In den vergangenen Jahren hat sich die Zeitarbeitsbranche auf dem ersten Arbeitsmarkt etabliert und agiert wie jede andere Branche gewinnorientiert. Das hat zu einer enormen Zunahme von Zeitarbeitnehmern und Lohndumping in fast allen Branchen geführt. Die Gewerkschaften ver.di, NGG und IG Metall haben mehrfach dokumentiert, wie Unternehmen Leiharbeit gezielt zum Lohndumping einsetzen.
Lohndumping durch Leiharbeit geht auf Kosten der Stammbelegschaften, der Solidargemeinschaft und der öffentlichen Kassen. Bereits heute müssen viele Zeitarbeitnehmer zur Sicherung des Lebensunterhalts zusätzliche Sozialleistungen in Form von Aufstockerleistungen beantragen. Damit werden die Gewinne der Unternehmen durch den Staat subventioniert.
Die Fraktion DIE LINKE will, dass sich Leistung auch für jeden abhängig Beschäftigten und jede abhängig Beschäftigte wieder lohnt. Seine bzw. ihre Familie soll wieder von seiner bzw. ihrer Hände Arbeit leben können. Auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes würde eine enorme Entlastung der Beschäftigten und des Staates herbeiführen.
Erstens. Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz werden sämtliche Ausnahmeregelungen in Bezug auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestrichen. Ab dem ersten Einsatztag erhalten Leiharbeiter für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn wie die Festangestellten. Ein Tarifvertrag kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn er bessere Bedingungen vorsieht.
Das im Jahr 2003 unter der rot-grünen Bundesregierung geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz hat den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durch die Regelung ersetzt, dass Leiharbeiter schlechter als Festangestellte bezahlt werden dürfen, wenn Leiharbeitsfirmen einen Tarifvertrag abschließen.
In den einschlägigen Tarifverträgen für den Bundesverband Zeitarbeit - Personaldienstleistungen, BZA, sind 13 % Abschlag geregelt. Beim Interessenverband der deutschen Zeitarbeitsunternehmen, IGZ, sind 13,5 % Abschlag vorgesehen. Aber nicht selten erhalten Leiharbeitnehmerinnen zwischen 30 und 50 % weniger Lohn bzw. Gehalt.
Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund, weshalb Zeitarbeitnehmer für die gleiche Arbeitsleistung ein geringeres Entgelt erhalten sollen als Festangestellte.
Zweitens. Die Überlassungshöchstdauer wird im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wieder auf drei Monate begrenzt. Im Jahr 1972 wurde mit der Einführung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eine Überlassungshöchstdauer von drei Monaten zugelassen. Vorher - das möchte ich an dieser Stelle erwähnen - war in Deutschland Zeitarbeit verboten.
Seit Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Überlassungshöchstdauer ständig liberalisiert und im Jahr 2003 ganz aufgehoben. Das hat zu einem Boom in der Zeitarbeitsbranche geführt und zu deren Etablierung auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Allein in dem Zeitraum von 2003 bis Juni 2008 hat sich die Zahl der Leiharbeitnehmer in Sachsen-Anhalt von 15 844 auf 27 846 Beschäftigte erhöht. Infolge der Krise waren es im Jahr 2009 in 1 121 Verleihbetrieben noch 20 557 Beschäftigte. Damit wurde eine Etablierung auf dem ersten Arbeitsmarkt und ein Austausch von Stammbelegschaften durch billigere Zeitarbeitnehmer in vielen Unternehmen möglich. Und der Niedriglohnsektor ist weiter auf dem Vormarsch.
Das will die Fraktion DIE LINKE nicht. Wir wollen, dass die gesetzlichen Regelungen der ursprünglichen Inten
tion von Leiharbeit als Abfederung von Auftragsspitzen wieder gerecht werden. Die durch die Hartz-Gesetze in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eingeführte Möglichkeit, einen Dauerarbeitsplatz zeitlich unbefristet mit ein und demselben Leiharbeitnehmer zu besetzen, ebnet der Verdrängung regulärer Beschäftigungsverhältnisse und der Umgehung tariflicher Beschäftigungs- und Entlohnungsregelungen den Weg.
Drittens. Im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes erhalten Betriebsräte im Entleihbetrieb ein zwingendes Mitbestimmungsrecht über den Einsatz von Leiharbeitnehmern. Die betriebliche Mitbestimmung ist ein hohes Gut in der Demokratie. Die Ausgestaltung der eigenen Arbeitsbedingungen, der Unternehmensstrukturen und der Unternehmensentwicklung gibt den Beschäftigten die Motivation, sich aktiv einzubringen.
Das soll auch für die Leiharbeitnehmerinnen gelten. Dazu hat unsere Fraktion in diesem Hohen Haus schon mehrfach gesprochen, und wir werden uns diesem Thema demnächst wieder zuwenden, weil es Bestandteil der Arbeitsbedingungen ist.
Viertens. Zusätzlich wird im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zwingend eine Flexibilitätsprämie vorgeschrieben. Eine Ausweitung oder das Ersetzen der Stammbelegschaft schadet dem Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt.
Hier können wir auch von Frankreich lernen. Dort gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz uneingeschränkt und die Leiharbeitnehmerinnen haben zusätzlich einen Anspruch auf eine Flexibilisierungsprämie in Höhe von 10 % der Bruttolohnsumme. Dadurch wird die hohe Flexibilität von Leiharbeitnehmerinnen honoriert, was außerdem bewirkt, dass Leiharbeit wieder strikt begrenzt und auf die Abfederung kurzfristiger Personalengpässe zurückgeführt wird.
Ich finde schon, dass wir einmal von Frankreich lernen können. Die haben auch schon lange einen Mindestlohn. Aber das wollen Sie ja nicht. Sie schauen immer darüber hinweg.
Meine Damen und Herren! Unterstützen Sie unseren Antrag und fordern Sie die Landesregierung auf, im Bundesrat aktiv zu werden und auch den anderen Antrag, den ich anfänglich angesprochen habe, zu unterstützen und umzusetzen.
Frau Rogée, ich möchte Sie nur fragen, ob Sie wissen, dass es Manteltarifverträge zwischen dem DGB und der Zeitarbeitsbranche gibt.
Mit dem Bundesverband; das habe ich eben gesagt. Darin sind die Abschläge von 15 % geregelt. Natürlich weiß ich das.
Vielen Dank. - Jetzt erteile ich Herrn Minister Haseloff das Wort. Aber zuvor begrüßen wir Schülerinnen und Schüler des Walther-Rathenau-Gymnasiums in Bitterfeld-Wolfen auf der Südtribüne.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Ich teile die Auffassung der Antragsteller nicht, wenn es darum geht, der Zeitarbeit das Image eines den Arbeitsmarkt aushöhlenden Phänomens zu geben.
Bei all den auch aus meiner Sicht nicht akzeptablen Fehlentwicklungen, die sich aber auch nur auf eine überschaubare Zahl von Unternehmen beschränkten und die mehrheitlich in den 90er-Jahren zu verzeichnen waren, kann ich nicht erkennen, dass die Zeitarbeit in Gänze tatsächlich so verheerend wirkt, wie Sie es darstellen.
Ich möchte dies an zwei Beispielen belegen, bevor ich auf den Antrag zu sprechen komme. Es ist zwar richtig, dass auch in Sachsen-Anhalt die Zahl der Leiharbeiter zwischen Juni 2005 und Juni 2008 um 80 % auf rund 35 500 zugenommen hat, aber selbst im Jahr 2008 betrug deren Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weniger als 5 %.
Bis zum Juni 2009 ging die Zahl der Leiharbeitnehmer in Sachsen-Anhalt, sicherlich krisenbedingt, innerhalb eines Jahres um 35 %, also um mehr als ein Drittel, auf etwas mehr als 23 000 zurück. Dies entsprach einem Anteil von 3,1 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Leiharbeit in großen Teilen tatsächlich eine bewegliche Spitze des Fach- und Arbeitskräftebedarfs abdeckt.
Ein weiteres Argument für die Leiharbeit an sich ist die unverändert hohe Erfolgsquote der Wiedereingliederung von vormals Arbeitslosen in eine reguläre Beschäftigung. Daher warne ich davor, die Leiharbeit in Gänze als Gefahr für die reguläre tarifliche Beschäftigung darzustellen. Arbeitsmarktpolitiker sprechen sogar von dem effizientesten Instrument zur Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit.
Aber lassen Sie mich näher auf Ihren Antrag eingehen. Mit Beschluss vom 19. November 2008 haben das Euro
päische Parlament und der Rat der Europäischen Union eine Richtlinie beschlossen, die mit ihrer Veröffentlichung am 5. Dezember 2008 in Kraft trat. Den Mitgliedstaaten wird in dieser Richtlinie eine Frist zur Umsetzung in nationales Recht bis zum 5. Dezember 2011 gesetzt. Dieses Gesetzgebungsverfahren wurde in Deutschland noch nicht eingeleitet.
Im Rahmen des so genannten Lissabon-Prozesses hat der Rat in seinen integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung die Flexicurity-Grundsätze entwickelt und verabschiedet, die unter anderem zur Förderung der Flexibilität in Verbindung mit Beschäftigungssicherheit und zur Verringerung der Segmentierung des Arbeitsmarktes dienen sollten. Das heißt, die Ziele Flexibilität und Sicherheit auf dem jeweiligen Arbeitsplatz sollen mit einer Klammer verbunden werden, weil man dieses flexible Instrument Zeitarbeit generell braucht.
Nach der EU-Richtlinie müssen die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Leiharbeitnehmer mindestens denjenigen entsprechen, die für diese Arbeitnehmer gelten würden, wenn sie auf dem gleichen Arbeitsplatz von dem entleihenden Betrieb eingestellt würden. Wenn Arbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen abgeschlossen haben, sollte angesichts des durch den unbefristeten Arbeitsvertrag gegebenen besonderen Schutzes die Möglichkeit vorgesehen werden, von den im entleihenden Unternehmen geltenden Regelungen abzuweichen.
Bereits heute gewährt die Bundesrepublik in der Zeitarbeitsbranche die von der EU geforderten Ausnahmeregelungen. So ersetzt der Branchentarifvertrag bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen die Entgeltregelung des entleihenden Unternehmens.
Artikel 4 der Richtlinie regelt, dass Verbote und Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit nur aus Gründen des allgemeinen Interesses gerechtfertigt sind - ich wiederhole: nur aus Gründen des allgemeinen Interesses. Das heißt im Umkehrschluss, ansonsten sind sie zu gewähren und zu gewährleisten.
Dazu gehören insbesondere der Schutz des Leiharbeitnehmers, die Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Erfordernisse des Gesundheitsschutzes und die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu verhüten.
Auch wenn diese Richtlinie noch nicht in deutsches Recht umgesetzt wurde, engt sie den Gestaltungsspielraum dergestalt ein, dass Gesetzesänderungen nur noch im Sinne der Zielsetzung dieser Richtlinie möglich sind. Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sollten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der EU-Richtlinie diskutiert und gegebenenfalls beschlossen werden.
Im Rahmen des Umsetzungsverfahrens ist noch einmal zu prüfen, ob es sich in Fällen wie bei Schlecker tatsächlich um Regelungslücken oder lediglich um unklare Begriffsdefinitionen handelt. Gesprächsbedarf gibt es bei solchen aktuellen Anlässen also durchaus.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE geht aus meiner Sicht über den nach der einschlägigen EU-Richtlinie zulässigen Rahmen der Einschränkung der Zeitarbeit hinaus. Wir sind aber in der EU, demzufolge kann es inner