Der Einzige, der den Gesetzentwurf der Bundesregierung damals offensiv vertreten hat, war der Kollege Haseloff als Vertreter der Landesregierung. Ob es allerdings die Position der Landesregierung ist, das wollen wir heute zu erfahren versuchen; denn dann müsste man nach deren Positionierung am 17. Dezember 2010 eigentlich zustimmen.
Was hat der Landtag damals gemacht? - Er hat keine Positionierung beschlossen, sondern er hat beschlossen, man möge sich einmal im Ausschuss für Soziales und im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit des Landtages mit der Berechnung beschäftigen.
Nun sage ich mal: Das war ein pädagogischer Alternativantrag, denn das hätten wir alle auch selbst machen können, und zwar im Selbststudium. Der Antrag war offensichtlich auch nicht richtig ernst gemeint; denn bis zum heutigen Tag ist in beiden Ausschüssen diesbezüglich nichts passiert.
Jetzt will man sich zwei Tage vor dieser Abstimmung im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit das erste Mal überhaupt mit dieser Geschichte auseinandersetzen. Dazu sage ich ganz deutlich: So darf man politischen Entscheidungen, die anstehen, nicht ausweichen.
und zwar ausdrücklich auf der politisch-logischen Grundlage von Hartz IV, so wie es ursprünglich in dem Gesetz aufgeschrieben gewesen ist und wie das Bundesverfassungsgericht es auch verlangt hat.
Nun habe ich erwartet, dass es - aus meiner Sicht völlig unverständlicherweise - in diesem Hohen Hause möglicherweise Misstrauen gegen die Berechnung meiner eigenen Partei zu diesem Thema gibt.
Es gibt aber ein anderes interessantes Papier. Deshalb ist es wichtig, dass wir als politische Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt uns mit dieser Geschichte auseinandersetzen und beschäftigen.
Das ist ein Papier der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland bzw. der Diakonie Mitteldeutschland, die eine solche Berechnung ebenfalls angestellt haben. Die sagen: Wenn wir die politischen Voraussetzungen von Hartz IV erfüllen sollen, auch das, was im Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt worden ist, bräuchten wir für den Alleinstehenden einen Regelsatz in Höhe von 480 €,
Sie begründen das auch. Sie begründen das ausdrücklich mit einer detaillierten Berechnung, die sie vorgelegt haben.
Aber: Im Interesse derjenigen, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt haben, haben wir die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, uns ernsthaft mit deren Papieren auseinanderzusetzen und nicht so einfach und ohne Weiteres darüber hinwegzugehen.
(Starker Beifall bei der LINKEN - Herr Gürth, CDU: Fangen Sie mal an damit! - Herr Wolpert, FDP: Sagen Sie das mal der Gegenseite, ohne dass wir gleich in die Ecke gestellt werden!)
Erstens. Die Bundesregierung ist völlig ohne eine inhaltliche Begründung davon ausgegangen, dass nicht mehr 20 % der ärmsten Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland zur Berechnung herangezogen werden, sondern nur noch 15 %. Dafür gibt es überhaupt keine Begründung. Das ist einfach mal so gemacht worden.
- Die 20 % sind ausdrücklich in der Begründung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vorgegeben. Gucken Sie sich das doch mal an! Deswegen sind die 20 % so wichtig.
Zweitens. Des Weiteren bringt die Diakonie vor: Der nächste Fehler war, dass die Bundesregierung eines nicht gemacht hat: Die Bundesregierung hat die Aufstocker, die ja im Wesentlichen faktisch ein Haushaltseinkommen wie Hartz-IV-Familien haben, nicht herausgerechnet. Das bedeutet, im Endeffekt hat man einen Zirkelschluss realisiert. Man hat sich angeguckt, was bekommen die Menschen, die in etwa in einer ähnlichen Situation sind, und hat dann auf einmal festgestellt, sie sind in einer ähnlichen Situation und können nicht mehr Geld ausgeben als diejenigen, die jetzt im Hartz-IV-Bereich sind. Das ist aber ausdrücklich eben nicht vernünftig und sinnvoll im Herangehen.
Man hat die verdeckten Armen nicht herausgerechnet. Verdeckte Armut, was ist das? - Wir wissen, dass ein Großteil der Dinge, die im Bereich der Sozialleistungen eigentlich anspruchsfähig sind, überhaupt nicht abgeholt werden,
dass diese von den Menschen überhaupt nicht in Anspruch genommen werden, was das Einkommen der Betroffenen weiter mindert.
Außerdem sagt die Diakonie Mitteldeutschland: Es gibt weitere völlig unlogische Abzüge, die wegen der so genannten Vermischung zwischen Statistikmodell auf der einen Seite und Warenkorbmodell auf der anderen Seite passieren. An zwei Beispielen will ich das kurz erläutern.
Erstens. Es ist so, dass wir bei diesen Sozialleistungen in dem so genannten Bildungspäckchen jetzt das kos
tenlose Mittagessen, das kostengünstige Mittagessen haben. Da sagen wir: Das ist gar nicht so schlecht. Das haben wir bei uns auch im Landeswahlprogramm. Als nur wir es darin hatten, hat Kollege Haseloff noch gesagt, das sei völlig überflüssig, wir bräuchten das alles nicht. Jetzt hat es die Kollegin von der Leyen auch aufgenommen.
Das würde pro Jahr aus dem Bundeshaushalt mehr kosten, als das so genannte Bildungspäckchen überhaupt an Geld beinhaltet, nämlich 1 Milliarde €.