Protocol of the Session on December 10, 2010

Herr Gürth, Oschersleben kennen Sie doch relativ genau, glaube ich. Ist das nicht ihr Wahlkreis?

(Frau Brakebusch, CDU: Nein, meiner! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ach, Ihrer. Aber ich habe mir einmal die Stromkosten für private Haushalte in Oschersleben herausgesucht. Mit 25 Cent pro Kilowattstunde, Herr Gürth, liegt Oschersleben bundesweit an der Spitze.

Ich will Ihnen einmal kurz zum Vergleich sagen, wie das in der bayerischen Stadt Regensburg aussieht. Dort sind es 9 Cent pro Kilowattstunde weniger, also 16 Cent. Das macht für einen privaten Haushalt - ich konzentriere mich hier auf die privaten Haushalte - mit einem jährlichen Verbrauch von 3 500 Kilowattstunden einen Unterschied von mehr als 100 € im Jahr aus. So groß ist allein der Abstand zwischen Sachsen-Anhalt, Hessen oder Bayern.

Herr Gürth hat noch eine Nachfrage.

Es ist immer schwierig, wenn man sagt, der Strompreis in Oschersleben, weil jeder Haushalt für sich individuell - -

Ich kann Ihnen auch für Salzwedel, Wittenberg, Weißenfels und Dessau-Roßlau die Durchschnittspreise der Anbieter vor Ort nennen.

Aber man hat als Kunde die Möglichkeit - letztlich ist die Liberalisierung des Strommärkte auch mit eine Idee der FDP gewesen -, überall einzukaufen. Sie müssen nicht die Stadtwerke Oschersleben nehmen, Sie können Ihren Strom auch woanders einkaufen.

Herr Gürth, da haben Sie richtig geschaut. Sie haben sich sicherlich auch einmal in den von mir vorhin schon genannten Internet-Vergleichsdatenbanken die einzelnen Anbieter angeguckt. Sie nehmen einen Anbieter, zum Beispiel die Stadtwerke in Fürth, und überprüfen einmal das Angebot, das die Stadtwerke für die Städte Helmstedt oder Hannover abgeben, und geben dann die Postleitzahl der Stadt Oschersleben ein. Spätestens dann werden Sie einen gewaltigen Unterschied zwischen den Angeboten finden.

Es ist zwar so, dass wir die Liberalisierung haben, uns verschiedene Angebote holen und sicherlich hinsichtlich des Preises Unterschiede feststellen können. Die Strompreistreiber, also die Netzausbaukosten und deren Umlage auf die Netznutzungsentgelte, werden trotzdem in den neuen Bundesländern, also in den Gebieten, in denen die einzelnen Netzbetreiber tätig sind, anders be

rechnet als in den alten Bundesländern. Deshalb werden wir in Sachsen-Anhalt immer, egal welchen Stromanbieter wir nehmen, einen höheren Preis haben als in den alten Bundesländern, egal ob das den Bereich der Wirtschaft oder den Bereich der privaten Haushalte betrifft.

(Beifall bei der FDP - Herr Gürth, CDU: Das war bei Horst Rehberger schon so!)

Vielen Dank. - Es gibt keine weiteren Nachfragen zu dem Beitrag von Herrn Franke. Wir kommen dann zu dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Dr. Haseloff erhält jetzt das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht die ganzen Zahlen wiederholen, die Herr Franke hier vorgetragen hat, weil sie auch bei mir im Sprechzettel stehen. Zu großen Teilen waren sie richtig.

(Zuruf von der FDP)

Nicht zu allen Fragen hatten Sie die aktuellen Statistiken und nicht zu allen Fakten sind die Zusammenhänge richtig dargestellt worden. Aber grundsätzlich kann ich eines bestätigen: Das Thema ist ein wichtiges Thema und Wirtschaftspolitik ist derzeit zu 80 % Energiepolitik. Das haben wir gestern während der Wirtschaftsministerkonferenz in Cottbus festgestellt, wo sich die diskussionswürdigen und nicht vorher abgeräumten Tagesordnungspunkte mehrheitlich mit dem Energiekonzept der Bundesregierung und mit vielen daraus resultierenden Fallgestaltungen beschäftigten.

Das, was an Forderungen vorgetragen wurde, ist nicht neu. Wenn Sie sich unser Energiekonzept ansehen und wenn Sie die Diskussionen nicht nur im Fachausschuss, sondern darüber hinaus hier im Landtag rekapitulieren, dann wissen Sie, dass wir von Anfang an darauf hingewiesen haben, dass das für ein Erneuerbare-EnergienLand wie Sachsen-Anhalt bedeutet, dass die Netzausbaukosten nach dem jetzigen Prinzip bei uns liegen bleiben und von unseren Kunden, egal ob es gewerbliche oder private Kunden sind, mitgetragen werden müssen, und dass das in den Gesetzen anders organisiert und geregelt werden muss als bisher.

Das heißt, dass wir von Anfang gefordert haben, auch schon im Bundesrat, dass die entsprechenden Umlagen so zu erfolgen haben wie bei den anfallenden OffshoreKosten, die jetzt entsprechend den Maßnahmen der großen Konzerne in den Ostsee- und in den Nordseearealen anfallen.

(Herr Gürth, CDU: Da war auch die FDP mit da- bei!)

- Genau. Darauf möchte ich auch noch einmal kurz Bezug nehmen. Da gab es durchaus eine recht heterogene Begleitschiene durch Sie.

Ich will nur darauf hinweisen, dass wir das gestern bei Herrn Brüderle und seinen Staatssekretären abgesetzt haben. Es ist dort bekannt. Die Dena-Studie ist dort sehr detailliert ausgewertet worden. Wir wissen, dass dort nachreguliert werden muss.

Jetzt ist die Bundesregierung dran, sowohl das KWKGesetz als auch das EEG und das Energiewirtschaftsgesetz an diesen Stellen zu homogenisieren. Diese Ge

setze - das ist kein Vorwurf - sind zu unterschiedlichen historischen Punkten in Kraft gesetzt worden. Sie hatten alle ihre Grundlagen in den Erfordernissen der damaligen Zeit. Sie sind jetzt aufgrund der Kapazitäten, die hochgewachsen sind, in Teilen inhomogen bzw. widersprüchlich geworden.

Wenn Sie sich zum Beispiel den § 13 ansehen, was die Vorrangeinspeisungsregelung, das Netzmanagement usw. betrifft, dann stellen Sie fest, dass es derzeit - wir haben das gestern auch durch einen Vortrag vorgetragen bekommen - Inplausibilitäten gibt, weil nicht ganz klar ist, was eigentlich bei der Abschaltung Vorrang hat. Ist die KWK, also die Stromproduktion und Wärmeversorgung für die Bevölkerung dran oder ist zum Beispiel der Windstrom dran, wie es momentan von vielen, die das Gesetz gemacht haben, gelesen wird?

Ich möchte das gar nicht vertiefen, weil es ein hochkomplexes Gesamtsystem ist, das hier zu bewerten ist. Hier gibt es einen Handlungsbedarf. Nicht nur dem Energiewirtschaftskonzept des Landes, sondern auch den entsprechenden Anträgen im Bundesrat lässt sich entnehmen, dass wir nicht nur den Handlungsbedarf sehen, sondern dass wir auch ganz konkrete Vorschläge gemacht haben, wie das abzuräumen ist.

Denn das, was an Repowering-Maßnahmen beim EEGStrom zusätzlich auf uns zukommt, aber auch das, was an Durchleitungsnotwendigkeiten entstehen wird, wenn wir an Offshore-Projekte und die langfristige Abschaltung von Atom- oder Kohlekraftwerken in den alten Bundesländern denken, wird einen verstärkten Netzausbau erforderlich machen. Wir müssen die entsprechenden Kapazitäten vorhalten. Die sind derzeit nicht da. Selbst durch Netzmanagement, durch Temperaturmonitoring und ähnliche Dinge ist das nicht auffangbar.

Wir haben uns gestern noch einmal die Quantitäten vorstellen lassen. Das heißt, hier sind bis hin zu Planungsverfahren, bis hin zu Investitionsbeschleunigungsmaßnahmen noch viele Dinge auf der Agenda, die abzuarbeiten sind.

Das ist aber, denke ich, der Bundesregierung und dem Bundeswirtschaftsminister durchaus bewusst; das ist von uns gestern auch noch einmal sehr stark zum Ausdruck gebracht worden. Da müssen einfach die Hausaufgaben gemacht werden, da gibt es keine neuen Erkenntnisse, sondern die Handlungsbedarfe bestehen.

Deswegen ist aber für unser Land Sachsen-Anhalt ein Weg zurück im Sinne von Rückbau bzw. Drosselung der Erneuerbare-Energien-Erzeugungssysteme nicht angedacht, sondern wäre sogar kontraproduktiv, weil wir wissen, dass die Ziele der Bundesregierung bis 2050 nur erreichbar sind, wenn sich diese Anteile generell erhöhen, allerdings dann von den entsprechenden Belastungen her solidarisch verteilt. Dazu gehört als Allererstes, dass die Netzausbaukosten der generellen Umlage zugeführt werden

(Zustimmung bei der CDU)

und dass vor allen Dingen die Vermeidungskosten für die Netznutzung generell anders geregelt werden, weil das, was ganz am Anfang gestanden hat, sich völlig anders gegenüber dem darstellt, was an Quantitäten derzeit abgeführt werden muss.

(Zuruf von der CDU)

Ich warte noch auf Ihre Anfrage, Herr Franke. Bitte.

Herr Franke, Sie haben eine Frage. Jetzt erteile ich Ihnen das Wort.

Herr Minister Haseloff, genau das haben Sie vor vier Jahren hier im Saal schon einmal erklärt. Sie als CDU waren damals in der Bundesregierung, Sie sind es jetzt noch. Sie haben das, was Sie vor vier Jahren ausgeführt haben, heute wiederholt. Es hat sich an dieser Stelle nichts getan, gerade was den solidarischen Lastenausgleich anbelangt.

Herr Franke, ich will jetzt nicht unfair werden, aber ich sage Ihnen genau, mit welchen Stimmen wir mit unseren Anträgen im Bundesrat abgebürstet wurden.

(Herr Gürth, CDU: Mit den Stimmen der FDP!)

Im Bundesrat waren immer die FDP-Stimmen der B-Länder mit dabei, aber auch die der A-Länder; das will ich auch sagen. Das war einfach eine Sache Ost gegen West.

(Herr Borgwardt, CDU: Hört, hört!)

Das war damals ein Problem, bei dem die ostdeutschen Länder mit einem hohen EEG-Anteil sehr stark betroffen waren und wo noch nicht vermittelbar war, dass wir das anders regeln sollten, wenn wir unsere klimapolitischen Ziele erfüllen wollen.

Seit über einem Jahr wird genau derselbe Forderungskatalog von mir im Bundesrat in den Ausschüssen bzw. in Direktgesprächen, auch mit dem Bundeswirtschaftsministerium, zum Ausdruck gebracht. Jetzt liegt es an uns, dort gemeinsam Ergebnisse zu erzielen. Momentan liegen die aber noch nicht vor. Da ist auch ein dickes Brett zu bohren. Sie können sich mit mir gemeinsam anstrengen, damit wir es schaffen, dass dort Bewegung hineinkommt.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. Es gibt keine weiteren Fragen. - Wir kommen zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Frau Schindler, die für die SPD spricht, hat jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

„Ich sage all denen, die jetzt Strompreiserhöhungen mit den Kosten durch erneuerbare Energien begründen: Lesen Sie die Anmerkung des Präsidenten der Bundesnetzagentur. Erneuerbare Energien und deren Einspeisevorrang sorgen dafür, dass die Großhandelspreise sinken. Darum sind die erneuerbaren Energien und ihre Förderung keine angemessene Begründung für Strompreiserhöhungen… Gerade durch die erneuerbaren Energien entstehen Gewinnmargen.“

(Zustimmung bei der SPD)

Das sind nicht meine Worte. Ich habe aus der Bundestagsrede - nicht aus der von Herrn Trittin, wie vielleicht

zu vermuten ist - des Bundesumweltministers Röttgen vom 25. November zitiert.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der SPD: Na sowas! - Zuruf von der CDU: Mehr davon!)

Mit der Vorlage des Themas zu dieser Aktuellen Debatte hatte ich gehofft, doch endlich etwas Neues, auch von Ihnen, Herr Franke, zu hören. Aber Sie sprechen in der Begründung zu Ihrem Antrag zu der Aktuellen Debatte von Diskussionsbedarf und Maßnahmen für die neue energiepolitische Ausrichtung. Im Bund haben Sie es - auch mit einer entsprechenden Lobbypolitik - mittlerweile geschafft, in Sachsen-Anhalt wird das schwerer möglich sein.

(Zuruf von Herrn Franke, FDP)