Im Sommer beendete der Bildungskonvent nach drei Jahren seine Arbeit. Der Abschlussbericht liegt vor. Ich denke, die Arbeit hat sich gelohnt;
denn regelmäßig wurden mit Zweidrittelmehrheit oder einstimmig die Empfehlungen zu zentralen Bereichen der Bildungspolitik angenommen. Die können weitreichende Auswirkungen auf die Schulen haben. Wir hoffen, dass sie die auch haben.
Das, was die FDP heute in der Aktuellen Debatte behandelt wissen will bzw. worauf sie zurückgreift - zum Teil war es auch in den Ausführungen der Ministerin enthalten; wobei ich diesen ansonsten in vielen Punkten zustimme -, ist originärer Bestandteil der Analysetätigkeit des Konvents gewesen, meine Damen und Herren von der FDP. So sprach unter anderem Frau Dr. Meister von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu den Strukturveränderungen im Bildungssystem in SachsenAnhalt seit 1990.
Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion! Vielleicht hätten Sie an den Beratungen im Konvent nicht mit Spott, Desinteresse und Zwischenrufen, sondern mit konstruktiven Beiträgen teilnehmen sollen.
Mit Blick auf die vergangenen 20 Jahre kann zusammenfassend gesagt werden, dass in den Jahren mit einer CDU-FDP-Regierung immer eine starke Tendenz hin zur Separierung von Schülerinnen und Schülern bestand.
Zu unseren Zeiten bzw. zu Zeiten der Regierung von SPD und GRÜNEN standen integrative Ansätze im Vordergrund.
Wenn Sie heute die individuelle Förderung fordern, dann sage ich: Wer individuell fördert, der braucht strukturell nicht zu trennen.
Ein Blick in die Schulstatistiken des Statistischen Landesamtes offenbart, dass die Sekundarschulabschlussjahrgänge 2003 und 2004 - das sind jene Schüler, die seit dem Jahr 1997 die Förderstufe und den gemeinsamen Sekundarschulbildungsgang durchlaufen haben - eine erheblich höhere Zahl an Schulabschlüssen hervorbrachten als andere.
Für eine repräsentative Auswertung fehlt leider jedes Datenmaterial, weil Sie das im Jahr 2004 einfach abgestellt haben. Das gilt auch für den hauptschulbezogenen Unterricht.
Die Ergebnisse der genannten Jahrgänge zeigen zumindest, dass die Förderstufe zu Unrecht verunglimpft wurde
und dass die Landesregierung damals gut daran getan hätte, eine Überprüfung durchzuführen und Probleme abzuschaffen.
Kommen wir wieder zu den aktuellen Fakten. Es ist gesagt worden, dass fast ein Viertel der Schülerinnen die Schule mit einem Abschluss unterhalb des Realschulabschlusses verlässt und dass der Anteil der Schülerinnen ohne Abschluss mit ca. 11 % zu hoch ist. Das gilt auch für die Förderschüler.
Noch eine Bemerkung: Der Anteil der Jungen an Haupt- und Förderschulen ist überproportional hoch. Das heißt, kontinuierlich erreichen mehr als 20 % der getesteten Schüler in den verschiedenen Bereichen der Schulleistungsstudie nur die unterste Kompetenzstufe oder bleiben sogar darunter. Und das, meine Damen und Herren, ist der eigentliche bildungspolitische Skandal.
Diese jungen Menschen haben keine Chance auf dem Ausbildungsmarkt und damit auf dem Arbeitsmarkt. Und damit fehlen ihnen wichtige Lebenschancen. Es ist durchaus so, dass inzwischen, nach 20 Jahren, die soziale Herkunft sehr wohl Einfluss auf den Bildungserfolg in unserem Land hat. Vor dem Hintergrund des künftigen Fachkräftebedarfs muss es unbedingt gelingen, erstens mehr Schüler zu höheren Schulabschlüssen zu führen und zweitens die Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft abzuschwächen.
Die Probleme liegen auf dem Tisch, auch wenn man graduelle Verbesserungen zu verzeichnen hat, was nach zehn Jahren Pisa-Debatte aber auch nicht unnormal ist.
Aber, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer, wie CDU- und FDP-Fraktion es regelmäßig tun, der Patientin Schule angesichts der dargestellten Diagnose empfiehlt, so weiterzumachen wie bisher und sich ruhig zu verhalten, der riskiert das Ver
(Zustimmung bei der SPD - Herr Kosmehl, FDP: Das ist doch völliger Quatsch! Gucken Sie einmal nach Thüringen und Sachsen!)
Natürlich ist Kontinuität wichtig, aber ich kann auch viel Kontinuität im - nach unserer Einschätzung - Schlechten sehen, und das ist nicht gut.
Also, wie bereits beschrieben sind wir bereits einen Schritt weiter. Nach eingehender Analysetätigkeit haben wir uns im Bildungskonvent auf wichtige bildungspolitische Zielstellungen und auf weitgehende Empfehlungen zu den verschiedenen Bereichen verständigt. Das möchte ich jetzt nicht wiederholen.
Also: Statt zum wiederholten Male in der Vergangenheit zu stochern und fragwürdige Schlussfolgerungen zu ziehen, sollten wir uns auf die Zukunft konzentrieren.
Die Analyse bekommen wir vielleicht noch gemeinsam hin, aber die Schlussfolgerungen sind eben sehr unterschiedlich.
Meine Damen und Herren! In der neuen Legislaturperiode wird es darum gehen, die Empfehlungen des Konvents politisch auszugestalten. Es ist die Frage nach der Umsetzung, die vor uns steht. Die Umsetzung wird darüber Auskunft geben, wie glaubwürdig Politik ist; denn die Empfehlungen des Konvents wurden von den Vertretern fast aller Gesellschaftsgruppen beschlossen. Das ist das Novum und darüber denken Sie bitte einmal nach.
Diese Chance müssen wir nutzen. Für uns als SPD sind die Empfehlungen des Bildungskonvents eine wichtige Orientierung für die weitere Arbeit. Es geht dabei um den Anspruch auf ganztägige Betreuung in den Kitas,
um die weitere Öffnung des Schulsystems für längeres gemeinsames Lernen und um den inklusiven Unterricht, alles verbunden mit der Eigenständigkeit von Schulen. Dass es dafür eine breite gesellschaftliche Legitimation durch den Bildungskonvent gibt, haben die Abstimmungen gezeigt. Dahinter wollen wir nicht zurückbleiben.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend beim Blick zurück auf 20 Jahre gegliedertes Schulsystem in Sachsen-Anhalt - denn nichts anderes hatten wir, trotz einiger integrativer Ansätze in unserer Regierungszeit - feststellen: Wir können mit dem Erreichten nicht zufrieden sein.
Ja, es ist richtig, als ein neues Bundesland haben wir in eigener Verantwortung nach der friedlichen Revolution im Jahr 1990 ein eigenes Bildungssystem schaffen wollen und schaffen müssen. Wir haben, wie es die Frau Ministerin gesagt hat - den gleichen Begriff verwende ich auch immer; das ist interessant -, im Zeitraffer alle Probleme der alten Länder übernommen und durchlebt.
Herr Scharf hat gestern, bezogen auf die Regierungserklärung von Herrn Gies, gesagt, dass hier ein modernes, gegliedertes Schulsystem aufgebaut werden sollte. Ich sage Ihnen: Das Schulsystem war schon damals nicht modern.