Protocol of the Session on October 20, 2006

Ich möchte auch sagen, dass die Linkspartei.PDS vom Studium ein anderes Verständnis hat als viele der Mitglieder anderer Fraktionen in diesem Saal. Wir sehen Hochschulbildung nicht so, wie es einige Personen in den anderen Fraktionen sehen. Ich glaube nicht, dass man Studierende in eine Normbiografie pressen sollte. Ein Hochschulstudium muss eine emanzipatorische Komponente haben und dazu anregen, auch einmal links und rechts neben der eigenen Fachdisziplin zu schauen oder eine weitere Sprache zu lernen. Das wird aber durch den erzeugten wirtschaftlichen Druck ebenso abgetötet wie das Engagement in der Gesellschaft. Ich frage mich echt, ob Sie das wirklich wollen. Ich will das jedenfalls nicht und meine Fraktion will das auch nicht.

Am Ende meiner Rede möchte ich darauf hinweisen, dass in der Wissensgesellschaft bei lebensbegleitendem Lernen das Zweitstudium zum Regelfall werden dürfte. Wer das mit Gebühren belegt, wird zukünftig Menschen an ihrem sozialen Aufstieg und am Halten des sozialen Status hindern. Ich kann mir nicht verkneifen zu sagen, dass der Umgang mit den Studierenden, die älter als 60 Jahre sind, den wahren Geist derer zeigt, die dieses Gesetz verabschiedet haben.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das ist jetzt un- fair! Können Sie diesen wahren Geist einmal be- schreiben?)

- Ja, ich kann Ihnen beschreiben, wie er aussieht.

(Minister Herr Dr. Daehre: Wissen Sie, was Sie da gesagt haben?)

- Ja, das kann ich Ihnen sagen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Mein lieber Mann!)

Wenn Sie davon ausgehen - -

(Herr Hauser, FDP: Zum Mikro sprechen, nicht rückwärts! - Zuruf von der CDU: Mikro! - Zuruf von Herrn Dr. Schellenberger, CDU)

- Aber von hier hinten kamen die Einwände.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Das sind keine Ab- geordneten!)

Wenn Sie davon ausgehen, dass jemand, der über 60 Jahre alt ist, nur noch studieren darf, wenn er ordentlich Gebühren dafür bezahlt, dann ist das für mich genauso ein Einschränken eines Bildungsangebotes wie für jeden anderen auch.

(Herr Tullner, CDU: Das ist unerträglich!)

- Wissen Sie, für mich ist dieser Zustand auch unerträglich und ich muss damit täglich umgehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Tullner, CDU: Der Zustand ist nicht unerträglich, sondern Ihre Rede!)

Für diese Leute ist ein Hochschulstudium nämlich nur eine Ausbildung, um dann in der Wirtschaft möglichst gut verwertbar zu sein. Die Linkspartei.PDS-Fraktion verwahrt sich gegen eine so verkürzte Sicht auf die Hochschulbildung und nimmt deshalb diese Regelungen mit ihrem Gesetzentwurf zurück.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

- Ja, ja.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kultusminister, Sie haben vielleicht gemerkt, dass ich das Thema der allgemeinen Studiengebühren für das Erststudium nicht angesprochen habe. Wir werden sicherlich noch genug Gelegenheit haben, darüber zu debattieren. Diese allgemeinen Studiengebühren für ein Erststudium sind nicht Gegenstand des derzeitigen Gesetzes und auch nicht Gegenstand des Gesetzentwurfes. Ich bin zwar gespannt, ob der Minister gleich wieder die Krankenschwester oder die Verkäuferin ins Feld führen wird.

(Herr Prof. Dr. Paqué, FDP: Genau diese Zahl ist es! - Zuruf von der CDU: Genau!)

Ich habe mich aber bewusst sachlich auf unsere Änderungsvorschläge konzentriert.

Die Linkspartei.PDS-Fraktion beantragt, den Gesetzentwurf in den Bildungsausschuss zur federführenden Beratung und in den Finanzausschuss zur Mitberatung zu überweisen.

Wir wissen, dass die Finanzen davon betroffen sind. Wir möchten den Hochschulen diese Einnahmeausfälle kompensieren. Wir werden es in den Haushaltsverhandlungen ansprechen und die Mittel einfordern. Wir werden Ihnen zeigen, wie wir uns das vorstellen und zeigen, dass es geht. Wir hoffen, dass dieses Mal im Bildungsausschuss die parlamentarischen Gepflogenheiten eingehalten und die Betroffenen auch angehört werden können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Lange. - Sollten wir Sie irritiert haben, dass zur Unzeit die rote Lampe leuchtete, dann bitten wir um Entschuldigung.

Meine Damen und Herren! Bevor wir die Meinung der Fraktionen dazu hören, hat Herr Minister Olbertz um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon im letzten Jahr hatte das Parlament über einen Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS zu beraten, der nahezu inhaltsgleich war. Wie heute ging es nämlich um die Forderung, Studienbeiträge grundsätzlich auszuschließen, das heißt, ein Gesetz zu ändern, in dessen § 111 nach wie vor steht - ich zitiere -:

„Das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, sind von Studiengebühren befreit.“

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Es bezieht sich also auch auf ein sich unmittelbar an das Bachelorstudium anschließendes Masterstudium. Es ist ungefähr so, als würde man einen Gesetzentwurf zum Schulgesetz einbringen, der die allgemeine Schulpflicht fordert.

Wenn man befürwortet, was in einem Gesetz steht, dann fände ich es besser, sich darauf zu berufen, anstatt es gerade in diesem wichtigen Punkt zu ändern.

(Zuruf von Herrn Lange, Linkspartei.PDS)

In dem Gesetzentwurf geht es also nicht um das, was man landläufig unter Studiengebühren versteht, sondern es geht vielmehr darum, Gebühren für Langzeitstudierende abzuschaffen. Dazu muss man sich in Erinnerung rufen, dass solche Gebühren nach der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht sofort nach Ablauf der Regelstudienzeit anfallen, sondern erst vier Semester später, also zwei Jahre danach.

(Minister Herr Dr. Daehre: Richtig! - Herr Lange, Linkspartei.PDS: Das betrifft trotzdem viele!)

- Ja, das ist richtig, es betrifft viele. - Wenn jemand im ersten oder im zweiten Semester das Studium wechselt, wird das noch nicht einmal angerechnet. Lieber Hendrik Lange, ich kenne junge Kollegen, die ihr Studium mit Geschwindigkeit und zielstrebig von dem Tag an abgeschlossen haben, als Langzeitstudiengebühren zu befürchten waren. Ich beglückwünsche alle, die diesen Anlass so gewählt haben.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Ich verrate natürlich nicht, von wem ich jetzt hier gesprochen habe.

(Herr Lange, Linkspartei.PDS, lacht)

Zweitens geht es in dem Entwurf darum, Gebühren für Gasthörer und Studierende in einem Alter von über 60 Jahren auszuschließen.

Drittens geht es in dem Gesetzentwurf darum, Lernmittel, Fernstudienmaterialien und dergleichen gänzlich kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Wenn sich die Fraktion der Linkspartei.PDS, wie sie in der Begründung sagt, davon leiten lässt, - ich zitiere - „dass Studiengebühren sowie weitere Gebühren und Entgelte den allgemeinen Bildungszugang einschränken und gegebenenfalls die Zahl der Studierenden senken“,

und wenn sie zur sozialen Gerechtigkeit beitragen will, dann muss ich das hier natürlich hinterfragen.

Sowohl der Zugang zu einer Hochschule als auch ein zügiges Studium sind für junge Menschen, die sich dort für ihren späteren Beruf qualifizieren wollen, studiengebührenfrei.

Wenn man sich wesentlich länger an einer Hochschule aufhalten will und damit auch die Ressourcen der Hochschule, die von der Öffentlichkeit aufgebracht werden, länger - und zwar nicht nur ein bisschen, sondern wesentlich länger - in Anspruch nehmen will, dann halte ich es auch für ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit zu sagen, dass dies dem Steuerzahler ab einem bestimmten, sehr toleranten Punkt nicht mehr sinnvoll verständlich zu machen ist.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Insofern kann ich hier nur wiederholen, dass ich nicht dafür bin, dass es für die jungen Leute an den Hochschulen einen unlimitierten Zugriff auf ein öffentliches Gut geben soll. Das ist nicht gerecht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Man kann das fordern in einer interessengeleiteten Argumentation, aber nicht unter der Prämisse sozialer Gerechtigkeit; denn sozial gerecht ist das gerade nicht.

Das ist der Stand des Gesetzes. Dieser scheint mir nicht nur vertretbar, sondern beispielsweise gerade im Hinblick auf das Problem, das wir parallel diskutieren, nämlich den Doppelabiturjahrgang, auch ein sehr wichtiger Punkt zu sein. Hierbei geht es auch um ein Stück Haltung gegenüber jungen Leuten, die zielstrebig studieren und dafür den Raum und die Ressourcen beanspruchen sollen und dürfen und deshalb eigentlich allen Vorrang verdienen.

Ich kann auch belegen, dass mir das Seniorenstudium persönlich sehr am Herzen liegt. Da wir aber nun einmal nur eine begrenzte Ressourcenmenge und sinnvollerweise - übrigens auch aus Qualitätsgründen - nur eine begrenzte Anzahl von Studienplätzen zur Verfügung haben, kann ich keinem jungen Menschen erklären, dass er seinen Studienplatz möglicherweise an jemanden aus dem Seniorenstudium abtreten muss, weil die Ressourcen begrenzt sind. Das kann ich nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)