Wir haben bereits ein Flüchtlingsfrauenhaus in Sachsen-Anhalt in der Trägerschaft des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Im Jahr 1996 gab es dort 50 Plätze für Kinder und Erwachsene, derzeit sind es zehn Plätze. Ich gehe davon aus, dass diese Kapazitäten perspektivisch weiterentwickelt werden müssen. Dies wird auch in die Arbeit der Arbeitsgruppe einfließen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Träger haben natürlich stets finanzielle Bedarfe und stellen fest, dass sich diese finanziellen Bedarfe von Jahr zu Jahr nicht immer positiver entwickeln,
Wovon rede ich? - Die meisten Träger müssen Eigenmittel beibringen. Das erfolgt meist durch Einnahmen aus Geldauflagen im Rahmen von Ermittlungs- und Strafverfahren, die diesen Einrichtungen zugute kommen. Leider ist der Anteil der Mittel, die diesen Trägern zugute kommen, in den letzten Jahren weiter zurückgegangen. Auch hierzu werden wir im nächsten Jahr Vorschläge machen, um ein System zu finden, damit die Mittel, die in Sachsen-Anhalt aus Geldauflagen im Rahmen von Strafverfahren eingenommen werden, letztlich den Einrichtungen, die Opferschutz- und Täterarbeit leisten, zugute kommen, da diese Einrichtungen unmittelbar zur Sicherheit in SachsenAnhalt im Interesse eines verbesserten Opferschutzes beitragen.
Ein weiteres Thema ist die anonyme Spurensicherung. Ich bin froh, dass wir in den zwei Opferschutzambulanzen des Institutes für Rechtsmedizin Opfern von sexueller Gewalt kostenlos die Möglichkeit anbieten, auch wenn sie keine Strafanzeige erstatten, eine gerichtsverwertbare Beweissicherung vornehmen zu lassen. Wir wissen, dass die Finanzierung hierfür noch nicht in dem Stadium ist, das wir uns wünschen. Einerseits müssen wir auf der Bundesebene erreichen, dass es Lösungen im Hinblick auf die Abrechnung derartiger Leistungen gibt. Andererseits müssen wir auch im Land die Opferschutzambulanzen auf stabile finanzielle Füße stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Opferschutz ist kein Thema, das man abschließt, in dem man einen Opferschutzbericht vorlegt, sondern Opferschutz erfordert ständige Arbeit und ständige Sensibilisierung. Deshalb ist ein ganz wesentliches Augenmerk auf die Frage, wie können wir den Opferschutz in Zukunft weiter verbessern, zu legen.
Hierzu zählen Fortbildungen sowohl bei der Polizei als auch bei den Staatsanwaltschaften und bei den Gerichten. Hierbei sollen detaillierte Kenntnisse vor allem im Hinblick auf den Umgang mit Traumata vermittelt werden, um das Verfahren so zu gestalten, dass mögliche Belastungen für die Betroffenen besser bewältigt werden können.
Die Opferschutzeinrichtungen weisen uns immer wieder darauf hin, dass es manchmal Situationen in diesem Bereich gibt, in denen sich Opfer nicht adäquat behandelt fühlen. Deshalb werden wir durch ein Mehr an Fortbildung und Sensibilisierung dazu beitragen, dass sich das in Zukunft verbessert.
Wir brauchen im Land allerdings auch mehr Psychotherapeutinnen und -therapeuten, vor allem mit der Zusatzqualifikation zur Behandlung von Traumata. Es ist im Moment sehr schwierig, zeitnah
einen Behandlungstermin hierfür zu bekommen. Sie können sich vorstellen, dass dies nicht nur eine Belastung für die Betroffenen ist, die nicht die Chance haben, die notwendige Behandlung zu bekommen. Dies belastet auch unsere Opferschutzeinrichtungen, die sich in der Zwischenzeit um die Opfer kümmern und eine herausragende Arbeit leisten, die eigentlich gar nicht zu ihrem Aufgabenspektrum gehört, sondern weit darüber hinausgeht.
Lassen Sie mich abschließend noch zwei Beispiele zum Thema Prävention nennen; denn ich glaube, das ist das Thema, mit dem wir uns in der Zukunft am intensivsten auseinandersetzen müssen. Hierzu gibt es an vielen Stellen gute Ansätze, die in der einen oder anderen Hinsicht noch besser vernetzt werden können.
Ich möchte beispielhaft die Schulsozialarbeit nennen - mein Kollege ist im Moment leider nicht im Raum -, die in der Vergangenheit Projekte zur Vermeidung von Schulversagen auch mit ESFMitteln durchgeführt hat. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt; denn Schulerfolg ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Jugendliche nicht kriminell werden.
Eine weitere Initiative hat es zum Thema AntiMobbing gegeben. Hierzu gab es insbesondere für Lehrerinnen und Lehrer Fortbildungen und auch Projekte, damit sich Schüler und Lehrer vor Ort mit Entwicklungen auseinandersetzen, die durch die sozialen Netzwerke, durch neue Medien zu einer anderen Art von Mobbing geführt haben und oftmals mit neuen Herausforderungen in den Schulen verbunden waren. Das werden wir in der Zukunft fortsetzen.
Ich darf Ihnen versprechen - die Schülerinnen und Schüler auf der Besuchertribüne sind leider schon weg -, dass auch wir als Mitglieder der Landesregierung ansprechbar sind. Wir kommen in die Schulen; wir unterstützen im Rahmen von Projektwochen, aber auch des Sozialkundeunterrichts.
Ich freue mich, dass im nächsten Jahr der Deutsche Präventionstag in Magdeburg stattfinden wird. Das ist für uns alle, auch für die vielen Träger der Opferschutzarbeit, eine gute Möglichkeit, sich auch über die Landesgrenzen hinaus zu vernetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns gemeinsam die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung des Opferschutzes in Sachsen-Anhalt auch in den kommenden Jahren umsetzen. Zeigen wir damit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, dass der Opferschutz ein wichtiges Anliegen ist und dass Sachsen-Anhalt in diesem Bereich auch in Zukunft mit gutem Beispiel vorangeht.
denn Opfer von Straftaten haben ein Recht auf Schutz, auf Anerkennung und auf Unterstützung. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihre Unterstützung. Vielen Dank.
Frau Ministerin, herzlichen Dank für die Abgabe Ihrer Regierungserklärung. - Für das Protokoll möchte ich erwähnen, dass die zweite Besuchergruppe des Gymnasiums aus Wolfen auf der Besuchertribüne saß. Ich wollte die Ministerin allerdings nicht unterbrechen. Ich bitte um Verständnis.
Der Ältestenrat hat hierfür die Redezeitstruktur „E“ mit einer Dauer von 90 Minuten vorgesehen. Die Reihenfolge lautet wie folgt: DIE LINKE 18 Minuten, CDU 25 Minuten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sechs Minuten und SPD 16 Minuten.
Als erster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Frau von Angern von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist fast zehn Jahre her, dass ich auf Einladung der USA dieses sehr große, sehr vielfältige und manchmal auch unverständliche Land besuchen durfte. Dabei besichtigte ich auch zwei Gefängnisse, nämlich eines in Tucson, Arizona, und eines auf Rikers Island in New York, eine sogenannte Gefängnisinsel mit 14 000 Insassen.
Unsere Delegation hat dabei verschiedene Dinge erfahren, unter anderem dass man bei der dritten Straftat automatisch ins Gefängnis kommt, dass sich nicht etwa die Bevölkerung der Vereinigten Staaten auch in den Gefängnissen wiederfindet - nein, die Gefangenen sind überwiegend afroamerikanischer Herkunft -, dass in den Gefängnissen auch Kinderbetten zu finden sind, da man dort von Geburt an strafmündig ist. Es waren sehr beeindruckende Dinge, die wir dort erfahren haben. - So viel zu den USA.
Im Jahr 2012 war, wie Sie alle wissen, der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung fünf Tage in Norwegen. Dort besuchten wir ebenfalls ein Gefängnis, nämlich das Gefängnis in Halden. Hierbei handelt es sich ganz klar um ein Vorzeigegefängnis, um ein Gefängnis mit sehr modernen Konzepten. Wir trafen dort auf Strafvollzugsbedienstete, die einen akademischen Grad
besitzen und entsprechend bezahlt werden. Es gab dort einen Wochenendbungalow für die Familienzusammenführung. Es gab dort sogar eine eigene Bäckerei. - Das waren nur einige wenige Vorzüge der dortigen Einrichtung.
Warum beginne ich meine Rede mit diesen Erinnerungen und Einlassungen? - Ich will uns und Ihnen damit zeigen, wie unterschiedlich die Ansprüche einer Gesellschaft, wie unterschiedliche die Ansprüche eines Staates an den Umgang und die Arbeit mit Täterinnen und Tätern sind, wie unterschiedlich aber auch der Umgang mit den Opfern von Straftaten sein kann und ist. Ich will uns damit auch zeigen, dass wir in Sachsen-Anhalt und in Deutschland in diesem Bereich noch Luft nach oben haben und grundsätzlich, was natürlich nicht wünschenswert ist, auch Luft nach unten haben.
Die Überschrift der heutigen Regierungserklärung „Opfer schützen - Sachsen-Anhalt geht mit gutem Beispiel voran“ empfinde ich durchaus als selbstbewusst, allerdings - offen gesagt - auch als wenig selbstkritisch, insbesondere Letzteres macht aus der Sicht der Opposition hellhörig.
Selbstkritisch kann ich sagen, dass der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung dem Thema Opferschutz wenig Raum sowohl während der Ausschussreise als auch in den Beratungen in der gesamten Wahlperiode gegeben hat. Wir haben über das Thema Opferschutz beraten, allerdings nur indirekt im Zusammenhang mit anderen Themen.
Doch - meine Damen und Herren, lassen Sie es mich ganz deutlich sagen - ich finde es gut, richtig und sehr wichtig, dass sich Frau Ministerin heute ganz bewusst dieses Thema ausgesucht hat, die Regierungserklärung diesem Thema gewidmet hat. Denn es ist sehr wohl von wesentlicher Bedeutung, wie eine Gesellschaft mit den Opfern von Straftaten umgeht. Das stärkt das Vertrauen in den Rechtsstaat, ohne ihn auszuhöhlen; Letzteres ist mir insbesondere wichtig.
Allerdings, um auch das ganz deutlich zu sagen: Einen absoluten Schutz vor Straftaten gibt es nicht. Es ist wichtig, dass niemand von uns ein solches Signal vermittelt; denn das würde Hoffnungen wecken, die wir alle nicht erfüllen können.
Wir als Politikerinnen und Politiker können über tatsächlich bestehende Gefahren aufklären und deutlich machen, wo es keine Gefahren gibt. Wir können Rahmen setzen, um Straftaten effektiv zu verfolgen und Opfern erforderliche Hilfestellungen zu geben. Das sind Aufträge an Politik, die wir heute anlässlich dieser Regierungserklärung auch einmal hinterfragen sollten. Haben wir sie erfüllt? - Wir sollten auch überdenken, was geschehen ist, oder auch punktuell neu denken.
Wenn man sich dem Thema Opferschutz zuwendet, sollte man immer wissen - deswegen auch mein Eingangsstatement -, dass dieser nie ohne den Umgang mit den Täterinnen und Tätern gedacht werden kann. Umgedreht gilt übrigens das Gleiche.
Wir haben bereits vieles in der Regierungserklärung der Frau Ministerin gehört. Wir haben auch in der Bilanzbroschüre zu diesem Thema etwas lesen können. Es ist vieles zum Opferschutzbericht und zu Veranstaltungen zu diesem Thema gesagt worden. Ich halte es für sehr wichtig, dass aufgeklärt wird. Ich halte es für sehr wichtig und unterstützenswert, dass die Netzwerke, die bestehen, mit Leben erfüllt werden. Denn gerade für die Opfer ist dies sehr wichtig.
Für meine Fraktion möchte ich heute selbstverständlich auch die kritischen Punkte in dieser Wahlperiode ansprechen, mit denen wir dem Opferschutz in Sachsen-Anhalt absolut keinen Gefallen getan haben.
Ich beginne mit einem Thema, das uns sehr häufig beschäftigt hat, nämlich die Zukunft der rechtsmedizinischen Institute in Sachsen-Anhalt; mittlerweile ist es nur noch eines. Wenn wir ehrlich sind, haben wir hierzu zwar Beschlüsse gefasst, sind aber kein Stück vorangekommen, sondern wir sind mehrere Schritte zurückgegangen, indem wir den Standort in Magdeburg de facto abgewickelt haben bzw. er sich noch abwickeln lassen wird.
Ja, wir haben Traumaambulanzen. Ja, sie leisten eine sehr wichtige Arbeit leisten. Und ja - welche Überraschung -, sie tragen sich finanziell nicht selbst. Sie sind darauf angewiesen, Landesmittel zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das überrascht doch nicht wirklich. Das kann uns doch tatsächlich nicht überraschen. Denn genauso wenig wie sich Frauenschutzhäuser selbst tragen können, genauso wenig kann dies eine Traumaambulanz bzw. ein Rechtsmedizinisches Institut. Das möchte ich ganz deutlich sagen.
An dieser Stelle müssen sich der Rechtsstaat und damit auch wir dazu bekennen, dass wir diese Institutionen als unerlässlich zur Wahrung der Rechte von Menschen erachten und ihnen deshalb auch die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.
Meine Damen und Herren! Dieses unwürdige PingPong-Spiel zwischen den Ressorts, das wir in dieser Wahlperiode in den verschiedenen Ausschüssen haben erleben dürfen, hat hoffentlich in der nächsten Wahlperiode ein Ende.
Frau Ministerin, Sie sprachen die Opferstiftung als Teil der Lösung bei der Unterstützung von Opfern von Gewalttaten an. Ich möchte für diejenigen, die nicht dabei waren, daran erinnern, dass es einen solchen Vorschlag schon einmal gab, und zwar in der letzten Wahlperiode von der FDP-Fraktion. Damals lehnten Sie dieses Vorhaben ab.
Nichtsdestotrotz unterstützen wir Sie darin, allerdings mit dem klaren Ansatz, dass die Opferstiftung - wenn überhaupt - nur Teil einer Lösung sein kann. Das bestehende Defizit, das darüber hinaus vorhanden sein wird, muss durch den Landeshaushalt getragen wird. Das erwarte ich als tatsächliches Bekenntnis zu dieser Institution bzw. zu den Aufgaben, die dort erledigt werden und erledigt werden müssen.
Ein solches Bekenntnis haben Sie heute bezüglich der Arbeit der Frauenschutzhäuser, der Interventionsstellen und der Beratungsstellen ausgesprochen. Das ist auch gut so. Doch auch hierzu kamen wieder der Verweis auf die Bundespolitik und der Hinweis darauf, dass Sie hoffen, dass die Bundespolitik auch in diesem Bereich finanziell tätig wird.
Ja, auch aus unserer Sicht wäre es sehr wünschenswert, wenn wir in Deutschland einheitliche Standards hätten, einheitliche Standards für Hilfestrukturen für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder. Und ja, es wäre auch wünschenswert, wenn diese vom Bund finanziert werden würden. Doch, meine Damen und Herren, darauf warten wir jetzt seit vielen Jahren und es geschieht nichts - trotz aller Hoffnung, die ich bei Ihnen nicht zerstören möchte.
Nichtsdestotrotz: Es ist de facto noch immer so, dass es nur in Halle und in Magdeburg - ich als Magdeburgerin lobe Halle - die finanzielle Unterstützung von Frauenschutzhäusern für die Betreuung von Kindern, die in den Frauenschutzhäusern ankommen, gibt.
Meine Damen und Herren! Es sind nicht nur die Kinder, die in den Frauenschutzhäusern ankommen. Es gibt darüber hinaus viele Kinder, die von Gewalt betroffen sind, die eventuell in den Beratungsstellen ankommen, wenn sie ihre Mütter begleiten, die hier im Land überhaupt keine Angebote finden.
Das ist ein Armutszeugnis für ein reiches Land, wie wir es sind, dass hier keine Hilfe geschaffen wird. Noch viel schlimmer ist, dass diese Kinder ein Leben lang mit Traumata leben werden müssen und im schlimmsten Fall selbst zu Tätern werden. Das ist ausdrücklich kein Opferschutz.