Protocol of the Session on October 6, 2011

(Beifall bei der LINKEN)

Kollegin Dirlich, das halte ich gewiss nicht für eine Falschmeldung. Aber Sparen und Sparen ist manchmal durchaus zweierlei; das muss man einfach so betrachten. Ich denke,

(Zuruf von Frau Dirlich, DIE LINKE)

- Frau Dirlich, lassen Sie mich doch einfach einmal ausreden - auch bei der Bundesagentur für Arbeit kann bei sich ändernden Situationen durchaus auf ein Sparen hingearbeitet werden. Wenn dieses Sparen durch Effizienzsteigerung erzielt werden

kann, dann ist das, denke ich, auch im Sinne derjenigen, die Leistungen beziehen und die durch den Instrumentenkasten wieder in Arbeit gebracht werden sollen. Ich halte das für angemessen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Rotter, es gibt eine weitere Anfrage. Das ist jetzt auch die letzte, die ich zulassen würde. Würden Sie diese auch beantworten?

Soweit ich das kann, gerne.

Herr Kollege Steppuhn, bitte.

Sehr geehrter Herr Rotter, ich möchte Sie zunächst bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich durchaus davon gesprochen habe, dass der Arbeitsmarkt im Land besser geworden ist. Dass er aufnahmefähiger geworden ist, steht außer Frage; darin sind wir uns auch einig.

Ich möchte Sie Folgendes fragen. Sie haben davon gesprochen, dass die Kürzungen keine negativen Folgen für den Arbeitsmarkt, für die Arbeitsmarktintegration, für die Arbeit der Agenturen, aber auch der Argen und der optierenden Kommunen haben werden. Können Sie das vielleicht einmal erklären?

Und umgekehrt möchte ich Sie fragen: Welche positiven Auswirkungen wird denn aus Ihrer Sicht die Instrumentenreform haben?

(Zuruf von der CDU: Das hat er doch ge- sagt!)

Kollege Steppuhn, die positiven Auswirkungen, habe ich, so denke ich, ausreichend und klar genug beschrieben.

Sie fragten auch nach negativen Auswirkungen durch eventuelle Einsparvolumina. Ich denke, es liegt auch ein bisschen an uns, indem wir nämlich diese negativen Auswirkungen im Endeffekt einfach nicht zulassen. Es obliegt auch allen Akteuren vor Ort, dort entsprechend zu agieren.

Die Neustrukturierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente gibt uns die Möglichkeit, vor Ort so zu agieren, dass es auch beim Sparen, das ich durchaus für nötig halte, nicht zu negativen Auswirkungen kommt. Das ist Sache der Akteure vor Ort, aber auch unsere Angelegenheit. - Danke.

(Beifall bei der CDU - Frau Dirlich, DIE LIN- KE: Darf ich Sie mit diesem Satz zitieren?)

Damit schließen wir den Redebeitrag des Abgeordneten Rotter. - Als nächste Debattenrednerin spricht Frau Kollegin Latta für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Debatte zeigt einmal mehr, dass am Arbeitsmarkt in Beschäftigung und Perspektiven investiert werden muss, statt Chancen zu kürzen.

Ich möchte Ihnen die Problematik zum wiederholten Mal vor Augen zu führen: Der von der Bundesregierung vorgestellte Gesetzentwurf zur Instrumentenreform verlangt Einsparungen in Höhe von rund 7,8 Milliarden € bis zum Jahr 2015. Das wird überall im Land zu spüren sein und das bedeutet drastische Einschnitte bei der Arbeitsmarktförderung.

Die Chancen vieler Arbeitsloser werden zunichte gemacht. Davon sind insbesondere die Langzeitarbeitslosen und die schwer Vermittelbaren betroffen. Damit vertieft man die Spaltung des Arbeitsmarktes. Auch das Land Sachsen-Anhalt wird unter diesen Voraussetzungen auf eine Situation zusteuern, die da heißt: Fachkräftemangel bei gleichzeitiger hoher Arbeitslosigkeit. Es müssen doch Brücken in den Arbeitsmarkt gebaut werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Kolze, CDU)

Das bedeutet, Arbeitslose intensiver als bisher zu qualifizieren. Was unternimmt die Bundesregierung stattdessen? Genau das Gegenteil: Wegen der Kürzungen wird die Zahl der Qualifizierungen weiter zurückgehen. Auch das Problem der geringen Partizipation von Langzeitarbeitslosen, Geringqualifizierten sowie Migrantinnen und Migranten an Weiterbildung wird nicht gelöst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für eine erfolgreiche Arbeitsmarktförderung sind flexible und passgenau einsetzbare Instrumente notwendig, mit denen für Arbeitslose individuelle Wege in die Arbeit gestaltet werden können. Dies setzt jedoch voraus, dass qualifiziertes Personal in den Arbeitsagenturen und in den Jobcentern sowie genügend Mittel für die Förderung zur Verfügung stehen. Die besten Instrumente nutzen nichts, wenn kein Geld für Qualifizierungen und Förderung vorhanden ist. Es muss ermöglicht werden, die Qualität der Beschäftigung zu messen, in welche die Menschen durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter vermittelt werden. Mir ist nicht bekannt, dass das in Sachsen-Anhalt der Fall ist.

(Zuruf von der CDU: Das gibt es doch wohl nicht!)

Dies ist aber unerlässlich. Die beste Strategie für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik ist die nachhaltige Vermittlung von möglichst vielen Arbeitslosen in eine Beschäftigung, von der sie leben können und die eine selbstbestimmte Teilhabe ermöglicht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Die gute Arbeitsmarktlage ist eine ideale Basis dafür. Das arbeitsmarktpolitische Gebot der Stunde lautet daher: Jetzt in die Menschen und ihre Fähigkeiten investieren, damit sie vom Aufschwung profitieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein weiteres Problem sind befristete Arbeitsverträge. Für befristete Arbeitsverträge muss es Grenzen geben; denn der stetige Zuwachs an befristeten Arbeitsverhältnissen ist bedenklich. Die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse nimmt immer weiter ab, während der Anteil der atypischen Beschäftigung weiter wächst.

Was bedeutet das für Sachsen-Anhalt? - Bis zum Jahr 2016 werden 150 000 Fachkräfte in SachsenAnhalt fehlen. Zugleich aber ist nach den Daten der Bundesagentur für Arbeit mehr als die Hälfte der im Jahr 2010 neu geschaffenen Stellen zeitlich befristet. Zudem gehen 30 bis 40 % aller neuen Jobs auf das Konto der Zeitarbeit. - Wir brauchen einen flächendeckenden Mindestlohn.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aus dem Länderbericht Sachsen-Anhalt des IABBetriebspanels 2010 geht hervor: Als atypisch gelten Teilzeit, klassische Teilzeit, Minijobs, Midijobs, befristete Stellen und Leiharbeit. Atypische Beschäftigungen werden, meine Damen und Herren, von 49 % der Frauen ausgeübt. Das heißt, 49 % der Frauen arbeiten atypisch. Bei den Männern beträgt dieser Anteil lediglich 14 %.

Insgesamt ist der Anteil der atypischen Beschäftigung von 18 % im Jahr 1996 über 28 % im Jahr 2003 auf 34 % im Jahr 2010 gestiegen. Dies wird dann als Flexibilisierungsgrad bezeichnet. 24 % aller Beschäftigten sind in Teilzeitstellen tätig. 53 % der Teilzeitstellen sind sozialversicherungspflichtig; der Rest sind Mini- oder Midijobs.

Knapp die Hälfte der Neueinstellungen erfolgt befristet. Nur ein Zehntel dieser befristeten Stellen wird in unbefristete Stellen überführt. Insbesondere die Leiharbeit bedroht die Rechte der Beschäftigten und die sozialen Errungenschaften vergangener Jahrzehnte. Die neu eingeführte Lohnuntergrenze in der Leiharbeit ist uns zu wenig. Wir fordern Equal Pay, also gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, warnt in ihrem Wirtschaftsbericht „Deutschland 2010“ vor einer Zweiteilung des Arbeitsmarkts, und zwar durch die Abwälzung der Risiken auf befristet Beschäftigte. Dies ist nicht nur sozial ungerecht, sondern auch schädlich für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung. Laut Statistischem Bundesamt sind befristete Verträge vor allem bei jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bundesweit verbreitet. Bei unter 20-Jährigen liegt der Anteil bei über 40 %.

(Unruhe - Zurufe: Nicht so laut! - Ruhiger!)

- Ja, meine Damen und Herren, ich muss Ihnen das einmal verdeutlichen. Die Jugend ist hiervon nämlich besonders betroffen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zurufe von der CDU: Was schreien Sie denn so? Wir sind doch nicht schwer- hörig!)

Um Ihnen das noch einmal klarzumachen: Bei den unter 20-Jährigen liegt der Anteil derjenigen ohne Ausbildungsvertrag bei über 40 %. Bei den unter 25-Jährigen liegt er bei rund 25 %. Nun haben wir schon den demografisch Wandel, aber weder der Bund noch das Land sind in der Lage, für den Nachwuchs vernünftige Arbeitsverhältnisse zu schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Mehr als 50 % der ausgebildeten jungen Fachkräfte werden in Sachsen-Anhalt nach der Ausbildung nicht vom Betrieb übernommen.

(Zuruf von der CDU: Das ist nicht wahr!)

Hinzu kommt, dass Menschen in befristeter Beschäftigung ein überdurchschnittlich hohes Risiko haben, arbeitslos zu werden. Sie nehmen auch weniger an Weiterbildung teil und werden häufig schlechter bezahlt als unbefristet Beschäftigte. Diese Risiken erschweren insbesondere die Lebens- und Familienplanung junger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Eine bedenkliche Entwicklung ist die Zunahme der Zahl befristeter Arbeitsverträge. Viele Betriebe umgehen damit den Kündigungsschutz und übernehmen immer weniger Verantwortung für ihre Beschäftigten. Betriebe brauchen Flexibilität, aber nicht ausschließlich zulasten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb wollen wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Befristung von Arbeitsverträgen auf ein erforderliches Maß begrenzen und insbesondere die sachgrundlose Befristung abschaffen.

Viele Menschen wünschen sich nach wie vor sichere Zukunftsperspektiven. Gerade junge Menschen wünschen sich sichere Zukunftsperspektiven. Dieser berechtigte Wunsch darf nicht auf der

Strecke bleiben. Es müssen auch gute Arbeitsbedingungen für Jung und Alt geschaffen werden.

Immer mehr Menschen halten den Arbeitsbedingungen nicht stand. Eine zu hohe Arbeitsbelastung, Schicht- und Nachtarbeit oder die ständige Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, machen ihnen zu schaffen. Die Zahl psychisch Erkrankter nimmt zu. Doch beim Arbeitsschutz wird diese Entwicklung nicht ernst genug genommen. Deutschland begibt sich hierbei unter die Schlusslichter in Europa.

Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wollen diesem für die Beschäftigten wichtigen Thema die notwendige Aufmerksamkeit verschaffen. Der Fachkräftesicherungspakt in Sachsen-Anhalt ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nutzen Sie diese Chance für Sachsen-Anhalt. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.