Protocol of the Session on October 20, 2006

- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich meine Argumente in aller Gelassenheit ausführen, wie wir das auch umgekehrt gern tun werden.

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, Linkspartei.PDS)

Gleichzeitig wird hiermit eine Entwicklung abgeschlossen, die eigentlich schon länger im Gang war. Es ist der letzte Schritt in die Richtung einer Liberalisierung.

Ich sage ganz deutlich: Es wird sich in der Praxis, was die eigentlichen Öffnungszeiten betrifft, bei der überwältigenden Mehrzahl der Verkaufsstellen gar nicht so viel ändern. Denn wer hat schon den Anreiz, nachts um 2 Uhr sein Geschäft zu öffnen? Das wird eine verschwindende Minderheit sein, wie wir das überall in den Ländern, in denen es entsprechende liberale Regelungen gibt, beobachten. Übrigens zählt auch ein Land wie Schweden dazu, das von den Sozialdemokraten und von den Sozialisten in anderer Hinsicht immer sehr bewundert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Umso befremdlicher ist es, dass die Regierung und vor allem die SPD in der Regierung den Prozess der Liberalisierung zeitlich weiter verzögern will. Wir haben gestern bei der Debatte über den Entwurf des so genannten Kampfhundegesetzes gesehen, dass die SPD gelegentlich bereit ist, außerordentlich schnell zu handeln. Allerdings war das auch ein miserabel vorbereiteter Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP - Oh! bei der CDU)

An dieser Stelle ist Eile geboten, zumal sich der Handel klar dafür ausgesprochen hat, dass das Weihnachtsgeschäft unter den neuen Regeln erfolgen sollte und weil es nach jahrzehntelanger Behandlung keinen wirklich großen Beratungsbedarf mehr gibt.

Wir als Liberale sagen deshalb ganz klar: Es muss zügig beraten werden. Deswegen sprechen wir uns für eine ausschließliche Überweisung in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit aus, damit zügig parlamentarisch beraten werden kann.

Herr Minister, wir sollten auch keine Rücksicht auf die Sachsen oder wen auch immer nehmen; denn die Sachsen nehmen auch in anderen Fragen keine Rücksicht auf uns. Wenn wir liberalisieren, dann wollen wir einmal sehen, was die Sachsen machen und wie weit sie gehen. Wir können dann in einem offenen Wettbewerb, auch über die Landesgrenzen hinaus, diese Frage austragen.

Meine Damen und Herren! Wir in Sachsen-Anhalt stehen früher auf. Das sollte bei dieser Sache auch wirklich unser Motto sein.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir Liberale freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss, wobei ich deutlich sage, dass es in Bezug auf den Gesetzentwurf mit seinen 14 Paragrafen durchaus noch einigen konkreten Beratungsbedarf gibt, weil es in diesem Gesetzentwurf fast ausschließlich um die Regelung der Ladenöffnungszeiten an Sonntagen geht. An dieser Stelle findet sich die

eine oder andere Detailregelung, über die man sich wirklich sehr wundern muss und die noch einmal im Ausschuss diskutiert werden muss. Ich denke auch daran, dass zum Beispiel auf die Zeiten der Hauptgottesdienste Rücksicht genommen werden sollte.

Meine Damen und Herren! Ich habe selber einmal in den Vereinigten Staaten von Amerika gelebt. Dort gibt es solche besonderen Regelungen nicht und die Kirchen sind am Sonntag erheblich besser gefüllt, als das in Deutschland der Fall ist.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS.)

Nun gut, über die eine oder andere Regelung - ich könnte noch einige nennen - muss man im Einzelnen diskutieren. Das klare Signal muss sein: Wir gehen zügig mit diesem Gesetzentwurf um. Wir bringen es auf den Weg. Wir setzen das Signal dafür, dass in Deutschland die Ladenöffnungszeiten endlich liberal gehandhabt werden. Dieser Schritt wird auch international positiv wahrgenommen. Für unser Land ist es gleichfalls ein positives Signal nach außen.

Die Arbeitnehmerrechte - das wurde bereits vom Minister angedeutet - wird man auch dezentral in den entsprechenden Gremien auf betrieblicher Ebene und zwischen den Tarifpartnern aushandeln können. Dabei wird es sicherlich kein Problem geben. - Herzlichen Dank, meine Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Professor Paqué. - Für die SPD spricht der Abgeordnete Herr Miesterfeldt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als mir der Gesetzentwurf zum ersten Mal vorgestellt wurde, war mein erster Impuls ein ähnlicher wie bei meinem Vorredner: endlich Entbürokratisierung.

(Zustimmung von Herrn Prof. Dr. Paqué, FDP)

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Dann fing er an nachzudenken! - Heiterkeit bei der SPD)

nicht zu früh aufstehen! - Ich dachte dies, weil ich mich an die unendlichen Stunden erinnerte, in denen ich mich früher in verschiedenen Dienstverhältnissen mit dieser Gesetzesmaterie herumschlagen musste. Liebe Frau Rogée, Sie wissen es.

Dann begann, lieber Herr Gallert, das Nachdenken. Beim Nachdenken wurde ich darauf aufmerksam, dass wir uns mit etwas Wesentlichem unserer abendländischen Kultur beschäftigen, auch wenn ich der Überzeugung bin, dass das Abendland nicht untergehen wird, wenn wir dieses oder ein ähnliches Ladenöffnungsgesetz beschließen.

Ich möchte eine Quelle der jüdisch-christlichen Kultur und Geschichte zitieren:

„Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun,“

- aufgepasst, Sozialpolitiker, jetzt wird es interessant! -

„auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht“

- richtiger wäre „dein Sklave“ und „deine Sklavin“ -

„dein Rind, dein Esel und all dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.“

Das ist Sozialgesetzgebung von vor über 3 000 Jahren. Im Katechismus von Martin Luther hört sich das etwas kürzer an, und zwar wie folgt:

„Du sollst den Feiertag heiligen.“

Es war - man könnte es beinahe so sagen - eine gesellschaftliche Übereinkunft, dass dieser am Abend des vorherigen Tages beginnt.

Meine Damen und Herren! Kultur und Religion oder Religion und Kultur nehmen hierbei nur das auf, was im Menschen ohnehin drin ist. In unseren Körperzellen tickt ein molekularer Taktkörper. René Descartes hielt ihn für den Sitz der Seele.

In der „Süddeutschen Zeitung“ konnte man in der vergangenen Woche Folgendes lesen:

„Wechselnde Schichtdienste führen zu Hormonchaos, erhöhtem Blutdruck und Infarktrisiko.“

Weiter heißt es:

„Frauen sind davon stärker betroffen als Männer.“

Der etwas lockere, aber durchaus tiefsinnige Spruch „Feste arbeiten und Feste feiern“ bedarf eines geordneten Rhythmus, der uns von der Biologie vorgegeben ist und den Kultur und Religion eigentlich nur aufgegriffen haben.

Meine Damen und Herren! Wir werden irgendwann in diesem Hause dem Zeitgeist oder, wie es der Minister sagte, der Lebenswirklichkeit folgen. Davon bin ich überzeugt. Diese schreit nach Wachstum, obwohl es nichts auf dieser Erde gibt, das immer nur wächst. Bei einem Gesetz über die Ladenöffnungszeiten sollten wir uns dessen bewusst sein, dass bei sieben mal 24 Stunden die obere Grenze des Wachstums erreicht ist.

Wer heute glaubt, hier nur über einen Gesetzentwurf zu reden und dass es besonderer Eile bedarf, weil es um den ersten Advent 2006 geht, springt zu kurz. Das halte ich für unerträglich, Herr Paqué.

(Frau Weiß, CDU: Na!)

Ich halte es auch für unerträglich, wenn uns 50 000 bis 70 000 Beschäftigte in dieser Branche weniger Redezeit wert sind als Kampfhunderassen.

(Beifall bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS)

„Im Auftrag unserer Mitgliedsbetriebe widersprechen wir einer derart umfassenden Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten.“

Das hört sich an wie von ver.di, ist aber vom Landesinnungsverband der Uhrmacher. Diese Zitate könnte ich fortführen, zum Beispiel wie folgt:

„Klein- und Mittelbetriebe bleiben ebenso auf der Strecke wie Arbeitnehmer.“

Dieses Zitat stammt von der Katholischen ArbeitnehmerBewegung.

Ich komme zu Schlussfolgerungen. Meine Damen und Herren! In diesem Gesetz müssen die Arbeitnehmerrechte und der Arbeitnehmerschutz für Nacht- und Wo

chenendarbeit klar in einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung festgehalten werden. Es wird mit uns keinen 24-Stunden-Samstag geben