Protocol of the Session on October 20, 2006

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Gürth, jetzt würde die letzte Frage gestellt werden. Das halten wir noch durch. - Frau Rogée.

Ich frage nur noch einmal nach, Herr Gürth; denn Sie haben die Frage vorhin nicht beantwortet: Ist das Prozedere im Allee-Center keine Zwangsöffnung?

Was soll ich dazu sagen? Uns allen ist bekannt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer, die inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte im Allee-Center nicht mit den anderen inhabergeführten Geschäften des mittelständischen Einzelhandels gleichzusetzen sind. Das bedeutet, wer mit dem Allee-Center einen Vertrag eingeht und dort Räumlichkeiten anmietet, der unterwirft sich dem Gesamtkontext dieses Vertrages. Das geht so weit, dass ein Centermanager in den Laden geht und die Verkäuferin auffordert, eine Fliege aus dem Geschäft zu jagen.

Es ist teilweise absurd, aber auch dort gibt es ökonomische Grenzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kaufkraft, die ohnehin begrenzt ist, nicht auf 24 Stunden ausgedehnt werden kann - auch nicht im Allee-Center. Das Centermanagement wird dieses neue Recht etwas exzessiver als andere Einzelhandelsstandorte zu nutzen versuchen, aber auch sie werden schnell auf die kaufmännischen Grundsätze zurückkommen und sagen, was sich nicht rechnet, machen wir nicht.

Wenn die Läden mehr Ausgaben als Einnahmen haben, haben sie keinen mehr darin. Ich denke, dann wird die Ökonomie im Allee-Center das Gebot der Stunde sein. Alles andere regelt sich vernünftig aus dem Gesetz heraus.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Herr Gürth, vor allen Dingen für Ihre Geduld bei der Beantwortung der zahlreichen Fragen. - Damit ist die Debatte beendet.

Bevor wir in das Abstimmungsverfahren einsteigen, begrüßen wir Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Quedlinburg. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir stimmen über die Drs. 5/288 ab. Ich habe nicht vernommen, dass einer Überweisung etwas entgegensteht. Es bestand der Wunsch, den Gesetzentwurf ausschließlich in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wenn das so ist, dann frage ich, wer damit einverstanden ist, die Drs. 5/288 in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Ich bitte um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf in den Wirtschaftausschuss überwiesen worden und wir verlassen den Tagesordnungspunkt 9.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Es macht zwar den Eindruck, dass Sie noch schnell die geöffneten Läden besuchen müssen, aber ich rufe dennoch den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/277

Ich bitte zunächst Herrn Lange, diesen Gesetzentwurf für die Linkspartei.PDS einzubringen. Bitte schön, Herr Lange, Sie haben das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Hochschuldebatte kann heute ohne das Wort Studiengebühren geführt werden. Der Paradigmenwechsel - erst schleichend - wird in der Bundesrepublik mittlerweile ganz ungeniert durchdekliniert.

Wir sind froh, dass sich Sachsen-Anhalt in seinem Hochschulgesetz zum gebührenfreien Erststudium bekennt und dass der Koalitionsvertrag diesen Status derzeit noch wahrt. Gleichwohl treffen Studiengebühren, seien es direkte oder indirekte, auch hierzulande die meisten der heute Studierenden in irgendeiner Form.

Um einen Hintergrund unseres Gesetzentwurfes zu verstehen, müssen wir ein wenig in die Vergangenheit gehen, nämlich in eine Zeit, in der die Studienbeiträge abgeschafft und das Bafög eingeführt wurde. Insider wissen, dass das in der BRD so etwa um 1970 war, als SPD und FDP noch eine andere Politik verfolgten und so vielen Kindern so genannter bildungsferner Schichten das Studium erstmals ermöglicht haben. Aus dieser Zeit - sogar ein bisschen früher - stammt folgende Verpflichtung - ich zitiere -:

„... den Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einfüh

rung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen.“

Das klingt gut, ist es auch. Das ist der internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, ein Menschenrechtsdokument der Vereinten Nationen, das 1966 von der Vollversammlung verabschiedet, 1968 von der BRD unterzeichnet und 1973 ratifiziert wurde. Es ist damit nach Artikel 25 des Grundgesetzes unmittelbar geltendes Recht. Ich lese das noch einmal vor: Die Unterzeichner verpflichten sich,

„den Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen.“

Das gilt in Deutschland, und doch wird gerade in eine vollkommen entgegengesetzte Richtung gegangen. Sachsen-Anhalt bildet dabei leider keine Ausnahme.

Es ist traurig, dass ein Land wie die BRD, das immerhin einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat anstrebt, einen so essenziellen Menschenrechtsvertrag nicht einhalten will. Die Linksfraktion will das aber. Darum gibt es den Antrag auf die Änderung des Landeshochschulgesetzes. Selbstverständlich unterstützt unser Antrag auch ein gebührenfreies Studium gemäß § 111 Abs. 1.

Wir möchten aber auch die Abschaffung der indirekten Studiengebühren. Das sind Gebühren für Lehr- und Lernmittel, für multimedial und telematisch aufbereitete Studienmittel sowie für die Nutzung der Hochschuleinrichtungen. Zudem bewirkt unser Gesetzentwurf die Befreiung von Langzeitstudiengebühren, die Möglichkeit eines gebührenfreien Zweit- und Seniorenstudiums sowie die Gebührenfreiheit für Gasthörer.

Lassen Sie mich auf die indirekten Studiengebühren eingehen. Diese sind in der Tat im jetzigen Gesetz am problematischsten, weil sie jeden Studierenden treffen können. Zwar sind sie nur eine „Kannregelung“, Sie können sich aber sicherlich vorstellen, dass die Hochschulen unter den Bedingungen gekürzter Finanzen jede zusätzliche Einnahmequelle nutzen. Der Kultusminister fordert das auch immer.

Die Hochschulen haben im Jahr 2005 aufgrund dieser Paragrafen fast 740 000 € eingenommen. Darin sind sicherlich auch einige Raummieten für Veranstaltungen enthalten. Das muss man der Ehrlichkeit halber dazu sagen, aber die Tendenz ist doch klar.

Was versteht man unter Hochschuleinrichtungen? Das ist zum Beispiel der Computerpool. In der Tat wird in einigen Hochschulen in Sachsen-Anhalt über eine solche Gebühr nachgedacht. Vorgestern gab es eine Jubelmeldung, nämlich dass Vodafone den so genannten Elitehochschulen auch noch ein kostenloses Kommunikationsnetz zur Verfügung stellen will.

Ich will Werbung und Sponsoring gar nicht bewerten. Ebenso verkneife ich mir das Sprichwort mit dem Teufel und dem Haufen. Aber eines macht es doch deutlich, nämlich die Wichtigkeit der Kommunikation für die Wissenschaft. Dafür sollte man den Studierenden kein Geld abknöpfen, meine Damen und Herren, und für andere vergleichbare Einrichtungen auch nicht.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Das zweite Problem bei indirekten Studiengebühren im jetzigen Gesetz ist die Ermöglichung von Praktikumsgebühren.

Die Anzeige signalisiert mir schon das Ende der Redezeit. Da stimmt doch was nicht.

Es war nur die Technik. Wir haben es schon gemerkt. Sie haben noch zehn Minuten.

Das ist gut. - Das zweite Problem bei den indirekten Studiengebühren im jetzigen Gesetz ist die Ermöglichung von Praktikumsgebühren. Das betrifft insbesondere die materialintensiven Studiengänge wie die Medizin, die Biologie und die Pharmazie. An dieser Stelle muss für ein Praktikum ein erheblicher finanzieller Aufwand betrieben werden. Sehen Sie sich an, was Chemikalien oder Enzyme kosten. Man kann sich vorstellen, was dort an Geldern zusammenkommt.

Nach meiner Erfahrung wird mittlerweile an den Hochschulen erwogen, dieses Geld bei den Studierenden einzutreiben, es diesen Studierenden in Rechnung zu stellen. Diese Gebühren sind fernab jeglicher Kompensationsmöglichkeiten durch Bafög oder Stipendien. Wenn Befreiungsmöglichkeiten eingeräumt werden, sind diese meistens an den Bezug von Bafög gebunden. Das verschärft zusätzlich das Mittelstandsloch.

Es kann doch nicht der Wille der Politik sein, dass sich jemand mit einer weniger dicken Geldbörse überlegen muss, ob er eine Naturwissenschaft oder eine Geisteswissenschaft studieren kann. Diesbezüglich findet soziale Selektion schon bei der Studienwahl statt. Dagegen richtet sich unser Gesetzentwurf.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Tullner, CDU: So ein Quark!)

- Herr Tullner, Sie haben doch gleich die Gelegenheit zu sprechen. - Ich komme zu dem heikelsten Thema, nämlich der Limitierung der Hochschulbildung durch Langzeit- und Zweitstudiengebühr.

(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Da bin ich ge- spannt!)

Erst einmal möchte ich mit dem beliebten Vorurteil aufräumen, das besagt, Langzeitstudierende seien faul. Wer so argumentiert, redet auf Stammtischniveau.

Es gibt die verschiedensten Gründe, warum jemand die Regelstudienzeit überschreitet, zum Beispiel gesellschaftliches Engagement, das viele Studierende neben ihrem Studium leisten - etwas, wofür man dankbar sein muss, was immer eingefordert wird und was nicht bestraft werden sollte. Auch müssen die meisten Studierenden neben ihrem Studium noch etwas hinzuverdienen. Sie wissen das. Das Bafög reicht nicht aus. Es ist erst einmal die Frage, ob man Bafög beziehen kann. Nach der 17. Sozialerhebung des Studentenwerkes müssen 63 % der Studierenden für ihren Lebensunterhalt dazuverdienen.

Was man nicht außer Acht lassen darf und was an unseren Hochschulen zunimmt: Man kann aufgrund der Überlast nicht mehr in der Regelstudienzeit studieren, weil man zum Beispiel keinen Seminar- oder keinen

Praktikumsplatz bekommt. Ich finde, wir dürfen die Studierenden für diese Umstände nicht bestrafen. Das werden sie aber derzeit.

Es gibt Briefe von verzweifelten Studierenden, die nicht wissen, wie sie diese Gebühren bezahlen sollen. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Die Eltern von Hartz IV betroffen, schon immer nebenher gearbeitet und gerade über die Runden gekommen.

Haben Sie einer solchen Person schon einmal in die Augen gesehen? Was sagen Sie dazu, Herr Minister? In der Regel nennen Sie diese Gebühren einen pädagogischen Ansporn. Das müssen Sie einmal jemandem sagen, der in einer solchen Situation ist.

Seit der Einführung der Langzeitstudiengebühren haben mehr als 1 200 Studierende das Studium nach der Überschreitung der Regelstudienzeit abgebrochen. Ich gebe zu, es gibt auch „Karteileichen“. Das muss man der Ehrlichkeit halber dazu sagen. Aber 1 200 Studierende, das sind nicht nur Karteileichen. Allein schon deswegen müssen Langzeitstudiengebühren abgeschafft werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie müssen aber auch noch aus einem anderen Grund abgeschafft werden. Langzeitstudiengebühren, meine Damen und Herren, sind volkswirtschaftlicher Unsinn. Es studiert jemand in einem Diplomstudiengang 14 Semester lang und muss dann aus finanziellen Gründen kurz vor dem Abschluss abbrechen. Er steht dann ohne Abschluss da. Das kann nicht im Interesse eines Landes sein.

Ich möchte auch sagen, dass die Linkspartei.PDS vom Studium ein anderes Verständnis hat als viele der Mitglieder anderer Fraktionen in diesem Saal. Wir sehen Hochschulbildung nicht so, wie es einige Personen in den anderen Fraktionen sehen. Ich glaube nicht, dass man Studierende in eine Normbiografie pressen sollte. Ein Hochschulstudium muss eine emanzipatorische Komponente haben und dazu anregen, auch einmal links und rechts neben der eigenen Fachdisziplin zu schauen oder eine weitere Sprache zu lernen. Das wird aber durch den erzeugten wirtschaftlichen Druck ebenso abgetötet wie das Engagement in der Gesellschaft. Ich frage mich echt, ob Sie das wirklich wollen. Ich will das jedenfalls nicht und meine Fraktion will das auch nicht.