Protocol of the Session on February 19, 2010

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE geht aus meiner Sicht über den nach der einschlägigen EU-Richtlinie zulässigen Rahmen der Einschränkung der Zeitarbeit hinaus. Wir sind aber in der EU, demzufolge kann es inner

halb der EU auch nicht zur Umsetzung gelangen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Rogée, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Minister, möchten Sie Fragen beantworten? - Nein. Wird dann aus der Frage eine Zwischenbemerkung? - Nein, auch nicht.

Dann bitte Frau Rente.

Herr Minister, ich habe ein Problem. In Genthin gibt es eine Zeitarbeitsfirma, die an den Nachfolgebetrieb von Henkel Zeitarbeiter auf der Basis von 165 € ausleiht. Das heißt, die Zeitarbeiter bekommen 165 €, wenn sie 100 Stunden geleistet haben. Wenn sie keine 100 Stunden geleistet haben, ist das prozentual weniger. Die Stunden, die über den 100 Stunden liegen, werden nicht vergütet, sondern kommen auf ein Zeitarbeitskonto. Ich weiß nicht, was das noch mit Zeitarbeit zu tun hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Rogée, möchten Sie sich auch noch äußern? - Bitte schön.

Herr Minister, es macht mich traurig, dass Sie auf meine Frage nicht antworten wollen, weil ich jetzt eine sehr sachliche hatte.

(Heiterkeit bei der CDU - Minister Herr Dr. Daeh- re: Jetzt!)

Sie haben gesagt, dass die Anzahl der in Sachsen-Anhalt und in Thüringen tätigen Leiharbeiter 23 239 beträgt. Das sind die Agenturzahlen für Sachsen-Anhalt und Thüringen. Für Sachsen-Anhalt sind es 20 557 Leiharbeiter.

Ich habe folgende Frage: Können Sie mir erklären, wieso die Differenz zu Thüringen nur ca. - ich rechne es jetzt nicht genau aus - 3 000 Leiharbeiter beträgt? - In Sachsen-Anhalt sind es mehr als 20 000 Leiharbeiter. Das muss doch Gründe haben. Liegt es an den Förderbedingungen oder Ähnlichem? Vielleicht könnten Sie mir das irgendwann einmal mitteilen.

Das war eine Zwischenbemerkung. - Jetzt kommen wir zu den Debattenbeiträgen. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Hampel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat sich in dieser Legislaturperiode schon mehrfach mit dem Thema der Leiharbeit befasst. Auch im Wirtschaftsausschuss gab es hierzu ausgiebige Beratungen. Wir haben dazu auch eine Anhörung durchgeführt. Das macht den hohen Stellenwert dieses Themas deutlich.

Aber ich will klar sagen: Nach den jüngsten Vorfällen bei Schlecker, die auch aus der Sicht der SPD-Fraktion eine

neue Qualität des Missbrauchs in dieser Branche aufgezeigt und auch eine Diskussion auf Bundesebene ausgelöst haben, halte ich eine Fortführung der Diskussion durchaus für angebracht.

So hat auch die Bundesarbeitsministerin Frau Ursula von der Leyen im Rahmen der Vorstellung des Elften AÜG-Berichts, also des Berichtes zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, vor einigen Tagen angekündigt, dass Fachleute ihres Ministeriums diese Entwicklung in der Leiharbeitsbranche prüfen und bei Feststellung von Missbrauch nachsteuern würden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis zum Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Leiharbeit in Deutschland - auch in Sachsen-Anhalt - mit dazu beigetragen, die Arbeitslosigkeit zu senken. Es ist richtig, dass durch die Leiharbeit Brücken für die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt gebaut werden. Ich will nur eine Zahl nennen: 64 % der in Zeitarbeit Beschäftigten waren vorher arbeitslos.

Doch es zeigt sich auch, dass in Zeiten der Krise zuerst die Leiharbeiter die Verlierer sind. Die Zahlen wurden genannt. Ein Rückgang des Anteils der Leiharbeiter in Sachsen-Anhalt um 35 % spricht für sich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns in diesem Hohen Haus sicherlich darin einig, dass Leiharbeit grundsätzlich ein hilfreiches Instrument ist, mit dem Betriebe Auftragsspitzen und saisonale Schwankungen auffangen können. Das hat sich auch in der Anhörung bestätigt.

Wir sind uns aber auch darin einig, dass negative Auswüchse bei der Leiharbeit zu beschneiden sind. Diese negativen Auswüchse gibt es zahlreich und in unterschiedlichen Formen. Ich will nur eine nennen - ich glaube, Frau Rogée hat es schon angesprochen: Jeder achte Beschäftigte in der Leiharbeit bezieht ergänzende staatliche Leistungen trotz Vollzeittätigkeit, sodass dafür im gesamten Bundesgebiet pro Jahr 500 Millionen € an Steuermitteln aufgewendet werden müssen.

Herr Franke, wir sind uns sicherlich darin einig: Dieses Geld sollte besser in die Bildung, in die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen investiert werden.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Frau Fischer, SPD: Richtig!)

Herr Franke, nun habe ich Sie angesprochen und will es gleich vorwegnehmen, weil ich glaube, dass die Antwort der FDP darauf prompt kommen wird. Es war wieder einmal Rot-Grün im Jahr 2002, die diese Liberalisierung in der Leiharbeitsbranche vorgenommen hat.

(Herr Gürth, CDU: Hartz I war das!)

Im Zuge der Hartz-Reform sollte damals die Flexibilisierung der Unternehmen erreicht werden. Es sollte auch erreicht werden, Geringqualifizierte wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen.

(Herr Gürth, CDU: Es war nicht alles schlecht bei Schröder! - Herr Gallert, DIE LINKE: Die SPD war schlecht!)

Ich habe auch gesagt, dass dieses Ziel erreicht worden ist. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, zum damaligen Zeitpunkt konnte niemand voraussehen, dass sich Gewerkschaften wie die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften hier etablieren würden, die dann

Lohndumping in einem Ausmaß betreiben, bei dem einem schlecht wird.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD, und von Herrn Tögel, SPD)

Deshalb ist es ein gutes Zeichen, dass das Landesarbeitsgericht Berlin/Brandenburg dieser Tarifgemeinschaft die Tariffähigkeit entzogen hat. Ich weiß, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Aber ich glaube, dass wir damit rechnen können, dass dieses Urteil rechtskräftig wird.

Die SPD-Fraktion hat bereits im Jahr 2007 mit einigen Gewerkschaften Eckpunkte für eine Begrenzung der Leiharbeit erarbeitet, um die bereits zum damaligen Zeitpunkt erkannten Auswüchse in dieser Branche zu beschneiden. Wir konnten dies allerdings auf Bundesebene mit unserem Partner CDU politisch nicht verändern.

Aus unserer Sicht sind nachfolgende Regelungen längst überfällig. Wir glauben auch, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geändert werden muss. Es muss nach einer kurzen Einarbeitungszeit der Grundsatz gelten: gleiche Arbeit - gleiches Geld!

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir sehen auch, dass die konzerninterne Verleihung durch eigene Leiharbeitsgesellschaften unbedingt begrenzt werden muss, damit sich ein Fall wie Schlecker zukünftig nicht wiederholt. Die maximale Verleihdauer wollen auch wir begrenzen. Das sind jetzt nur drei Schwerpunkte, die wir sehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Noch ein Schlusssatz, da meine Redezeit schon wieder abgelaufen ist: Verbesserte Regelungen für die Zeitarbeit sind kein Instrument, um Zeitarbeit zu reduzieren, sondern ein Instrument, um die Zeitarbeit vernünftig zu regulieren.

In diesem Sinne sollten wir die Diskussion im Wirtschaftsausschuss führen. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zur Überweisung des Antrages in den Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungs- bank)

Vielen Dank, Frau Hampel. - Nun erteile ich Herrn Franke das Wort, um für die FDP-Fraktion zu sprechen. Bitte schön.

(Unruhe)

Sie werden noch alle enttäuscht. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind sich vermutlich alle Fraktionen dahin gehend einig, dass die Vorgänge bei Schlecker nicht nur Ausdruck eines schlechten Führungsstils, sondern vielmehr eine Form von Missbrauch der Zeitarbeit sind.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Herrn Gürth, CDU)

Die FDP lehnt derartige Geschäftsmethoden von Schlecker entschieden ab. Auf einen flächendeckenden Missbrauch von Zeitarbeit gibt es aber trotz des aktuellen Falls derzeit keine Hinweise. Außerdem hat die Fir

ma Schlecker inzwischen angekündigt, mit der betreffenden Zeitarbeitsfirma keine neuen Verträge mehr abschließen zu wollen.

Aber dennoch ist es sinnvoll, gesetzliche Schritte zu prüfen; denn die Größenordnung, mit der wir es bei Schlecker zu tun haben, ist bedenklich. Die „Financial Times Deutschland“ kommt bei dem Fall Schlecker zu folgendem Schluss - ich zitiere -:

„Zeitarbeit dient in diesem Fall einzig und allein dazu, Lohnkosten dauerhaft zu drücken. Von dem ursprünglich anvisierten Ziel, Unternehmen Spielraum für Produktionsschwankungen zu geben, ist nichts übrig. Das mag nach den Buchstaben des Gesetzes legal sein, widerspricht aber seiner Intention.“

Auch Arbeitsmarktpolitiker der CDU/CSU- und der FDPBundestagsfraktion haben dies deutlich gesagt und hierzu eine Überprüfung angekündigt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zeitarbeitsbranche hat in den letzten Jahren trotz Wirtschafts- und Finanzkrise eine positive Entwicklung genommen. Angesichts des Einzelfalls Schlecker scheinen viele zu vergessen, dass gerade diese Branche in den letzten Jahren einen beispiellosen Beschäftigungsboom entfacht hat und dabei ein Image für sich entwickeln konnte, das sie zunehmend auch für Hochqualifizierte interessant erscheinen lässt.

Die Zeitarbeit hat insbesondere die Aufgabe, betriebliche Auftragsspitzen aufzufangen, Innovation und Auftragssprünge in der Anfangsphase personell zu begleiten und für eine Vertretung im Urlaubs- oder Krankheitsfall zu sorgen.

Zeitarbeit ist eine effektive und mit Abstand die wirtschaftlichste Form der Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt, da die Kosten von Unternehmen und Arbeitnehmer überwiegend selbst erwirtschaftet werden. Hinter der Zeitarbeit stehen fast ausnahmslos sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze.

Die Zeitarbeit findet eben nicht wie viele andere Arbeitsprogramme unter einem besonderen Schutzschirm statt, sondern in der harten Realität des globalen Wirtschaftslebens. Die Zeitarbeiter sorgen durch ihre Flexibilität für dringend notwendige Impulse und für Veränderungen in den Leihunternehmen, da sie festgefahrene betriebliche Denk- und Verhaltensmuster nicht nur infrage stellen, sondern diese häufig auch positiv verändern.