Protocol of the Session on October 6, 2011

Wissen Sie, Herr Thomas, diese Frage ist ungefähr so, als würde ich einen Arzt fragen, ob er die Krankheit, die er jetzt behandeln soll, schon einmal gehabt hat.

(Heiterkeit und Zustimmung bei den GRÜ- NEN - Herr Geisthardt, CDU: Das ist manch- mal sehr hilfreich! - Heiterkeit - Unruhe)

Herr Weihrich, es kommen keine weiteren Fragen.

(Herr Borgwardt, CDU: Das habe ich eben auch gedacht!)

Schade eigentlich.

Jetzt können wir über den Antrag in der Drs. 6/435 abstimmen. Es ist der Antrag gestellt worden, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen. Ich habe von den anderen Fraktionen nichts Entsprechendes gehört. Deshalb lasse ich zunächst allgemein über die Ausschussüberweisung abstimmen.

Wer für die Überweisung des Antrags in einen Fachausschuss ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Dann brauchen wir das nicht weiter zu behandeln. Die Überweisung ist abgelehnt worden.

Wir stimmen über den Antrag als solchen ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 11 aufrufe, möchte ich eine Anmerkung machten. Mir ist signalisiert worden, dass verabredet wurde, den Tagesordnungspunkt 15 - Landwirtschaftliche Sozialversicherung - eventuell heute noch behandeln. Ich bitte die parlamentarischen Geschäftsführer zu signalisieren, ob es bei dieser Verabredung bleibt.

(Unruhe)

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 11:

Erste Beratung

Freizeit-, Bildungs- und Betreuungsangebote für Förderschülerinnen und Förderschüler auch in den Ferienzeiten sichern

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/436

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Hohmann. Ich bitte schon im Voraus, den Lärmpegel etwas niedriger zu halten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir möchten erneut das Thema der Freizeit-, Bildungs- und Betreuungsangebote für Förderschülerinnen und Förderschüler aufgreifen, über das im Plenum und im Sozialausschuss mehrfach diskutiert und beraten wurde.

Mit dem Beschluss in der Drs. 5/88/3112 B vom 3. Februar 2011 sollten die bestehenden Probleme der nachschulischen Freizeit-, Bildungs- und Betreuungsangebote für Förderschülerinnen und Förderschüler aufgehoben und verbindlich geregelt werden. Zudem wollte man die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Des Weiteren sollten die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht und Rahmenbedingungen für eine sinnvolle Gestaltung der Ferien für Kinder und Jugendliche geschaffen werden.

Doch was ist bis heute daraus geworden? - Es wurden drei bisherige Erlasse zusammengefasst, und zwar der Erlass zur Arbeit an der Förderschule für geistig Behinderte aus dem Jahr 1993, der nicht veröffentlichte Betreuungserlass vom 3. Juli 2001 und der Organisationserlass für Förder

schulen, soweit er die Schulen für geistig Behinderte betraf.

Der nun gültige Erlass von April 2011, nochmals geändert im Juli 2011, wird seit dem Schuljahr 2011/2012 umgesetzt. Er greift genau die Forderungen aus dem oben genannten Beschluss auf und schafft dabei gleichzeitig neue Probleme.

Es gibt derzeitig im Land erhebliche Unklarheiten, welche auch aus Pressemitteilungen, jüngst aus der „Volksstimme“, aus Elternbriefen und Gesprächen mit Schulleiterinnen vor Ort hervorgehen, und dringenden Handlungsbedarf.

Das Hauptproblem - darin sind sich alle einig - sind nach wie vor die nach- und außerschulischen Bildungs-, Freizeit- und Teilhabeangebote vor Ort. Durch die im Erlass geforderten verlässlichen Öffnungszeiten sind einige Förderschulen nicht mehr in der Lage, die personellen Voraussetzungen für die therapeutischen Angebote in den Ferien aufrechtzuerhalten.

Auch der Vorschlag des fachlich zuständigen Referenten des Kultusministeriums, den Erlass im Rahmen einer Erprobungsphase laufen zu lassen und sich im Februar 2012 darüber zu verständigen, ob es Probleme gibt, halten wir für nicht praktikabel; das ist schlicht viel zu spät.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die momentane Unruhe und Unsicherheit sowohl bei Eltern als auch bei Schulen und Schulträgern sorgt derzeit nicht für ein lernförderndes Klima und verlangt nach Lösungen. Das Kultusministerium hat diesbezüglich Vorschläge unterbreitet, so unter anderem die verstärkte Einbindung der Jugendlichen der Oberstufe in die Maßnahmen der Berufsorientierung. Dies wäre eine Möglichkeit, die allerdings viel zu kurz greift und nur einen geringen Teil der Problemlage erfasst.

Wir fordern die Landesregierung daher auf, Maßnahmen zu ergreifen, die die Entwicklung und Sicherung von entsprechenden Angeboten außerhalb des Unterrichts für Kinder und Jugendliche mit Behinderung bis zum Ende der Schulzeit und - das sei hier nochmals bekräftigt - auch in den Ferien befördern.

Wir könnten uns folgende Optionen vorstellen: Die entsprechende Finanzierung sollte im Rahmen der Gesetzgebung zur Kinderförderung und bei der Ausgestaltung der Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen in der Schule und deren Umfeld, die eine umfassende Teilhabe und ganzheitliche Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung verlangt, geregelt werden.

Hierbei sollte in viel stärkerem Maße die Möglichkeit der Beantragung eines persönlichen Budgets oder auch eines Integrationshelfers genutzt werden. Dafür sind Beratungsmöglichkeiten und Un

terstützungen durch die Landkreise, insbesondere der Sozial- und Jugendämter, erforderlich.

Im Hinblick auf die derzeit akute Situation der Förderschulen für geistig Behinderte vor Ort könnte es hilfreich sein, die Arbeitszeit der pädagogischen Mitarbeiterinnen anzupassen, damit die therapeutischen Angebote auch in den Ferien stattfinden können. Dies müsste so lange gelten, bis die erforderlichen Rahmenbedingungen geklärt sind. Die geleisteten Überstunden könnten entweder durch Freizeit oder durch finanzielle Vergütung ausgeglichen werden.

Des Weiteren erwarten wir, dass eine stärkere Vernetzung von Schulen, Jugendämtern, Sozialämtern und Trägern von Kindertageseinrichtungen stattfindet, um eine frühzeitige und abgestimmte Vereinbarung vornehmen zu können. Wir sind der Auffassung, dass die Zuständigkeiten nicht hin- und hergeschoben werden sollten - das gilt unter anderem für die Frage, wer für welche Finanzierung verantwortlich ist -, weil solche Streitigkeiten letztlich auf dem Rücken der Kinder und Eltern ausgetragen werden.

In unserem Antrag fordern wir zum wiederholten Male das Zusammenwirken des Kultus- und des Sozialressorts ein, um eine optimale Entwicklung und Teilhabe zugunsten behinderter Kinder und Jugendlicher zu sichern.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch hierbei möchten wir - ähnlich wie auf Kreisebene - kein Verschieben von Verantwortlichkeiten. Es bleibt die Hoffnung, dass die aktuell gegründete Arbeitsgruppe, für die die Federführung beim Ministerium für Arbeit und Soziales liegt, sich recht bald zu Ergebnissen äußern kann und für alle Beteiligten eine tragfähige Lösung anbietet.

Wir wünschen eine Überweisung in den Bildungs- und den Sozialausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Bischoff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieses Thema beschäftigt uns mittlerweile - ich weiß es gar nicht genau - bestimmt seit vier Jahren, wenn es auch in den letzten zwei Jahren intensiver der Fall gewesen ist als in der übrigen Zeit. Es ist ja immer die Frage gestellt worden: Wieso funktioniert das, obwohl es 15 oder 20 Jahre lang funktioniert hat, seit drei oder vier Jahren nicht mehr? Auch von daher ist das Teil eines Problems, bei dem ich - das gilt für beide Ministerien - nicht sofort sagen kann: Wir haben eine fertige Lösung, die wir präsentieren können; so geht es.

Da stoßen wir auch an Grenzen, die mit vielen Dingen zu tun haben, die ich jetzt nicht vortragen will. So hat etwa der Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderung, konkret die Eingliederungshilfe nach § 55 SGB IX, eine eingrenzende Wirkung. Es handelt sich um eine nachrangige Hilfe, die auch nachrangig gegenüber dem ist, was Familie, Freunde oder auch die Krankenversicherung leisten können. Den Zusammenhang jetzt auseinanderzuklamüsern ist schwierig. Das ist ja auch ein schwieriges Thema. Aber es ist ein Thema - das gebe ich zu -, für das wir eine Lösung finden müssen.

Wir haben ja versucht - ich glaube, es war im Frühjahr dieses Jahres -, die Betreuung im Bereich der Förderschulen umzustellen. Frau Wolff und ich haben damals intensive Gespräche mit den Mitarbeitern beider Ministerien geführt. Ergebnis waren zwei Runderlasse, und zwar vom 4. März und vom 13. April - einer für die Förderschulen für geistig Behinderte, der andere für die übrigen Förderschulen -, durch die ein verändertes Zeitmanagement geschaffen worden ist, damit der Verbleib der Schülerinnen und Schüler, was Schul- und Verkehrswege angeht, stabiler und besser planbar ist.

Die Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern wurden darauf orientiert, dass sie im Rahmen der Regelungen des KiFöG einen allgemeinen Anspruch auf einen Hortplatz in einer Einrichtung der Jugendhilfe haben - dies liegt in meinem Verantwortungsbereich -, sodass eine Betreuung vor allem während der Schulferien, wenn ein schulisches Angebot nicht für die ganze Ferienzeit unterbreitet wird, gleichwohl in Anspruch genommen werden kann.

Diese beiden Erlasse - ich muss sagen: ich lerne auch immer dazu, wie Schule funktioniert - haben bei den Betroffenen zunächst zu Unsicherheiten und zu Gesprächsbedarf geführt. Bekanntlich befassten sich auch der Landtag und seine Ausschüsse bereits mit der Betreuung von Förderschülerinnen und Förderschülern.

In der Umsetzungsphase gab es eine intensive Begleitung der Jugend- und Sozialämter durch das Sozialministerium. Das fand bei uns im Haus statt; ich war selber einmal mit dabei. Ratsuchende Bürgerinnen und Bürger - meist waren es ja die Eltern - wurden durch Mitarbeiter unseres Hauses nicht nur informiert, sondern in ihren Anliegen direkt unterstützt, sodass meines Erachtens in den meisten Fällen befriedigende Lösungen erreicht worden sind. Durch eine rechtzeitige Erhebung vorhandener Betreuungswünsche bereiteten die Förderschulen die Organisation von Betreuung in den Ferienzeiten in Horten vor.

Allerdings - das gebe ich zu - besteht immer noch ein riesiger Diskussionsbedarf zu dem Thema, weil offenbar vor Ort unterschiedliche Erfahrungen gesammelt wurden, die nun nach den ersten Praxis

phasen vorliegen und die man näher betrachten muss. Von daher ist eine Überweisung in die Ausschüsse sicherlich sinnvoll; denn dann sind beide Häuser gefragt, eine entsprechende Auswertung vorzunehmen.

Meines Erachtens ist es wichtig, die Ergebnisse nach Schulformen, nach regionalen Gegebenheiten und auch nach den individuellen Voraussetzungen der Schüler und Schülerinnen zu hinterfragen. Nur so können gegebenenfalls mit Augenmaß und sehr zielgenau die richtigen Maßnahmen getroffen werden, um diejenigen schulpflichtigen jungen Menschen mit Behinderung zu erreichen, deren Recht auf Teilhabe am Leben der Gemeinschaft tatsächlich nicht genügend unterstützt wird, obwohl sie im Rahmen eines Schulbesuchs und der Förderung in einem Hort bzw. integrativen Hort auf ein bereits entwickeltes Angebot treffen.

Ich will nicht näher darauf eingehen, wie die Leistungen der Eingliederungshilfe, die im Ergebnis immer eine individuelle Einzelfallprüfung voraussetzen, geregelt sind. Aber Sie haben absolut Recht: Da muss die Zusammenarbeit von zuständigen Verwaltungsbehörden und den jeweiligen Sozialämtern vor Ort, die ja in der Frage die herangezogenen Gebietskörperschaften sind, noch verbessert werden. Vor Ort ist die individuelle Bearbeitung aufgrund von Informationen über die jeweiligen Leistungsberechtigten besser möglich. Auch die regionalen Verhältnisse, wie Schülertransport am Wohnort usw., sind besser zu beurteilen. Dieser Aufgabe, glaube ich, kann das Landesparlament gar nicht mit Beschlüssen gerecht werden. Das muss vor Ort geregelt werden.

Ich will jetzt auch nicht ausführen - das wäre, glaube ich, auch ein Vorgriff -, ob das KiFöG in der Lage ist, all die Dinge zu regeln. Wir stehen ja vor einer Novellierung, in deren Rahmen all die Fragen noch einmal angegangen werden. Da geht es ja auch um weitere Fragen, die ich gar nicht so im Blick habe, bei denen es aber auch Abgrenzungs- und Überschneidungsmöglichkeiten zwischen frühkindlicher Bildung einerseits und Bildung im schulischen Bereich andererseits gibt.

Aktuell bleibt den Betroffenen nur der schulrechtliche Anspruch auf einen Schulhort, dem ein konkretes Angebot jedoch noch nicht gegenübersteht. Das, denke ich, müssen wir, gerade was die Förderschulen angeht, tatsächlich regeln.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Angebote der Jugendhilfe sind für alle Kinder und Jugendlichen offen und orientieren sich an dem Bedarf aller Kinder und Jugendlichen. Daher glaube ich, dass auch das persönliche Budget in vielen Fällen in Sachsen-Anhalt das Freizeitverhalten von Leistungsberechtigten belebt hat. Aber, wie gesagt, dem liegt eine individuelle Prüfung zugrunde. Das wird von Fall zu Fall völlig anders