Meine Damen und Herren! Durch die erfolgte Fortschreibung des interministeriellen Opferschutzberichtes wurde damit neben dem Strafvollzugsgesetz, dem Sicherungsverwahrungsvollzugs
gesetz und den Justizvollzugsstrukturreformen ein weiterer Schwerpunkt der Koalitionsvereinbarung für den Bereich der Justiz in dieser Wahlperiode abgearbeitet. Sachsen-Anhalt hat das Thema Opferschutz in den Fokus gerückt und geht damit bildlich gesprochen hervorragend voran.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion möchte sich ausdrücklich bei der Landesregierung dafür bedanken, dass jede Bürgerin und jeder Bürger im Internet unter dem Stichwort „Opferschutz-Opferhilfe-Opferrechte-Sachsen-Anhalt“ sofort wesentliche Informationen zu diesen Schlagwörtern erhalten kann.
Auf der hierfür von der Landesregierung geschalteten Internetseite unter „www.opferschutz.sachsenanhalt.de“ werden Flyer, Broschüren, Internetangebote, Merkblätter und nützliche Hinweise zu den Themen Opferschutz, Opferberatung und Zeugenberatung des sozialen Dienstes, zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und vor Gewalt gegen Frauen bereitgestellt.
Ganz wichtig ist jedoch auch das Aufzeigen der Rechtsgrundlagen, welche Rechte Verletzte und Geschädigte im Strafverfahren haben und welche Voraussetzungen an eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz bestehen. - Ein wirklich gelungener Auftritt.
Meine Damen und Herren! Frau Ministerin ist in der Regierungserklärung bereits detailliert auf die Bilanz der Landesregierung im Bereich Opferschutz eingegangen. Ich möchte nunmehr die Möglichkeiten nutzen, auf das zu sprechen zu kommen, was wir hier gemeinsam im Landtag beim Thema Opferschutz in dieser Wahlperiode erreicht haben.
Denken wir zunächst an die Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Justizvollzuges in Sachsen-Anhalt. Zur effektiven Durchsetzung von Ersatzansprüchen werden
durch das neue Strafvollzugsgesetz Opfern bzw. Verletzten Auskunftsansprüche gewährt. Es wird auch über den Vollzugsverlauf und über die Opferrechte umfassend informiert. Die Gedanken des
Opferschutzes finden auch bei der Gewährung von Lockerungen, bei Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung und bei der Nachsorge Berücksichtigung.
Denken wir bitte aber auch an die Verankerung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung im neuen Strafvollzugsgesetz. Im Rahmen der Ausschussberatung wurde auf Anregung meiner Fraktion von den Koalitionsfraktionen ein Änderungsantrag beschlossen, wonach die bereits in der Führungsaufsicht mögliche Weisung zum Führen einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung, der sogenannten Fußfessel, zukünftig auch bei der Gewährung von Lockerungen für einen Strafgefangenen oder Jugendstrafgefangenen anwendbar ist.
Wir haben diese teuren Geräte angeschafft. Leider mussten wir feststellen, dass diese durch eine Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht - -
- Das ist so, Frau von Angern. Das haben wir doch im Ausschuss hoch und runter diskutiert. Es ist nicht unser Argument, dass sie verwandt werden müssen, nur weil sie jetzt da sind.
Vielmehr wissen wir, dass wir mit der richterlichen Unabhängigkeit in diesem Land ein hohes Gut haben und wir den Richtern natürlich nicht vorschreiben können, dass die Strafvollstreckungskammern diese anwenden sollen. Es gibt aber natürlich die Möglichkeit, dass wir bei der Lockerung des Vollzuges als weitere Maßnahme zum Schutz und zur Erleichterung des Aussprechens dieser Maßnahme einen Weg gefunden haben. Dies liegt nun beim Anstaltsleiter. Das will ich jetzt gar nicht näher ausführen. Das wissen alle, die Mitglied im Rechtsausschuss sind. Wir haben das im Ausschuss hoch und runter diskutiert und glücklicherweise als Koalition auch so beschlossen.
Außerdem ist uns die wissenschaftliche Studie zur Poliklinik Halle ein wichtiges Anliegen. Die geschlossene Abteilung für Geschlechtskrankheiten in dieser Poliklinik war zu DDR-Zeiten ein Gefängnis - anders kann man das nicht bezeichnen -, in dem psychische und körperliche Folter auf der Tagesordnung standen. Leider muss man das so sagen.
Frauen, die dem DDR-System widersprachen, wurden dort mit Gewalt und Medikamenten gefügig gemacht. Die Medien haben in den letzten Jahren mehrfach über diese Schicksale und Opfer und darüber berichtet, wie diese in der vom Volksmund „Tripperburg“ genannten Abteilung behandelt und ungerechtfertigt festgehalten wurden. Berichtet wurde über brutale Untersuchungsmethoden, kahl geschorene Köpfe und vom
Schlafen auf einem Hocker als eine von vielen Strafen. Sogar Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 14 Jahren wurden dort misshandelt. Berichtet wurde auch über die Verabreichung von Fieberspritzen und brutale Untersuchungen im Intimbereich der Insassen.
Viele Frauen und Mädchen, die durch medizinisch nicht notwendige Zwangsbehandlungen Opfer krimineller Handlungen geworden sind, beginnen erst jetzt mit der auf Aufarbeitung ihrer eigenen Vergangenheit. Es ist dabei völlig unklar, wie viele Frauen heute noch aufgrund dieser Zwangsbehandlung traumatisiert sind. Viele der Betroffenen hätten möglicherweise einen anderen Lebensweg beschritten als den, der ihnen durch diese ungerechte Behandlung vorgegeben wurde.
Die Studie, die uns alle im Rechtsausschuss erschüttert hat, war ein ganz wesentlicher Beitrag zur Aufarbeitung in unserem Bundesland. Dem Rechtsausschuss ging es über die Ausarbeitung hinaus jedoch auch immer darum, den Betroffenen Anerkennung und Wiedergutmachung zu verschaffen, indem insbesondere ihre Entschädigungssituation geklärt wird. Hierbei sehen wir auch über die noch laufende Wahlperiode hinaus erheblichen Handlungsbedarf.
Nicht zuletzt wollen wir an die Haushaltsberatungen für die Haushaltsjahre 2014 und 2015 erinnern. Die Justizpolitiker in diesem Hohen Hause haben sich über die Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam für eine Stärkung der Opferberatung und der Opferhilfe eingesetzt. Im parlamentarischen Beratungsverfahren wurde der von der Landesregierung vorgeschlagene Haushaltsansatz für die Opferberatung und die Opferhilfe wesentlich erhöht.
Konkret wurde das Angebot der psychosozialen Beratung - Frau von Angern ging kurz darauf ein -, der Hilfeleistungen im Umgang mit Behörden, Institutionen sowie bei der Begleitung bei Terminen mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und bei Gericht sowie bei der Vermittlung anderweitiger Hilfen sowie menschlichem Beistand verbessert.
Weiterhin wurden zahlreiche Haushaltsmittel für die Frauenhäuser und deren ambulante Beratungsstellen auch für Opfer sexualisierter Gewalt, die Interventionsstellen und Frauenzentren bereitgestellt. Die im Land errichteten Frauenhäuser und deren ambulante Beratungsstellen, die Beratungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt in den Frauenzentren, haben sich als unverzichtbare Hilfseinrichtungen bewährt. Um die erreichte Qualität dieser Beratung und Hilfe zu gewährleisten, ist die Unterstützung des Landes unabdingbar. Ebenso haben wir eine Budgeterhöhung für die Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt, eine unverzichtbare und bewährte Hilfseinrichtung im Land, durchgesetzt.
Meine Damen und Herren! Das Land SachsenAnhalt ist auf dem Gebiet des Opferschutzes auf einem guten Weg. Der Landtag und die Landesregierung haben diese Wahlperiode genutzt, um die Anstrengungen beim Opferschutz zu verstärken und Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Meine Fraktion sieht die Notwendigkeit, dass der interministerielle Opferschutzbericht auch in der nächsten Wahlperiode konsequent fortgeschrieben wird.
Wir sollten aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass wir noch erhebliche Baustellen haben, die uns nicht zuletzt durch die Beratungen im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung mehrfach aufgezeigt wurden und in der nächsten Wahlperiode von uns abgearbeitet werden müssen.
Erstens. Meine Fraktion tritt für die Forderung der Opferschutzverbände ein, die personenbezogenen Daten von Tatopfern und Zeugen besser zu schützen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass ein Opfer von Gewalt oder ein Zeuge grundsätzlich seinen Wohnort nennen muss. In bestimmten Verfahren sollte meiner Auffassung nach generell darauf verzichtet werden, dass ein Zeuge Angaben zur Person, zur Adresse oder zum Beruf machen muss.
Überlegenswert ist natürlich auch die Gründung einer Opferschutzstiftung des Landes mit dem Ziel, dass Opfer von Straftaten noch schneller und effizienter Hilfe bekommen.
Zweitens. Eine Baustelle, die im Rahmen der nächsten Haushaltsberatungen schnellstmöglich angegangen werden muss, ist aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion die verlässliche Finanzierung der Frauenhäuser sowie der Beratungs- und Interventionsstellen. Vielleicht sollte dies bereits im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens geschehen, damit die notwendige Korrektur nicht erst im Haushaltsberatungsverfahren durch uns Abgeordnete vorgenommen werden muss.
Frau Ministerin hat soeben in der Regierungserklärung ausgeführt, dass einige Träger die finanziellen Mittel, die der Landtag für die weitere Anpassung der Vergütung ihrer Beschäftigten im Haushaltsplan verankert hat - Sie entsinnen sich, dass unser Hauptbestreben der Einstieg in die tarifliche Entlohnung war -, für das Jahr 2015 nicht abgerufen haben, sodass im Ergebnis nicht allen dortigen Mitarbeitern eine Tarifanpassung gewährt wird. Frau Ministerin hat das zwar gesagt, wir sind aber nicht auf die Gründe eingegangen.
Ich glaube, dass wir uns in der nächsten Ausschusssitzung erneut mit der Frage befassen sollten, welche konkreten Umstände dazu geführt ha
ben, dass der Wille des Haushaltsgesetzgebers nicht dazu geführt hat, dass diese Mittel tatsächlich abgeflossen sind.
Drittens. Man kann nur wiederholt die Bitte an die Gerichte und Staatsanwaltschaften aussprechen - mehr können wir leider nicht -, die Opferarbeit und damit beschäftigte Einrichtungen durch im Ermittlungs- und Strafverfahren verhängte Geldauflagen besser zu berücksichtigen und zu unterstützen. Frau Ministerin hat in der Regierungserklärung angekündigt, dass unter Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit konkrete Vorschläge zu erarbeiten sind, wie diese finanzielle Unterstützung der Opferarbeit durch Geldauflagen gestärkt werden kann.
Viertens. Es war bei der Erarbeitung des Opferschutzberichts zeitlich nicht mehr möglich, die Aspekte des Opferschutzes im Zusammenhang mit der gestiegenen Zahl der Flüchtlinge zu berücksichtigen. Auch an dieser Stelle besteht Handlungsbedarf für die Zukunft.
Fünftens. Wir brauchen im Rahmen der Gesamtkonzeption der Rechtsmedizin in Sachsen-Anhalt - auch Frau Kollegin von Angern ging darauf ein - eine auf Dauer sichergestellte Finanzierung der für die Strafopfer kostenlosen Untersuchung in den Opferambulanzen an den Standorten Halle und Magdeburg.
- Herr Lange, hätten Sie doch einmal zugehört oder Frau von Angern gefragt. Dann hätten Sie gewusst, wie viel wir in diesem Bereich bewegt haben. Wir hätten möglicherweise noch mehr machen können. Das stelle ich gar nicht in Abrede.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich es nicht versäumen, mich herzlich - dabei schließe ich mich meinen Vorrednern an - bei den vielen Ehrenamtlichen zu bedanken, die eine hervorragende Arbeit leisten, aber nicht erst seitdem wir darüber hinaus auch noch Flüchtlinge zu bedenken haben, sondern schon seit Jahrzehnten. Auch meine Fraktion möchte einen ganz herzlichen Dank aussprechen.
Wir haben in dieser Wahlperiode im Bereich der Justizpolitik gemeinsam viel erreicht und bei vielen Punkten einen fraktionsübergreifenden Konsens gefunden. Wir werden im Rechtsausschuss auch in der nächsten Wahlperiode gemeinsam daran arbeiten, Opfer von Straftaten zu schützen, indem ihre Rechte verbessert und die Instrumente des
Herzlichen Dank dem Abgeordneten Herrn Borgwardt für seinen Beitrag. - Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler des GutsMuths-Gymnasium Quedlinburg. Herzlich willkommen!
Vielen Dank, lieber Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Strafrecht als solches ist täterzentriert. Es geht um die Aufklärung des Tatgeschehens, die Frage der Schuld und das gerechte Strafmaß. Nach den Folgen der Straftat für das Opfer wird selten gefragt. Das oftmals schwer traumatisierte Opfer steht in der Rolle eines Zeugen. Die Aufmerksamkeit erlischt meist nach Abschluss des Verfahrens. Die Opfer und deren Angehörige fühlen sich nicht selten alleingelassen.
Die Interessen der Opfer in den Blick zu nehmen und dafür zu sorgen, dass ihnen mehr Rechte zukommen, war und ist ein wichtiges rechtspolitisches Ziel. Ich höre das in dieser aktuellen Debatte auch von allen Fraktionen. Dazu gehören nicht nur die Verbesserung der Rechtsstellung des Opfers im Strafverfahren oder die Unterstützung des Opfers bei der Durchsetzung von Ansprüchen, sondern auch konkrete Maßnahmen des Opferschutzes in den Bereichen Polizei, Justiz und Soziales.
Das Land Sachsen-Anhalt ist auf dem Gebiet des Opferschutzes gut aufgestellt. So steht es im interministeriellen Opferschutzbericht. Allerdings ist auch klar: Wir haben auf diesem Gebiet in Sachsen-Anhalt noch viele Aufgaben vor uns.
Für uns als Fraktion ist ein wichtiger Punkt die Betreuung und Beratung der von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder. Die Ministerin sprach in ihrem Beitrag dieses Thema auch an. Sie sprach dies auch im Rahmen der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen an.