Protocol of the Session on November 10, 2011

Noch besser wäre, Sie stellten eigene Forderungen an die Landesregierung, wie sie weiter verhandeln soll oder eben auch nicht. Es bleibt wieder bei uns, bei der LINKEN, mittels Änderungsantrag konkret zu werden.

Wir wollen erstens eine konkrete Positionierung der Landesregierung zu den EU-Vorschlägen und zweitens fordern wir zu einem bestimmten Regierungshandeln auf. Mehr geht leider nicht, da die nationalen und regionalen Parlamente der Mitgliedstaaten im Vorfeld eben nicht in die Kohäsionsrahmenplanung der EU-Kommission einbezogen wurden. Aber was bis jetzt auf dem Tisch liegt und sehr wahrscheinlich so kommen wird, braucht eine öffentliche Debatte, keine bloße Information in nichtöffentlichen Ausschüssen.

Warum fordern Sie nicht das Naheliegende - einfach einmal etwas Neues -: die frühzeitige Beteiligung des Landtages und des Regionalen Begleitausschusses an der Gestaltung der Operationellen Programme zum Beispiel in Anhörungen in den Ausschüssen? - Wir tun es hiermit.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu den anderen Punkten: Wir unterstützen ausdrücklich das neue Förderziel der Übergangsregion mit einem Bruttoinlandsprodukt von 75 % bis 90 % des EU-Durchschnitts. Davon werden etwa 50 Regionen in der EU profitieren, SachsenAnhalt auch.

Da der südliche Regierungsbezirk um Halle jedoch bereits in der derzeitigen Förderperiode ein Auslaufmodell ist, müssen sich die Landesregierung und der Landtag vehement dafür einsetzen, dass auch für dieses Gebiet die Förderungs- und Kofinanzierungssätze nicht sinken und das sogenann

te Sicherheitsnetz greift. Auch das spielte in der vorangegangenen Debatte schon eine Rolle. Für mich ist die Zielperson die deutsche Bundeskanzlerin.

Die neu vorgeschlagenen Konditionalitäten und Sanktionen lehnen wir ebenso ab wie eine Leistungsreserve, weil damit der Ausgleich dem Wettbewerbsgedanken geopfert wird. Nichts gegen soziale und ökologische Förderbedingungen, aber sogenannte Defizitsünder bitte nicht noch durch das Einfrieren von Mitteln und durch Kürzungen abstrafen.

Positiv sehen wir die geplante Einführung eines Mindestanteils von 40 % ESF-Maßnahmen und Mitteln im Verhältnis zum EFRE. In unserem Landeswahlprogramm 2011 forderten wir ein Verhältnis von 50 : 50, aber das operationelle Programm ist ja noch nicht geschrieben, wie wir vernehmen konnten.

Für ESF-Maßnahmen lehnen wir eine Darlehensförderung über revolvierende Fonds ab. Die Trägerinnen für und Empfängerinnen von Arbeitsmarktmaßnahmen brauchen weiterhin Zuschüsse. Bei Unternehmen, die EFRE-Mittel beziehen, sieht das teilweise anders aus. Sie können die Fördersumme in Gewinne umwandeln und wieder refinanzieren.

Zu den Förderprioritäten: Sie müssen sich aus den Problemen vor Ort ergeben und von den Bedürfnissen der Zielgruppen definiert werden. Nach Vorstellung der EU-Kommission sollen jedoch die Bereiche Innovation, KMU, Energieeffizienz und erneuerbare Energien alleinige Priorität haben. Das ist unserer Meinung nach zu eng gefasst, gerade wenn mit dem ESF verstärkt Probleme auf dem Arbeitsmarkt, Integrationsdefizite und vor allen Dingen die Armutsbekämpfung angegangen werden sollen.

Wir unterstützen, dass die Entwicklung im ländlichen Raum über den ELER wieder mehr mit den Strukturfonds EFRE und ESF abgestimmt und in Verbindung gebracht werden soll. Die Besorgnis der Kollegen Budde sollten wir aber als Mahnung verstehen. Ich als bekennender Landwirt sehe Synergien gerade für den ländlichen Raum.

Zum letzten aufgeführten Punkt: Das neue Infrastrukturförderziel Connecting Europe soll mit Mitteln in Höhe von 50 Milliarden € ausgestattet werden. Ein Anteil in Höhe von 40 Milliarden € soll mit Kohäsionsmitteln gedeckt werden, die sich in dem Zeitraum von 2014 bis 2020 auf einen Betrag in Höhe von immerhin 376 Milliarden € belaufen. Nach Angaben der EU-Kommission soll es vor allem um den weiteren Ausbau von Gaspipelines, OffshoreWindenergieanlagen und CCS gehen. Derartige Projekte stehen im Widerspruch zu einer nötigen dezentralen, klimafreundlichen und energieeffizienten Energiewende. Dabei, Frau Kollegin Dalbert, bin ich wieder eng bei Ihnen.

Großen politischen Diskussionen wird vorgegriffen, indem durch diese Förderung supranationale Infrastrukturfakten geschaffen werden. Außerdem fehlen wichtige Mittel, die für eine solidarische Kohäsionspolitik und für die Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU gebraucht werden.

Wir sehen der Debatte im Ausschuss sehr gespannt entgegen.

Herr Tögel, eine Anmerkung sei mir noch gestattet: Ihren Optimismus möchte ich haben. Schade, dass die Debatte nicht für morgen verordnet worden ist; morgen ist der 11.11.

Ich kann es nicht mehr hören, wenn Sie relativierend von „frühzeitig“ sprechen. Das geht so in den Weichspülgang, dass ich Sorgen habe, dass es wirklich die knallharte Reise sein wird, auf die wir ein gemeinsames Papier schicken wollen, wie der Kollege Kurze gemeint hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Erinnern Sie sich bitte an einen Besuch in der vergangenen Legislaturperiode in Brüssel, bei dem ich sehr kritisch in einer Generaldirektion nachgefragt habe. Dazu haben Sie gesagt: Das mache man nicht, das sei undiplomatisch, und alles drum und dran. Hinterher las ich Ihre Pressemitteilung. Die war so revolutionär. Das fand ich richtig gut.

Eines, Herr Ministerpräsident, würde ich mir von Ihnen wünschen: Wir haben bei unserem Besuch in der Vertretung in Brüssel festgestellt, dass der Posten für den Agrarbereich nicht besetzt ist. Wir befinden uns vor der Verabschiedung der gemeinsamen Agrarpolitik für die Förderperiode von 2014 bis 2020. Ich habe den großen Wunsch, dass diese wichtige Funktion in der Vertretung schnellstmöglich besetzt wird und Sie das mit dem zuständigen Ressort klären.

Herr Bullerjahn, wenn Sie uns in Ihrer Rede verkünden, Sie seien dabei abzuwarten, dann schauen wir einmal, was uns weiter blüht. Nur dabei zu sein und abzuwarten, das ist uns einfach zu wenig. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege Czeke. - Zum Abschluss der Debatte spricht der Abgeordnete Herr Tögel für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht lange noch einmal auf viele Dinge eingehen, sondern nur kurz auf das, was Herr Czeke gesagt hat. Ich glaube, es liegt ein Missverständnis vor.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Bei uns gibt es keine Missverständnisse mehr!)

Wir reden in unserem Antrag tatsächlich davon, welche Vorbereitungen auf Landesebene getroffen werden sollen, um die Fondsverordnung, die operationellen Programme usw. umsetzen zu können. Wir reden nicht davon, wovon Sie geredet haben, dass wir auf die Fondsverordnung Einfluss nehmen könnten und uns über diese berichten lassen wollten. Darum geht es nicht.

Wir wollen über den aktuellen Stand der Diskussion auf Bundes- und EU-Ebene informiert werden, damit wir dann rechtzeitig auf die Gestaltung der operationellen Programme Einfluss nehmen können. Dafür sehe ich tatsächlich noch genügend Zeit, weil die Programmplanungsdokumente - wenn Sie zugehört haben, dann wissen Sie, dass ich das vorhin gesagt habe - erst bis Ende des Jahres 2013 verabschiedet werden sollen.

Wir müssen uns nicht einbilden, dass in Brüssel Veränderungen in den Programmplanungsdokumenten umgesetzt würden, nur weil wir uns darüber in den Ausschüssen unterhalten und Veränderungen wünschen. Von dieser Vorstellung habe ich mich schon lange verabschiedet. Sicherlich können wir aber punktuell das eine oder andere machen im Zusammenhang mit den Informationen, die über den Bundesrat, den Ausschuss der Regionen und über andere Quellen in Richtung Europäische Kommission und Europäisches Parlament gehen.

(Minister Herr Bullerjahn: Das weiß er doch alles!)

In unserem Antrag ging es ausschließlich darum, was wir hier im Land Sachsen-Anhalt in Vorbereitung der operationellen Programme machen müssen, um auf diese Einfluss nehmen zu können. Dafür ist tatsächlich noch genügend Zeit.

Ich denke, Sie wissen, was wir meinen. Wir dürfen nicht Äpfel und Birnen miteinander vergleichen. Die Dinge miteinander zu vermischen, nur um etwas Kritisches zu finden, ist dem Thema nicht angemessen. Trotzdem denke ich, dass wir uns im Ausschuss auf ein vernünftiges Verfahren einigen werden. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung von Herrn Erben, SPD, und von Herrn Schröder, CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Tögel. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Es wurde vorgeschlagen, den Ursprungsantrag und die beiden Änderungsanträge an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zu überweisen. Andere Vorschläge liegen mir nicht vor. Ich sehe Zustimmung im Haus. Ich stelle dies damit zur Abstimmung.

Wer dafür ist, den Antrag und die Änderungsanträge an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zu überweisen, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen aus der Fraktion DIE LINKE ist die Überweisung an den Ausschuss einstimmig beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt ist damit abgeschlossen.

Als Nächstes steht eine Aktuelle Debatte auf der Tagesordnung. Bevor wir in die Aktuelle Debatte eintreten, möchte ich Gäste begrüßen. Es werden jetzt vermutlich Schülerinnen und Schüler der Altenpflegeschule Sangerhausen und Schülerinnen und Schüler des Dr.-Hermann-Gymnasiums Schönebeck sein. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir eine kurze Anmerkung, die mir wichtig ist, bevor wir in den nächsten Tagesordnungspunkt einsteigen. Wenn wir jetzt aufgrund eines konkreten Falls in Sachsen-Anhalt über Rechtstaatlichkeit und über die Wahrung der Grundrechte debattieren müssen, dann reden wir nicht über irgendetwas, sondern über das Fundament der Demokratie. Wir Abgeordnete sind allesamt Demokraten. Es ist die Pflichten eines jeden Demokraten, Rechtstaatlichkeit zu verteidigen, und das an jedem Ort, so klein er auch sein mag.

(Beifall im ganzen Hause)

Vielleicht darf ich dieses eine Mal noch etwas deutlicher werden. Ich hoffe sehr, dass in der Debatte zwei Dinge zum Ausdruck kommen werden, so unterschiedlich die Positionen der unterschiedlichen Fraktionen auch sein mögen.

Erstens sollte unmissverständlich klar werden, dass wir als Landtag von Sachsen-Anhalt, als Demokraten nie nicht zulassen werden, auch nicht in dem konkreten Fall, dass ein offensichtlich überforderter, seiner Verantwortung nicht gerecht werdender Bürgermeister eines kleinen Ortes auch nur ansatzweise Zweifel an der Wahrung von Grundrechten in Sachsen-Anhalt zulässt.

(Beifall im ganzen Hause)

Zweitens sollten wir es im Verlauf der Debatte dennoch hinbekommen, den Geist einer gemeinsamen einstimmigen Erklärung zu diesem konkreten schlimmen Sachverhalt auch in dieser Debatte spüren zu lassen, dass wir Demokraten Rechtsstaatlichkeit immer und in jedem Fall verteidigen werden.

(Beifall im ganzen Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Aktuelle Debatte

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, für die Aktuelle Debatte folgende Reihenfolge vorzusehen: Zunächst spricht die Antragstellerin, die Fraktion DIE LINKE, dann die Fraktion der CDU, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion der SPD.

Wir beginnen mit dem zweiten beantragten Thema der Aktuellen Debatte:

Die Verletzung der Grundlagen von Rechtsstaat und Demokratie bei der Diskussion um die Grundrechte zweier ehemaliger Straftäter

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/547

Zunächst erhält die Antragstellerin, die Fraktion DIE LINKE das Wort. Es spricht der Fraktionsvorsitzende Herr Gallert.