spielt die Forschung an den Hochschulen eine ganz besonders große Rolle, wenn es darum geht, Know-how für gesellschaftliche Entwicklung zu produzieren, sei es die soziale, sei es die technologische oder die wirtschaftliche Entwicklung. Dafür brauchen wir unsere Hochschulen und dafür müssen sie zukunftsfähig gestaltet werden.
Da sehe ich zum Beispiel auch die Forschung in den Schwerpunkten, die derzeit auf der Kürzungsliste stehen. Ich sehe, dass wir zukünftig eine noch wesentlich stärkere Vernetzung mit unseren außeruniversitären Einrichtungen im Land brauchen.
Meine Damen und Herren! Die Frage der Entwicklung der Hochschullandschaft ist zu wichtig, um im verschlossenen Kämmerlein beraten zu werden. Unser Antrag setzt deswegen darauf, das Parlament und die Öffentlichkeit in die Debatte einzubeziehen.
Meine Damen und Herren! Die Beauftragung des Wissenschaftsrates mit der Begutachtung ist interessant, wenn sie ergebnisoffen ist und eine zukunftsorientierte Hochschullandschaft zum Ziel hat. Soll diese Begutachtung allerdings nur ein Feigenblatt für Kürzungen sein und das argumentative
Hinterland schaffen, lehnen wir einen solchen Weg ab. Dafür sind Zeit und Geld einfach zu schade. - Vielen Dank.
Danke sehr, Herr Lange, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Professor Dr. Wolff.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herzlichen Dank für die engagierte Rede. Ich freue mich ja über einen solchen Einsatz für eines meiner absoluten Lieblingsthemen in diesem Hohen Haus. In der Tat bin auch ich der Meinung, dass die Bedeutung der Hochschulen für die Zukunft unseres Landes kaum zu überschätzen ist.
Hochschulen und Landesregierung haben in der am 21. Dezember 2010 unterschriebenen Rahmenvereinbarung - Sie haben es angedeutet - zu den Zielvereinbarungen 2011 bis 2013 verabredet, gemäß § 5 Absatz 3 des Hochschulgesetzes unseres Landes gemeinsam eine Weiterentwicklung der Hochschulstruktur mit dem Zeithorizont bis 2020 und darüber hinaus zu erarbeiten.
Eine solche langfristige Perspektive der Planung ist aus mehreren Gründen notwendig: Zum einen sind die Veränderungen der Wettbewerbs- und Rahmenbedingungen für die Hochschulen - wie die demografische Entwicklung, die Herausbildung von Forschungsschwerpunkten und die Finanzsituation des Landes - Faktoren, die man über mehrere Jahre beobachten muss.
Zum anderen haben bestimmte Entscheidungen in den Hochschulen, insbesondere Berufungen von Professorinnen und Professoren, einfach mehrjährige strukturelle Konsequenzen, und das bedeutet, dass Umsteuerungsprozesse an Hochschulen, wie im Wissenschaftssystem generell, langwierige Prozesse sind.
Die erforderlichen Abstimmungen sollen verabredungsgemäß durch das Wissenschaftszentrum Sachsen-Anhalt in der Lutherstadt Wittenberg, durch das WZW, moderiert werden und durch externe Expertise ergänzt werden. Das ist sozusagen eine Art Pakt zwischen den Hochschulen und der Landesregierung. Die Hochschulen versprechen: Wir sind bereit, in Absprache mit euch unsere Strukturen und unsere Ausrichtung zu überdenken. Gleichzeitig wird darum gebeten, dass wir nicht von jetzt auf gleich den Geldhahn zudrehen; denn damit richtet man wirklich großen Schaden an.
Als geeigneter Partner für die notwendige grundlegende Bewertung und Neuausrichtung des Wissenschaftssystems steht in Deutschland im Grun
de nur der Wissenschaftsrat zur Verfügung. Der Wissenschaftsrat hat bereits vor 20 Jahren die Anfangsstrukturierung des Wissenschaftssystems in Sachsen-Anhalt ganz maßgeblich mitgestaltet und bietet sich auch deshalb als Partner bei einer nach Ablauf dieser Zeit unabdingbaren Rejustierung unserer Wissenschaftslandschaft an.
Auch angesichts der herausragenden Rolle des Wissenschaftsrats bei Evaluierungen wissenschaftlicher Einrichtungen, zum Beispiel im Rahmen von Begutachtungen von Forschungsbauten oder bei der Exzellenzinitiative, ist es einfach sinnvoll, die Hochschulstrukturen des Landes an den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zu orientieren.
Die Landesregierung hat am 10. Juni 2011 um Begutachtung des Hochschulsystems Sachsen-Anhalts durch den Wissenschaftsrat und entsprechende Empfehlungen für die weitere Entwicklung des Hochschulsystems bis zum Jahr 2020 gebeten. In seiner Sommersitzung im Juli 2011 hat der Wissenschaftsrat dem Antrag Sachsen-Anhalts zugestimmt und das Thema auch offiziell in sein Arbeitsprogramm aufgenommen. Vorgesehen ist eine Gesamtbetrachtung des Hochschulsystems unseres Landes unter Einschluss von Besuchen der sieben Hochschulstandorte.
Ausgehend von den Struktur- und Entwicklungsbedingungen des Landes zu Beginn der 90er-Jahre soll unser Hochschulsystem unter Berücksichtigung der veränderten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen, aber vor allem auch der demografischen Rahmenbedingungen begutachtet werden.
Einen kleinen Augenblick. - Könnten bitte die Gruppengespräche etwas leiser oder draußen geführt werden? - Bitte schön.
Die Planung von Ausbildungskapazitäten angesichts des demografischen Wandels, Kooperationsmöglichkeiten der Hochschulen untereinander, zwischen den Hochschulen und mit der Wirtschaft sowie mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, adäquate Schwerpunktsetzungen und Leistungsdifferenzierung in der Forschung sowie auch die Schaffung geeigneter Anreizsysteme, Anreizstrukturen im System - all das sind Themen, die der Wissenschaftsrat aufgreifen wird.
Darüber hinaus sollen einzelne Fächer in Forschung und Lehre untersucht werden. Dabei soll es unter anderem um die Ingenieurwissenschaften, die Agrarwissenschaften und die Geisteswissenschaften sowie die kleinen Fächer gehen.
Inzwischen hat eine Reihe vorbereitender Gespräche stattgefunden, beispielsweise mein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrats, Herrn Professor Prenzel von der TU München, und weiteren Vertretern der wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats. Das Gespräch hat am Rande der Herbstsitzung des Wissenschaftsrats am 10. November 2011 in Halle stattgefunden. Auch auf der sogenannten Arbeitsebene gab es mehrere Gespräche zwischen Vertretern der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats und unserem Ministerium.
Ganz aktuell arbeiten sowohl das Ministerium als auch sämtliche Hochschulen an der Beantwortung eines vom Wissenschaftsrat übermittelten sehr umfangreichen Fragenkatalogs. Seine Beantwortung bis zum Januar 2012 und die entsprechenden Auswertungen durch den Wissenschaftsrat werden dann den erforderlichen Input, die Grundlage für die Begehung der Hochschulen geben, und die sollen von März bis Juli 2012 stattfinden.
Selbstverständlich und gerne werde ich den Landtag über weitere Schritte und natürlich später auch über die Ergebnisse informieren. Das durch die Anträge aus dem Landtag dazu geäußerte Interesse empfinde ich als Ermutigung und danke dafür.
Frau Professor Wolff, Sie haben den demografischen Wandel angesprochen. Dazu habe ich zwei Fragen. Erstens: Haben Sie dazu eine Einschätzung abgegeben, sodass der Wissenschaftsrat die Begutachtung unter dieser Prämisse vornehmen soll? Oder ist es eine Einschätzung des Wissenschaftsrates, wie er den demografischen Wandel beurteilt? Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage lautet: Wie beurteilen Sie den demografischen Wandel und darunter subsumiert die zukünftige Entwicklung der Studierendenzahlen? Wie gesagt, meine Anmerkung war vorhin, dass bis jetzt alle Prognosen falsch gewesen sind.
Das ist das Risiko an Prognosen, dass sie falsch sein können. Wir haben jetzt Prognosen über die Absolventenzahlen aus unseren Schulen. Von über 30 000 in den 90er-Jahren sind wir jetzt bei etwa 16 000 angelangt. Die Prognosen weisen darauf hin, dass wir irgendwann bei nur noch 8 000 sein werden. Wenn wir die günstige Annahme treffen, dass die Hälfte davon die Hochschul
reife erwirbt und auch bei uns im Land studiert, hätten wir dann 4 000 Erstsemester. Wir sind jetzt bei weit über 9 000 Erstsemestern.
Also da klafft schon eine Lücke. Die Frage ist, ob wir diese Lücke auch dann, wenn nicht bevölkerungsstarke Bundesländer zufällig gerade doppelte Abiturjahrgänge haben und wir bundesweit eine Aussetzung der Wehrpflicht haben, noch durch Studierende aus anderen Bundesländern schließen können.
Ja, das mit der Überlast ist relativ. Zum Beispiel hat selbst die Uni Halle auf dem Papier im Moment noch keine Überlast. Also da muss man sich die Zahlen wirklich genau angucken.
Genau das soll der Wissenschaftsrat dann auch selbstverständlich mit unserer Unterstützung und der Unterstützung der Hochschulen tun. Aber die Zahlen, finde ich, sind zunächst einmal alarmierend. Diese zu ignorieren wäre einfach leichtsinnig.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt hat eine ausgeprägte Hochschullandschaft. Gegenwärtig verfügt unser Bundesland über insgesamt elf Hochschulen. Davon sind zwei Universitäten, zwei Kunsthochschulen, fünf Fachhochschulen, eine Verwaltungshochschule und eine theologische Hochschule.
Gerade in diesem Jahr verzeichnen die Hochschulen, insbesondere beide Universitäten, einen enormen Zuwachs und Zulauf von Studierenden, über den wir uns insgesamt freuen können.
Das Aussetzen der Wehrpflicht und das Auslaufen des Zivildienstes haben entgegen der prognostizierten demografischen Entwicklung mehr Studierende zu einem Studium an unseren Hochschulen bewegt.
Die guten Studienbedingungen in Sachsen-Anhalt, die wir im Vergleich zu vielen Universitäten in den westdeutschen Bundesländern immer noch vorhalten, haben insbesondere für eine steigende Zahl von Studienanfängern aus den westdeutschen Bundesländern gesorgt.