Protocol of the Session on October 7, 2011

Im Zusammenhang mit der Sicherung der Mobilität im ländlichen Raum werden noch ganz andere Probleme auf uns zukommen. Wir haben uns demnächst im Landtag mit den Regionalisierungs- und Entflechtungsmitteln zu beschäftigen.

Die demografische Entwicklung wird uns vor weitreichende Herausforderungen stellen. Man kann diese Herausforderungen nur bedingt lösen, wenn man reflexartig nach höheren Renten im Osten ruft; denn das Problem ist, dass eine Rente stets von den aktuell Beschäftigten zu erwirtschaften ist. Wenn aber der Anteil der älteren Bevölkerung in der Gesellschaft deutlich wächst, der Anteil der Jüngeren und deren finanzielle Belastbarkeit aber nicht, dann wird dieser Ansatz - abgesehen davon, dass er an der demografischen Entwicklung nichts ändert - wohl nicht als ein generationengerechter Ansatz angesehen werden können.

Ein zweiter Ansatz der vereinigten Linken - Herr Lafontaine hat ihn am vergangenen Sonntag im Fernsehen vorgetragen - ist, die Löhne zu erhöhen; denn dann würden die Renten steigen. Das klingt gut, weil es keine Verlierer gibt. Der Arbeitnehmer hat mehr Lohn und der Rentner hat mehr Rente. Prima!

Jetzt muss Herr Lafontaine den Menschen aber nur noch erklären, wie er als Politiker einen Lohn, der von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausgehandelt wird, erhöhen möchte. Mindestlöhne dürften schon deswegen als Lösung entfallen, weil sie, wenn sie unterhalb des Gleichgewichtslohns platziert werden, ökonomisch ohne Wirkung bleiben. Wenn sie oberhalb des Gleichgewichtslohns platziert werden, wie es die vereinigte Linke fordert, dann führt dies dazu, dass ein Arbeitsplatz aufgrund des Lohnkostendrucks für den Arbeitgeber entfällt. Damit entfällt allerdings auch ein Arbeitnehmer, der in die Rentenkasse einzahlt.

Hinter den Aussagen von Herrn Lafontaine steht noch immer der alte keynesianische Denkansatz, der nun im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise mehr und mehr zu Grabe getragen wird.

Es ist ökonomisch nun einmal leider nicht möglich, sich reichzukonsumieren. Bei gleicher Finanzausstattung ist jemand, der Geld ausgibt, ärmer als jemand, der kein Geld ausgibt.

(Beifall bei der CDU)

Das kann sich jeder mithilfe des Einkaufswagenexperiments selbst vor Augen führen.

Vor dem gleichen Problem steht nun auch der von der LINKEN geforderte Staat, der meint, Vollbeschäftigung auch über den öffentlichen Dienst zu organisieren, wie wir es jetzt in Griechenland miterleben müssen.

(Zuruf von der LINKEN)

- Ich weiß, das alles ist redundant für Sie. Sie haben heute in der Haushaltsdebatte wieder davon gesprochen. Ich erwarte dann Angaben dazu, wie wir demnächst enteignet werden und wer wann dran ist.

(Widerspruch bei der LINKEN)

- Sie verfallen da in alte Denkansätze. Wir haben das heute früh hören müssen. Ich habe mich da sehr zurückhalten müssen.

(Frau Dr. Paschke, DIE LINKE: Wir auch!)

- Ich frage nicht zum Spaß, wann die S4000 wieder vorgefahren kommen und die Mannschaften der Volkspolizei herunterspringen und uns abholen.

(Zuruf von der LINKEN)

- Ja, ja. Sie haben die alten Denkstrukturen leider zu oft beibehalten und sehr verinnerlicht.

(Zuruf von der LINKEN)

- Ja, auch ich; da haben Sie Recht.

(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Lass dich nicht provozieren!)

Die CDU-Fraktion hält wenig davon, die demografische Entwicklung als einen Vorwand für gesellschaftliche Verteilungsdebatten zu nutzen. Das, was wir wollen, ist eine übergreifende Handlungsstrategie, die bei jedem Einzelnen von uns das Bewusstsein für die Herausforderungen, aber auch die Chancen der demografischen Entwicklung schärft, getragen von öffentlichen Institutionen, Verbänden und Unternehmen.

Alle Unternehmen und auch alle öffentlichen Akteure haben ein Eigeninteresse daran, auch personell nachhaltig zu wirtschaften. Hierbei sind die mitteldeutschen Länder in einer besonderen Verantwortung. Ich habe die statistischen Eckwerte benannt.

Deswegen wollen wir, dass das Land Sachsen-Anhalt, gerade auch vor dem Hintergrund des vor wenigen Tagen veröffentlichten Handlungskonzepts

des Bundes und der neuen Länder unter dem Titel „Daseinsvorsorge im demografischen Wandel zukunftsfähig gestalten“, seine bereits vorhandenen Handlungsinstrumente noch deutlicher konturiert und weiterentwickelt. Diese Handlungsstrategie ist erst der Auftakt für die Verhandlungen zur Formulierung einer übergreifenden Demografiestrategie der Bundesregierung, in die sich unser Bundesland Sachsen-Anhalt aktiv einbringen wird. Hierfür leistet dieser Antrag einen ersten Beitrag.

Heute habe ich es geschafft, noch ein bisschen Zeit übrig zu haben. Ich werde diese Zeit jetzt nicht dazu nutzen, alte, bekannte Dinge auszutauschen. Sie haben in mir immer jemanden, der die Vergangenheit nicht vergisst. Das habe ich im Jahr 1989 auf einem Transparent vor mir her getragen. Ich vergesse die Vergangenheit nicht, dessen dürfen Sie sich sicher sein. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Wir danken Ihnen, Herr Scheurell. - Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Dr. Köck.

(Zuruf)

- Entschuldigung, ich habe die Landesregierung vergessen, und dabei steht es extra hier. Entschuldigung, Herr Dr. Köck, dass ich Sie hochgescheucht habe. - Lieber Herr Minister, Sie haben das Wort.

Werter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nur wenige gesellschaftliche Themen haben uns in den letzten Jahren so beschäftigt wie der demografische Wandel mit all seinen vielfältigen Auswirkungen auf alle Bereiche unseres Lebens.

Die Demografie ist ein Querschnittsthema, das Konsequenzen in vielfältigster Weise nach sich zieht. Deshalb freue ich mich ganz besonders darüber, dass sich die Abgeordneten des Landtages mit dem demografischen Wandel intensiv auseinandersetzen; denn nur gemeinsam - ich betone: gemeinsam - können wir die Zukunft unseres Landes gestalten.

Sachsen-Anhalt konnte in den vergangenen 20 Jahren vielfältige Erfahrungen im Umgang mit einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung sammeln. Auf diesen breiten Erfahrungsschatz hat der Beauftragte der neuen Länder bei der Entwicklung des Handlungskonzeptes „Daseinsvorsorge im demografischen Wandel zukunftsfähig gestalten“ zurückgegriffen. Der Fokus bei der Erarbeitung durch uns lag in ausgewählten Bereichen der infrastrukturellen Versorgung.

In dem Handlungskonzept wurde herausgearbeitet, dass Demografiepolitik eine nationale Aufgabe ist und dass eine abgestimmte Demografiestrategie von Bund und Ländern unerlässlich ist. Für die Ministerpräsidentenkonferenz Ost am gestrigen Tage wurde dazu von den ostdeutschen Bundesländern ein Beschlussvorschlag vorbereitet, der eine dauerhafte Einbindung bei der Erarbeitung der Demografiestrategie des Bundes vorsieht.

Vor dem Problem des demografischen Wandels werden mittelfristig alle Bundesländer stehen. Deshalb ist dies ein gesamtdeutsches Problem, bei dem die ostdeutschen Länder aufgrund des früheren Eintritts des demografischen Wandels Vorreiter sind.

Im Frühjahr 2011 wurde durch das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr eine Analyse zur Bevölkerungsentwicklung im europäischen Vergleich in Auftrag gegeben. Hierin wurde noch einmal auf die besondere demografische Situation Sachsen-Anhalts und der ostdeutschen Bundesländer innerhalb Europas aufmerksam gemacht.

Auch hierzu wurde der Ministerpräsidentenkonferenz Ost ein Beschlussvorschlag unterbreitet. Dieser zielt darauf ab, eine mögliche Verankerung eines demografierelevanten Faktors bei der Ausgestaltung der EU-Kohäsionspolitik nach dem Jahr 2013 aufzunehmen; denn gerade für die Zusammenarbeit auf transnationaler Ebene in Europa ist es wichtig, die Förderfähigkeit von Regionen nicht einzuschränken.

Zahlreiche Aktivitäten der Ressorts in europäischen Projekten zeigen das Interesse an einem Erfahrungsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene. Dies fördert auch den Zusammenhalt und das Zusammenrücken innerhalb Europas.

Wir bekommen schon jetzt einige Rückfragen zu dem Preis, den wir im Sommer dieses Jahres in Barcelona für IBA Stadtumbau 2010 erhalten haben. Gerade bei diesem Projekt wurde der Fokus auf den Stadtumbau bei zurückgehender Bevölkerungszahl gelegt und insbesondere die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort in den Vordergrund gestellt. Das hat die Jury dazu bewogen, uns vor New York den ersten Preis zu geben.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur die übergeordnete Ebene, sondern auch wir in Sachsen-Anhalt haben mit dem Förderprogramm „Demografie und Regionalentwicklung“ gesellschaftliche Akteure zur Mitgestaltung des demografischen Wandels aufgerufen. Mithilfe der Stabsstelle „Demografische Entwicklung und Prognosen“ im Ministerium konnte ein Förderprogramm initiiert werden, das es Gemeinden, Vereinen, Stiftungen oder auch öffentlichen Unternehmen erlaubt, ganz gezielt Ideen und Projekte zu verwirklichen, die zur Aufrechterhaltung der Daseinsvor

sorge dienen und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger sichern helfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Fachkräftesicherungspakt hat das Ziel, alle Akteure in den Diskussionsumsetzungsprozess einzubeziehen, die von den Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt betroffen bzw. die für die Umsetzung von Strategien zur Linderung entsprechender Auswirkungen verantwortlich sind.

Eine Berichterstattung in den Ausschüssen für Wissenschaft und Wirtschaft, für Arbeit und Soziales, für Bildung und Kultur sowie für Landesentwicklung und Verkehr trägt wesentlich zur Transparenz des Diskussions- und Umsetzungsprozesses bei und wird durch die Staatskanzlei ausdrücklich unterstützt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So wichtig die Gemeindegebietsreform für Sachsen-Anhalt war, so schwierig ist die Erfassung von Bevölkerungskennziffern auf der Gemeindeebene. Durch die Zusammenlegung mehrerer Gemeinden ist die Erfassung für kleinteilige Orte, insbesondere für Zentrale Orte, auf der Grundlage des Statistikgesetzes derzeit nicht möglich. Nach dem Statistikgesetz Sachsen-Anhalts müssen die Gemeinden die Bevölkerungszahlen nur für die gesamte Gemeinde und nicht für einzelne Ortsteile erfassen. Für bedarfsgerechte Planungen und Fachplanungen bringt das natürlich Probleme.

Wir alle kennen die drittgrößte Stadt Deutschlands, nämlich die Stadt Gardelegen mit den vielen Ortsteilen. Für solche Strukturen ist eine Änderung sehr wichtig. Ich werde mich bemühen, das in die Novellierung des Landesplanungsgesetzes aufzunehmen, damit hier etwas passieren kann.

Ich sehe, dass meine Redezeit schon etwas überschritten ist. Ich möchte Ihnen aber noch etwas mitteilen: Es gibt eine Internetadresse, nämlich www.demografie.sachsen-anhalt.de, wo Sie alle Informationen zum demografischen Wandel nachlesen und auch den Regionalkompass von Sachsen-Anhalt einsehen können.

Ein Wort noch zum Antrag der LINKEN. Darin ist ja bemängelt worden, dass es noch keine Zusammenarbeit gibt, nachdem im Februar die Zusammenarbeit zwischen Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt beschlossen worden ist.

Diese Zusammenarbeit gibt es auf Arbeitsebene. Wir werden uns auf Ministerebene am 6. Dezember 2011 um 18 Uhr in Dresden zum mitteldeutschen Demografiedialog treffen. Daran sieht man, dass es kein Papiertiger ist. Wir arbeiten im Interesse unserer Menschen in der Demografie mit diesen beiden Ländern zusammen. Drei Länder, ein Ziel. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt hat Herr Dr. Köck das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! meine Damen und Herren! Herr Scheurell, eines ist sicher: Ihre Rede hat niemanden in Sachsen-Anhalt dazu bewogen, auch nur ein Kind mehr zu zeugen.