Protocol of the Session on October 8, 2010

In einem in der gestrigen „Volksstimme“ veröffentlichten Interview hat Sozialminister Norbert Bischoff richtig festgestellt: Ob nun 5 € oder 10 € - das macht den Kohl nicht fett und würde die Stimmung nicht verbessern.

(Frau Feußner, CDU: Darum geht es gar nicht, um die Stimmungslage!)

Das trifft den Nagel auf den Kopf; denn die Stimmungslage in der Bevölkerung nehmen wir in der SPD sehr wohl auf.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Das ist aber eine ganz andere Diskussion über die Stimmungslage!)

Die eigentliche Situation der betroffenen Empfänger von SGB-II-Leistungen ändert sich mit 5 € mehr nicht. Deshalb ist die viel weiter angelegte Diskussion zwischen den Parteien, den Gewerkschaften und den Wohlfahrtsverbänden sehr gut, die sich im Moment zu Recht auch mit der Frage beschäftigt, ob die Koalition in Berlin ein politisch gewolltes Ergebnis herbeigeführt hat. Dieser Eindruck ist jedenfalls aus dem Verfahren heraus entstanden.

Frau Merkel hat auf einem Kongress des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Forderungen nach einem höheren Satz zurückgewiesen und gesagt, der Bund gebe Mittel in Höhe von 40 Milliarden € allein für die Langzeitarbeitslosen aus. Es könne nicht darum gehen, die Arbeitslosigkeit möglichst gut auszustatten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist noch nicht lange her, da hat die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Sparpaket beschlossen. Nur zur Erinnerung: Mit mehr als 30 Milliarden € machen die Kürzungen bei den Arbeitslosen, bei den Hartz-IV-Empfängern und den Eltern weit mehr als ein Drittel des gesamten Programms aus. Ar

beit statt Arbeitslosigkeit soll sich lohnen - so Guido Westerwelle.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Bleiben Sie mal schön beim Thema, Frau Hampel! Da bin ich aber ge- spannt! - Zuruf von Herrn Dr. Schrader, FDP)

- Lassen Sie mich erst einmal ausreden.

(Zurufe von Frau Dr. Hüskens, FDP, und von Herrn Wolpert, FDP - Unruhe)

- Lassen Sie mich bitte ausreden. - Eine jetzige Erhöhung der Regelsätze hätte unweigerlich das gesetzte Ziel, nämlich eben diese Einsparungen im Bereich der Arbeitslosen, der Hartz-IV-Empfänger zu realisieren, in Gefahr gebracht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eindeutig.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Die Ermittlung und Bemessung der Regelsätze muss transparent,

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ja! - Herr Dr. Schrader, FDP: Genau!)

sachgerecht, realitätstauglich und zuverlässig sein. Deshalb haben wir im Moment auch eine sehr kritische Haltung eingenommen und sind der Auffassung, dass diese Vorgaben nicht erfüllt sind.

Ich könnte mich jetzt auf die Aussagen von Frau Bull beziehen, die in ihrem Redebeitrag die methodischen Zweifel sehr gut dargestellt hat, zum Beispiel die an der Wahl der Referenzgruppe, indem jetzt die unteren 15 % der Einkommen statt wie vormals die unteren 20 % angesetzt werden.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: 20 %! Es sind 20 %!)

- Darüber können wir gern diskutieren.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Es sind 20 %!)

Die Herausnahme von Ausgabepositionen sowie die immer noch fehlende oder unzureichende empirische Grundlage bei den Regelsätzen für Kinder und Jugendliche begründen Zweifel, meine sehr geehrten Damen und Herren. Hinzu kommt ein peinlicher Zahlendreher,

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

den Ministerin von der Leyen mittlerweile korrigiert hat.

(Herr Franke, FDP: Das war Ihr Murks, Frau Ham- pel!)

- Ich verweise nur darauf. Lesen Sie einmal „SpiegelOnline“, dort gibt es zwei interessante Seiten dazu.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Lesen Sie das Gesetz! Ich brauche kein „Spiegel-Online“ zu lesen! - Herr Wolpert, FDP: Ich lese lieber das Gesetz!)

Herr Minister Haseloff hat die Systematik des Lohnabstandsgebots dargestellt; dies ist nach seinen Ausführungen, so denke ich, richtig. Aber so, wie Sie es darstellen, kommen wir nicht zu einem besseren Ergebnis, sondern wir verharren beim Lohnabstand weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau; denn die Höhe der Regelsätze ist nun einmal an die unteren Einkommen gekoppelt.

Deshalb ist unsere Forderung, dass es unbedingt zu einer Stärkung der unteren Einkommen kommen muss;

denn nur so können wir in Zukunft auch unter Berücksichtigung und Beachtung des Lohnabstandsgebots zu einer Erhöhung der Regelsätze kommen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Franke, FDP)

Nach der Überzeugung der SPD ist dieser Abwärtsspirale, die wir im Moment haben, am besten mit einem gesetzlichen Mindestlohn zu begegnen. Wir haben darüber hier bereits mehrmals diskutiert. Sie kennen unsere Meinung dazu.

Am Schluss meiner Ausführungen möchte ich noch ein paar Anmerkungen zum vorliegenden Bildungspaket machen. Zum Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen gehört auch der Anspruch auf gute Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. Ein Plus von Bildungschancen für bedürftige Kinder ergibt sich aus diesem Bildungspaket allerdings nicht.

Der aktuell vorgesehene Betrag von 12,50 € pro Monat ist zu gering und geht an der Realität vorbei. Der Zuschuss für das Mittagessen kommt nur bei denen an, die tatsächlich die Möglichkeit haben, dieses Angebot in einer Ganztagseinrichtung auch anzunehmen. Das sind bislang gerade einmal 20 % der Kinder, die erreicht werden.

(Herr Kley, FDP: Das ist doch völliger Unsinn! Mittagessen wird überall gereicht! Das steht doch im Schulgesetz drin!)

Außerdem ist beabsichtigt, das von der SPD eingeführte Schulstarterpaket von 100 € für Familien, die nicht Hartz IV beziehen, aber einen Kinderzuschlag erhalten, zu streichen.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Stimmt nicht! Das ist Quatsch!)

Dagegen sind wir strikt.

Die SPD hat festgestellt, dass leider nicht alle Kinder gleichermaßen von den Neuregelungen profitieren, und zwar schon deshalb nicht, weil es nun einmal in den Ländern unterschiedliche Bildungsinfrastrukturen auch in den kommunalen Einrichtungen gibt. Deshalb hat die SPD am 4. Oktober 2010 zum Thema „Bildung verbessern - Armut bekämpfen“ einen Beschluss gefasst, der Wege aufzeigt, wie eine zielgenauere Unterstützung zugunsten der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen erreicht werden kann.

Da meine Zeit hier bereits abgelaufen ist,

(Lachen bei der FDP - Frau Dr. Hüskens, FDP: Ja!)

würde ich Ihnen diese Vorstellungen der SPD gern im Ausschuss erläutern. Ich bitte Sie um Unterstützung unseres Alternativantrages und freue mich auf die Ausschussberatung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt eine Nachfrage von Herrn Dr. Schrader. Möchten Sie sie beantworten?

Von Herrn Dr. Schrader?

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Überraschung! - Herr Kley, FDP: Oh!)

Ja.

Bitte. - Ich sagte das nur, weil Herr Wolpert sich gerade meldete.

Frau Hampel, Sie wissen sicherlich noch, dass die Hartz-IV-Gesetze, die dann vom Bundesverfassungsgericht sozusagen weggeblasen wurden, von der SPD erfunden wurden. Sagen Sie einmal ganz konkret, welche Vorstellungen Ihre Fraktion dazu hat, in welcher Größenordnung die Hartz-IV-Regelsätze erhöht werden sollten. Das habe ich vermisst.

Wir haben nie gesagt, dass mit der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts eine Erhöhung der Regelsätze verbunden sein muss. Auch ich habe es jetzt nicht gesagt. Ich bin darauf gar nicht eingegangen.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Hüskens, FDP: Das war eine Frage!)