Protocol of the Session on October 20, 2006

In demselben Zeitraum - ich denke, hierin werden Sie mir ebenso zustimmen - leisteten die Verkehrsunternehmen im Land Sachsen-Anhalt ihren Beitrag zur Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs und gleichzeitig ihren Beitrag zur Reduzierung von Aufwendungen der öffentlichen Hand. Die Verkehrsunternehmen leisten diesen Aufwand noch heute, auch zum Nachteil ihrer Kunden.

Es bleibt ein fader Beigeschmack, wenn diesen Verkehrsunternehmen die Einnahmeausfälle aus der Schülerbeförderung im Jahr 2006 zu Preisen der Jahre 1992 und 1993 entgolten werden. - So weit zu der einen Interessenlage.

Die andere Interessenlage, meine Damen und Herren, ist die aus der Sicht unserer Kinder, der Schüler, welche die für sie unentgeltliche Schülerbeförderung in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren, Sie folgen sicherlich dem bekannten Grundsatz: Kurze Beine, kurze Wege. Dieser Grundsatz wird in der Schülerbeförderung des Landes Sachsen-Anhalt durch die Verkehrsunternehmen nicht in jedem Fall beachtet. Es gibt Verkehrsunternehmen, welche diesen Grundsatz im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten nachahmenswert umsetzen. Andere wiederum - diese sind bekannt - generieren durch unnötig lange Reisezeiten der Schüler zusätzliche Einnahmen, um a) die öffentliche Hand auf deren ausschließliche Forderung hin so weit wie möglich von Zuwendungen im ÖPNV zu entlasten bzw. b) um den öffentlichen Personennahverkehr im Landkreis überhaupt noch aufrechterhalten zu können.

Dazu muss ich ehrlich sagen, meine Damen und Herren: Dafür habe ich Verständnis, akzeptieren kann ich diese Situation jedoch nicht. Es ist eine Situation - hierbei bitte ich um Unterstützung -, welche uns keinesfalls zufrieden stellen darf.

Im Interesse der Kinder müssen die Schulwege und die Reisezeiten in der Schülerbeförderung so kurz wie nur irgend möglich gestaltet werden. Neben der Schulentwicklungsplanung der Landkreise und der kreisfreien Städte kann auch die Landesregierung ihren Beitrag zur Umsetzung dieses Anspruches leisten. Auch hierzu gibt uns der Bundesgesetzgeber das notwendige Werkzeug in die Hand. So gestattet es eben jenes schon zitierte Personenbeförderungsgesetz der Landesregierung, die

Erstattungen an die Verkehrsunternehmen an Bedingungen zu knüpfen.

Diese Auflagen können zum Beispiel Reisereichweiten bzw. Reisezeiten betreffen, welche an das WohnortSchulort-Prinzip geknüpft werden. Ebenso können Beschränkungen der Gültigkeitstage auf Arbeitstage statt auf Werktage festgelegt werden; wie gesagt - insofern wiederhole ich mich -, alles auf dem Weg der Verordnung.

Sofern Verkehrsunternehmen Leistungen in der Schülerbeförderung jedoch am sechsten Werktag, also am Sonnabend, erbringen, sollen ihnen selbstverständlich auch die dadurch entstandenen Einnahmeausfälle erstattet werden. Da die zuständigen Behörden jedoch diese Anträge sehr penibel prüfen, ist die Reduzierung der anspruchsberechtigten Tage von wesentlich geringerer Bedeutung als die Erstattung von Leistungen im Jahr 2006 auf der Basis von Preisen der Jahre 1992 und 1993.

Es obliegt nach dem Willen des Bundesgesetzgebers der Landesregierung, per Verordnung sowohl für die Schüler als auch für die Verkehrsunternehmen attraktive Kriterien festzulegen. Genau dazu soll der Ihnen vorliegende Antrag anregen. Ich bitte daher um Ihre geneigte Unterstützung. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Heft. - Nun erteile ich Herrn Minister Daehre das Wort, um für die Landesregierung zu sprechen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS mit der Überschrift „Sockelbetrag und Reisereichweiten in der Schülerbeförderung“. Ich weiß nicht, inwieweit Sie sich bei der Antragstellung mit Ihrem ehemaligen Kollegen Herrn Kasten kurzgeschlossen haben. Wenn Sie es nicht gemacht haben, dann würde ich Ihnen dringend empfehlen, das noch zu machen, damit auch sein Wissen, das in den letzten 13 Jahren von ihm zu diesem Thema angesammelt worden ist, mit einfließt; denn er war in diesem Bereich immer jemand mit einer hohen Sachkenntnis.

(Herr Borgwardt, CDU: Genau!)

Dann würde auch klar sein, dass es kein Thema ist, das wir nicht schon bearbeitet haben. Deshalb ist es richtig und auch in diesem Fall gut so, dass wir uns mit diesem Thema in diesem Hohen Hause einmal beschäftigen; denn das ist alles nicht ganz einfach, weil es natürlich im Hinblick auf Wünsche einerseits und die fiskalische Seite andererseits und drittens in Bezug auf die geografische Situation in Sachsen-Anhalt als Flächenland viele Probleme zu lösen gibt. Deshalb ist es eine andere Situation, wenn ich in Halle darüber spreche, als wenn ich in der Altmark über dieses Thema rede.

(Herr Borgwardt, CDU: Ja!)

Wir müssen versuchen, diesem Spannungsfeld gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren! Die derzeitige Regelung des § 45a weist gravierende Mängel auf. Das ist unstrittig.

Darüber haben wir auch in der letzten Zeit mehrfach diskutiert. Die Regelung stammt aus der Mitte der 70erJahre. Das war gerade die Zeit der Erdölkrise in Europa, in der - im Westen Deutschlands jedenfalls - versucht wurde, mehr Menschen in die Züge zu bekommen. Wir in der DDR hatten ja genug Menschen in den Zügen. Das Benzin war ja bei uns auch knapp.

Es kristallisierte sich mehr und mehr heraus, dass der Schüler in der Zukunft der Hauptkunde sein wird, was er auch in der Vergangenheit schon war. Um dennoch auch in der Region weiter ein ausreichendes Verkehrsangebot vorhalten zu können, ging es mit dieser Regelung nicht nur darum, den Rabattierungsverlust auszugleichen. Es ging auch darum, den Verkehrsunternehmen eine verlässliche Finanzierungsquelle zu garantieren. Doch wie so oft zeigte sich auch hier: „Gut gemeint“ ist oft das Gegenteil von gut.

Die Bestimmung wird seit langem völlig zu Recht kritisiert. Es wird eine Überkompensation vorgeworfen. Dieser Vorwurf ist nicht unberechtigt. Es hat schon Fälle gegeben, in denen die Unternehmen, die dieses komplizierte Berechnungssystem auszunutzen verstanden, den vier- bis sechsfachen Betrag des Rabattierungsverlustes erhalten haben.

Das leitet gleich zu dem nächsten Punkt über. Die Regelung ist viel zu kompliziert. Kleine und mittlere Unternehmen haben nicht in dem Maße wie große Unternehmen die Personalressourcen, um die Erlöse über diese Bestimmungen zu optimieren. Einige Unternehmen haben bereits externe Büros damit beauftragt, für sie die Anträge zu stellen, weil sie selbst damit schlichtweg überfordert sind.

Die Regelung ist aber auch kompliziert für die Bewilligungsstelle, denn der angesprochene maßgebliche Wert - die so genannte mittlere Reiseweite - ist immer wieder Streitpunkt zwischen Antragstellern und Bewilligungsbehörde, sofern nicht von der Pauschalisierung Gebrauch gemacht wird, sondern die Reiseweite im Einzelnen nachgewiesen wird.

Es ist gerade auch die mittlere Reiseweite, die dazu animiert, diese üblichen Schleifenfahrten zu organisieren, die den Schülern nicht zumutbar sind und die jetzt vor dem Hintergrund der Schulschließungen noch weniger zumutbar sind, über die sich die Eltern ärgern und mit denen die Verkehrsunternehmen auch nicht zufrieden sind, weil sie natürlich wissen, dass diese Art der Verkehre gerade für Wahlkunden nicht attraktiv ist. Somit standen die Verkehrsunternehmen bisher vor einem Dilemma. Machen sie es für die Wahlkunden attraktiv, so verkürzt sich die Reiseweite und sie verzichten auf Mittel nach § 45a.

Deswegen war ich persönlich erleichtert, als im August dieses Jahres die Länderöffnungsklausel durchkam. Sie gestattet den Ländern - genau dort gehört auch die Regelung hin -, eine eigene Regelung anstatt der bisherigen Regelung nach § 45a zu schaffen.

Wir wollen von dieser Öffnungsklausel ab dem 1. Januar 2008 Gebrauch machen, um das System mit der gebotenen Sorgfalt so umzustellen, dass die Nachteile der bisherigen Regelung vermieden und der unternehmerischen Verkehrswirtschaft gerade angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen die notwendige Finanzierungssicherheit gegeben wird.

Dabei gehen unsere Überlegungen in folgende Richtungen. Der Nachweis des tatsächlichen Rabattierungsver

lustes - dieser liegt in Sachsen-Anhalt zwischen 20 und 30 % gegenüber dem nicht verbilligten Fahrschein - ist leicht zu erbringen. Diesen sollen zukünftig die Verkehrsunternehmen von der Bewilligungsbehörde verlangen. Tatsächlich liegen die gezahlten Beträge aber deutlich über diesem Rabattierungsverlust. So sind etwa im Jahr 2005 39 Millionen € ausgezahlt worden. Der Rabattierungsverlust lag bei ca. 15 Millionen €.

Wir wissen, dass die Unternehmen dieses Geld brauchen. Deswegen soll der über den Rabattierungsverlust hinausgehende Betrag auch weiterhin in das ÖPNV-System eingespeist werden. Die Überlegungen gehen dahin, den Betrag des ÖPNV-Gesetzes entsprechend aufzustocken. Diese Beträge fließen dann also über die Aufgabenträger an die Verkehrsunternehmen. In dem Verhältnis Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen ist natürlich darauf zu achten, dass die Art und Weise der Zahlung keine beihilferechtlichen Probleme aufwirft.

Nach der aus dem ÖPNV-Gesetz entwickelten Fördersatzung für den Landkreis Wittenberg, die von der EUKommission genehmigt worden ist, haben wir nun auch die Sicherheit, dass diese Art und Weise der Weiterleitung der Mittel europarechtskonform ist.

Ich möchte an dieser Stelle einfügen, dass dieses vom Landkreis Wittenberg entwickelte und von der EU Geprüfte System inzwischen bundesweit Beachtung gefunden hat und dass sich viele Länder - fast die gesamte Bundesrepublik - jetzt dieser Gesetzgebung, die wir hier erarbeitet und für die wir die Zustimmung der EU haben, anschließen. Wir werden daher durchsetzen, dass zukünftig auch diese Mittel im Rahmen einer Fördersatzung von den Landkreisen an die Unternehmen weitergereicht werden.

Noch nicht abgeschlossen ist unsere Prüfung, auf welche Weise wir den Unternehmen bis zum Auslaufen der Linienkonzession die notwendige finanzielle Sicherheit geben können.

Meine Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Weg nicht nur die Nachteile der bisherigen Lösung vermeiden, sondern insgesamt zu einem deutlich attraktiveren Verkehrsangebot für die Schüler und gerade auch für die Wahlkunden kommen.

Abschließend: In dem neuen Bördekreis, bestehend aus dem alten Bördekreis und dem jetzigen Ohrekreis, läuft ein vom Bund finanziertes Projekt, bei dem wir exemplarisch für das Jahr 2007 erforschen wollen, wie sich das auswirkt, was ich eben hier vorgetragen habe.

Meine Damen und Herren! Am Ende muss eines sicher sein: dass wir gemeinsam mit dem Kultusminister erreichen, dass die Schulwege nicht zu lang sind, dass andererseits aber die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen gesichert ist.

Das wird die spannende Frage sein, auch vor dem Hintergrund sicherlich zurückgehender Mittel. In diesem Bereich sprechen wir nicht von Kürzungen, jedenfalls bis jetzt nicht. Deshalb hoffe ich, dass wir auch für die Zukunft einen attraktiven Schülerverkehr organisieren, aber eines auch sicherstellen werden, meine Damen und Herren: Es kann nicht sein, dass auf den Parkflächen vor den Schulen mehr Autos sind und wir nicht spitz abrechnen. Darüber müssen wir uns auch verständigen. Wenn wir in Sachsen-Anhalt den Führerschein bei begleitetem Fahren mit 17 einführen, wird mit Sicherheit auch das eine oder andere Auto mehr an den Schulhöfen zu se

hen sein. Das hören die Unternehmen nicht sehr gerne, das ist auch klar.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Ja, selbstverständlich. Der wird sich schon finden. - Aber ihr kriegt es doch, das begleitete Fahren. Dann setzt ihr einen daneben und der fährt auch mit. Das wäre doch schon ein Training.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Es gibt vielleicht auch Schüler, die das sehr lange machen, um das Abitur zu kriegen.

(Heiterkeit bei der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, das Thema wird uns in den nächsten Wochen und Monaten begleiten.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Alternativantrag von CDU und SPD, weil wir damit die Möglichkeit haben, überall das, was jetzt in der Kürze der Zeit nicht dargelegt werden konnte, im Ausschuss zu berichten. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Daehre. - Nun kommen wir zu den Beiträgen der Fraktionen. Für die FDP-Fraktion spricht Herr Wolpert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Daehre, ich hoffe, dass wir mit der Einführung des Abiturs nach zwölf Schuljahren bei der Überwindung des Parkplatzproblems der Schulen ein wenig geholfen haben, sodass auch begleitetes Fahren mit 17 das Problem nicht wirklich aufwirft.

(Minister Herr Dr. Daehre: Aber einen Spaß ver- steht ihr noch?)

- Ja, immer, immer.

Der Antrag der PDS-Fraktion wirkt auf den ersten Blick etwas verwirrend, weil nicht deutlich zu erkennen ist, welches Ziel eigentlich verfolgt wird. Denn liest man den ersten Punkt, so könnte man glauben, das Interesse gälte den Verkehrsunternehmen und deren Wohlergehen. Bei der Nr. 2 denkt man wieder, das sei nicht für die Verkehrsunternehmen; es gehe eher mehr um die Transparenz der Kosten. Dass man samstags nichts bezahlt, wenn nicht gefahren wird, ist eigentlich auch klar. Der dritte Punkt wiederum soll wohl eher den Interessen der Verkehrsunternehmen und der Schüler gelten.

Liest man die Punkte und die Begründung im Kontext, kommt man zu dem Schluss, dass die Qualität der Schülerbeförderung erhöht werden soll, indem den Verkehrsunternehmen die Gelder zur Verfügung gestellt werden, die eine direkte Streckenführung ermöglichen. So habe ich nun auch die Einführung verstanden.