Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Robra, ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie in Ihrer Rede zumindest eine lobende Erwähnung der FDP vornehmen.
Das ist zwar häufig angezeigt, aber in diesem Fall sicherlich notwendig gewesen, da wir in einen gewissen Zugzwang gekommen sind, was die Verabschiedung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages im Hohen Hause betrifft. Wenn nämlich nicht bis zum 31. Dezember 2010 alle Ratifikationsunterlagen vorgelegt sind, dann wird dieser Staatsvertrag gegenstandslos.
Sie wissen: Nur weil die FDP-Fraktion dieses Thema bereits im März im Hohen Hause mit der Einbringung eines Antrages angesprochen hat und auch die Koalitionsfraktionen verleitet hat, einer frühzeitigen Anhörung zu diesem Thema zuzustimmen,
können wir uns wahrscheinlich - Zumindest aus der Sicht der FDP kann ich Ihnen das zusichern - eine weitere Anhörung im Ausschuss ersparen und kommen somit nicht in Zeitdruck, diesen Staatsvertrag im Hohen Hause zu beschließen.
Ich sage es ausdrücklich: Herr Robra, die Informationspolitik zum 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag - Jugendmedienschutz - seitens der Staatskanzleien aller Länder war mehr als nur verbesserungswürdig. In einem sehr intransparenten Verfahren hat man Regelungen vorbereitet, und erst als die ersten Arbeitsentwürfe an die Öffentlichkeit gelangten, kam auch eine Diskussion zustande, die - das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen - auch noch zu der einen oder anderen Änderung geführt hat. Das hätte man sich natürlich ersparen können, wenn man zumindest die Parlamente, aber auch die Öffentlichkeit und die Betroffenen stärker und früher einbezogen hätte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe im März dieses Jahres bereits einige Punkte benannt, die aus der Sicht der FDP-Fraktion sehr kritisch zum Jugendmedienschutzstaatsvertrag zu berücksichtigen wären. Auf einige dieser Punkte wird in dem jetzt unterzeichneten Staatsvertrag tatsächlich noch einmal eingegangen. Zum Beispiel gab es den damals noch enthaltenen Anbieterbegriff; diesen finden Sie heute nicht im Staatsvertrag. Positiv ist auch anzumerken, dass in der Begründung zum Staatsvertrag nun insbesondere die Fragen zu den neu eingefügten Anforderungen des Standes der Technik klar definiert sind, sodass man sich darunter auch etwas vorstellen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Jugendschutz basiert derzeit auf dem Grundsatz der regulierten Selbstregulierung. An diesem Ansatz wird auch bei dem vorliegenden Staatsvertrag festgehalten; das begrüßen wir als FDP ausdrücklich.
Allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, hätten wir uns gewünscht, dass zum einen die Diskussion um die Zukunft des Jugendschutzes stärker in der Öffentlichkeit geführt wird und dass zum anderen ein bereits angekündigtes transparenteres Verfahren bei der Erstellung des Staatsvertrages angewendet wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer Rundfunkänderungsstaatsverträge aus der Vergangenheit kennt, den wird sicherlich eines an diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag verblüffen, und zwar die Vielzahl der Protokollerklärungen.
Es findet sich die von Herrn Robra bereits erwähnte Protokollerklärung aller Länder, wonach eine Evaluierung nach drei Jahren vorzunehmen ist. Ich frage mich, warum man die Evaluierung nicht in den Text des Staatsvertrages aufnehmen konnte. Warum muss das als Protokollerklärung, die im Gegensatz zu einer Regelung im Staatsvertrag eher unverbindlicheren Charakter hat, aufgenommen werden?
Es finden sich außerdem Protokollerklärungen einzelner Bundesländer, die auch sehr deutlich sind, zum Beispiel die von Baden-Württemberg, von Bremen, von Hamburg, von Hessen, vom Saarland, von Sachsen und von Schleswig-Holstein. Diese Länder wollen noch einmal ausdrücklich feststellen, dass die Kontrollpflichten von Anbietern für fremde Inhalte auch im Rahmen von Foren und Blogs durch diesen Staatsvertrag nicht erweitert werden; auch das war bei der ersten Diskussion durchaus ein Thema. Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Thema ist tatsächlich noch offen.
Schließen möchte ich mit einem Zitat aus der Protokollerklärung des Landes Baden-Württemberg. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich zitiere:
„Der aktuellen Konzeption des Jugendmedienschutzes liegt erkennbar das Bemühen zugrunde, die bisherigen, ganz überwiegend auf die kommerzielle Verbreitung von Medienangeboten zugeschnittenen Lösungen auch für die veränderten Strukturen der Medienverbreitung über das Internet nutzbar zu machen. Schutzmaßnahmen wie Sendezeitbegrenzungen oder die Kennzeichnung von Produkten mit Altersbeschränkungen haben sich dabei für die klassischen Verbreitungswege (Rundfunk, Vertrieb von Ton- und Datenträgern) bewährt. Aufgrund der unterschiedlichen Verbreitungswege und der hohen Zahl nicht gewerblicher Anbieter im Internet lassen sich mit diesen Mechanismen aber nicht ohne weiteres sämtliche Besonderheiten der Medienverbreitung über das Internet abbilden.“
Auch deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es dringend erforderlich, dass die Evaluierung nach drei Jahren auf diesen Bereich ausgedehnt wird und dass wir am Jugendmedienschutz weiterhin arbeiten und festhalten.
Ich beantrage namens der FDP-Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zur weiteren Beratung. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Staatsvertrag - das ist schon angesprochen worden - hat uns bereits mehrfach beschäftigt bis hin zu einer Anhörung im zuständigen Ausschuss. Ich denke, das war auch gut so. Aber, Kollege Kosmehl, keine Selbstüberschätzung, was die Anhörung angeht. Ich denke, das hätte man auch anders bewerkstelligen können.
Der Vertrag soll den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor entwicklungsbeeinträchtigenden und entwicklungsgefährdenden Angeboten im Fernsehen, im Radio und im Internet regeln. Anbieter sollen verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche solche Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen können.
Klarstellen muss man meiner Meinung nach noch einmal, dass der Vertrag nichts mit Netzsperren zu tun hat. Darüber wird viel Unfug verbreitet, und ich denke, hierbei wirkt auch noch manche von Frau von der Leyen beeinflusste Debatte ein ganzes Stück nach.
Im Kern geht es um drei Elemente, die mit dem Vertrag erfüllt werden sollen: darum, die freiwillige Alterskennzeichnung für alle Medien zu vereinheitlichen, darum, Jugendschutzprogramme weiterzuentwickeln und sie einem möglichst großen Kreis von Nutzern respektive den Eltern als nutzerautonomes Angebot bekannter zu machen, und um eine gegenseitige Anerkennung und Übernahme der Bewertungen von unterschiedlichen Stellen zur Kontrolle des Jugendschutzes.
Die Frage ist, und das völlig zu Recht, wie nah man den selbstgesteckten Zielen mit diesem Vertrag kommt. Schaut man in die Protokollerklärungen der Länder im Anhang des Vertrages - Kollege Kosmehl ist darauf bereits eingegangen -, werden meiner Meinung nach mehrere Probleme deutlich: zum einen der Spagat zwischen der Freiheit im Netz und dem Schutz von Schwächeren, wofür Regeln aus der analogen Welt im Netz durchgesetzt werden müssen, zum anderen die dringende Notwendigkeit, angesichts der dynamischen Entwicklung der Medien auch zügig zu praktikablen Lösungen zu kommen.
Meine Damen und Herren! Ich denke, „Freiheit im Netz“ kann nicht heißen „Freiheit vom Recht“. Rechtswidrigkeiten müssen in der analogen wie in der digitalen Welt als solche geahndet werden können. Der Staatsvertrag soll dazu beitragen, dem Instrument Jugendschutzprogramme einen Impuls zu geben. Rüstet eine Vielzahl der Anbieter die Angebote mit einer entsprechenden Alterskennzeichnung aus und verwenden genügend Nutzer geeignete Schutzprogramme, dann wird dies den selbstverantwortlichen Jugendschutz in Deutschland erheblich stärken können. Eltern würden damit in die Lage versetzt, mit Blick auf die Nutzung von Onlineangeboten durch ihre Kinder verantwortungsvoll eingreifen zu können.
Die Notwendigkeit der Förderung von Medienkompetenz kann dadurch aber natürlich nicht ersetzt werden. Medienkompetenz ist mittlerweile eine Schlüsselqualifikation für Kinder und Jugendliche, die unabhängig vom Staatsvertrag gefördert und gefordert werden muss und die möglichst jedes Kind in vergleichbarer Qualität erreichen muss. - Wir werden darauf morgen noch näher eingehen.
Wie ist der Staatsvertrag nun zu bewerten? - Er ist sicherlich nicht der Königsweg, aber auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Eine echte Vision für die Entwicklung des Jugendschutzes, die sich an der Medienwirklichkeit orientiert, steht allerdings noch aus. Das haben offensichtlich auch die Vertreter aller Länder erkannt und sich in Einmütigkeit darauf verständigt, die Bestimmungen des Staatsvertrages spätestens nach drei Jahren nach Inkrafttreten des Staatsvertrages zu evaluieren. Das ist ausdrücklich zu begrüßen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und schließe mich dem Antrag auf Überweisung des Staatsvertrages an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien an.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man spürt bei den Fraktionen ja schon eine Form von Erleichterung oder ein Durchatmen, wenn ein Rundfunkstaatsvertrag aufgerufen wird und es nicht um Gebühren, sondern um den Jugendmedienschutz geht, wobei das nicht weniger komplex und kompliziert sein muss.
Wir haben seinerzeit - das meine ich durchaus ernst - dankenswerterweise auf Antrag der FDP-Fraktion eine Initiative im Landtag behandelt, die es uns ermöglicht
Wir haben diese Möglichkeit im Ausschuss genutzt. Wir hatten eine Anhörung hierzu, bei der, wie Kollege Kosmehl sagte, hier und da noch Kritik geäußert wurde. Diese wurde allerdings heute etwas zurückgeschraubt, weil sich der Gesetzestext noch geändert hat.
Ich will auch im Namen meiner Fraktion sagen, dass das eigentliche Anliegen des Staatsvertrages, den Jugendmedienschutz auf eine höhere Stufe zu stellen und ihn an die Entwicklung, die in den Medien stattgefunden hat, anzupassen, von uns begrüßt wird.
Herr Robra ist bereits darauf eingegangen, was uns oder die Politik angetrieben hat, eine Novellierung vorzunehmen. Das war zum einen die Erklärung der Ministerpräsidenten vom 4. Juni 2009 zum Amoklauf in Winnenden und zum anderen natürlich auch die fortschreitende Medienkonvergenz, die wir in den letzten Jahren alle deutlich erlebt haben.
Die Frage aber lautet, ob der Gesetzentwurf den Erwartungen, die wir alle an ihn stellen, auch gerecht wird.
Anders gestellt lautet die Frage: Schafft man es mit diesem Staatsvertrag tatsächlich, den Jugendmedienschutz zu verbessern, und sind die Mechanismen, die man sich hat einfallen lassen, auch wirklich wirksam?
Dazu will ich ein Grundproblem benennen, das aus meiner Sicht darin besteht, dass alle Vorstellungen, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegen, an der klassischen Rundfunkregulierung angedockt sind. Ich glaube aber, dass es schwierig ist, das, was sich im Rundfunk etabliert hat, wirklich 1 : 1 auf das Netz zu übertragen; denn das Netz ist ein gänzlich anderes Medium als der Rundfunk.
Das merken wir auch an einigen Punkten, die Herr Robra schon angesprochen hat. Herr Robra hat die Möglichkeit von Sendezeitbeschränkungen angesprochen, die in den Mediatheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchaus schon gang und gäbe sind. Wir wundern uns vielleicht manchmal, dass ein „Tatort“ angekündigt und in die Mediathek der ARD eingestellt ist, wir ihn aber erst ab 20.15 Uhr abrufen können. Dann wird uns klar: Hier greift der Jugendmedienschutz. Erst ab 20.15 Uhr kann dieser Film angesehen werden. Wir müssen aber wissen, dass es dann nicht auf der ganzen Welt 20.15 Uhr ist. Wenn eine Familie in den Urlaub fährt, in eine andere Zeitzone, dann gilt diese Sendezeitbeschränkung nicht mehr.
Das ist ein Beispiel dafür, dass nationalstaatliche Lösungen bei einem weltweiten Netz, beim World Wide Web, äußerst schwierig sind und nur bedingt wirksam sein können. Das müssen wir einfach immer im Hinterkopf haben.
Für Diskussionen bei den Beratungen über den Entwurf des Staatsvertrages hat auch die bereits erwähnte Alterskennzeichnung gesorgt. Man setzt auf eine freiwillige Kennzeichnung von Internetangeboten durch die Betrei
ber und will dem Prinzip der regulierten Selbstregulierung weiter folgen, was von uns durchweg begrüßt werden kann. Die Kennzeichnung soll technisch so erfolgen, dass sie sowohl optisch als auch elektronisch erfolgen kann. Die vorhandenen Labels können von Filtersoftware erkannt werden, die von den Eltern auf heimischen Computern installiert wird, sodass das Ziel weiter verfolgt werden kann, insbesondere den Eltern ein Instrument des Jugendschutzes in die Hand zu geben.
Auch wenn wir dieses Ziel für sinnvoll erachten, wird es sich erst in der Praxis zeigen, ob es sich wirklich umsetzen lässt. Die offene Frage, die wir haben, ist: Was passiert mit den Seiten, die auf eine freiwillige Kennzeichnung verzichten, oder mit den Seiten, die man gar nicht so einfach kennzeichnen kann, wie Blogs, deren Inhalte sich im Minutentakt ändern können? Was passiert mit denen, wenn eine solche Filtersoftware angeschlossen ist? Sind die dann alle nur noch für Personen ab 18 Jahren zugänglich? Will ich das für meine Seite, dass sie erst von Personen ab 18 Jahren zugänglich ist, bloß weil es eine Seite ist, wie Accounts in sozialen Netzwerken, in denen sich die Inhalte wirklich alle paar Minuten ändern, und zwar nicht durch den Inhaber des Accounts selbst geändert werden, sondern im Dialogprinzip, interaktiv?
Der Gesetzentwurf muss auch noch den Praxistest bestehen. Wir müssen uns fragen, wie aufwendig die ganze Geschichte ist. Ein medienpolitischer Kollege aus Sachsen hat nach dem Aufwand recherchiert, den ich kurz nennen will: Allein im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird von insgesamt ungefähr fünf Millionen Seiten ausgegangen, die gekennzeichnet werden müssten. Geht man davon aus, dass für die Kennzeichnung einer Seite zehn Sekunden erforderlich sind - ich denke, das ist nicht zu hoch und nicht zu niedrig gegriffen -, ein durchschnittliches Arbeitsjahr 220 Arbeitstage hat und der Arbeitstag in der Regel acht Stunden umfasst, dann bräuchte man ungefähr acht Jahre, bis alle Internetseiten allein im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks altersklassifiziert sind.