Das ist ein Armutszeugnis für ein reiches Land, wie wir es sind, dass hier keine Hilfe geschaffen wird. Noch viel schlimmer ist, dass diese Kinder ein Leben lang mit Traumata leben werden müssen und im schlimmsten Fall selbst zu Tätern werden. Das ist ausdrücklich kein Opferschutz.
Aber - das will ich auch deutlich sagen, Frau Ministerin - ich weiß, dass Ihnen dieses Thema sehr wohl am Herzen liegt. Ich erwarte allerdings ausdrücklich, dass Sie als Landesministerin hier Ihren eigenen Weg weiter beschreiten und tatsächlich eine Lösung für Sachsen-Anhalt finden und nicht nur auf den Bund zeigen.
Zu den Flüchtlingsfrauen, die inzwischen auch in den Frauenhäusern ankommen, haben Sie schon sehr viel gesagt. Ich kann das nur ausdrücklich unterstützen.
Es ist sehr schwierig, überhaupt an diese Frauen heranzukommen. Es ist sehr schwierig, sie zu halten. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Frauen, die in den Frauenschutzhäusern arbeiten, nach wie vor im Unklaren sind, wer für die Finanzen geradesteht. Wer bezahlt, wenn Frauen mit Flüchtlingshintergrund in die Frauenschutzhäuser kommen? Wer bezahlt die besonderen Bedarfe wie Dolmetscherkosten etc.? - Darüber müssen wir noch einmal reden und schauen, wie wir hierfür Abhilfe schaffen können.
Eine weitere Baustelle, die weder in der Rede zu hören war, noch aus dem schriftlichen Bericht herauslesbar ist, ist der Täter-Opfer-Ausgleich für Jugendliche. Es gehört zur Wahrheit in SachsenAnhalt, dass es Städte und Gemeinden gibt, in denen ein Täter-Opfer-Ausgleich für Jugendliche nicht vorgehalten wird. Dazu zähle ich unter anderem Stendal, Magdeburg, aber auch Naumburg, um nur einige zu nennen.
Nun könnte man sagen, vielleicht fehlt es einfach an denen, die das in Anspruch nehmen müssten. Sprich: Die Fallzahlen sind nicht da. Allerdings halte ich das ausdrücklich für eine Milchmädchenrechnung. Das, was nicht da ist, kann nicht abgerufen werden. Das ist, glaube ich, eine innere Logik.
Meine Damen und Herren! Jetzt spreche ich auch die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker unter Ihnen an: Ich möchte ausdrücklich für dieses Instrument des Täter-Opfer-Ausgleiches für Jugendliche werben. Es gibt dem Opfer die Chance, sich dem Täter gegenüberzusetzen, den Täter zu fragen, was er sich bei dieser Tat gedacht hat, dem Täter zu sagen, wie die Tat bei ihm angekommen ist, den Täter also mit dem, was er getan hat, zu konfrontieren und im günstigsten Fall sogar weitere Straftaten zu verhindern.
Ich möchte daran erinnern, dass es einst im Sinne des Gesetzgebers war, als er den Jugend-TOA eingeführt hat, zu sagen, dass es keine KannRegelung ist, sondern dass es der Regelfall sein sollte, dass der Jugend-TOA angeboten wird.
Die Europäische Union unterstützt uns hierbei, indem sie mit der „Richtlinie für Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den
Schutz von Opfern von Gewalttaten“ klar die Belehrung über den TOA im Strafverfahren zur Pflicht macht.
Ein weiterer Punkt, den Sie ebenfalls angesprochen haben, ist die psychosoziale Prozessbegleitung in Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie. Es ist richtig, dass wir dank Vera und der mobilen Opferberatung, die eine sehr wichtige Arbeit leisten, schon Angebote in Sachsen-Anhalt vorhalten.
Doch lassen Sie mich an dieser Stelle auf das Land Mecklenburg-Vorpommern verweisen, wo bereits im Jahr 2010 ein Modellprojekt entwickelt wurde, das zwischenzeitlich durch entsprechende Mittel im Landeshaushalt fest verankert ist, um in allen Landgerichtsbezirken Kinder, Jugendliche und Heranwachsende, die Opfer von sexualen Gewaltstraftaten geworden sind, zu begleiten.
Inzwischen läuft das Projekt vier Jahre und es sind bereits 180 Kinder, Jugendliche und Heranwachsende auf diese Art und Weise begleitet worden. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht: Das ist ein sehr wichtiges Instrument. Ich finde, auch hier sollten wir schauen, was wir in der nächsten Wahlperiode realisieren können.
Das Land Brandenburg - um auch ein rot-rot-geführtes Land zu nennen - gibt jährlich 180 000 € für den Opferhilfe e. V aus, der sich ausdrücklich dieser Begleitung widmet. Ich denke, das sind positive Signale, die uns animieren sollten, hier weiterzumachen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vertrauen in den Rechtsschutz muss durch einen effektiven Opferschutz, aber auch durch eine intensive Täterarbeit hergestellt werden. Nur ein solches Herangehen kann tatsächlich zu einem effektiven Opferschutz führen. Der Schutz und die Unterstützung potenzieller und tatsächlicher Opfer von Straftaten ist uns deshalb ein sehr wichtiges Anliegen.
Ich möchte die Gelegenheit der Aussprache zu dieser Regierungserklärung nutzen, um mich bei all den Ehrenamtlichen, die in diesem Bereich aktiv sind - das sind in der Vielzahl Ehrenamtliche neben dem Hauptamt - noch einmal ganz herzlich zu bedanken; sei es der Weiße Ring, seien es die Frauenschutzhäuser, die Interventionsstellen, die Frauenzentren, die auch hierzu einen Beitrag leisten, Vera, ProMann, die mobile Opferberatung für Opfer rechter Gewalt, der Verband für Kriminalprävention und Resozialisierung, sei es aber auch im Kleinen jemand wie der Sänger der Leipziger Oper, der gemeinsam mit dem katholischen Pfarrer - wie der eine oder andere von uns weiß - den
Chor der Gefangenen in der JVA Burg organisiert. Sie alle sind wichtige Puzzleteile in einem Mosaik. Ihnen gilt unser Dank.
Ich denke, vieles von dem, wovon wir alle profitieren, würde nicht geschehen, wenn es sie nicht gebe.
Ich sage ganz deutlich: Ich möchte auf dieses Ehrenamt nicht verzichten. Nicht alles, was im Ehrenamt geschieht, kann automatisch im Hauptamt umorganisiert werden. Das wollen wir auch ausdrücklich nicht. Aber wir sollten alle gemeinsam noch einmal genauer hinschauen.
Vielleicht gibt uns die Aktuelle Debatte übermorgen die Möglichkeit, deutlich zu machen, wie wir ehrenamtlich Aktive unterstützen können. Jeder, der selbst ehrenamtlich aktiv ist, weiß, was ich damit meine. Es sind kleine Anerkennungen, die wir aussprechen können. Es ist Unterstützung, oder es ist eben auch die fehlende Unterstützung mangels Hauptamt, die manchmal das Ehrenamt sehr schwer macht.
Zum nachhaltigen Opferschutz gehört zwingend auch die Arbeit mit Täterinnen und Tätern. Dabei will ich noch einmal das Stichwort der Resozialisierung deutlich benennen.
Um bestmögliche Ergebnisse bei der Resozialisierung erreichen zu können, brauchen wir ein sehr engmaschiges Netz zwischen der Arbeit der Gerichte, den Justizvollzugsanstalten, den sozialen Diensten, aber auch den freien Trägern. Ich halte es für gut und richtig, dass wir in eine Wirkungsanalyse eintreten und schauen, was wir bieten können, was sich noch ändern muss.
Ich habe positiv wahrgenommen, dass uns die SPD in ihrem Wahlprogramm sehr nahe ist. Ich kann das nur voll unterstützen; denn ich halte das für sehr wichtig, gerade in Umsetzung des von uns kürzlich beschlossenen Strafvollzugsgesetzbuches und insbesondere der Umsetzung dieses Gesetzes. Es ist nicht unwesentlich, wie viel Personal wir hierfür zu Verfügung stellen werden und wie das Personal geschult ist.
Bei all den Problemen, die wir bekanntermaßen beim Personal im Strafvollzug haben, möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen: Das Wichtigste für uns sind die Maßnahmen, die im Bereich der Jugendlichen, der Heranwachsenden, der jungen Erwachsenen angeboten werden. Das muss immer im Fokus stehen. Das muss bei sämtlichen Personalentscheidungen, die wir jetzt treffen, Vorrang haben.
Das würde zwar im Sozialhaushalt bzw. im Bildungshaushalt ein wenig mehr Geld kosten, aber das würde sich langfristig wirklich lohnen.
Sie sehen, Opferschutz ist sehr bunt, sehr vielfältig. Lassen Sie uns gemeinsam auch neue Wege gehen! Lassen Sie uns gemeinsam über den Tellerrand schauen! Ich glaube, dass ist das, was nachhaltig allen Menschen in Sachsen-Anhalt am meisten helfen würde. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Frau von Angern. - Ich erteile jetzt für die CDU dem Abgeordneten Herrn Borgwardt das Wort. Bitte schön, Herr Borgwardt, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Weihnachtszeit ist es vielleicht angeraten, mit den Gemeinsamkeiten zu beginnen. Die sehr geehrte Frau von Angern hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der Tenor aus Leipzig und der katholische Pastor über Jahrzehnte eine bemerkenswerte und hervorragende Arbeit machen. Wir haben als Arbeitsgruppe und als Partei das genauso gesehen und die beiden für die Verdienstmedaille vorgeschlagen. Die Entscheidung steht noch aus. Ich will nur sagen, wir wollten das auch honorieren. Insofern sehen wir hierbei genauso die Gemeinsamkeiten.
Ich fange einmal mit Unterschieden an. Sie haben dankenswerterweise, Frau Kollegin, auf unsere Ausschussreisen abgehoben. Das Primat lag hierbei vor dem Hintergrund der Justizvollzugsgesetze und anderer Gesetzgebungsverfahren, die wir in diesem Hause hatten, darauf, uns einmal schlauzumachen und über den Tellerrand zu schauen, um zu sehen, was andere Länder machen. In der Tat haben wir Vorzeigeanstalten und wenig Erquickliches gesehen.
Dass Sie die Täter als Erstes in den Fokus stellen, wenn es um Opferschutz geht, habe ich zur Kenntnis genommen, wobei wir sehr wohl Wert darauf legen, dass bei uns der Opferschutz vor dem Täterschutz kommt. Das ist möglicherweise eine kleine Nuance, die anders ist.
Ich persönlich glaube, dass wir als Partei CDU den Bereich der konsequenten Strafverfolgung und den Grundsatz „Opferschutz vor Täterschutz“ als tra
gende Säule in der Programmatik haben. Opfer von Straftaten haben ein Recht auf Anerkennung, Unterstützung und Schutz. Das ist unser zentrales Anliegen. Daher sind wir dankbar, dass die Ministerin das zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode zum Thema ihrer Regierungserklärung gemacht hat.
In diesem Sinne haben die Koalitionspartner der CDU und der SPD im Koalitionsvertrag - die Ministerin ging vorhin kurz darauf ein - für die noch laufende sechste Wahlperiode festgehalten, dass die bereits vorhandenen Instrumente des Zeugen- und Opferschutzes konsequent angewandt und weiter ausgebaut werden und dass die verschiedenen Institutionen, Behörden und Träger der Opferberatung besser vernetzt und in ihrer Tätigkeit gestärkt werden sollen. Genau das haben wir getan. Das hat die Frau Ministerin auch eindrücklich dargestellt.
Darüber hinaus haben wir uns darauf verständigt, den Opferschutzbericht der Justiz als interministeriellen Bericht fortzuschreiben.
Frau Ministerin Kolb hat nunmehr diesem Hohen Haus und der Öffentlichkeit nach zahlreichen Fach- und Informationsveranstaltungen sowie
Foren im Rahmen der bundesweiten Reihe „Justiz im Dialog“ den interministeriellen Opferschutzbericht der Landesregierung vorgelegt. Die Kabinettsvorlage gibt einen umfassenden Rahmen für Maßnahmen, Projekte und Einrichtungen in Sachsen-Anhalt vor, wie Opfer von Straftaten in Sachsen-Anhalt unterstützt werden können.
Meine Damen und Herren! Dieser Bericht der Landesregierung baut hierbei auf dem bereits vorliegenden Bericht des Jahres 2010 auf, nimmt aber nunmehr alle Politikbereiche in den Blick, beteiligt sich also auch an dem Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Sozialministeriums sowie des Kultusministeriums.
Nach der Entwicklung der Kriminalitätslage wird die Unterstützung des Opfers bei der Durchsetzung von Ansprüchen, Maßnahmen und Opferschutz in den Bereichen Polizei, Justiz, Soziales, Bildung und Medien ausführlich dargestellt.
Ein weiterer Schwerpunkt dieses Opferschutzberichtes ist die Darstellung der Zusammenarbeit von Opferschutzverbänden, Opferschutzberatungsstellen, sonstigen Opferschutzorganisationen sowie ehrenamtlich Tätigen.
Gut ist auch die Intensivierung der Beteiligung aller Akteure auf Arbeitsebene. Es hat sich dabei positiv ausgewirkt, dass das Ressort Justiz auch für Frauen und Gleichstellung zuständig ist, da es einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Bereich Antigewalt und dem Referat Strafverfahrensrecht bedarf. Dies gilt insbesondere für die Beratungsstellen für Opfer von Sexualdelikten
Weiterhin funktionieren in Sachsen-Anhalt die polizeiliche Prävention und der polizeiliche Opferschutz sehr gut. Opfer von Straftaten werden mit dem Ziel beraten, Tatfolgen zu mindern, ein wiederholtes Opferwerden zu verhindern und professionelle Opferhilfeangebote zu vermitteln. Zeugen und Geschädigte in einem Strafverfahren werden so offensiv besser geschützt.
Meine Damen und Herren! Durch die erfolgte Fortschreibung des interministeriellen Opferschutzberichtes wurde damit neben dem Strafvollzugsgesetz, dem Sicherungsverwahrungsvollzugs