Protocol of the Session on December 10, 2010

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Höhe der Energiekosten beeinflusst die Standortqualität. Entscheidungen über Neuansiedlungen und Erweiterungsinvestitionen werden auch unter Berücksichtigung der Strompreise gefällt. Die Energiepreise haben zweifellos Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Arbeitsplätze und auf die Beschäftigung im Land. Es geht deshalb darum, Maßnahmen zu entwickeln, wie man diesem Trend entgegenwirkt.

Herr Franke, Herrn Gürth reizt es, Ihnen eine Frage zu stellen.

Gern am Ende, Herr Gürth.

Dann reden Sie bitte weiter.

(Herr Gürth, CDU: Das wäre jetzt wichtig für das, was Sie fortführen!)

Die Höhe der Strompreise ist zu einem beachtlichen Teil politisch motiviert. Deshalb muss auch die Politik ihrerseits dazu beitragen, dass langfristig jeder Haushalt und jedes Unternehmen preiswerten und sicheren Strom erhält. Das bedeutet, dass wir als Landespolitiker uns jenem Teil des Preises zuwenden müssen, den das Land beeinflussen kann. Damit wären wir zwangsläufig beim Thema Windkraft.

Hierzu kurz ein paar Zahlen. Zum Stichtag 31. Dezember 2008 betrug die installierte Leistung an Windkraftanlagen in Sachsen Anhalt 2 825 MW. Das entspricht einem Anteil von 9 % der in ganz Deutschland installierten Anlagen bei einem Flächenanteil von nicht einmal 6 %. Damit lagen wir an dritter Stelle nach Niedersach

sen und Brandenburg. Allein im Jahr 2008 kamen saldiert 131 MW hinzu, und das ist dann bundesweit Spitze.

Im Jahr 2008 wurden in Sachsen Anhalt mehr als 5 000 GWh aus Windenergie eingespeist. Hierfür wurde eine Mindestvergütung in Höhe von 44 Millionen € gezahlt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das muss zwangsläufig Auswirkungen auf den Strompreis haben, und zwar aus mehreren Gründen. Ein Grund ist der Netzausbau. Die zweite Dena-Studie hat kürzlich festgestellt, dass wir in Deutschland in den nächsten zehn Jahren zusätzlich 3 600 km an Höchstspannungsleitungen benötigen. Die Kosten hierfür belaufen sich auf 9,7 Milliarden €. Im Jahr 2005 war die Dena noch von 850 km ausgegangen. Bemerkenswert daran ist, dass seitdem erst 90 km realisiert worden sind.

Es werden also in den nächsten Jahren gewaltige Kosten auf die Stromkunden zukommen; denn eines ist völlig klar: Die Ausbaukosten werden nicht durch die Unternehmen getragen, sondern sie werden auf die Kunden abgewälzt. Sprich: Der Strompreis wird mit diesen Kosten belastet.

Dies wird unser Bundesland sehr stark treffen; denn je höher der Anteil an Windkraftanlagen ist, desto mehr kommt es zu Einspeisespitzen bei gleichzeitig geringer lokaler Nachfrage. Das Netz muss in der Lage sein, große Mengen an Strom abzutransportieren. Es muss also nicht mehr nur Versorgungs-, sondern auch Entsorgungsnetz sein.

Ein weiterer Punkt sind die vermiedenen Netznutzungsentgelte. Den dezentralen Einspeisern muss die vermeintlich geringere Nutzung des Netzes ebenfalls vergütet werden. Dies ist ein Bestandteil der EEG-Umlage. Diese entgangenen Einnahmen holen sich die Netzbetreiber zurück, indem sie sie natürlich auf alle anderen Stromkunden umlegen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kosten für den Netzausbau und die Einnahmeverluste aufgrund vermiedener Nutzungsentgelte fallen bei Netzbetreibern an, die die Regionen versorgen. Sie führen tendenziell zum Anstieg der Netznutzungsentgelte in der Region und können nicht bundesweit umgelegt werden.

Die Landesregierung ist deshalb aufgefordert, sich im Bund für eine bundesweit einheitliche Verteilung der Lasten aufgrund der vermiedenen Transportentgelte einzusetzen. Eine Umlageregelung, wie sie für die Vergütungszahlungen nach dem EEG schon seit Jahren funktioniert, würde das Problem beseitigen.

Herr Minister, ich bin stolz darauf, dass Sachsen Anhalt das Land der erneuerbaren Energien ist. Es stellt sich aber die Frage, welchen Preis das Land dafür zahlen muss, wenn die Lastenverteilung zuungunsten der innovativen Länder erfolgt. Ich möchte einfach nicht, dass wir für unsere Vorreiterrolle bestraft werden.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte ganz klar betonen, dass auch wir Liberale uns zu den erneuerbaren Energien bekennen. Aber es muss den Menschen klar gemacht werden, dass deren Einsatz auch mit Kosten verbunden ist, Kosten, die unserer Meinung nach nicht ins Uferlose steigen und den Standort gefährden dürfen.

Die Dominanz der Windenergie hat nicht nur den beschriebenen negativen Effekt auf den Strompreis. Sie

verhindert außerdem die Entwicklung anderer regenerativer Energien. Die Netze sind jetzt schon überlastet und haben Probleme, den Windstrom zu transportieren - von anderen Energieträgern gar nicht zu reden. Die Windkraft blockiert förmlich die Einspeisekapazitäten anderer regenerativer Stromerzeuger, wie zum Beispiel der Biomasse. Deshalb fordern wir Liberale Augenmaß bei der Installation neuer Windkraftanlagen.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Landesregierung dahin gehend klar Farbe bekennt, wo sie Windenergie schwerpunktmäßig ansiedeln will. Eine konsequente Energiepolitik hätte verlangt, dass sie im Landesentwicklungsplan entsprechende Vorranggebiete klar ausweist und nicht den regionalen Planungsgemeinschaften den Schwarzen Peter zuschiebt.

(Beifall bei der FDP)

Bevor es zu Neuansiedlungen kommt, ist zunächst ein Repowering der bestehenden Anlagen anzustreben. Dieses muss jedoch so gestaltet werden, dass es mit einem Ausdünnen verbunden ist. Wenn also in einem Windpark mit 50 Windrädern 40 repowered werden, die später dieselbe Leistung erbringen wie vorher 50, dann müssen zehn Windräder abgebaut werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Uns ist auch extrem wichtig, dass dieses Repowering tatsächlich nur in den dafür vorgesehenen Eignungsgebieten stattfindet. Wir haben in diesem Zusammenhang mehrfach erklärt, dass wir die im Landesentwicklungsplan geschaffene Möglichkeit der nachträglichen Ausweisung von Vorrang- und Eignungsgebieten für einen fatalen Fehler halten.

(Beifall bei der FDP)

Wohin dies führen kann, möchte ich kurz illustrieren. Inzwischen sind uns Fälle bekannt geworden, in denen Gemeinderäte dubiose Briefe bekommen haben; in diesen Briefen wird ihnen ganz unverblümt ein hoher Geldbetrag angeboten, wenn sie sich für die Ausweisung von Vorrang- und Eignungsgebieten einsetzen. Ich nenne so etwas versuchte Bestechung.

(Zustimmung bei der FDP)

Diese Auswüchse sind wie die hohen Strompreise das Resultat einer inkonsequenten Energiepolitik der Landesregierung.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Bestechen darf nur die Atomlobby!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt gute Ansätze,

(Herr Scharf, CDU: Das ist eine Frechheit, Herr Gallert!)

so zum Beispiel das Forschungsvorhaben in Staßfurt. - Das ist mir zu blöd, deshalb gehe ich darauf gar nicht ein.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt genug Ansätze in Sachsen-Anhalt, so zum Beispiel das Forschungsvorhaben in Staßfurt, wo mithilfe von Druckluft die überschüssige Energie von Windspitzen gespeichert werden soll. Allein das wird nicht ausreichen. Die Speichertechnologien sind heute entscheidend für die Zukunft der erneuerbaren Energien. Ihre Erforschung muss den Schwerpunkt in unserer Landespolitik bilden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich noch ganz genau erinnern. In meiner allerersten Rede hier im Landtag habe ich im Juli 2006 den zu massiven Ausbau der Windenergie angeprangert. Im Dezember 2007 hatten wir eine Aktuelle Debatte - Herr Gürth, auf ihren Wunsch - zu den Energiepreisen. Sie erinnern sich sicherlich, Herr Gürth.

(Herr Wolpert, FDP: Nicht heute Morgen!)

Bei dieser Gelegenheit habe ich erneut auf das Problem der Windenergie aufmerksam gemacht. Wir hatten damals schon die höchsten Strompreise deutschlandweit. Ich habe deshalb, so wie ich es eben getan habe, die Landesregierung aufgefordert, auf Bundesebene aktiv zu werden und auf eine bundesweite Lastenverteilung hinzuwirken.

Drei Jahre später stehe ich nun wieder hier und muss feststellen, dass sich die Situation nicht geändert hat. Die Landesregierung hat in der Energiepolitik nichts bewegt. Sie, meine Damen und Herren, haben in der Energiepolitik des Landes nichts gestaltet.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Ihre Energiepolitik ist gescheitert.

(Beifall bei der FDP - Herr Gürth, CDU: Ach! - Frau Weiß, CDU: Von welchem Land sprechen Sie?)

Herr Franke, Sie sind jetzt am Ende Ihrer Rede? So habe ich es vernommen.

Ja. Ich warte auf die Frage von Herrn Gürth.

Jetzt gibt es noch eine Frage von Herrn Gürth. Wenn Sie diese beantworten wollen, dann sagen Sie ja. Dann kann Herr Gürth reden. Wollen Sie die Frage beantworten?

Bitte, Herr Gürth. Dann sind Sie dran.

Auf die falschen Aussagen kann ich in meinem Redebeitrag noch einmal zurückkommen. Das werde ich auch tun. Ich habe nur eine Frage. Sie sprachen von den Industriestrompreisen. Der Unterschied zwischen einer Debatte über Energieversorgung, Energiepreise und Strompreise ist schon wesentlich. Zur Energieversorgung gehört mehr als nur Elektrizität.

Hinsichtlich der Elektrizität und den Preisen, die dafür am Markt zu zahlen sind, sagten Sie, dass wir mit Abstand die höchsten Strompreise in ganz Deutschland hätten. Meinen Sie jetzt die Haushaltskunden oder meinen Sie den Industriestrom? Meinen Sie beim Industriestrom die Sparte von 500 bis 2 000 MW oder die Sparte bis 70 Gigawattstunden oder die Sparte bis 150 Gigawattstunden? - Da gibt es nämlich ein ganz wesentliches

Ranking in der Industrie, das bei Standortentscheidungen nicht unwesentlich ist und das wir bei den Verhandlungen über Ansiedlungen erfolgreich haben ins Feld führen können.

Herr Gürth, Oschersleben kennen Sie doch relativ genau, glaube ich. Ist das nicht ihr Wahlkreis?